Google
This is a digital copy of a book that was prcscrvod for gcncrations on library shclvcs bcforc it was carcfully scannod by Google as pari of a projcct
to make the world's books discoverablc online.
It has survived long enough for the Copyright to expire and the book to enter the public domain. A public domain book is one that was never subject
to Copyright or whose legal Copyright term has expired. Whether a book is in the public domain may vary country to country. Public domain books
are our gateways to the past, representing a wealth of history, cultuie and knowledge that's often difficult to discover.
Marks, notations and other maiginalia present in the original volume will appear in this flle - a reminder of this book's long journcy from the
publisher to a library and finally to you.
Usage guidelines
Google is proud to partner with libraries to digitize public domain materials and make them widely accessible. Public domain books belong to the
public and we are merely their custodians. Nevertheless, this work is expensive, so in order to keep providing this resource, we have taken Steps to
prcvcnt abuse by commercial parties, including placing lechnical restrictions on automated querying.
We also ask that you:
+ Make non-commercial use ofthefiles We designed Google Book Search for use by individuals, and we request that you use these files for
personal, non-commercial purposes.
+ Refrain fivm automated querying Do not send automated queries of any sort to Google's System: If you are conducting research on machinc
translation, optical character recognition or other areas where access to a laige amount of text is helpful, please contact us. We encouragc the
use of public domain materials for these purposes and may be able to help.
+ Maintain attributionTht GoogXt "watermark" you see on each flle is essential for informingpcoplcabout this projcct and hclping them lind
additional materials through Google Book Search. Please do not remove it.
+ Keep it legal Whatever your use, remember that you are lesponsible for ensuring that what you are doing is legal. Do not assume that just
because we believe a book is in the public domain for users in the United States, that the work is also in the public domain for users in other
countries. Whether a book is still in Copyright varies from country to country, and we can'l offer guidance on whether any speciflc use of
any speciflc book is allowed. Please do not assume that a book's appearance in Google Book Search mcans it can bc used in any manner
anywhere in the world. Copyright infringement liabili^ can be quite severe.
Äbout Google Book Search
Google's mission is to organizc the world's Information and to make it univcrsally accessible and uscful. Google Book Search hclps rcadcrs
discover the world's books while hclping authors and publishers rcach ncw audicnccs. You can search through the füll icxi of ihis book on the web
at|http: //books. google .com/l
Google
IJber dieses Buch
Dies ist ein digitales Exemplar eines Buches, das seit Generationen in den Realen der Bibliotheken aufbewahrt wurde, bevor es von Google im
Rahmen eines Projekts, mit dem die Bücher dieser Welt online verfugbar gemacht werden sollen, sorgfältig gescannt wurde.
Das Buch hat das Uiheberrecht überdauert und kann nun öffentlich zugänglich gemacht werden. Ein öffentlich zugängliches Buch ist ein Buch,
das niemals Urheberrechten unterlag oder bei dem die Schutzfrist des Urheberrechts abgelaufen ist. Ob ein Buch öffentlich zugänglich ist, kann
von Land zu Land unterschiedlich sein. Öffentlich zugängliche Bücher sind unser Tor zur Vergangenheit und stellen ein geschichtliches, kulturelles
und wissenschaftliches Vermögen dar, das häufig nur schwierig zu entdecken ist.
Gebrauchsspuren, Anmerkungen und andere Randbemerkungen, die im Originalband enthalten sind, finden sich auch in dieser Datei - eine Erin-
nerung an die lange Reise, die das Buch vom Verleger zu einer Bibliothek und weiter zu Ihnen hinter sich gebracht hat.
Nu tzungsrichtlinien
Google ist stolz, mit Bibliotheken in Partnerschaft lieber Zusammenarbeit öffentlich zugängliches Material zu digitalisieren und einer breiten Masse
zugänglich zu machen. Öffentlich zugängliche Bücher gehören der Öffentlichkeit, und wir sind nur ihre Hüter. Nie htsdesto trotz ist diese
Arbeit kostspielig. Um diese Ressource weiterhin zur Verfügung stellen zu können, haben wir Schritte unternommen, um den Missbrauch durch
kommerzielle Parteien zu veihindem. Dazu gehören technische Einschränkungen für automatisierte Abfragen.
Wir bitten Sie um Einhaltung folgender Richtlinien:
+ Nutzung der Dateien zu nichtkommerziellen Zwecken Wir haben Google Buchsuche Tür Endanwender konzipiert und möchten, dass Sie diese
Dateien nur für persönliche, nichtkommerzielle Zwecke verwenden.
+ Keine automatisierten Abfragen Senden Sie keine automatisierten Abfragen irgendwelcher Art an das Google-System. Wenn Sie Recherchen
über maschinelle Übersetzung, optische Zeichenerkennung oder andere Bereiche durchführen, in denen der Zugang zu Text in großen Mengen
nützlich ist, wenden Sie sich bitte an uns. Wir fördern die Nutzung des öffentlich zugänglichen Materials fürdieseZwecke und können Ihnen
unter Umständen helfen.
+ Beibehaltung von Google-MarkenelementenDas "Wasserzeichen" von Google, das Sie in jeder Datei finden, ist wichtig zur Information über
dieses Projekt und hilft den Anwendern weiteres Material über Google Buchsuche zu finden. Bitte entfernen Sie das Wasserzeichen nicht.
+ Bewegen Sie sich innerhalb der Legalität Unabhängig von Ihrem Verwendungszweck müssen Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst sein,
sicherzustellen, dass Ihre Nutzung legal ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass ein Buch, das nach unserem Dafürhalten für Nutzer in den USA
öffentlich zugänglich ist, auch für Nutzer in anderen Ländern öffentlich zugänglich ist. Ob ein Buch noch dem Urheberrecht unterliegt, ist
von Land zu Land verschieden. Wir können keine Beratung leisten, ob eine bestimmte Nutzung eines bestimmten Buches gesetzlich zulässig
ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass das Erscheinen eines Buchs in Google Buchsuche bedeutet, dass es in jeder Form und überall auf der
Welt verwendet werden kann. Eine Urheberrechtsverletzung kann schwerwiegende Folgen haben.
Über Google Buchsuche
Das Ziel von Google besteht darin, die weltweiten Informationen zu organisieren und allgemein nutzbar und zugänglich zu machen. Google
Buchsuche hilft Lesern dabei, die Bücher dieser Welt zu entdecken, und unterstützt Autoren und Verleger dabei, neue Zielgruppcn zu erreichen.
Den gesamten Buchtext können Sie im Internet unter|http: //books . google .coiril durchsuchen.
»
\
J
]
■p
• '
-^
r
w
.■)
S MCllIS TOl^llf.
mmHÜNGl DES VEREINS FÜR ME DER AACHENER VORZEIT
IM AUFTRAG DES VEREINS HERAUSGEGEBEN
HEINRICH SCHNOCK.
ACHTER JAHRGANG.
AACHEN.
Kommissions-Vbklag der ('kembb'schen Buchhandlung (C. Cazin).
189.1.
I
J
DD
^^Z'V' ■•'-'■^
INHÄLT.
8«ite
1. Baugeschichte des Hauses Friesheim. Von J. Bachkremer. . . . 1
2. Kleinere Mittheilungen:
1. Die Servielsburg als Eorrektionshatie. Von M. Schollen . . . 16
2. Die Neubedachong des Marschierthores. Von H. Schnock. . . 16
3. Reinard von Schönan, der erste Herr von Schönforst. Von H. J. Gross 17
4. Der Reliqnienbehälter des hl. Anastasios im Aachener Dom. Von
B. M. Lersch 76
5. Abbrach der Hftuser des Josephinischen Instituts und des Waisenhauses
in der Pontstrasse. Von J. Buchkremer 91
6. Kleinere Mittheilungen:
1. Freilegung des Chores der Nikolauskirche in Aachen. Von
J. Buchkremer 92
2. Spottgedicht auf die Franzosen aus dem Jahre 1793. Von C. Wacker 94
7. Die Familie von Friesheim in Aachen im 17. und 18. Jahrhundert. Von
Franz Oppenhoff 97
8. Der ehemalige malerische und plastische Wandschmuck im karolingischen
Theüe des Aachener Münsters. Von C. Rhoen 113
9. Bericht über das Vereinsjahr 1894^95 124
10. Mitgliederrerzcicliniss 126
•JH^t=5'
Anm Äm@&im@ ¥@f;iili
Jikhrtich 8 Niiramcrii Koinmissifms-Vei'Iaf; .
II 1 Bngcu Rny.ll .Olilav. ''*''
( 'reuicr'sc'Uen ßuclihniKlluiig
Trcis (ip^ .luhrsaiiss ,(, c„,„
4 Uark. in Aachen.
Mittheilungen des Vereins für Kunde der Aachener Vorzeit,
Im Auftrage ien Vereins berausgegebeD tou H. Sohnook.
Nr. 1. Achter Jahrgang. 1895.
Inhalt: J. Bnclikremer, BauKesohicht« des Hanscs Friesheim. ~ K. Wacker, Ein merk-
würdiger Fnnd. — Kleinere Mitllieilunfien: 1. Die Serriclsbiirg als Korruktiimsliaus.
2. Die Neabedachaii^ des Marschiert liorc».
Baugeschichte des Hauses Friesheim
(seit 1717 Armenhaus). — Aachen, Bergdrisch Xr. 2.
Von .1. Bochkremer.
H<enii drei Blatt Alibildaugen.
Im ,Tuni de-i vorigen Jahres hat Aachen wiedenim ein selir merk-
würdiges altes Bauwerk verleren. In Folge von Strassenerweitening an
der Stelle, wo sich Bergdrisch und Seilgraben vereinigen und zur Zeit
nur die geringe Strassenbreite von 4—5 Meter bestand, musste das Haus ■
Bergdiisch Nr. 2, das sogen. Friesheimsche Haus mit seiner nächsten
Umgehung abgetragen werden, üie neue Strassenflucht, deren Lage zu
den alten Gebäulichkeiten au» der punktirten Linie im Grundrisse Fig. 2
auf Blatt 1 zu erselien ist, liegt an der engsten Stelle 13 Meter weiter
zurück als die frühere Flucht und schnitt dadurch fast zwei Drittel von der
alten Baumasse weg, sodass eine sonst vielleicht ■ mögliche theihveise
Erhaltung des interessanten Hauses und eine Wiedevanfrichtung der alten
Fassade, der neuen Strassenflucht entsprechend, ganz ausgeschlossen war.
Alle, die sich für Aachens Vergangenheit interessiren, werden den Ver-
lust dieses Denkmals tief beklagt haben, ganz besonders aber diejenigen,
die dieses Haua genauer gekannt und ausser der Strassenansicht auch die
malerische Hofanlage und das Innere mit eignen Augen gesehen haben.
Es ist aber dafür Sorge getragen worden, dass durch zeichnerische
und photographische Aufnahmen das Bild des Friesheimscben Hauses unter
uns fortleben wird. In Folge eines Beschlusses des städtischen Ausschusses
9 —
zur Erhaltung der liistorischen Bauwerke hat das hiesige Stadtbauanit
die Grundrisse des Hauses aufgenommen und von der Strassenansicht eine
Photographie anfertigen lassen'. Ausserdem hat der Verfasser vorliegender
Arbeit die Hofansicht und einige Einzelheiten des Innern aufgezeichnet.
In Folgendem ist eine Beschreibung des Friesheimschen Hauses und
der mit ihm von 1717 an zusammenhängenden Bauten gegeben, die durch
drei Tafeln erläutert wird. —
Im Laufe der Zeiten hat das Haus mannigfache Umänderungen erfahren
und neue Anbauten erhalten; seine Baugeschichte wird im 18. Jahrhundert
noch dadurch besonders reichhaltig, dass das städtische Armenhaus hierhin
verlegt wurde. Dadurch mussten nämlich mehrere nach dem Seilgraben
zu liegende Bauten, die für das Armenhaus gebaut worden waren, mit dem
Hause Friesheim verbunden werden.
Bevor wir mit der Beschreibung beginnen, mögen einige kurze Mit-
theilungen über die Familie von Friesheim (auch Freisheim), soweit solche für
die Baugeschichte dieses Hauses von Werth sein können, hier Platz finden.
Die Familie von Friesheim ^ kam um die Wende des 16. Jahrhunderts
nach Aachen. Sie führte im Herzschilde ihres Wappens einen Adler; das
Wappen selbst ist quadrirt und zeigt im 1. und 4. Felde einen Baum, im
2. und 3. Felde eine Lilie. — 1683 wird der letzte von Friesheim geboren ^ —
Die Tradition hat das Haus Bergdrisch Nr. 2 stets das Friesheimsche
genannt; es geht aber auch aus dem Umstände, dass auf dem Kamine der
Haupthalle dieses Hauses sich unter anderem das oben angegebene Wappen
der Familie von Friesheim fand, unzweifelhaft hervor, dass genanntes
Haus dieser Familie gehörte. Wenn es aber richtig ist, dass die Friesheim
erst um die Wende des 16. Jahrhunderts nach Aachen gekommen sind, so
haben sie das ursprüngliche Haus nicht selbst gebaut, da dasselbe in seinen
ältesten Theilen aus dem frühesten Anfange des 16. Jahrhunderts stammt.
Erste Bauperiode. Anfang des 16. Jahrhunderts.
Wir gehen nun zu der eigentlichen Beschreibung und Baugeschichte
über. Zunächst sei der noch in Aller Erinnerung stehenden schönen Fassade
gedacht*. Es war dieses so ziemlich die letzte bedeutendere Fassade, die
uns eine Vorstellung von der heimischen Bauweise des 15. und 16. Jahr-
hunderts geben konnte. Mannigfachen Unbilden hat sie lange Zeit getrotzt
und sich in ziemlich ursprünglicher Form und in noch verhältnissmässig
^) Diese Originalaufnahmen und eine Phothograpbie befinden sich im hiesigen
stÄdtischen Archiv. Ausserdem werden in dem Suermondtmuseum 4 Phothographien und
einzelne Reste des Hauptgesimses der Fassade sowie Theile der Kamine aufbewahrt.
*) Macco, Beiträge zur Genealogie rheinischer Adels- und Patrizierfamilien Bd. II,
Aachen 1887, S. 35.
^) Eine der nächsten Nummern dieses Jahrgangs wird eingehendere Mittheilungen
ilber die Familie von Friesheim und ihre Beziehungen zu Aachen bringen. (Anmerkung
der Redaktion.)
*) Auf der Lichtdrucktafel Blatt Nr. 2 ist dieselbe dargesteUt, wie sie vor dem
Abbruche noch bestand. Die Detailzeichnung eines Theiles der Vorderfassade ist auf
Blatt Nr. 1 der Abbildungen unter Fig. 3 mitgetheilt.
— 3 —
gutem Zustande bis in unsere Tage hinübergerettet. — Sie war durchweg
aus wohlbearbeiteten grossen Blausteinquadern aufgebaut, und wirkte
dadurch trotz der einfachen Architekturformen sehr monumental.
Die Fassade bildete im Gnmdrisse keine geradlinige Flucht, sondern
bestand aus zwei Theilen, die dem Strassenlaufe folgend einen stumpfen
Winkel unter sich bildeten. Der linke Theil hatte eine Länge von 11,5 Meter,
der rechte eine solche von 10.8 Meter. Das Haus besass ausser dem Erd-
geschosse und Dachboden nur noch ein Obergeschoss und war grössten-
theils nicht unterkellert. Daher hatte die Fassade, die mit einem horizontalen
Hauptgesimse abscliloss und nach der Strasse zu keine Giebel zeigte,
nur die geringe Höhe von durchschnittlich 8,5 Meter.
Sie erhielt ihre Haupttheilung durch die beiden Fensterreihen des
Erdgeschosses und des obern Stockwerkes. Im Erdgeschosse hatte nur
der linke Fassadentheil Fensteröfinungen, während der rechte in früherer
Zeit nur das bis zum Abbruche vermauerte Thor enthielt, im obern Geschosse
hatten dagegen beide Fassadentheile Fenster. Diese waren, je nach der
Grösse der dahinter liegenden Zimmer bald zu zweien, bald zu dreien
gruppenweise zusammengefasst. Die Fenster des obern Stockwerkes waren
oben und unten durch zwei kleine gothische Gesimse, bestehend aus ein-
facher Schräge mit Hohlkehle^ begrenzt, von denen das obere als Bekrönung
und das untere als Fensterbank diente. Diese Gesimse setzten sich über
die ganze Länge der Fassade fort. Bei den Fenstern des Erdgeschosses
fehlte indessen das Fenstersockelbankgesimse ganz; statt dessen war dicht
über der Strassenhöhe ein kleiner Sockel angeordnet, der mit einfacher
Schräge abschloss und dem Gefälle der Strasse entsprechend bei dem
rechten Fassadentheil um 60 Centimeter tiefer stand als bei dem linken Theile.
Was die Ausbildung der Fensteröffnungen selbst anbelangt, so bildete
jedes Fenster ein stehendes Rechteck, das durch ein miteingemauertes
Steinkreuz in vier unter sich fast gleiche Theile zejfiel. Die Gewände
(die die Fenster seitlich begrenzenden Steine) sowie der Mittelpfosten
zeigten über den horizontalen Kreuzbalken als Profilirung nur eine kleine
Abschrägung; an dem untern Theile der Fenster zeigten sie dagegen
einen kleinen viereckigen Falz, worin sich die hölzernen Fensterläden legten,
wenn diese geschlossen wurden. Auffallend ist hierbei, dass eben nur die
untern Fenstertheile einer jeden Fenstergruppe solche Läden erhielten;
eine Anordnung, die sich übrigens bei allen Fenstern dieser Art zeigte
Die hölzernen Fensterläden des Friesheimschen Hauses hatten zierlich
ornamentirten Eisenbeschlag, bestehend aus zwei sich verästelnden Stäben,
^) Diese Anordnung findet man bei allen alten Aachener Häusern, und zwar an den
Fenstern aller Stockwerke. Bei vielen Fenstern wurden im 18. Jahrhundert die Stein'
kreuze herausgenommen, um dadurch grössere Fenster zu (erhalten. Bei diesen wird man
noch jetzt durch den oben erwähnton Falz, der sich nur in dem untern Theil der (Tcwände
zeigt, an das Vorhandcnseiu der ursprünglichen Kreuzforra und an jene oben erwähnte
Eigeuthümlichkeit erinnert. Worin diese ihre Begründung findet, ist schwer zu sagen, es
ist aber nicht unwahrscheinlich, dass die Schwierigkeit, die Fensterläden der oberen Fenster
bequem erreichbar zu machen, zumal diese meistens nicht geöffnet werden konnten,
allmählich es überall dahin brachte, dass nur die unteren Fenster solche Läden erhielten.
— 4 —
die an ihren Ausläufen Lilien zeigten. Einer dieser Fensterläden war
noch mit seinem ursprünglichen Beschlag erhalten.
Den Hauptschmuck der ganzen Ansicht bildete das schöne Haupt-
gesimse. Die noch erhaltenen Theile desselben bildeten einen spätgothischeu
auf Consolen ruhenden Bogenfries, der als Maasswerk mit stark ausgezogenen
Nasen ausgebildet und ziemlich plastisch profilirt war.
Die Anwendung und Ausbildung der Consolen lässt bereits den Ein-
fluss der Renaissance erkennen und darauf schliessen, dass die Fassade
gleich nach 1500 errichtet wurde. Der oberste Abschluss des Haupt-
gesimses bestand zur Zeit nicht mehr, sondern war durch einige Schichten
Ziegelsteinmauerwerk ersetzt worden. Wir haben uns denselben als ein-
fache Gesimsleiste zu denken, aus Schräge und Hohlkehle bestehend, worauf
dann unmittelbar das steile Dach ansetzte. Der linke Theil der Fassade
zeigte 16 von den oben beschriebenen Maasswerkbögen im Hauptgesimse.
Das ganze Gesimse des rechten Theiles dagegen, die Consolen mit ein-
begriffen, bestand zur Zeit nicht mehr; es war nach dem Aachener Brande
durch einfaches Ziegelmauerwerk ersetzt worden.
Einen weiteren Schmuck erhielt die Fassade noch durch die schmiede-
eisernen Anker, von denen in beiden Geschossen zusammen 20 Stück an-
gebracht waren. Dieselben waren aus Rundeisen hergestellt; ihre Form sowie
die der eben erwähnten Fensterlädenbeschläge ist aus der Darstellung eines
Theiles der Fassade auf Blatt 1 der Abbildungen unter Fig. 3 zu ersehen.
Diese Zeichnung zeigt auch die Form des Hauptgesimses, diejenige der
Fenster und die Behandlung der Mauerflächen über diesen in Form von
sogen, scheitrechten Bögen, die zur Entlastung der das Fenster ab-
schliessenden Gesimsquader angeordnet waren ^
Bis zum Jahre 1859 waren an den Fenstern, die der grossen Halle 0
(siehe Grundriss Fig. 1) des Erdgeschosses entsprachen, sechs kleine reich
und sehr kunstvoll geschmiedete Korbgitter angebracht, die etwa 40 Centi-
meter vorstanden, aber nicht wie gewöhnlich die ganze Höhe des Fensters
einnahmen, sondern nur 80 Centimeter hoch und nach oben hin offen waren '^.
Wie bereits oben erwähnt, befand sich in dem rechten Theile der
Fassade, an der im Ginindrisse Fig. 1 zwischen 3 und 4 bezeichneten
Stelle, ursprünglich das Eingangsthor ^ Dasselbe war 2,7 Meter breit und
*) An jedem grösseren Steine bemerkte man in der Mitte ein rundes Loch, das
nach früherer Bauweise zum Aufziehen der Steine gedient hat Im Kittelalter wurden
die schweren Hausteine mit Hülfe eiserner Zangen aufgezogen. Zu dem Zwecke musste
jeder Stein 2 Löcher erhalten, worin die Eisenspitzen eingreifen konnten. Diese Löcher
brachte man nun nicht in den unsichtbaren vermauerten Seitenflächen, sondern in der
bearbeiteten Vorderseite und Rückseite dos Steines an, damit der Stein, noch in der Zange
hängend, leicht versetzt werden konnte. Daher zeigen die meisten alten Bauten in der
Mitte der Quader durch Putz verstrichene Löcher.
*) 1859 wurden diese Korbgitter auf Wunsch des Bewohners, dem allerhand Belästigung
daraus entstand, entfernt und wahrscheinlich in das Grashaus gebracht. Ueber den
Verbleib derselben ist nichts Weiteros bekannt geworden.
') Bei der nun folgenden Beschreibung des Grundrisses sei auf die Grundriss-
zeiehnungen auf Blatt 1 der Abbildungen hingewiesen. Fig. 1 enthält nur den Grund-
— 5 —
sclllo^5S in Form eines Halbkreises ab. In späterer Zeit ist dasselbe ver-
mauert worden, und war daher nur dem Aufmerksamen noch sichtbar. Bei
dieser Vermauerung sind nämlich auch die dasselbe einfassenden Gewände-
steine sogar im Bogen entfernt worden; wahrscheinlich weil diese Gewände
sehr plastisch pofilirt waren und dadurch bei der Vermauerung eine glatte
Fläche sonst nicht hätte erzielt werden können. Dieses Portal haben wir
uns in der formalen Ausbildung ähnlich demjenigen an dem etwas jüngeren
Gebäude der Polizeidirektion in der Pontstrasse zu denken.
Dieses ursprüngliche Thor führte in die Vorhalle A, der sich rechts
ein kleiner Eaum B anschloss, der einzige des ganzen Hauses, der unter-
kellert war. Aus dieser Vorhalle gelangte man nach Durchschreitung eines
zweiten Thores (in der Mauer 7 — 8), das dem Hauptthore an Ausdehnung
und Form entsprach und noch bis zum Abbruche des Hauses in der ursprüng-
lichen Weise erhalten war, in den Hofraum. Gleich links in der Mauer
8 — 9 befand sich die malerische Eingangsthür zum Innern des Hauses
selbst. Die Mauern der Hoffassaden waren in der ersten Bauperiode wie
die der Strassenfassade aus glatt bearbeiteten grossen Blausteinen her-
gestellt. Die Profiliruug des eben erwähnten Hofthores und eines dicht
daneben liegenden kleinen Fensters bestand aus einer kleinen Hohlkehle.
Reicher war die zum Wohnhause führende Eingangsthür ausgebildet. Diese
hatte ebenso wie das zuletzt erwähnte Fenster neben dem Hofthor keinen
horizontalen Sturz, sondern einen oberen Abschluss in Form eines flachen
Korbbogens. Das Gewändeprofil bestand hier aus zwei Hohlkehlen, die
durch eine grade Fläche von einander getrennt waren. Diese Thür hatte
ein Oberlicht in Form zweier kleiner Fenster, die denen der Strassenfassade
entsprachen und eine einfache schmiedeeiserne Vergitterung zeigten. An
dem Stürzquader dieser Fenster war ein kleiner 50 Centimeter vorstehender
schmiedeeiserner Anker angebracht, der wahrscheinlich zum Anhängen
einer Laterne diente. Die ganze Gruppirung der Hot'anlage, die in den
Theilen des Erdgeschosses noch bis zum Abbruche ganz der ursprüng-
lichen Anlage entsprach, wirkte ausserordentlich malerisch. In dem Licht-
druckbilde auf Blatt H der Abbildungen ist die eben beschriebene alte Hof-
anlage noch zu erkennen '.
Trat man durch die zuletzt erwähnte Thür in das Innere ein, so
gelangte man in die grosse Halle (- (siehe den Gi'undriss Fig. 1), die den
Hauptwohnranm ursprünglich bildet-e. Die Wand 8 — 18 wurde später
eingebaut. Diese Halle hatte in ihrer ehemaligen Grösse die Ausdehnung,
die im Grundriss durch die Zahlen 3 — 9—10 — 2 begrenzt wird und war
10,6 Meter lang und 0,2 Meter breit. In der Mitte der der Thür gegenüber-
liegenden Längswand (2 — 10) befand sich ein grosser Kamin. (Schon aus
der Lage dieses Kamines geiit hervor, dass die Wand 8 — 13 später ein-
gebaut sein muss.) Zwei auf einfachen Oonsolen ruhende schwere Unter-
riss des eigentlichen Kriesbeimselicn Hauses, während Fig. 2 auch die Umgebung des
Hauses zeigt. Durch verschiedene Behandlung der Mauern sind die einzelnen Bauperiodeu
kenntlich gemacht.
*) Diese Hofansicht ist von dem Punkte Z (siehe Grundriss Fig. 2 Blatt 1) aufgenommen.
— 6 —
zugbalken trugen die kleinen Balken der Decke. In der Nähe der Fenster-
wand lag in dieser Halle ein grosser Brunnen.
Das Erdgeschoss der ersten Anlage hatte ausser diesem Hauptraum
noch einen weiteren D, der 7 Meter lang und 5,2 Meter breit war, und
von einem dritten Räume E aus zugänglich war. In dem letzten Räume
wird wahrscheinlich auch früher schon die zur Zeit nicht mehr erhaltene
alte Treppe gelegen haben.
Wir hätten damit die alte ursprüngliche Grundrissanlage, die durch die
Zahlen 1 — 12 umgrenzt wird, besprochen. Dass im Vergleich zu den noch
sonst vorhandenen Wänden, die hierbei berücksichtigten als die ursprüng-
lichen bezeichnet werden müssen, beweist sich durch die Materialien,
woraus die einzelnen Mauern hergestellt waren, und aus dem Verband der
verschiedenen Mauern miteinander. Die alten Mauern waren in Bruchstein
aufgeführt, während die der spätem Bauten verschiedenartiges Ziegelstein-
material zeigten. Nun ist aber grade die Wand 8 — 9 und 9—10 aus Bruch-
steinen errichtet, während die an dieser Stelle zur Zeit des Abbruches
vorhandenen andern Mauern aus Ziegelsteinen und ohne Verband an die
alten Wände angesetzt waren. Es kann somit der ursprüngliche Grund-
riss nur so gewesen sein, wie er oben besprochen wurdet
Die Eintheilung des oberen Geschosses der ersten Anlage wird der-
jenigen des unteren entsprochen haben; es kamen hier aber noch die beiden
Zimmer über A und B hinzu. Diese waren von der über C gelegenen
Halle durch einen ausgekragten und in Holzfachwerk gebildeten Gang F
zugänglich gemacht, der die ganze Wandlänge von 6—8 einnahm und bei
8 mit der oberen Halle in Verbindung stand. Dieser 1,30 Meter weite
ausgekragte Gang ruhte auf drei schweren Balken, die frei, ohne Consol-
unterstützung auskragten. (Die ursprüngliche Ausbildung war niclit mehr
erhalten.) Diese Balken gingen bis zur Strassenfassade durch und waren
hier mit den entsprechenden Zierankern verbunden.
Die im Vorhergehenden beschriebene iVrm und Ausdehnung des
Hauses ist diejenige der ersten Anlage. Die Strassenfassade, sowie die des
Hofes geben uns den einzigen Anhalt für die Bestimmung der Entstehungs-
zeit. Zieht man hierbei die formale Gestaltung des Hauptgesimses mit
seinen bereits in Renaissanceformen gebildeten Consolen, sowie die Behand-
lung der Hofthüre, die Anwendung der scheitrechten Bögen über den
Fenstern und die Form der Anker in Betracht, so müssen wir die erste
Bauzeit in den Anfang des 16. Jahrhunderts verlegen.
Zweite Bauperiode.
Im Anfange des 17. Jahrhunderts wurde das Haus Friesheim im
Innern, dem Geschmacke der Zeit entsprechend in einfachen Renaissance-
fonnen, neu eingerichtet. In den Räumen C und D des Erdgeschosses
sowie in dem über D gelegenen Räume des oberen Geschosses befanden
•) In dem vom Stadtbauamte gezeichneten Grundrisse ist irrthüralicb nur der Bau-
theil 1--2--3— 4— 5— 7 -8—13-12 als alter Bau angegeben, indem die Mauer 8—13 als
urspningliche angesehen wurde.
— 7 —
sich noch bis in unsere Tage drei ziemlich reich ausgebildete Kamine,
die nicht aus der ersten Bauanlage stammten. Diese Kamine zeigten die
Formen der entwickelten Renaissance und sind nach diesen zu urtheilen
in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts ausgeführt worden. Es ist
nicht unwahrscheinlich, dass die Hei*stellung dieser Kamine und die gleich-
zeitige Neueinrichtung des Hauses überhaupt mit der Erwerbung des
Hauses durch die Familie von Friesheim zusammenfallt, oder vielleicht
bei Gelegenheit der Vermählung des Freiherrn Gottfried von Friesheim
mit Katharina Amya, die 1G29 stattfand, erfolgte, zumal da der Kamin in
der Haupthalle C das Wappen der Familie von Friesheim zeigt.
Der Kamin in der Halle (\ der grösste von allen ^, hatte als seitliche
Begrenzung der Feuerstelle zwei nackte Figuren, eine männliche und eine
weibliche, die je einen Wappenschild trugen. Wappenbilder waren hierauf
ausser der Quadrirung nicht zu erkennen. Diese beiden Figuren trugen
weit ausladende Steinconsolen, Avorauf der eigentliche, aus Ziegelstein auf-
gemauerte Rauchfang ruhte. Dieser wurde an seinem unteren Rande durch
ein Gesimse aus Haustein eingefasst, das aus einem schmalen Architrav,
einem breiten Friese und einer weit ausladenden Gesimsleiste bestand.
Dieser Fries enthielt in der Mitte eine zierliche Kartusche, in der Form
des Schrifttäfelchens oben auf Blatt 1 der Abbildungen. Es befand sich
darauffolgende Inschrift:
Psalm 102.
Darum!) o Herr hoere meyn Gebet und
Laes mein Schreyen zu Dir komen. ^
Verbirg Dein Angesicht nicht fun
Mir. Wen ich Dich anrufe so
erhoere mir baldt.
Seitlich von dieser Schrifttafel waren auf diesem Friese zwei Wappen
angebracht. Links befand sich das Wappen der Familie vim Friesheim.
Die Form des vSchildes war eine einfache Kartusche; sie ist auf Blatt 3
neben dem Spruchbande angegeben. Das rechts von der Schrifttafel
angebrachte Wappen zeigte einen Balken, über demselben zwei und unter
demselben ein Hermelinschwänzchen. Dieses Wappen ist bis jetzt noch
nicht entziffert worden: wenn die oben ausgesprochene Vermuthung zutrifft,
würde es das Wappen der Familie Amya sein.
Dieser Hauptkamin wirkte durch seine schönen Verhältnisse, durch
das mächtige Rauchfanggesinise, worauf grosse Gegenstände zur Dekoration
aufgestellt werden konnten luul besonders dadurch, dass die beiden Unter-
zugbalken der Decke sich symmetrisch zu dem Kamine anordneten, überaus
günstig und harmonisch mit dem Räume zusammen.
Der zw^eite Kamin befand sich in dem Räume D des Erdgeschosses.
Dieser zeigte an den beiden Seiten zwei Karyatiden, deren Gesammtform
aus zwei übereinander stehenden Tonsolen bestand, von denen die obere
0 Vergleiche hierzu die Abbildimg auf Blatt 3, welche dio Gesammtform dieses
Kamines und die Details der beiden später besprochenen enthält.
— 8 —
den Kopf eines Kriegers trug und au dereu vordereu Seite i>ic!i eiu Akauthus-
blatt befand; die untere Console war durch Fruchtgehänge geschmückt.
Diese beiden Karyatideu schlössen durch jonische Kapitelle nach oben
hin ab, worauf ohne Consolen der senkrecht ansteigende Rauchfang ansetzte.
Eine flache Eisenschiene, die sich in entsprechende Vertiefungen dieser
beiden Kapitelle legte, diente als Auflager für den aus Ziegelsteinen auf-
gemauerten Rauchfang. Das Gesimse an dem unteren Rande desselben
bestand bei diesem Kamine aus Holz, das sich um den steinernen Kern
herumlegte.
Sehr interessant hinsichtlich der formalen Ausbildung war der dritte
Kamin im Obergeschoss, in dem über D gelegenen Räume. Die Seiten-
stücke desselben zeigten hier zwei liegende schön modellirte Löweu^ die
in den ausgestreckten Vordertatzen einen in Kar tuschenformen ausgebildeten
Wappenschild hielten. Der untere Theil der Seitentheile wurde durch
jonische Säulchen gebildet, die auf kleinen quadratischen mit Rosetten ver-
zierten Postamenten standen. Auch bei diesem Kamine war das Rauchfang-
gesimse bloss in Holz, ähnlich dem des zuletzt beschriebenen Kamines, aus-
gebildet. Die über dem Gesimse verbleibende geputzte Fläche des Rauch-
fanges enthielt einen viereckigen profilirten Rahmen, der wahrscheinlich
für ein Bild bestimmt war.
Dritte Bauperiode.
Der grosse Aachener Stadtbrand vom Jahre 1656 hat auch das Fries-
heimsche H^us zu einem grossen Theile zerstört. Von der Strassenfassade
musste die oberste Gesimsleiste, sowie das ganze Hauptgesimse des rechten
Theiles derselben in Folge des Brandschadens abgetragen werden. Diese
Stücke wurden nicht mehr durch entsprechende neue ersetzt; es wurde
vielmehr bei der Wiederherstellung des Hauses die fehlende Höhe durch
Backsteinmauerwerk wieder ausgeglichen. Die oberen Theile der Mauern
8 — 9 und 9 — 11 sind bei diesem Brande eingestürzt; der ausgekragte
Gang des Obergeschosses bei F mit seiner hölzernen Fachwand wurde
ebenfalls vernichtet. Aber auch das Innere und besonders die Kamine
hatten grossen Schaden genommen.
Der sofort in Angriff genommene Umbau beschränkte sich aber nicht
auf die Wiederherstellung des Hauses in seinem früheren Umfange, sondern
wurde auch zu einem Erweiterungsbau. Alle diese Arbeiten sind mit fast
übertriebener Eile bewerkstelligt worden; bereits im folgenden Jahre waren
dieselben erledigt.
Der Grundriss wurde nunmehr vergrössert (siehe Blatt 1 Fig. 1) und
erhielt statt der alten Grenze 9—10 — 11 nun noch die Erweiterung G,
die durch die Zahlen 9—14 — 15 — 11 begrenzt wird. Im Uebrigen blieb
wahrscheinlich die Anlage der Zimmer genau dieselbe; auch wurde der
alte ausgekragte Gang mit seiner Fachwand, wenn auch in sehr einfacher,
fast roher Weise, wieder neu aufgerichtet. Dieser Gang wurde nach dem
Hofe zu als offene Laube ausgebildet und nicht durch Fenster geschlossen.
■p-*
ft.<>'
r^-fr>. j. i. X.
<i""ti"il fcr
\
J3r.3
:r
werk
reell
mal
lief
Tili
Zlll
ab
D:
(r
" — '
— 9 —
l>ie Gosanimtöffnung dieser Halle wurde von aussen durch zierliclio« Holz-
werk eingerahmt: unten durch eine Brüstungsleiste, oben durch ein regel-
rechtes Gesimse mit Architrav und Fries. Zwei Gruppen von je drei
gedrehten Säulchen mit einfachem geschnitzten Kapitell theilten diese ganze
Oeffnung in drei gleiche fast quadratische Theile. In späterer Zeit hat
man diese Säulchen mit Brettern vernagelt und die dazwischen verbleibenden
Oeffnungen durch Glasfenster geschlossen. Erst bei dem Abbruche dieses
Theiles kam die oben beschriebene Anordnung der offenen Laube wieder
zum Vorschein.
Das sichtbare Fachwerk dieses ausgekragten Ganges war gut gezimmert,
aber ganz ohne Kunstformen aus unbearbeiteten Holzstämmen hergestellt.
Die Ausmauerung der einzelnen Gefache bestand aus unverputztem Ziegel-
mauerwerk, dessen Steine durch kreuzweises Gegeneinanderstellen einfache
geometrische Muster bildeten.
Bei diesem Umbau im Jahre 1657 erhielt das ganze Haus auch den
noch zur Zeit erhaltenen Dachstuhl. Da ein einheitliches Dach über dem
alten Hause und dem neuen Querbau G zu hoch geworden wäre, so erhielt
der neue Theil zwei kleine Dächer, die iu das grosse Dach des Hauses
einschnitten. Es wurde daher die neue Fassade 14 — 15 durch zwei Giebel
bekrönt, die jenen beiden kleinen Dächern entsprachen. Die damals getroffene
Anordnung ist aus dem Lichtdruckbilde auf Blatt 3 der Abbildungen zu
ersehen. Die neuen Mauern 9 — 14 und 14 — 15 etc., sowie die Ergänzung
der alten beim Brand schadhaft gewH)rdenen Mauern fand in gutem Ziegel-
steinmauerwerk statt. Die Eingangsthür zu der Haupthalle, die mit ihren
beiden Oberlichtfenstern erhalten war, erhielt einen neuen korbbogenförmigen
Entlastungsbogen und eine neue Holzthtire, die, in Rahmen und Füllung
kleine Quadrate bildend, sich sehr gut ausnahm und noch bis zum Abbruche
erhalten war. Die Fenster der neuen Hoffassaden wurden denen der
Strassenansicht ähnlich ausgebildet, als Kreuzfenster, jedoch war, dem
Geschmacke der Zeit entsprechend, der horizontale Kreuzbalken etwas
höher gelegt, so dass der untere Fenstertheil erheblich grösser wurde als
der obere.
Die überstehenden Dächer der beiden eben erwähnten Giebel erhielten
an der vorderen Giebelkante jene für diese Zeit in Aachen charakteristische
Ausbildung in Form von zierlichen Freibindern, die auf den äussersten
Sparren aufgenagelt wurden. Die reich geschnitzten Schrägbalken dieser
Freibinder waren etwa zwei Meter unter der Spitze durch je einen horizon-
talen Balken verbunden. Die Kanten dieser Hölzer waren nach einem
rythmisch wiederkehrenden Muster ausgeschnitten, die verbleibende Fläche
war vertieft und durch zahnschnittähnliche Verzierungen belebt. Auf den
beiden horizontalen Querbalken stand, entsprecliend auf beiden vertheilt^,
Anno — 1 05 7.
') In der stuf dem stiidtischeu Archiv befindlichea Aufnahme vum Stadibauamte
stellt 1637; der Irrthum wurde durch Vergleich mit dem nach dem Abbruche wieder auf-
gefundeneu Original berichtigt.
— 10 —
An ihrem untern Ende ruhten diese Freibinder auf reich ausgeschnittenen
Holzconsolen, wie wir solche noch oft in Aachen sehen können ^
Bei dem grossen Brande hatte natürlich auch das Innere des Hauses
sehr stark gelitten, und musste daher wieder neu ausgebaut werden. Die
Kamine und auch die Mauern worin sich dieselben befanden, müssen nicht
mehr standfest gewesen sein; denn bei dieser Instandsetzung wurden an
allen Kaminen seitlich von den Steinkonsolen Verstärkungen vorgemauert.
Diese sind im Grundrisse Fig. 1 auf Blatt 1 zu erkennen. Sie verdeckten
zum Theile die Ornamente und Figuren der seitlichen Theile, sodass der
gesammte Aufbau der Kamine in der Wirkung dadurch sehr beeinträchtigt
wurde. In diesen Mauervorlagen brachte man bei den beiden Kaminen im
Räume D und darüber an jeder Seite des Kamines je zwei kleine, dicht
übereinanderliegende, tiefe Wandschränkchen an, von denen das unterste
etwas über Tischhöhe begann. Während die eben erwähnten Mauer-
verstärkungen aus Ziegelstein bestanden, waren diese Schranknischen in
denselben durch Blausteinquader eingefasst. Durch zierliche Holzthürchen
waren diese Schränkchen abgeschlossen. ^
Die Decken in den einzelnen Zimmern wurden durch schwere schräg
abgefaste Unterzugbalken, die auf einfachen Consolen ruhten, getragen.
Auch bei den verbleibenden Theilen der Decke blieben die Balken in ihrer
ganzen Stärke sichtbar, indem der Verputz um dieselben herumgeführt
wurde. An den Enden wurden sie durcli den entsprechend aufgetragenen
Putz halbkreisförmig mit einander verbunden. Diese malerische und sehr
wirkungsvolle Anordnung ist auf dem einen Lichtdruckbilde auf Blatt 3
zu erkennen.
' Bei diesem neuen Ausbaue des Hauses wurden wahrscheinlich auch
die vorher bei Beschreibung der Strassenfassade erwähnten schmiede-
eisernen Korbgitter an den Fenstern der grossen Halle ausgeführt. — So
blieb das Haus Friesheim bis zum Beginne des folgenden Jahrhunderts,
Avo es von den von Friesheim, die in Aachen um diese Zeit ausstarben,
verkauft wurde.
') Es wäre sehr zu wünschen, dass für die Erhaltiinf? der noch bestehenden Giebel-
vcrzierungen dieser Art allseitig gesorgt werde. Die hübschen stets wechselnden Ver-
zierungen an diesen vStellen bieten viele schönen Motive. Wie bei dem oben beschriebeneu
Beispiele, so ist fast immer auf dem horizontalen Querbalken dicht unter der Spitze die
Jahreszahl der Ausführung angebracht. Ein weiteres für Aachen kennzeichnendes Motiv
bei dieser Anordnung besteht darin, dass die meisten (Hebel dieser Art als oberste Bekrönung
eine kleine runde Stange zeigen, die aus den verzierten Hölzern herauswächst und mit einer
kleinen Kugel abschliesst; dicht unter dieser Kugel sind zwei kreuzweise zu einander
stehende doppelköpHge Adler angeordnet. Diese Adler, aus zwei gleichen Hälften bestehend,
sind aus diinnem flachen MetaUblech ausgeschnitten und sitzen wie die Blätter einer
gothischen Kreuzblume an der eben erwähnten Stange. Die weitaus meisten Bekrönungen
dieser Art sind verschwunden, auch da, wo der Giebel selbst noch erhalten ist. Zu sehen
ist die originelle und schöne Anordnung noch an zwei Stellen: 1. an dem Hause Markt und
Ecke Klost^rgasse, und 2. Romaneygasse 5 (Htthnermarktj.
— u —
Die Einriclitung des Friesheinisclien Hauses und seiner
Umgebun^^ als Armenhaus.
Im Jahre 1716 oder 1717 wurde das Friesheimsche Haus von der
Armenverwaltung der Stadt Aachen aus den Erträgen einer für die Grün-
dung eines Waisenhauses veranstalteten Lotterie angekauft. Es geht dieses
aus der am 30. März 1718 gethätigten Dotationsurkunde hervor ^
Für das hierselbst am Bergdrisch zu errichtende Armenhaus wurden
um das Friesheimsche Haus herum umfangreiche Neubauten gemacht,
ausserdem erfuhr aber auch das Haus selbst im Innern einige Umänderungen.
Aus dem auf Blatt 1 Fig. 2 mitgetheilten Grundrisse ist diese Bau-
thätigkeit zu ersehen und in der angegebenen Weise durch verschiedene
Schraffirung der einzelnen Mauern kenntlich gemacht. Es handelt sich
zunächst um die Neubauten H, I, K und L. Der Bautheil H erstreckte
sich bis an die Giebelmauer 5 — 0 des alten Friesheimschen Hauses heran,
und war von dem Bautheile I in dem Erdgeschosse durch eine Einfahrt,
die den Haupteingang zum Armenhaus bildete, getrennt. Der Bautheil I
enthielt die Kirche; das östliche Ende des 150 qm grossen Kirchen-
raumes enthielt den quadratischen Chor und rechts und links von dem-
selben kleine Sakristeiräume, von denen der eine direkt von der Strasse
aus zugänglich war.
Der Eingang zur Kirche fand nur von der Anstalt selbst aus statt
und zwar vom Hofe aus, an der damals noch nicht bebauten Längswand
bei R und S.
Der ebenfalls um diese Zeit neuerbaute Theil K war zur Aufnahme
der armen Mädchen, derjenige bei L für die Knaben bestimmt. Bei Q
befand sich der ziemlich ausgedehnte (5 tuten des Armenhauses.
Was die Umänderungen an dem früheren Friesheimschen Hause
selbst betrifft, so wurde zunächst der alte Eingang in der Mauer 3—4
in der oben beschriebenen Weise vermauert. Die neuen Zugänge zu der
Anstalt befanden sich bei M und N. Ausserdem wurden die Wände 8 — 13,
16 — 17, 10 — 17, 18—19 und 20 — 21 neu eingebaut, und damit eine Ver-
bindung des alten Hauses mit dem neuen Bautheile K hergestellt.
So blieb der bauliche Bestand bis zum Jahre 1771. Als 1768 in
Folge eines Testamentes vom 23. März der verstorbenen Anna Herwartz-
in dieses Waisenhaus auch Hausarme aufgenommen werden sollten, waren
die bestehenden Räumlichkeiten nicht mehr gross genug. Es wurde eine
Erweiterung durch den Neubau eines Querhauses 0 pr(>jektirt und nach
vielen Vorschlägen in der auf Grundriss Fig. 2 bei 0 angegebenen Weise
ausgeführt. Mit dieser Erweiterung wurde der damalige Stadtarchitekt
und Sekretär Jakob ('ouven beauftragt. Couven arbeitete im Ganzen vier
') Vgl. Salm, Histor. Darstenuiij; des Armciiwesens der Stadt Aachen, 1870, S. 55 und
die Chronik des Aachener Notars Johann Adam Weinandts : Zeitschrift des Aachener (loschichts-
vereius XVI, S. 164; hiernach wurde das Haus für ,,3000 spcc. Pattacons" anj^ekanft.
*) Salm a. a. 0. S. 58 und 139.
— 12 —
verscliietUjiio rrojektc aiiji. Aus den dazu gemachten noch erhaltenen
Zeichnungen lässt sich auch der bauliche Zustand der übrigen zum Armen-
haus gehörigen Gebäude, wie sie seit 1717 entstanden, genau ersehen.
Die ersten Projekte Couvens waren bedeutend umfangreicher, als die
späteren. Anfangs sollte der ältere Bau L ganz fallen und der Neubau
die ganze Länge von R bis L einnehmen und auch noch in der Richtung
nach T bis zur Grenze seine Fortsetzung finden. Der schliesslich nach
1771 zur Ausführung kommende und 1774 fertige Bau umfasste den durch
0 bezeichneten Theil. Derselbe enthielt bei R den grossen Speisesaal, der
direkt mit der daneben liegenden Kirche durch eine grosse Oeffnung in
Verbindung stand.
In Folge des stetigen Anwachsens der aufzunehmenden Zöglinge und
durch die Verbindung des Waisen-Kinderhauses in der Wirichs-
bongardstrasse mit dem in Rede stehenden Armenhause am Bergdrisch
wurden nach 1807 von Neuem Erweiterungen und Umbauten nöthig. Diese
erstreckten sich auf die Bautheile H, I und K.
Die alte Kirche war zu klein geworden und wurde daher in fast
doppelter Ausdehnung neu errichtet. Der Neubau nahm fast dieselbe Stelle
wie die alte Kirche ein, und war begrenzt durch die Buchstaben U, V,
W, X. Er erhielt eine halbkreisförmige Apsis (N) als Chor.
Der Bautheil K wurde in der im Grundriss angegebenen Weise ver-
grössert und dadurch mit L verbunden.
Der Bautheil Hi wurde theilweise niedergelegt und nun hierhin der
Haupteingang mit den Zimmern des Pförtners verlegt. Es war dieses das
Thor, das noch zur Zeit bestand und den Zugang zu dem alten Fries-
h^imschen Hause vermittelte.
Die Zahl der Pflegebefohlenen vermehrte sich aber so sehr, dass in
den vierziger Jahren an eine Verlegung des Armenhauses behufs mög-
lichster Vergrösserung gedacht werden musste. 1844 kaufte daher die
Armenverwajtung das alte Emundtsehe Haus in der Pontstrassc oberhalb
des Josephinischen Instituts, und richtete dieses als Waisenhaus ein^
Das alte Waisenhaus am Bergdrisch mit seiner Umgebung wurde
nun zu Schulzwecken für die Schulen der Pfarre St. Nikolaus umgebaut.
Das alte eigentliche Friesheimsche Haus- und der 1774 gebaute Theil O
wurden als Lehrervvohnung eingerichtet, während die übrigen Bauten,
speziell auch die Kirche, durch Einbauen entsprechender Zwischenwände
zu Schulräumen umgebaut wurden.
Der alte Kirchenraum wurde bei diesem Umbau zweigeschossig, durch
Einlage einer neuen Zwischendecke. Das neue Obergeschoss wurde durch
') Im Monat August und September des vergangenen Jahres ist auch dieses inter-
essante Haus gleichzeitig mit den anderen Häusern des Josephinischen Instituts, die nach
der Strasse zu lagen, abgerissen worden.
^) Der Kaum (' (2 -H— 8 13) blieb noch bis IS*)!) als ArmenkUche bestehen. Hier
konnten die Armen gegen Karti'n Suppe erhalten, die ihnen durch ein in der Wand 3 8
angebrachtes Fensterchen gereicht wurde. Mit dem Kamin in diesem Räume war bis zu
diesei Zeit ein grosser Kessel fest vermauert.
— 13 —
eine Wendeltreppe, die man in die runde Chornische X verlebte, zn<ränff-
lich gemacht. Die Anlage der früheren Kirche mit dieser runden Chor-
apsis war noch bis zum Abbniche deutlich zu erkennen *.
Heute ist der ganze Baukoraplex bereits dem Boden gleichgemacht.
Wenn auch die zuletzt besprochenen Neubauten um das alte Friesheimsche
Haus herum keinen kunstgeschichtlichen Werth besassen, indem dieselben
in einfachster Weise in Ziegelsteinmauerwerk nur als Nutzbauten herge-
richtet waren, so gilt dies doch nicht von dem Friesheimsclien Hause selbst.
Dieses alte Patrizierhaus bot noch in unsern Tagen, trotz seiner vielfachen
Verstünmielung durch unschöne Einbauten und trotz des eiufiirmigen
Anstriches der Hoffassaden einen höchst malerischen und anheimelnden
Gesammteindruck.
War es schon die stattliche noch ziemlich gut erhaltene Strassen-
fassade, die auch die Aufmerksamkeit des Laien noch auf sich zog. so
steigerte sich die Freude und Ueberraschung des Beschauers, wenn er den
malerischen Hof und das Innere des Hauses betrat. Hier boten sich ihm
eine Menge schöner Eindrücke. Wer unseren Beschreibungen gefolgt ist,
wird sich danach schon selbst ausgemalt haben, wie schön in früheren
Zeiten dieses Haus gewesen ist, wer aber an Ort und Stelle das Haus
gesehen hat und genauer zu sehen vermochte, wer die allenthalben ange-
brachten modernen Zuthaten sich hinwegdachte und die allgemeine weisse
Tünche der inneren Fassaden sich in Gedanken mit den lebhaften Farben
der Materialien, des weisslichen Blausteins, der dunkelrothen Ziegelsteine
und der saftig braunen Holztöne zu vertauschen verstand, dem entstand
auch bei dem jetzigen Zustande des Hauses noch ein sehr malerisches
stinmiungsvolles Bild, das wohl geeignet war, eine Vorstellung von der
Bauweise längst vergangener Zeiten zu geben.
Die auf dem Lichtdrnckbilde Blatt 3 mitgetheilte Hofansicht entspricht
genau dem letzten Zustande. Dasselbe gilt von der darüber angebrachten
Zimmeransicht, worin die grosse Halle C zur Darstellung gekommen ist.
Und nicht zum wenigsten waren es eben diese Innenräume, die auch zuletzt
noch einen sehr einladenden malerischen Eindruck machten. Die plastischen
freilich stark verbauten Kamine mit ihren weit vorstehenden und zur Auf-
stellung der verschiedensten Gegenständen einladenden Gesimsen, dann
die durch die schweren Unterzugbalken getragenen Decken, deren sichtbar
gelassene Balken einen lebhaften Wechsel zwischen Licht und Schatten
hervorriefen, und schliesslich die malerischen Kreuzfenster mit ihren kleinen
viereckigen grünlichen Scheiben, die ein stimmungsvolles Licht durch den
ganzen Raum verbreiteten, — alles dies wirkte trotz der Einfachheit des
Einzelnen zu einem sehr harmonischen Gesammtbilde zusammen, das wir
in unsern modernen Wohnräumen bei allem Formenluxus so oft vermissen.
Zum Schlüsse möchten wir noch einen Wunsch aussprechen. Mögen
Alle für die Erhaltung der alten Baudenkmale mit ganzen Kräften zur
^) Beim Abbruche dieser Bauten fanden sich in dem runden Treppenhause (dem
früheren Chor) noch Reste von Malerei.
— 14 —
rechten Zeit eintreten. Auch die einfachsten, scheinbar werthlosen Werke
müssen wir beachten. Nichts ist so verderblich, als die oft in solchen
Fällen vertretene Ansicht, dass nur Werke von entschieden künstlerischem
Werthe der Erhaltung und Beachtung würdig seien. Grade aus der Summe
vieler, scheinbar nutzloser und einfacher Einzelgegenstände kann sich ein
Gesanuntbild erzeugen, dessen Werth von Niemanden mehr bestritten
werden wird.
Wo aber die P^rhaltung selbst unthunlich oder unmöglich ist, da muss
zeitig dafür gesorgt werden, dass durch eine eingehende alles umfassende
Beschreibung und bildliche Darstellung wenigstens das Bild des betreffenden
Denkmals der Nachwelt erhalten bleibe.
Ein merkwürdiger Fund.
(Briefe Davouts an Napoleon I.)
Von K. Wacker.
Ein seltsamer Zufall hat in Aachen zur Entdeckung von Schriften
geführt, deren Inhalt für die Geschichte des Kriegsjahres 1813 nicht ohne
Bedeutung ist. Herr Gewerbeschul-Direktor Spennrath hatte seit Jahren
eine fast unbeachtet gelassene, in Berlin i. J. 1802 erschienene Duodez-
Ausgabe der „Jungfrau von Orleans" in seiner Bibliothek. Wann und
wo er dieselbe gekauft hat, weiss er nicht mehr anzugeben; soviel jedoch
kann er feststellen, dass er sie erworben hat seit seiner i. J. 1875 erfolgten
Niederlassung in Aachen. Das Büchlein war in Halbfranz gebunden und
hatte ziemlich starke, aus Pappe gearbeitete Einbanddeckel. Als es eines
Tages, auf der Fensterbank liegend, vom Regen durchnässt und darauf
wieder getrocknet wurde, brach das der innern Seite einer Einbanddecke
aufgeklebte weisse Papier auf und aus dem Riss traten eng. beschriebene
Papierstücke zum Vorschein. Als man nun auch die andere noch nicht
aufgerissene Einbanddecke aufbrach, fand man hier gleiche Schriftstücke:
im ganzen waren es fünf Briefe, drei fast ganz chiffrierte, zwei in gewöhn-
licher Cursivschrift. — Ihrem Inhalte nach enthalten die gefundenen Blätter
einen Bericht Davouts, des Herzogs von Auerstaedt, Fürsten von Eckmülil,
an Napoleon I. aus Hamburg vom 4. Dezember 1813, als Beilagen dazu
die Duplikate zweier älterer Berichte vom 16. und 19. November 1813
und eines undatierten Briefes, sowie die Abschrift eines Schreibens des
französischen Gesandten in Copenhagen, des Barons d'Alquier, an Davout
vom 30. November 1813.
Der Marschall Davout wurde nach Ablauf des zehnwöcheutlichen
Waffenstillstandes im August 1813 von seinem kaiserlichen Herrn beauf-
tragt, die von der grossen Napoleonischen Armee gegen Berlin zu unter-
nehmenden kriegerischen Operationen von Norden her auf das kräftigste
zu unterstützen. Er brach am 17. August von Hamburg auf und rückte
ins Mecklenburgische vor, wo ihm eine feindliche Heeresabteilung unter
Wallmoden- Gimborn gegenüberstand. Zu grösseren Unternehmungen kam
— 15 —
es auf diesem Teile des Kriegsschauplatzes nicht. Oudinot unterlag bei
Grossbeeren (22. August) seinen Gegnern und Davout begann am 2. Sep-
tember den Rückzug auf die Stecknitz, wo er unthätig verharrte, bis ihn nach
Zertrümmerung des französischen Hauptheeres bei Leipzig am 9. November
ein Befehl seines kaiserlichen Herrn erreiclite, — es war der erste seit
dem 18. August — demgemäss er sich auf Holland zurückziehen oder,
wenn dies nicht mehr ausführbar sei, auf Hamburg zu manövrieren sollte.
Ersteres schien ihm unmöglich. So rückte er denn unter Räumung der
an der Stecknitz eingenommenen Stellung auf Hamburg los, wo er am
3. Dezember nach fast viennonatlicher Abwesenheit wieder anlangte.
Tags darauf berichtete er seinem Kaiser in einem längeren Schreiben
über die jüngsten kriegerischen Ereignisse. Drei ältere Berichte, von denen
zwei ausdrücklich als „Duplicata^ bezeichnet sind, fügte er bei und unter-
zeichnete eigenhändig mit „Prince d'Eckmuhl'*. Diese Schriftstücke erhielten
mit der Kopie eines Alquierschen Briefes ein klug erdachtes Versteck im
Einband eines Buches. Dem Geschick der meisten früheren Brijofe Davouts
sollten auch sie nicht entgehen — sie gelangten nicht ans Ziel. Achtzig Jahre
in ihrem Versteck verborgen sind sie in Aachen wieder ans Licht gezogen.
Der Inhalt der Briefe hat natürlich mit der Geschichte Aachens nichts
zu thuen. Sie enthalten in ihren nicht chiffrierten Teilen N?ichrichten über
Ereignisse auf dem nördlichen Kriegsschauplatze und die Operationen in
und um Hamburg. Hieraus lässt sich der Inhalt der chiflFrierten Teile
ungefähr vermuten. Ich habe die verschiedensten Wejge eingeschlagen,
um zur EntziflFerung der Briefe zu gelangen — leider vergeblich. Das
erste Heft des laufenden Jahrgangs der historischen Zeitschrift der Görres-
Gesellschaft enthält einen aus meiner Feder stammenden Aufsatz über den
Fund mit einem Abdruck der entdeckten Briefe und mit näherem Bericht
über die von mir zum Zwecke der Entzifferung geth(inen Schritte.
Das Schicksal des Überbringers sich auszumalon mag der Phantasie
eines jeden überlassen sein. Ist Davouts Vertrauensmann erkannt, ver-
haftet, durch die Feinde oder durch ein Unglück pms Leben gekommen?
Ist er vor oder nach der Besetzung Aachens durch die Verbündeten dort
angelangt? Hat er in letzterem Falle daran verzweifelt, durch die Kriegs-
linie der Alliierten hindurchkommen zu können? Hat sich seine Reise in
jenen kriegerischen Zeiten so sehr verzögert, dass er in Aachen von den
Niederlagen Napoleons im Februar und März 1814 oder gar von seiner
Absetzung hörte? War der Überbringer so wenig neugierig, dass er die
Briefe nicht lesen wollte, als er den Entschluss gefasst hatte, seinen Weg
nicht weiter zu verfolgen? Wusste er vielleicht selbst nicht, was das
Buch enthielt? Letztere Annahmen sind nur wenig wahrscheinlich, und
wenn es mir gestattet ist, eine Vermutimg auszusprechen, so ist es die
dass der Überbringer in Aachen seinen Tod gefunden und das Geheimnis
in sein Grab mitgenommen hat.
Herr Direktor Spennrath hat die Briefe samt dem Buche, in dem
sie so lange geborgen waren, dem Aachener Stadtarchiv geschenkt.
— 16 —
Kleinere Mittheilungen.
Die Servielsburg als Korrektionshaus.
Die Servielsburg, von der Nopp (Aaeher Chronick, Ausg. von 1643, S. 75) berichtet,
(iass der Rath sie „jetzo zu Behafif deren, so mit der abschewlichen Kranckheit der Pesti-
lentz behaiftet, auff gegenwärtige Form gebawet" \ wurde im Anfange des 18. Jahrhunderts
als Korrektions haus zur Vollziehung solcher Disciplinarstrafen verwendet, welche gegen
die im Armenhaus untergebrachten Personen verhängt wurden, die den Anordnungen des
Raths nicht nachlebten. Dieses besagt eine Verordnung vom 24. April 1719, welche in den
Beamten-Protokollen mitgetheilt wird und also lautet: „Dan sollen die armen, so eines
ehrbaren raths Verordnungen zu geborgen unwillig, auf die also genante Seruilsburg auss
ihrer im arraenhauß genießender gelt allmoß in Waßer und brod zur correction gebracht
und alMa aufbehalten werden."
Aftchen. Schollen.
Die Neubedachnng des Marschierthores.
Die vor wenigen Jahren seitens der Vorstände der beiden hierorts bestehenden
Geschichtsvereiuc an die Stadtverwaltung gerichtete Bitte um Wiederherstellung der
beiden mittelalterlichen Thorburgen Marschierthor und Pontthor in ihren ursprünglichen
Zustand ist bezüglich der Aussen-Restauration des Marschierthores bereits erfüllt worden.
Nachdem schon früher die gewaltigen Umfassungsmauern neu ausgefugt worden waren,
hat man im vorigen Jahre die Neubedachung des Thores in Angriff genommen und nach
den Plänen des Stadtbauamtes stilgerecht ausgeführt. Der aus massiven Etchenstämmen
gezimmerte Dachstuhl, welcher den grossen Stadtbrand vom Jahre 1656 überdauert hatte,
bedurfte nur einer verhältnissmässig geringen Reparatur; dagegen war die Bedachung
selbst im Laufe der Zeit äusserst defekt geworden und zudem ihres ornamentalen Schmuckes
gänzlich verlustig gegangen. Der zierliche Dachreiter und die Fensterlueken, welche uns
auf alten Stadtansichten noch erhalten sind, waren völlig verschwunden. Glücklicherweise
war in dem Dachstuhl der sechsseitige Ansatz des ehemaligen Thürrachens noch vor-
handen und damit die primitive Wiederherstellung wesentlich erleichtert. Ferner fanden
sich auf der Seite des Dachstuhls, welche der Stadt zugekehrt ist, noch Spuren einer ehe-
dem dort angebrachten Hebevorrichtung, die ebenfalls rekonstruirt worden ist und leicht
praktischen Zwecken dienstbar gemacht werden kann. Und so ist es uns heut^ wieder
vergönnt, das Marschierthor wenigstens seinem Hauptbestandtheile nach in jener ursprüng-
lichen imponirenden Gestalt zu schauen, welche ihm das ausgehende vierzehnte Jahrhundert
gegeben und welche sich unversehrt erhalten hatte bis zu den Tagen des grossen Stadt-
brandes um die Mitte des 17. Jahrhunderts. Möchte nun auch ])ald dor andere Zeuge der
grossen Vergangenheit unserer Vaterstadt, das Pontthor, an die Reihe kommen und in
seiner ursprünglichen Gestalt und Schönheit vor unsern Augen erstehen.
Aachen. Schnöd'.
>) Uober die Verweiiduug dfi* Servielsburj^ als Spital vgl. Qu ix, Histor.-topogr. BesclireiUun^
d. St. Aachen S. 71 ; H aagi' n , Geschieht«* Achon« J, S. 271, Anm. und Zeitschrift des Aachener Qcschichts-
vereins I, S. 50.
Verlag der Cremer'schen Bnchhandlung (C. Cazin) in Aachen.
Leben und Werke des Aachener (Jescliiclitssetireibei^ (liristian (}ui.\.
Von Dr. C. WACKEK.
74 S. gr. 8^. Preis Jl 1.20.
l>ltr< K VON iIcUMANN IVAAl/.KIC JN .A A« UKN.
1 ii^m^U^UB ¥@f^i3
Jährlich 8 Nummeni Kommissions -Verlag
& I Bogen Royal Oktav. ^"
Cremer'schcnBnchlinndhinK
Preis des "JahrgauKS „_ ,„,,,
4 Mark. in Aachen.
Mittheilungen des Vereins für Kunde der Aachener Vorzeit.
Im Auftrage des Vereins heransgegebea von H. Sohnoek.
Nr. 2/4. Achter Jahrgang. 1895.
'. J. OrosB, Reinard von Schünau, der erste Herr v
Keinard von Schönau, der erste Herr von Schönforst.
Von H. J. Gros«.
Der Mann, dessen Lebensbild auf den folgenden Blättern gczeiclinet
werden soll, ist eine der interessantesten Erscheinungen des 14. .Jahr-
hunderts im Gebiete der Maas und des Niederrheins.
Adel der Geburt vereinigt sich bei ihm mit wissenschaftlicher Bildung,
ritterliche Tapferkeit mit kaufmännischer Gewandtheit, staatsmäniiische
Klugheit mit beispiellosem Glücke.
Scharfen Blickes die günstige Gelegenheit erspähend, kräftigen Griffes
sie fassend, bringt Keinard sich vorwärts. Wenn er als Jüngling nicht genug
besass um ein Pferd halten zu können, so verfügt er als Mann über reichen
Besitz und vermag hohe Würden, ja selbst die Königskrone dem zu ver-
schaffen, der die Leitung der Geschäfte in seine geschickten Hände legt.
Nachdem Keinard Jahrzehnte lang eine grosse Rolle in der Welt
gespielt, auf geistliche und weltliche Fürsten mächtigen Eiufluss ausgeübt,
sich unter die Grossen des Reiches aufgeschwungen, ein ungeheueres Ver-
mögen gesammelt und zu alledem reiches FamilienglUck genossen hat: da
wendet das launische Glück auch ihm, dem verhätschelten Schosskinde,
den Röcken. Was die Welt ihm geboten an Ehre und Macht zerrinnt
seiner flüchtigen Natur nach in Reinards Händen; ^binc apicem rapax
Fortuna cum Stridore acuto Sustulit." Aber die Religion reicht dem ge-
stürzten Günstlinge so vieler Fürsten die rettende Rechte; der Glaube des
Christen, vielleicht eine Zeit lang begraben unter dem AVuste zeitlicher
Sorgen und Erfolge, ersteht in voller Stärke und wahrt Reinard vor Ver-
zweiflung. Der weltmüde Greis flieht nach Rhodus um dort seine letzten
Lebenstage dem höchsten Herrn zu weihen und „faire p^nitencc de ses
pfichez", wie Hemricourt sehr schön sagt.
— 18 —
So ist Reinard von Schönau eine Persönlichkeit gewesen, welche die
Aufmerksamkeit der Zeitgenossen in hohem Masse erregte; davon legt
Hemricourts „Miroir des nobles de Hasbaye" ^ sprechendes Zeugniss ab.
Lange war Reinard vergessen, die Neuzeit hat sich wieder mit ihm
beschäftigt. Damberger erwähnt ihn, vermuthet aber in ihm einen gewöhn-
lichen Wechsler ^ Dr. Hansen machte unter Hinweisung auf Lacomblet
und andere Schriftsteller auf Reinard aufmerksam ^ Franquinet brachte
in seinem Schriftchen „Les Schoonvorst** *, dessen grösster Theil Reinard
gewidmet ist, sehr wichtige Urkunden über ihn. Aber dieser Schriftsteller
und ebenso der neueste Biograph Reinards, Baron J. de Chestret de Haneflfe^,
haben sich meines Erachtens zu sehr von Hemricourts leichtgläubiger Er-
zählung beeinflussen lassen und darum den Charakter Reinards in zu
ungünstiges Licht gestellt. Das ist der Hauptgrund, der mich bestimmte,
der Persönlichkeit dieses Mannes, den ich sonst in der Geschichte Schönaus
nur nebenher berührt haben würde, eine besondere Abhandlung zu widmen.
Ich glaubte meinem quasi Landsmanne wenigstens den Versuch einer Ehren-
rettung schuldig zu sein.
Die Schrift des Herrn de Chestret, welche reiches Material enthält,
sowie den Reinard betreffenden Bogen aus dem Werke des Herrn Chevalier
de Borman „Les echövins de la sou veraine justice de Liöge** verdanke ich
der freundlichen Vermittelung des Herrn Baron L6on de Pitteurs, Mitglied
des belgischen Senats.
Herr Stadtarchivar Dr. Hansen hat durch gütige Mittheilungen und
Zusendungen aus dem Kölner Stadtarchive vorliegende Arbeit wesentlich
unterstützt, Herr Geheimer Archivrath Dr. Harless die bezüglichen Urkunden
und Litteralien des Düsseldorfer Staatsarchivs freundlichst zur Benutzung
bereit gestellt.
Diesen Herren sowie allen, welche mir irgendwie behülflich gewesen
sind, spreche ich hiermit herzlichsten Dank aus.
Andere Werke, welche ich benutzt habe, ergeben sich aus dem Texte.
L Reinards Abstammung und Jugend.
Reinard führt seinen Familiennamen von dem bei Richterich in der
Nähe Aachens gelegenen uralten herrschaftlichen Sitze Schönau. Die Burg
war, wie in der Geschichte derselben gezeigt werden soll, der Sal- oder
Herrenhof des praedium Richterich, eines AUodialbesitzes der Aachener
Pfalzgrafen. Während das praedium seinen allodialen Charakter mit dem
Aussterben des pfalzgräflichen Geschlechtes bereits im Jahre 1140 verlor
und nach mannigfachen Schicksalen schliesslich zur jülichschen Unter-
*) Ich benutzte vor Jahren ein altes Exemplar der Aachener Stadtbibliothek; Ort
und Jahr des Dioickes habe ich leider nicht yermerkt.
*) Synchronist. Gesch. XIV, S. 840.
') Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins VI, S. 96, Anm. 2.
*) Rurcmunde, J. J. Komen. 1874.
*) Rcuard de Schönau, sire de Schooiivorst, Hruxelk's, F. Hnycz. 1802.
— 19 —
herrschaft Heiden wurde \ behauptete der Herrenhof seine Selbständigkeit
mit einer Zähigkeit, die einer wichtigem Sache würdig gewesen wäre.
Haus Schönau gab einer Familie den Namen, welche nach Hemricourt
aus der Hazedalschen Linie der Limburger stammte und deren Ahnherr
Heyneman d'Aix (um 1240) gewesen sein soll. Ob dem so ist und nament-
lich ob dieser Heyneman dem Geschlechte jeuer d'Aix (Aquenses) angehört
hat, welche im 12. und 13. Jahrliundert eine grosse Rolle als kaiserliche
Beamte auch in Aachen gespielt haben 2, wage ich nicht zu entscheiden.
Bis zur Aufhellung der durchaus unklaren ältesten Geschichte der
Schönauer muss man sich mit dem begnügen, was heute als geschichtlich
feststehend angenommen wird. Danach hatte der genannte Heyneman*
mit seiner Frau, der Dame von Bretonbour-Warfus6e, drei Söhne: Heinrich,
Easo I. und Arnold. Von Raso I. stammen Raso IL, Gerard, Johann und
Adelheid. Der Erstgenannte war Herr zu Schönau und Uelpich; seine
Frau, welche Hemricourt als eine Schwester Gerards du Jardin bezeichnet,
stammte aus dem Geschlechte der Bongart, welche den Sparren im Wappen
führen*. Der Ehe entsprossen sechs Söhne und zwei Töchter: Johann,
später Herr von Uelpich, Amelius Mascereil, in der Folge Abt von St. Trond
*) Vgl. Zeitscbrift des Aachener Geschichtsvereins V, S. 112.
*) Loersch, Achener Rechts-Denkmälcr S. 273 f.
') Hemricourt gibt demselben bereits den Zunamen „Schönforsf*. Das ist unrichtig.
Heyneman kann sich gar nicht Schön for st sondern nur SchOnau genannt haben, denn
erstere Herrschaft ist, wie wir sehen werden, erst unter unserm Reinard entstanden.
Wahrscheinlich hat Hemricourt diesen Titel, den Reinard nach 1348 gewöhnlich führte,
irrthilmlich schon auf dessen Urgrossvater über tragen.
*) Diese Ansicht, welche schon v. Oidtman (Zeitschrift des Aachener Geschichts-
vereins VIII, S. 210, Anm. 1) ausgesprochen hat, wird bewiesen durch die Thatsache, dass
Reinard in seinem ersten Siegel (siehe die Wappentafel bei de Chestret) als Nebenabzeichen
den Bongartschen Sparren ftlhrt. Dieses Siegel ist sehr bedeutsam. Dasselbe ist halbirt
und zeigt rechts zwei übereinanderstchcnde, mit dem Kinn sich berührende bärtige Masken,
deren obere ein Stirnband mit herabhängenden Enden trägt. Darunter steht in besonderem
kleinen Schilde der Sparren der Bongart. Links stehen die Hazedalschen neun Kugeln,
von denen aber wegen der Halbirung nur fünf (2, 2, 1) sichtbar sind. Dieses Wappen
erklärt den sonderbaren Beinamen, den Reinard nach seinem Vater und Grossvater getragen
hat. Derselbe kommt in zwei Urkunden, von Weihnachten 1343 und vom 13. März 1344
(de Chestret S. 16), sowie in einer unten anzuführenden Stelle einer alten Chronik vor.
Man nannte Rcinard und seine Vorfahren nach jenem auffälligen Abzeichen „Mashereit,
Maskeret** — den Maskirtcn. Reinard liess Zeichen wie Namen später fallen, während
die Herren von Winandsrade, welche von Arnold von Bretonbour, dem dritten Sohne
Hejnemans abstammen, den Spitznamen noch bis ins 16. Jahrhundert hinein beibehielten.
(Vgl. Heusch, Nomina Canonicorum Reg. Eccl. Beatae Mariae Virginis Aquisgranensis
S. 12, Sp. 2; Annalen für die Geschichte des Niederrheins Heft 57, S. 252.) Reinard
siegelte mit dem beschriebenen Wappen noch 1349. (Urk. im Kölner Stadtarchive Nr. 1946.)
Später nahm er andere Abzeichen an. Als Herr von Schönforst führte er bald die neun
Kugeln (3, 8, 2, 1, so in der Wappentafel bei de Chestret), bald den einfachen Reichs-
adler (Kölner Stadtarchiv); als Herr von Falkcnburg den Reichsadler mit aufgelegten
Kugeln (de Chestret), häufiger jedoch einen von zwei Blumen begleiteten Hehn, mit
Blume oder Pfauenfederbusch als Helmzierde (Kölner Stadtarchiv). Hier findet sich auch
das letztere Abzeichen ohne Blumen als Siegel Reinards II, der sich 1374 dominus in
Schoenenvorst nennt, weil damals noch Reinard I. der rechtliche Herr dieser Herrschaft
^
— 20 —
(1330—1350), Gerard, Jan Ha^re, Raso Mascharel III., Herr vou Schünan,
Reinard ^ Die Töchter lassen wir hier bei Seite.
Der Menge der Kinder entsprach nicht der Besitz, den Raso Mascharel II.
sein eigen nannte. Schönau und üelpich waren, wie eine Ucrsfelderin des
17. Jahrhunderts in ähnlicher Lage sich kräftig ausdrückte, ein zu kleines
Brotschrank für eine so zahlreidie Familie. Ein Glück für die Nach-
kommen Rasos, dass der zweite Sohn, Amelius, sich dem geistlichen Stande
widmete und Abt des bedeutenden Klosters St. Trond in Brabant wurde.
Dieser, den Hemricourt als einen der tüchtigsten, angesehensten und einfluss-
reichsten Geistlichen seiner Zeit l)ezeichnet% nahm sich der Erziehung
seiner Brüder an. Zwei derselben folgten ihm in der Berufswahl: Gerard
wurde Kanonikus an St. Lambert und an St. PauH in Lüttich sowie am
Liebfrauenstifte zu Aachen^. In letzterer Kirche bekleidete er auch die
Würde des Sängers, als welcher er 1338 '• vorkommt. Er machte Stiftungen
zur Erhöhung kirchlicher Feierlichkeiten'^ und starb am 2. Juni^ Jan
Hage erhielt ebenfalls ein Kanonikat am Aachener Münster; er starb im
August und vermachte dem Kapitel 20 Mark**.
Da nun der älteste Sohn Johann vom Vater Uelpich, der fünfte,
Raso Mascharel III., Schönau erbte, so waren alle versorgt ausser unserm
Reinard: aber was blieb ihm? Nicht viel oder gar nichts. Er hatte nach
Hemricourt nicht so viel von seinen Eltern geerbt, dass er ein Pferd hätte
halten können^, aber grade er wurde „der vom Glück am meisten be-
günstigte Cavalier, der in hundert Jahren zwischen Maas und Rhein gelebt
hat" ^^ Die Erziehung, welche der spätere Abt von St. Trond seinem
jüngsten Bruder angedeihen liess, hat den Grund zu diesem Glücke gelegt;
sie entwickelte die reichen körperlichen und geistigen Anlagen des Jüng-
lings und befähigte denselben zu einer so vielseitigen Wirksamkeit, wie
man sie nicht oft findet.
n. Reinard und die Abteien von St. Servatius und St, Trond.
Abt Amelius hatte nicht blos für die Ausbildung sondern auch für
den Unterhalt seines mittellosen Bruders gesorgt. Er verschaffte ihm nämlich
ein Kanonikat an der Stiftskirche von St. Servatius in Mast rieht, wozu
*) Vgl. die Abstammungstafel bei de Chc.strct S. 8 und 9.
') nly pl^ wailbans clers, qui il son temps portaist co rönne et de plus haultre
honeur et de meilheur 6stat selont sa puissancc".
3) Franquinet S. 3.
*) Ob er auch jener Gerardus de Scbouauwe, dccanus ccclosio s. Scrvatii Trajectensis
ist, den Johann XXII am 24. Jan. 1329 auf drei .Tabre von oineni Tbeil dor Rosidenz-
pflicbt bezüglich aller Bcnefizien entband y V^l. Zeitschrift des Aachener (Jeschichts-
vereins XIV, S. 222.
8) Quix, Schönau S. U.
*) „Eal. Jan. ... ex parte dni. Gerardi cantoris de Srlioiiiuwen VIII nir. IVstum
triplex,** üngedrucktes Necrologium.
^) Das.
«) Das.
•) „ilh n^aroit nul patrimoine de peirc vt de meine, dont üb ]»ou\vi>t on chcval nourir.**
*^) „ly miez fortuneis chevalier, quy puis 100 ans fuist entro Mouze et le Kbins."
— 21 —
ja nach der I'iisitte jener Zeit eine höhere Weilie niclit gefordert wurde.
Wahrscheinlicli ist die Verleihung der Pfründe während der Studienjahre
Reinards erfolgt, wo noch Hoffnung vorhanden war, dass er sich nach
dem Beispiele seiner drei altern Brüder dein Kirchendienste widmen werde.
Als canonicus praebendatus, wie er sicli in einer Urkunde nennt, lebte
Reiuard sparsam, denn er war imstande, dem von Schulden gedrückten
Kapitel am 27. Juli 1338 die Summe von 32 Pfund turnoser Groschen vor-
zuschiessen, wofür ihm eine Kente von jährlich 4 Pfund zugesichert wurde,
die nach einem spätem Abkonnnen mit 80 kleinen Goldgulden sollte abgelöst
werden können. Der Schuldtitel des Kapitels zeigt uns ßeinard als einen
sehr vorsichtigen Geldmann; er Hess sich nämlich zur Sicherung seiner ßente
nicht blos die Güter der Kirche verschreiben sondern übernahm auch die Rent-
meisterstelle, damit er der Zahlung desto gewisser sei. Als solcher erhob
er die Einkünfte des Stiftes und quittirte über dieselben ^
Wie lange Reinard das Kanonikat an St. Servatius behalten hat,
lässt sich nicht genau bestimmen. Wahrscheinlich hat er dasselbe nieder-
gelegt als er die Ritterwürde empfing und damit endgültig in den welt-
lichen Stand zurücktrat. Die Verzichtleistung geschah zu gunsten seines
Verwandten Johann von Schönau, der sich 1354 auch im Besitze der Kurie
Reinards in Mastricht befindet^. Auf ihn übertrug Reinard am 15. Oktober
1360 ebenfalls die Rente von 4 Pfund Turnosen, welche das Kapitel nun-
mehr an Johann bis zu dessen Tode zahlen solltet Reinard bediente sich
dieses Johann häufiger in (icschäften und schenkte ihm grosses Vertrauen.
Das ergibt sich aus Folgendem. Nach dem Tode Reinards strengte sein
Sohn Konrad eine Khige gegen das Kapitel von St. Servatius an und zwar
auf Herausgabe einer Kiste voll Geld und Kleinodien von hohem Werthe,
welche sein seliger Vater den Schatzmeistern des Stiftes zur Aufbewahrung
übergeben liabe*. Die Untersuchung ergab, dass allerdings ein solcher
Schrein durch den verstorbenen Johann dem Schatze anvertraut, aber auf
dessen Befehl auch wieder herausgegeben worden sei\
Noch einmal trat Reinard im Jahre 1361 mit dem St. Servatiusstifte
in Verbindung, als er nämlich den Herzog von Brabant als CoUator der
Propstei bewog, diese reich dotirte Stelle seinem zweiten Sohne Johann,
dem spätem Burggrafen von Jlontjoie, zu übertragend
Was St. Trond betrifft, so leistete Reinard dieser Stadt, in welcher
sein Bruder Amelius als Abt die halbe Herrschaft besass, einen wesent-
lichen Dienst. Nach der Schlacht bei Tourinne, in welcher Bischof
Engelbert von Lüttich mit Hülfe des Herzogs von Brabant den Lüttichern
eine entscheidende Niederlage beigebracht hatte, ritt Reinard stracks vom
Kauipfplatze weg nach St. Trond und meldete, dass der Herzog aus altem
M Franqiiinct, aimexc I, 8. 63 f.
-) de ehest rot S. 7.
*) Franquinet, annexe IV, S. 70 f.
*) Waren das etwa die Schätze, welche* Keiuard mit nach Khodus genommen hatV
^) de (?h»^strot S. 7, Anm. 1.
«) Das. S. 4»i.
— 22 —
Grolle die Stadt zerstören wolle. Die gewarnten Bürger ergriffen geeignete
Massregeln um den Herrn zu versöhnen: sie erkannten den Herzog als
Obervogt an und nalimen ihn in die Stadt auf^
Später waren die Beziehungen Reinards zur Abtei recht unerfreulich.
Abt Amelius hatte ihm Besitzungen des Klosters, welche zu Helchteren
in der Campine lagen auf Zeit übertragen: wahrscheinlich — da der Sühne-
vertrag von einer Entschädigung für gemachte Auslagen redet — wegen
empfangener Darlehen. Reinard hätte zwar lieber die Besitzung gegen
einen jährlichen Zins auf Lebenszeit genommen, darauf Hessen sich aber
die Mitglieder der Abtei nicht ein. Man mochte wohl bittere Erfahrungen
mit solchen Gütern gemacht haben. Und weil er selbst nach dem Tode
seines Bruders die Herausgabe verweigerte, betrachtete ihn die Kloster-
gemeinde als unrechtmässigen Besitzer. Am 28. Dezember 1354 kam es
dann zu einem Vergleiche, wonach Reinard zur Schadloshaltung noch vier
Jahre im Besitze bleiben und dann das Gut gegen 1000 Florentiner Gulden
abtreten sollte. Mittlerweile machte jedoch Walram von Born seine Ansprüche
auf die Herrschaft Falkenburg, welche Reinard erworben hatte, mit Waffen-
gewalt geltend. Die Gefahr lag nahe, dass derselbe sich auch an Helchteren
vergreifen würde. Darum gab Reinard die Besitzung schon 1356 zurück
und erhielt ausser der bedungenen Summe einen Ersatz von 120 Gulden
für jedes der noch übrigen Vertragsjahre ^
Der Chronist von St. Trond klagt bitter über erlittenes Unrecht.
Da uns nichts über die Gründe der Verpfändung von Helchteren oder über
die Abmachungen zwischen Amelius und Reinard bekannt ist, so lässt sich
nicht beurtheilen, ob wirklich ein solches vorlag. Es wäre aber jedenfalls
edler gewesen, wenn Reinard schon mit Rücksicht auf den Abt Amelius,
seinen Bruder und Wohlthäter, nicht so streng auf seinem Schein bestanden
hätte.
III. Reinard als Kriegsmann.
Der Kanonikus von St. Servatius kam als Verwandter der Bongart
in Gunst und Vertrauen bei Wilhelm V., Markgrafen von Jülich. Mit
diesem Fürsten zog er auch ins Feld, als es galt dessen Schwager Eduard
von England gegen Frankreich zu unterstützen. Reinard nahm Theil an
der Belagerung von Cambrai (September 1339) sowie an der von Tournai
(Juli — September 1340). Hier leistete er ein Reiterstückchen, welches
Froissart der Nachwelt überliefert hat.
Einige Herren aus dem Jülichschen und Geldrischen beriethen sich,
wie sie mit den Franzosen etwas Scharmützeln und eine Schlappe der
Hennegauer auswetzen könnten. In der Nacht brachen sie mit ihren
Leuten auf und zogen bei Tagesanbruch, etwa 300 an der Zahl, über die
Brücke von Tressin. Während der Herr (Ludwig) von Randerath und
Arnold, sein Sohn^ mit ihren Reisigen vorrückten, blieb Reinard nebst
») de Chrestet S. 21.
«) Das. S. 36 f.
^) Vgl. Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins l, S. 199 f. Annalen, Heft 55,
8. 146, 176.
— 23 —
den übrigen an der Brücke zurück, um jenen den Rücken und den Rück-
zug zu decken. Randerath stürmte in daß französiclie Lager, hieb Seile
und Pfiihle entzwei, warf Zelte und Pavillone nieder und richtete eine
grosse Zerstörung an. Die Herren Karl von Montmorency * und von St. Sauf-
lieu, welche grade die Wache hatten, hörten den Lärm und eilten herbei,
worauf sich Randerath langsam zurückzog. Aber die stolzen Franzosen
wollten den Schimpf nicht ungerächt lassen; sie stürmten nach und riefen:
„Ha, ihr Herren, so werdet ihr hier nicht wegkommen!" Als sie jedoch
an der Brücke den Haufen sahen, der zu ihrem Empfange bereit war,
stutzten sie; der bedächtige Herr von St. Sauf-lieu wendete sein Banner
und kehrte ins Lager zurück. Montmorency jedoch ritt vorwärts. Da
ersah Reinard die Gelegenheit, er sprengte unter die Franzosen, drängte
sich an die Seite ihres Anführers, ergriff mit der linken Hand dessen Ross
am Zügel, spornte den eigenen Streithengst und riss so den Herrn aus
den Reihen der Franzosen heraus. Mochte der Mann auch noch so kräftig
drauf loshauen, Reinards Rüstung war gut und hielt die Hiebe aus. Er
brachte Montmorency ins deutsche Lager, wo er wegen dieser That gar
sehr gefeiert wurde. Natürlich mussten die Gefangenen, deren ausser dem
Anführer wohl noch achtzig waren, ein hohes Lösegeld zahlen*.
Reinard war aber auch ein kundiger Krieger, wie hätte ihn sonst
Bischof Adolf von Lüttich zu seinem Marschall ernannt? Und als solcher
unterschreibt der Schönauer, noch bevor er die Ritterwürde erlangt hatte,
zwei Urkunden vom 13. März und 24. September 1344 ^. Auch dem Nachfolger
Adolfs, Bischof Engelbert, leistete Reinard als Marschall gute Dienste gegen
die Lütticher. Es handelte sich damals um die Grafschaft Looz, welche
zum Fürstenthum Lüttich gehörte aber von Dietrich von Heinsberg — aus
Jülicher Blut — in Besitz genommen war. Die Bürgerschaft wollte die-
selbe zurück haben, die Bischöfe Adolf und Engelbert, beide Verwandte
des Heinsbergers, wünschten sie diesem zu belassen. Darum empörte sich
die Stadt gegen den Bischof, und es kam zu erbitterten Kämpfen. Vor
der Schlacht bei Wothem (Vottem) am 19. Juli* 1346 wurde Reinard zum
Ritter geschlagen und warf zugleich sein Banner auf, d. h. er zog gleich
mit einer eigenen Schaar in den Kämpft Der Erfolg entschied gegen
den Bischof; er wurde geschlagen und viele seiner Reisigen, Herren wie
Knechte flohen selbst bis nach Aachen*'. Ln folgenden Jahre gelang es
ihm besser. In der Schlacht bei Tourinne am 21. Juli 1347, in der
Reinard ebenfalls mitfocht, erlitten die Lütticher eine so fürchterliche
Niederlage, dass ihrer 10,000 das Schlachtfeld bedeckten. Wir dürfen
unserm Reinard wohl einen entscheidenden Antheil am Siege zuschreiben.
^) Der spätere MarschaU von Frankreich. Yg\. Feller, Dictionnaire HistoriqueIV,S.619.
») de ehest ret S. 13.
3) Das. S. 16.
*) So de Chestret 8. 19. Andere setzen den Tag auf den 10. oder 20. Juli an.
Vgl. Villenfagne, Rccherches sur Thistoire .... de Li^ge I, S. 175, und Anm. a.
*) Dazu gehörten wenigstens 10 Ritter mit je zwei Knappen. Vgl. Zeitschrift des
Aachener Geschichtsvereins IX, S. 63, Anm.
'') Lau reut, Stadtrechnungen S. 181, Z. 35 ff.
— 24 —
Herr de Chestret^ theilt nämlich folgende Stelle aus einer alten Chronik
mit. „Im Jahre 1347 ist nach dem Berichte des Herrn von Havelanges
Herr Keinard von Dickenberg (!) genannt der Massureit^, welcher damals
Feldmarschall des Bischofs Engelbert von Lüttich war und den Kriegsruf
der Lütticher erfahren hatte, in deren Lager eingedrungen und hat das-
selbe angezündet/ Hieraus erklärt sich auch die grosse Anzahl der
Gebliebenen. Die geschlagenen Lütticher hatten keine Zuflucht mehr,
wohin sie sich hätten zurückziehen können. Das schreckliche Ereigniss
hatte übrigens dank der Mässigung des Bischofs dauernden Frieden zwischen
ihm und der Stadt zur Folge*.
Auch in kleinern kriegerischen Unternehmungen zeigte Reinard seine
Tapferkeit. So schreibt man ihm einen Antheil an der Eroberung und
Zerstörung des Eaubnestes Gripekoven zu, welche 1354 durch den Land-
friedensbund erfolgte. Die Lage dieser Burg ist aus der Chronik von
Erkelenz nachgewiesen. Letztere Stadt hatte grossen Schaden von der
Gripekovener Raubritterbande erlitten, darum wurden ihr die Steine des
zerstörten Schlosses geschenkt, um damit den Thurm des inneren Stadt-
thores aufzubauen*.
Im Jahre 1362 finden wir Reinard mit dem Herzoge von Jülich vor
Merode. Dieses Schloss gehörte damals zwei Brüdern, von denen der
jüngere, Konrad, den älteren, Richard, zu verdrängen suchte. Der Herzog
kam seinem Vasallen zu Hülfe, eroberte die Burg und verkaufte Konrads
Hälfte an der Herrschaft dem Richard für 6000 Goldschilde ^
Weit bedeutender und interessanter als diese kleinen Kriegszüge ist
die Theilnahme Reinards an den Unternehmungen des Herzogs Wenzel von
Brabant gegen Löwen. Hier eröffnen sich allgemeinere Gesichtspunkte,
welche zugleich die Stellung des Schönauers zu den sozial-politischen
Bestrebungen des 14. Jahrhunderts beleuchten. Zwar hat ein gewisses
VorurtheiP gegen den Geldmann Reinard dazu geführt, dass man auch
hier ihm Habsucht als Beweggrund seiner Handlungen unterschoben hat^;
mit welchem Rechte, mag der Leser selbst beurtheilen.
*) S. 21, Anm. 2.
*) Vgl. oben S. 19, Anm. 4.
8) Vgl. Villenfagne, a. a. 0. S. 176.
*) Laurent, Stadtrechnungen S. 49. Annalen, Heft 45, S. 179, Anm. 2.
*) Richardson, Gesch. der Merode I, S. 27.
^ Woher dieses Vorurtheil kommt, soll unten gezeigt werden.
^ „Renaud, toujours avide de pßcher en eau trouble encourageait secrftte-
ment les mönees (de Pierre Cottrel) . . . II est ä supposer que Renaud, qui n'avait
pas r^ussi jusqne lä k tirer un pro fit mat^^riel de cett« r^volntion communale, a en
encore la main dans les agissements de Cottrel ..." So schreibt Franquinet (S. 17), von
dem de Chestret (S. 30, Anm. 5) allerdings sagt „que ia Chronologie et les faits en
g6n6ral ont 6t6 asscz maltrait^s par Phistorien des Schoonvorst**. Aber de Chestret spricht
ebenfalls von Reinards „conseils probablement intöress^s** (S. 44) und lässt ihn sich
mit dem Herzog und Coutereel in den Raub theilen, der den Patriziern abgenommen
wurde. Er macht sich die Worte eines andern Schriftstellers zu eigen: „Rien ne peut
justifier Wenceslas et Schoonvorst si, selon toutes les vraiscmblances, ils se fircnt
paycr par Coutereel Icur connivence" (S. 45); also „probablement", „selon toutes les vraisem-
'lances", — aber Gewissheit hat man nicht!
— 25 —
Das 14. Jahrhundert war bekanntlich eine Zeit der heftigsten sozialen
Wirren. In den gewerbreichen Städten, wo Kunst, Handwerk, Handel
gleichmässig blühten, erhoben sich die Zünfte, der dritte Stand, gegen die
patrizischen Geschlechter, weil sie mit diesen nicht blos die Pflichten und
Lasten des Gemeinwesens tragen, sondern auch die Eechte an der Kegierung
und Verwaltung der Gemeinde theilen wollten. Die Landesherren haben
wohl diesen Kämpfen mit gemischten Gefühlen zugeschaut: wenn es ihnen
einerseits angenehm sein mochte, dass die Macht der stolzen Geschlechter
geschwächt wurde, so duiften sie doch anderseits nicht zugeben, dass die
Gemeine allzuviel Gewalt gewann.
Zur Zeit, wo Reinard grossen, ja tiberwiegenden Einfluss im ßathe
des Herzogs von Brabant hatte, kamen auch in der Stadt Löwen solche
Unruhen vor. In diesen Kämpfen zwischen den Löwener Geschlechtern '
und der Gemeine oder den Zünften hatte sich Peter Coutereel ^, der Mayer
oder oberste Beamte des Herzogs, auf die Seite der letzteren gestellt. Weil
nun Reinard ebenfalls die Gemeine begünstigte, spricht man von einem
geheimen Einverständnisse zwischen ihm und dem Mayer. Es ist aber
doch wohl selbstverständlich, dass Coutereel zum Nutzen seines Herrn zu
handeln meinte; warum soll er denn nicht im geheimen Einverständnisse
mit dem Herzoge selbst seine Massregeln getroffen haben? Hierfür spricht
auch das Verhalten Wenzels. Dass er nicht offen auf die Seite der Ge-
meine treten durfte, wenn er nicht den Adel des Landes gegen sich haben
wollte, ist ja klar; zu einem solchen Wagniss ist aber Wenzel nie mächtig
genug gewesen.
Eine Meinungsverschiedenheit zwischen den Schöffen und dem Mayer
über dessen Amtsbefugnisse führte dahin, dass jene diesen für unfähig
erklärten, sein Amt zu verwalten; m. a. W.: die Schöffen setzten ihren
Mayer ab. Coutereel begab sich sofort nach Tervueren, um Wenzel dieses
Verfahren zu klagen, „welches trotz den Privilegien Löwens der herzog-
lichen Würde zuwider zu sein scheinen konnte", sagt de Chestret^. So
gewunden hat sich Reinard nicht ausgedrückt. Er war allein mit dem
Herzoge, als Coutereel seine Beschwerde vorbrachte. Empört über die
Anmassung der Geschlechter rief er aus: „Herr Herzog, Ihr werdet nie
Herr in Löwen sein, wenn Ihr nicht ein Mittel findet das Volk zu erhöhen
und diese hochmüthigen Patrizier zu beugen." So musste auch Wenzel
denken, de Chestret sagt selbst '*, dass die unabhängige Handlungsweise
der lignages dem Landesherrn unerträglich schien. Jetzt nun hatten die
Patrizier sich sogar herausgenommen, den obersten fürstlichen Beamten in
ihrer Stadt abzusetzen. Wenn ihre Privilegien wirklich so weit gingen,
dann hatte ja Reinard den Nagel auf den Kopf getroffen, als er erklärte,
die fürstliche Gewalt in Löwen sei bioser Schein, wenn die Macht der
') Familles patricicnnes oa lignages nennt sie de Chestret.
*) Die Coutereel gehörten zu den Löwener Schölfenfamilicn. Vgl. Annalcn, Heft 55,
S. 80.
«) de Chestret S. 44.
♦) Das.
— 26 —
Geschleclitcr nicht beschnitten würde. Wäre Wenzel anderer Meinnnö:
f^ewesen, so hätte er seinen Rath in Gegenwart Coutereels zurechtweisen
müssen. Aber „er antwortete nicht, sondern sprach von andern Dingen".
Nun ging Coutereel, „durch die Worte, die er gehört^, ermuthigt und der
Straflosigkeit sicher", nach Löwen zurück, bemächtigte sich an der Spitze
der Zünfte des Rathhauses, setzte viele Patrizier gefangen und änderte
die Verfassung dahin, dass die obrigkeitliche Gewalt in der Stadt zwischen
den Geschlechtem und den Zünften getheilt wurde.
Reinard soll Wenzel den Rath gegeben haben, durch die Finger zu
sehen, wenn man ihm, dem Herzoge, den Löwenantheil an der den ge-
fangenen Patriziern abgepressten Lösungssumme lasse. Das sei geschehen,
Reinard und Coutereel hätten dann den Rest getheilt. Freilich ein schmutziges
Verfahren. Doch vergessen wir nicht: es liegt keiu Beweis vor, man
schildert das so „selon toutes les vraisemblances". Auch wird nicht an-
gegeben, wie viel Reinard erhalten habe. Ist sein „profit mat^riel" dies-
mal nicht grösser gewesen als nachher, dann ist die Sache kaum der Rede
werth.
Die Dinge gingen in Löwen bald über die Grenze hinaus, in der
Wenzel sie gehalten wünschte. Die Zünfte missbrauchten ihren Sieg; sie
wollten die meisten Patrizier nicht einmal mehr in die Stadt aufnehmen.
Da schritt der Herzog ein. Er belagerte die Stadt, welche jedoch keinen
Widerstand entgegensetzte. Im herzoglichen Heerbanne befand sich auch
Reinard; er unterzeichnete mit Herzog Wilhelm von Jülich, Robert von
Namür, Graf Johann von Salm, mit Arnold von Rümmen und andern Räthen
von Brabant den Friedensvertrag vom 19. Oktober 1861, der, wohlgemerkt,
an den durch die Revolution zu gunsten der Gemeine getroifenen neuen
städtischen Einrichtungen nichts änderte. Der Herzog war demnach mit
\ der Schwächung der patrizischen Gewalt einverstanden. Nicht so natür-
lich die Geschlechter: sie wollten sich nicht fügen. Andrerseits strebten
die Zünfte nach Erringung noch grösserer Macht und nach gänzlicher Ver-
drängung der lignages. Coutereel vertrieb denn auch die Patrizier zum
zweiten Mal. Herzog Wenzel liess die Herren zappeln; erst als sie ihre
Bereitwilligkeit erklärten, sich dem Oktobervertrage von 1361 zu unter-
werfen, zog er trotz den Vorstellungen Reinards abermals vor die
Stadt, die sich wiederum nicht vertheidigte. Man versprach, jene Satzungen
allerseits getreu zu beobachten, gab die Geiseln heraus und zahlte an
Wenzel 28000, an den Herzog von Jülich 3000, an den Herrn von Berge op
Zoom 1000 und an Reinard — nach Franquinet 600, nach de Chestret
gar nur 300 moutons d'or*. Da der Schönauer sich zweimal zum Kriege
gegen Löwen hat rüsten müssen, da er jedenfalls dem Mayer für die
Bewegung Vorschüsse geleistet hat, so wird er mit dieser und der oben
erwähnten Entschädigung eben auf seine Kosten gekommen sein. Wo
bleibt denn da der „profit materiel", nach dem Franquinet ihn jagen, wo
») Öo de Chestret S. 45. Man könnte treffender sagen : ermuthigt durch das wohl
verstandene Schweigen des Herzogs.
^) So genannt nach dem aufgeprägten Agnus Dei.
— 27 —
sind die „conseils probablement int^ress^s", die de Cliestret ihn geben lässt?
Was den Nutzen angeht, da sind der Herzog und die anderen Herren, ja
selbst Coutereel weit besser gefahren, als Reinard ^ Der Mayer hatte
nämlich schon 1362 „zur Belohnung für seine Dienste*' vom Herzoge die
Herrschaft Asten erhalten ^, nach der zweiten Belagerung verliess er Löwen
und zog sich auf seine Besitzung zurück. Man wittert allerdings auch
hinter dieser Handlung Wenzels wiederum Reinard, obschon der Verlauf der
Dinge klar zeigt, dass Coutereel nur im Interesse des Herzogs gearbeitet
hat, eine Belohnung demnach von dem freien unbeeinflussten Entschlüsse
seines Landesherrn wohl erwarten durfte.
Ueber die Politik Reinards in der Löwener Angelegenheit darf ich
mir kein Urtheil erlauben, weil dazu eine genaue Kenntniss der damaligen
brabantischen und Löwener Verfassungsverhältnisse gehört. Aber ich
nehme den Schönauer in Schutz gegen den Vorwurf gewissenloser Hab-
sucht, die wegen einer elenden Summe Geldes Revolution und Krieg über
Stadt und Land bringt. Will man jedoch Reinard einen Beweggrund zu
seinem Verhalten in diesem Handel unterschieben, warum fasst man die
Sache nicht höher? Warum bleibt man beim niedrigsten Motive stehen?
Könnte nicht etwa Reinard ^sage et subtil" wie er nach Hemricourt war,
weiter gesehen haben als der Herzog und seine Räthe, könnte er nicht
erkannt haben, dass die einmal begonnene gewaltige Bewegung des dritten
Standes nicht mehr aufzuhalten und dass es besser sei, dieselbe radikal
durchzuführen ^ statt durch halbe Massregeln die Gesellschaft auf unbe-
rechenbare Zeit hinaus in Gährung zu erhalten? Eine solche Auffassung
würde wenigstens dem „g6nie diplomatique de cet homme extraordinaire** ^
besser entsprechen als jene, die überall nur Habsucht sieht. Wenn wir
jedoch auch nicht so weit gehen, so sollte doch das anerkannt werden:
Reinard hat bei der Löwener Frage im Interesse seines Fürsten, wie er
es verstand und auffasste, nicht aber zum Nutzen des eigenen Geldbeutels
gehandelt!
In den Streit der beiden Brüder Reinald III. und Eduard um das
Herzogthum Geldern war Reinard zwar auch verwickelt, aber ob er thätigen
Antheil am Kriege genommen habe, lässt sich aus dem vorliegenden Material
nicht ersehen. Seine sonstige Thätigkeit in diesem Lande wird unten im
Abschnitt V berührt werden.
Auf dem Schlachtfelde war Reinards Stern aufgegangen, auf dem
Schlachtfelde sollte er untergehen. Nicht als wenn der Schönauer auf der
Wahlstatt gefallen wäre: er verlor — was dem hochgestiegenen Manne härter
war — Ehre und Ansehen. Das geschah in der berühmten Schlacht bei
*) Eine hand:^chriftliche Aachener Chronik im B«'.Hitze dfH Herrn Dr. Adara Bock
erzählt nach Haraeus, die Löwener hätten ihrem Oubemator Keinard von Schönfornt we^eu
seiner trcaen Mühewaltung beim FriedcnaschlnsHe 3000 (ioldHtücke verehrt. Den
Haraeus Anuales dacum . . . Brabuntiae galten für die be»te Oedchichte Brabants. Vgl.
Feller, Dictionnaire III, S. 408.
*) de Chestret 8. 46, Anm. 1.
') Daher denn auch sein Widerstand gegen den zweiten Löweuer Zug den Herzogs.
*) de Chcötret S. 42.
— 28 —
Baesweiler am 22. Ausfust 1371. Herzog Wenzel von Brabant war als
Reichsvikar seines Bruders Karl IV. und als Haupt des Ijandfriedensbundes
verpflichtet, für die Sicherheit der Strassen und der auf ihnen Fahrenden
zu sorgen. Nun hatten einige Raubritter im Jülichschen brabantische
Kaufleute geschätzt; Herzog Wilhelm aber weigerte sich, die Schuldigen
zu bestrafen und Schadenersatz zu leisten. Da keinerlei Anmahnung
fruchtete, grilY Wenzel gemäss den Satzungen des Landfriedens zum Schwerte.
Wilhelm verbündete sich dagegen mit dem Herzoge Eduard von Geldern
und deui Grafen von Berg. Die brabantische Armee zog von Mastricht
über Falkenburg uud Herzogenrath ins Jülicherland; zwei bedeutende
HeiTcn aus der nähern Umgebung Aachens kommandirten in ihren Reihen.
Reinard befehligte die 48.^, Johann von Gronsfeld die 52. Rotte-; der
erstere führte Brabanter, der andere Limburger. Bei Baesweiler trafen
sich die Gegner. Da die Versuche einer friedli^'hen Tjiisung fehlschlugen,
hielt der Herzog von Brabant Kriegsrath, was zu thuen sei. Einige riethen,
man möge die französischen Hülfstruppen abwarten, welche unter Jakob
von Bourbt)n heranrückten. Da soll Reinard ausgerufen haben, der Herzog
würde sich mit Schmach bedecken, wenn er zögere; seine Macht sei stark
genug zum Angriff"; die Ehre gebiete, den Kampf zu beginnen. Die Jlehr-
heit stimmte zu und die Schlacht wurde auf den folgenden Morgen fest-
gesetzt. Auch den Truppen waren diese Worte Reinards aus dem Herzen
gesprochen. Als die Brabanter früh morgens iliren Herzog sahen, welcher
der h. Messe beiwohnen wollte, riefen sie ihm zu: .,IIerr, da sind die Feinde,
den Helm auf im Namen (?ottes und des h. Georg!"* Anfauirs war das Glück
dem Herzog Wenzel günstig, die Jülicher wichen, Eduard von Geldern fiel
und selbst Wilhelm soll sich einen Augenblick in der (Jewalt s(»iner Gegner
befunden haben. Dann erfolgte der Gegenstoss und die Brabanter erlitten
eine furchtbare Niederlage. Der Adel Brabants und Limburgs fiel entweder
oder wurde mit seinem Herzoge gefangen; auch Reinards ältester Sohn
verlor «lie Freiheit. Nur wenitre retteten sich durch die Flucht, unter
diesen Reinard selbst: er entkam nach Mastricht. Hier harrte seiner ein
böser Empfang. Die Mitflüchtigen werden nicht ermangelt haben, die
ganze Verantwortung für des Herzogs und des Landes Unglück auf seinen
unglücklichen Rath zu wälzen. Die blinde Volkswuth, immer froh, wenn
sie einen Sündenbock findet, an dem sie sich auslassen kann, wendete sich
gegen Reinard; man that ihm in Mastricht ^groete smaet, confusie ende
schade'' an. Dass die Misshandlung keine ueringfüirige war, geht ans
dem Umstände hervor, dass sich hieiaus eine Fehde zwi.srhen den Söhnen
und Verwandten Reinards einer- und der Stadi Mastricht andrerseits ent-
spann, welclie erst im Jahre 1405 gesühnt wurdet
Auch seiner Fürsten Gunst verlor Reinard durch den Unglückstag
von Baesweiler. Zwar that er was in seinen Kräften stand, um den Herzog
Wenzel der harten (Tcfiingenschaft auf dem Schlosse Nideggeu zu ent-
») de (Uicstret S. oS.
^) Ernst, Tli.stoive du Liinbour«; V, S. i:rj.
^) Frau quin et, anncxe XVHl, S. 04.
— 29 —
ledigen. Er übernahm mit Joliann von Saffenber»i: eine vSendun«^ des Kaisers
an die Städte Lütticli, Huy, Tongern, üinant und St. Trond, um deren
Hülfe in Anspruch zu nelimen K Die konnte jedoch der Hartnäckigkeit
Wilhehns gegenüber nicht viel nutzen: es bedurfte des schärfsten Ein-
greifens des Kaisers, der die Reichsacht gegen Wilhelm aussprach, weil
er den Reichsvikar gefangen halte, um dem Herzoge im Juni 1372 die
Freiheit zu verschaifen -.
Wir finden Reinard noch auf dem Brabanter Ständetage von 1372
und in einer Urkunde für Löwen von 1373^, jedoch nur mehr unter den
Vasallen.
Seine glänzende einflussreiche Stellung war dahin, seine Rolle unter
den Grossen dieser Erde ausgespielt!
IV. Reinard der Geldmann. Seine Besitzungen.
Mit Recht darf der Leser fragen: Wie kam dieser Mann aus dem
niedern Adel, der jüngste Sohn eines kleinen Grundbesitzers zu den Mitteln,
um eine solche Stellung einzunehmen, eine solche Rolle durchzuführen?
Hat er Einfluss und Macht bloss geistigen Eigenschaften zu verdanken:
seiner Bildung, seiner ritterlichen Tapferkeit und kriegerischen Tüchtigkeit?
Gewiss hat dieses und noch anderes Gute an ihm mitgeholfen, aber die
eigentliche Grundlage seiner Erfolge war doch das Geld und sein grosser
Besitz. Und wie er dazu gekommen, soll dieser Abschnitt zeigen.
Hier müssen wir auf den englisch-französischen Krieg zurückgreifen.
Nach der Aufhebung der Belagerung von Tournai im September 1340
schlössen die kriegführenden Mächte Waffenstillstand. Der Markgraf von
Jülich schickte den Herrn Gerard im Bart und unsern Reinard nach Eng-
land, um die versprochenen Kriegsgelder zu erheben. Aber der königliche
Schatz war leer und die Gesandten kehrten mit der Vertröstung auf bessere
Zeit nach Hause zurück. Als die gestellte Frist abgelaufen war, ging
Reinard allein nach London. König Eduard hatte auch jetzt kein Geld
aber einen grossen Vorrath an Wolle, denn vom Parlamente war ihm die
halbe Wollschur für die Kriegskosten zur Verfügung gestellt worden*.
Reinard nahm mit der Waare vorlieb ; er Hess sich vom Könige einen
Geleitsschein ausstellen, der freie Ausfuhr gewährte und brachte seine
Ladung nach Brügge. Weil während des Krieges eine Einfuhr dieses
Artikels in Flandern nicht hatte stattfinden können, gab es bei dem dort
blühenden Tuchmachergcwcrbe grosse Nachfrage nach dem nöthigen Roh-
stofte, und die Brügger Kaufherren mussten schon hohe Preise bewilligen.
So gewann Reinard ein Drittel mehr, als der Markgraf von Eduard zu
^) de Chestrot S. 59.
*) Die Aussöhnung zwischen dem Kaiser und Ilorzo^ Wilhelm erfolgte auf dem
Reichstage zu Aachen. Vgl. ileyer, Aach. Gesch. S. 342.
^) de Cheatret S. 59. Die Erbitterun jr der Herzogin Johanna gegen Reinard ging
anch auf dessen Kinder über. Vgl. Frau (xu inet, annexe XV und XVI.
*) Weiss, Weltgeschichte VI, S. 400.
— 30 —
fordern hatte, und das betrug 6000 Königstlialer ^ Doch selbst mit diesem
grossen Gewinne soll ßeinard noch nicht zufrieden gewesen sein. Er ging —
so sagt man — zum Markgrafen, erzählte wie es ihm in London ergangen
und fügte bei, die Brügger hätten ihm bedeutend weniger für die eng-
lischen Wollen geboten, als König Eduard dieselben geschätzt habe. Er
müsse es nun dem Markgrafen überlassen, ob er zu dem niedrigem An-
gebote losschlagen wolle. Wilhelm, des Geldes höchst bedürftig, willigte
wohl oder übel ein. Eeinard kelirte nach Brügge zurück, erhob die letzten
Katen für die verkaufte Wolle und gewann auf diese Weise noch einmal
2000 Königsthaler *. So erzählen Franquinet^ und de Chestret* getreu
nach Hemricourt. Ich hebe nachdrücklich hervor, dass das Vorurtheil
über Reinards Habsucht, dass uns schon aufgestossen ist, auf dieser Er-
zählung beruht.
Woher hat nun Hemricourt all diese Einzelheiten? Vom Knappen
des Herrn Gerard im Barte!
Bei aller Achtung vor dem alten Memoirenschreiber kommt mir der
letzte Theil seiner Erzählung doch arg unglaublich vor, und ich wundere
mich, wie man die Räubergeschichte so unbesehen hat nachschreiben können.
Da wird einem Manne, den die trefflichsten Eigenschaften zieren, eine
ganz gemeine Gaunerei vorgeworfen: er soll aus unersättlicher Habgier
einen Fürsten betrügen, der sein Gönner ist, der ihn mit seinem unbe-
schränkten Vertrauen beehrt, und diese abscheuliche Handlung soll er
begehen in einem Zeitpunkte, wo sein Herr sich selbst in Noth und Geld-
klemme befindet. Ein solches Verfahren setzt doch einen ganz verkommenen
Charakter voraus. Wo hat sich denn Reinard als einen solchen gezeigt?
Man weise nicht hin auf seine Geschäftsgewandtheit. Gewiss, Reinard
war sage et subtil, klug und scharfsinnig: aber das ist doch weit entfernt
von Betrug und Gaunerei. Diese hässlichen Dinge laufen rasch zu Ende,
— Reinard hat sich während seines ganzen Lebens des Vertrauens seiner
Fürsten wie seiner Standesgenossen auch in den wichtigsten Angelegen-
heiten zu erfreuen gehabt.
Sodann: welche Beweise bringt Hemricourt für diese schwere Be-
schuldigung vor? Er hat allerdings einen Zeugen, aber auch nur einen,
der zudem durchaus nicht einwandfrei ist. Hemricourt beruft sich auf
den Knappen Gerards im Barte. Gerard war aber nicht mehr dabei, als
Reinard den Wollhandel machte. Fehlte der Herr, so war wohl auch der
Knappe nicht anwesend. Abgesehen davon, dass wir gar nichts von diesem
Knappen wissen und keinerlei Beweis für seine Glaubwürdigkeit haben,
macht schon der Umstand sein Zeugniss verdächtig, dass er nicht als
*) de Chestret berechnet den Thaler auf H^j Franken (S. 14, Anm. 1) und den
damaligen Geldwerth auf das Siebenfache des jetzigen (S. 15, Anm. 2). Danach sind 6000
royaux = 69 000 bzw. 487 200 Reichsmark.
') Der ganze Gewinn aus diesem einen Geschäfte hätte also 649 600 Mark nach
dem heutigen Geldwerthe betragen.
») S. 5.
*) S. 14 f.
— 31 —
Augenzeuge berichten kann. Woher hatte er denn Kenntuiss von den
Schlichen Reinards? Soll der ^kluge und geriebene** Schönauer seine
Gaunereien einem fremden Knappen anvertraut haben? Beschleicht uns
nicht das Gefühl, als handle es sich um ein Geschwätz aus der Bedienten-
stube, wie es von Leuten geführt wird, die sich gerne den Anschein geben,
als wüssten sie mehr denn andere Menschen, weil sie in der Umgebung
grosser Herren sind? Vielleicht steckt auch nichts anderes hinter dem
ganzen Gerede als der Neid der Klatschbasen des 14. Jahrhunderts gegen
den Emporkömmling, der so rasch zu Geld und Macht gelangte. Was ist
gewöhnlicher, als dass die Welt bei schnell erlangtem Reichthum an unred-
liche Mittel denkt?
Und endlich: das Benehmen Reinards gegen den Markgrafen, wie
Hemricourt es darstellt, ist eine Gaunerei. Und die sollte sich dieser
Fürst so ruhig haben gefallen lassen? Er hätte sich von einem Vertrauten
um eine grosse Summe beschwindeln lassen, während er selbst sich in
Verlegenheit befand? Das sieht den Herren von Jülich nicht ähnlich. —
Aber der Markgraf hat von dem Betrüge nichts gewusst! Nun, was der
Knappe des Herrn Gerard wusste, das war diesem Herrn doch auch niclit
verborgen, das musste auch zur Kenntniss anderer Höflinge des Markgrafen
kommen. Und die hätten eine solche Spitzbüberei des Emporkömmlings
ihrem Herrn verschwiegen? Dann wären sie keine treuen Diener und erst
recht keine — Höflinge gewesen. Jedenfalls musste dieses schmutzige
Verfahren früher oder später an den Tag kommen, und dann wäre es
sicher um Reinards Stellung am Jülicher Hofe geschehen gewesen. Wir
werden aber sehen, dass der Schönauer noch lange Zeit der Vertraute
dieses Fürstenhauses geblieben ist und dass er mit den Mitgliedern des-
selben Geldgeschäfte gemacht hat, gegen welche der Wollhandel ganz
unbedeutend erscheint. Aus diesen Gründen verwerfe ich die Erzählung
jenes Knappen und behaupte, dass Reinard seinen ersten grossen Erfolg
im Geldwesen, die Grundlage seines spätem kolossalen Reichthums, auf
ehrliche Weise und im Einverständnisse mit seinem Herrn errungen hat.
Und um keinen Einwand gegen diese Auffassung unberücksichtigt zu
lassen, sei noch erwähnt, dass Herr de Chestret (S. 61 f.) eine Bestimmung
des Reinardschen Testamentes, wonach dem Herzoge von Jülich bei der
Einlösung Montjoies 10000 Goldschilde nachgelassen werden sollten, als
eine Wiedererstattung für die beim Wollhandel abgeschwindelte Summe
auffassen zu können glaubt. Warum nicht lieber als Restitution für Ueber-
vortheilungen bei den späteren viel grossartigeren Käufen und Verkäufen ?
Denn was den Wollhandel angeht, so würde auch der strengste Moralist
einen Betrug, der zum Schadenersatz verpflichtet, nur dann feststellen
können, wenn Reinard dem Markgrafen einen Theil von dessen Kriegs-
entschädigung vorenthalten hätte. Für diese Annahme ist aber kein Grund
vorhanden als das unglaubhafte Gerede des Knappen. Hat dagegen Reinard
dem Jülicher die zwischen diesem und Eduard von England verabredete
Summe voll ausbezahlt, dann hatte der Markgraf weiter nichts zu fordern.
Was über diese Summe hinaus erzielt wurde, war rechtmässiges Eigen-
— 32 —
thum Reinards, weil er es durch kluge Benutzung der Umstände, durch
eigene Arbeit und Bemühung erworben hatte. Die 6000 Thaler also, welche
er an der Wolle verdiente, kann niemand dem Schönauer streitig machen.
Wie ist es aber mit den andern 2000 Thalern, die Hemricourt als den
eigentlichen Betrugsgegenstand anzusehen scheint? In dieser Summe mögen
manche Posten enthalten sein, welche Eeinard ebenfalls rechtmässig zu-
kamen. Zunächst die ersparten Zölle: die hatte er durch den königlichen
Geleitsschein, der übrigens schwerlich umsonst ausgestellt worden ist, ehr-
lich erworben. Dann sämmtliche Unkosten, besonders auch die Ausrüstung
Reinards zum Kriege, die gewiss viel Geld gekostet hat. Und wenn noch
etwas übrig war, so hindert nichts anzunehmen, dass der Markgraf seinen
Dank für die glückliche Abwickelung des wichtigen Geldgeschäfts auch
in klingender Münze abgestattet hat.
Bei der Testamentsklausel braucht also durchaus nicht an eine Resti-
tution aus dem Wollhandel gedacht zu werden. Aber wie soll man sie
denn erklären? Reinard hat sich in seinem ganzen Leben als einen treuen
und anhänglichen Diener seiner Fürsten erwiesen. Als er aus dem Lehens-
verhältnisse zum Herzoge von Jülich ausgeschieden war und nur noch in
engern Beziehungen zu Brabant stand, hat er allerdings sogar die Waffen
gegen das Haus getragen, welches sein Glück begründet und ihm Gelegenheit
gegeben hatte, sich aus der Dunkelheit herauszuarbeiten. Das war jedoch
seinerseits nicht freie Wahl, sondern Erfüllung der Vasallenpflicht gegen
Wenzel. Als er aber in Rhodus, frei von allen irdischen Verpflichtungen,
sein Ende herannahen fühlte, da hat er sich dankbar jener Familie erinnert,
und das Zeichen seiner Dankbarkeit war die erwähnte Bestimmung im
Testament. Eine Restitution kann um so weniger hierin gefunden werden,
als diese bei vorhandenen Mitteln — und die waren vorhanden — gleich
geleistet werden muss, während Reinard als genauer Kenner der jtilich-
schen Finanzen recht wohl wusste, dass noch viele Jahre verlaufen könnten,
ehe Montjoie eingelöst würde. Thatsächlich quittirte erst die Wittwe
Johanns 11. von Schönforst im Jahre 1439 über die Pfandgelder ^
Indessen, das ist eine Erklärung, die ich nur als Gegensatz zu der
Meinung des Herrn de Chestret von der „Restitution" aufstelle. Es soll
damit nur gesagt sein, dass der Erlass jener grossen Summe in einem
Sinne gedeutet werden kann, der für Reinard durchaus unverfänglich ist.
Wahrscheinlich liegt die Sache aber ganz anders. Fahne, auf den sich
Herr de Chestret beruft, schreibt allerdings in der Geschichte der Köl-
nischen, Jülichschen und Bergischen Geschlechter II, 133: „1393 bezeugt
Statz von Bongart, dass gemäss dem Testamente des Herrn von Schönforst
dem Herzog von Jülich, wenn er das Land Montjoie einlöse, 10000 Schilde
erlassen seien.** Man sieht, das Testament lag nicht vor, sonst hätte
es eines Zeugnisses des Herrn von Bongart gar nicht bedurft; Herr Statz
hat demnach nach seiner Erinnerung ausgesagt. Nun kommt hier alles
auf den Ausdruck „erlassen** an. Hat das wirklich so nude et crude im
Testamente gestanden? Es liegen 17 Jahre zwischen der Zeit, wo der
') Annalen, Heft 6, S. 17.
— 33 —
letzte Wille Reinards in Deutschland eintraf und dem Jahre, wo Statz
von Bongart sein Zeugniss ablegte. Ob ihm da der Wortlaut noch klar
und deutlich gegenwärtig war? Strange sagt in den Beiträgen zur Ge-
schichte der adeligen Geschlechter (VI, 63), man müsse bei der Benutzung
alter Zeugenverhöre sehr vorsichtig sein, da sie wenig hisirorischen Werth
hätten und in der Regel ein grobes Lügengewebe seien. Es liegt mir
fenie, Herrn Statz der bewussten Unwahrheit zu zeihen, aber ein Irrthum
könnt« ihm bei der Länge der Zeit doch untergelaufen sein, er könnte
einen unrichtigen Ausdruck gebraucht haben. Im Testamente Reinards
wird wohl von jener Summe in Verbindung mit der Einlösung Montjoies
durch den Herzog von Jülich Rede gewesen sein, aber in einem ganz
andern Zusammenhange und Sinne, als der Wortlaut des Regests bei Fahne
nahelegt. Wie nämlich aus der gleich folgenden Darstellung des Falken-
burg-Montjoier Geschäftes erhellt, schuldete der Herzog von Jülich dem
Schönauer zwei grössere Summen, eine von 46000, die andere von 10000
Schilden. Für erstere bekam Reinard Montjoie, für die zweite Korneli-
münster in Pfandschaft. Beide Geschäfte werden 1361 in Einer Urkunde
besprochen und es ist leicht möglich, dass sich Reinard bei der Abwickelung
seiner Geschäfte, bevor er nach Rhodus ging, über l>eide Summen einen
Gesammtschuldschein hat ausstellen lassen. Dann hiesse die Test-jiments-
bestimmung anders nichts als: Wenn der Herzog Montjoie einlöst, dann
sind die 10000 Schilde für Kornelimünster in Abzug zu bringen.
Endlich mag hier noch ein Punkt hervorgehoben werden, der ent-
schieden für Reinards Ehrlichkeit spricht. Als derselbe im Jahre 1369,
wo er selbst noch mitten im Geschäftsleben stand, seinen beiden ältesten
Söhnen einen Theil seiner Besitzungen abtrat, legte er ihnen ausdrü(jklich
die Verpflichtung auf, auch wenn sie Lust dazu verspürten, dennoch keine
„vuere** und keine „commanschaft van der vuere" zu halten, (das hcisst
wohl; weder selbst ein Handelsgeschäft zu betreiben noch sich an einem
solchen zu betheiligen,) damit niemand durch sie betrogen werde.
Man sollte doch meinen, ein Mann, der selbst durch unredliche Mittel ein
grosses Vermögen erworben hätte, würde seinen Söhnen auch selbst die
Möglichkeit eines Betruges nicht so gründlich abgeschnitten haben.
Einen Theil des nach unserer Auffassung rechtmässig erworbenen
Geldes legte Reinard in Grundbesitz an. Er hätte ja auch in der Schlacht
bei Wothem * nicht als Bannerherr auftreten können, wenn ihm keine
Vasallen gefolgt wären und dazu gehörten ausgedehnte Ländereien. Einige
dieser Besitzungen lernen wir aus einer Urkunde vom 12. Juli 1347 kennen,
in der sich Reinard gegen eine Summe von 10000 kleinen Florenzer Gold-
gulden* als Vasall des Erzbischofs von Köln, Walrani aus dem Hause
Jülich, erklärt und seinerseits der Kölner Kirche folgende Allode überträgt,
die er als Lehen wieder zurückerhielt: Die Herrlichkeiten von Berge ^ und
0 Vgl. oben S. 23.
*) Etwa 96000 Reichsmark.
•) Laurenzberg bei Jülich. Vgl. Höhl bäum, MittheUungeu aus dem Kölner Stadt-
archiy XIV, S. 43, 44, 45.
— 34 —
Mertzene ^ zwei Höfe, den einen in Berg, den andern in Merz, die Mühle
in Berg sowie einen Antheil an der Herrschaft Lanciaire ^. Ausser Reinard
unterzeichneten die Urkunde sein Bruder Raso Mascherei und sein Ver-
wandter Johann von Schönau, Herr von Fays^, beide Ritter.
Ganz andere Früchte brachte dem klugen und scharfsinnigen Manne
die Summe, welche er zu Geldgeschäften verwendete. Bei der unglaublich
raschen Vermehrung des Goldes in den Händen Reinards dürfen wir nicht
vergessen, wie rar damals das Geld und wie hoch die Zinsen waren ^.
Zunächst verpflichtete sich Reinard den Bischof Adolf von Lüttich.
In einer Urkunde von 1346 quittirt der Schönauer über alle Forderungen,
welche er an Adolf zu stellen gehabt, mit Ausnahme einer Summe von
1600 Königsthaler ^'^ und der Ansprüche, welche ihm auf die beweglichen
Güter des damals bereits verstorbenen Bischofs zustanden".
Nach dem Tode Adolfs (1344) spielte Reinard den Unterhändler um
das Bisthum Lüttich für den Neffen des Verstorbenen, Engelbert von der
Mark. Bei diesem Handel kamen für Reinard nicht blos finanzielle, sondern
auch verwandtschaftliche Rücksichten in's Spiel. Bischof Adolf hatte näm-
lich die Heirath zwischen seiner Nichte Catharina von Wildenberg, Wittwe
des Herrn Otto von Born, und Reinard vermittelt. Catharina war die
Base des Bischofs Engelbert^, somit Reinard dessen Vetter durch Schwäger-
schaft. Aus dieser Ehe leitet sich auch wohl die Schwägerschaft Reinards
mit dem Hause Jülich her. Nachdem Engelbert das Bisthum Lüttich
erlangt hatte, trug er nicht blos Sorge, dass dem Vetter die Schulden
des Oheims Adolf bezahlt wurden, er ernannte ihn auch zu seinem Mar-
schall, wie es bereits der Vorgänger gethan® und verschaffte ihm die
Stelle eines Lütticher Schöffen, einen damals sehr gesuchten Posten. Reinard
hat denselben allerdings nicht lange bekleidet; er trat ihn noch im selben
Jahre (1345) an den Ritter Arnold von Charneux ab^.
*) Niedermerz. Vgl. Zeitschrift des Aacliener Geschieh ts -Vereins XIV, S. 284.
*) Langweiler. Noch heute heisst dieser Ort im Volksmimde Lankler. (Die Urkunde
bei Lacomblet, Urkundenbuch III, Nr. 443, S. 358.)
*) Vielleicht ist dieser Johann der Vater der unehelichen Maria, Frau des Erkin
Ingbrant von Montjoie, für welche Rcinard am 30. April 1870 sorgte, indem er ihr den
Pachthof Opdenberg bei Montjoie und den Steinthurm am Roerthore der Stadt überwies
anter der Bedingung, dass sie den Thurm bewohne, sorgfältig instandhaltc, das mit
demselben verbundene Wachtrecht ausübe und die Liegenschaften als Afterleheu von
Montjoie betrachte, (de Chestret S. 57.)
*) Der Codex Moeno - Francof . von Böhmer enthält auf S. 553 Urkunden, aus
denen hervorgeht, dass der Frankfurter Rath 1338 Zinsen bis zur Hohe von SS'/a— 43^8
Prozent festsetzte. (Mittheilung des Herrn Archivar Dr. Han^^en.) Dass 10 Prozent der
gewöhnliche Zinsfuss war, erhellt aus manchen in dieser Abhandlung vorkommenden That-
sachen. Da begreift sich leicht der Widerspruch der Kirche gegen das Erheben solcher
Zinsen.
*) Etwa 18560 Mark, die nach dem heutigen Geldwerthe 129920 Mark ausmachen.
*) de Chestret S. 18, Anm.
') Siehe die Stammtafel bei de Chestret S. 17.
8) Vgl. oben S. 23.
•) de Borman S. 194 f. Vgl. für Arnold von Charneux Annalen Heft 55,
8. 78, 98, 112.
— 35 —
Schwer verschuldet war dem Schönauer Walram von Jülich, Erss-
bischof von Köln. Am 30. März 1345 schwor Reinard als Amtmann zu
Bonn und Brühl mit seinen Kollegen im Erzstifte dem Domkapitel Gehorsam
für den Fall, dass der Erzbischof sein Versprechen bezüglich des Zolles
zu Rheinberg und der Einkünfte zu Köln, welche dem Kapitel verpfändet
waren, nicht haltet AVie ist nun Reinard an diese Amtmannschaften
gekommen? Offenbar zur Sicherung eines grossen Guthabens. Nun hören
wir, dass Johann, König von Böhmen und Graf von Luxemburg, am
15. Juni 1346 dem Erzbischof AValram die Zusicherung gibt, er werde
dem Gläubiger desselben, Reinard von Schöuau, folgende Summen aus-
zahlen, wenn Wali*am dem Sohne des Königs, dem spätem Kaiser Karl IV.,
seine Stimme bei der deutschen Königswahl gebe: zunächst 60000 Riolen
in drei gleichen Raten, sodann 4000 Riolen für die Räthe des Erzbischofs,
endlich 4500 Goldschilde wegen des Markgrafen von Jülich. Für die
letzte Rate stellte Johann Burg, Stadt und Land Durbey (Durbuy) in
Luxemburg mit sämmtlichem Zubehör zur Sicherheit. Ferner bekannte
der König, dass er ausserdem noch dem Reinard und dessen Erben 11000
Goldgulden schulde, die er am nächsten (Jhristtage zahlen werde. Die
Verschreibung über diese Summen sollte dem Schönauer übergeben werden,
sobald derselbe dem Propste von Soest, dem Kölner Kanonikus Wilhelm von
der Schieiden und dem Herrn Johann von Reifersclieid eine Bescheinigung
Walrams vorlege, dass er Karl zum römischen Könige gewählt habe oder
wählen wolle. Der Stimraenkauf wird mit dem Hinweise begründet, dass
den Kurfürsten durch die Walil grosse Kosten erwüchsen, besonders dein
Kölner, der den Gewählten auch noch krönen müsse*.
Was Johann von Böhmen hier an Reinard versclireibt, macht nach
unserm Gelde 940800 Mark und nach dem heutigen Geldwertho (1585 600
Mark aus.
Ehe der König seinen Verpflichtnngen nachkommen konnte, veHor er
sein Leben in der Schlacht von Crecy am 26. August 1346, und Keinard
blieb im Besitze der Pfandschaften Durbuy und Laroche im Lnxenibnrgischen.
Letztere Grafschaft nahm Balduin von Luxemburg, Erzbischof von Trier,
an sich; dagegen bekannte sich Karl IV. selbst als Schuldner Ueinards
für 10000 Königsthaler und gab ihm ausser Durbuy noch das Schhms
Reuland sowie die Vogteien vcm Stablo und Malmc(ly als Unterpfand.
Schliesslich löste der Erzbischof auch diese Pfandstücke ein, weil hIc Erb-
gut seiner Familie waren ^
Wir kommen nun an dasjenige Geschäft Reinards, in welchem er sich
als Geldmann ebenso kühn und klu^»* zeigt, wie bei Tournai als Soldat.
Es handelt sich um die Erwerbung der Herrschaften Falkenbnrg nnd Montjoie.
1352 starb Johann, der letzte Herr dieser Besitzungen. Er hinter-
liess keine Kinder aber viele Schulden. Sein Eigenthum zu Montjoie und
*> Lacomblet III, 8. 383, ürk. 422.
*) Lacomblet III, S. 344. Urk. 4:»2.
*) de Chidtret S. 23. Vgl. Dominif^UH, BalJewin von LUtzelburg S. 490.
— 36 —
Bütgenbach, zu Euskirchen und Rüdeslieim ^ war an verschiedene Gläubiger
verpfändet. Fünf Schwestern Johanns waren erbberechtigt: Philippa,
Beatrix, welche mit Dieterich von Brederode verheirathet war, Margaretha
die Wittwe Hartrads von Schöneck, Maria Äbtissin von Maubeuge und
eine unbenannte, welche als Kanonissin zu Reichenstein bei Montjoie lebte.
Philippa setzte sich sofort nach dem Tode ihres Bruders in den Besitz
beider Herrschaften ^ und heirathete noch in demselben Jahre Heinrich
von Flandern, Herrn von Ninove. Diese Verbindung schaffte ihr jedoch
nicht das nöthige Geld um die Gläubiger zu befriedigen und die verpfändeten
Güter an sich zu bringen. Die Eheleute wendeten sich an Reinard, der
ihnen zwar 15000 alte Goldschilde vorstreckte, dafür aber auch 6000
Schilde, d. h. 40®/o an Zinsen und Kosten berechnetet Mit diesen Kosten
war die Schuld auf 21000 Goldschilde, d. h. auf etwa 188000 Mark oder
nach dem heutigen Geldwerthe auf 1 321 600 Mark angelaufen. Natürlich musste
für die grosse Summe eine entsprechende Sicherheit geboten werden. Am
4. Februar 1353 ertheilten denn auch Heinrich und Philippa dem Reinard
Vollmacht, in ihrem Namen Bütgenbach, St. Vith und Euskirchen in Besitz
zu nehmen, Amtmänner ein- und abzusetzen, die Schlösser bestens zu verwahren,
die Einkünfte zu verwalten und mit ihren Schwestern, der Äbtissin von
Maubeuge, der Frau von Brederode, der Frau von Schöneck und der Frau
(Kanonissin) von Reichenstein ein Abkommen zu treffen *. Diese Verhand-
lungen hatten insofern Erfolg, als die Wittwe von Schöneck ihr Drittel an der
Erbschaft in Falkenburg, Montjoie, Bütgenbach, St. Vith und Euskirchen
für 11000 alte Goldschilde verkaufte^. Die Zahlung wurde in der Art
festgesetzt, dass man der Schöneck 3000 Schilde baar auszahlte, 6000 auf
die Herrschaft Euskirchen anwies und für den Rest der 2000 eine jähr-
liche Rente von 200 Goldschilden aus den Einkünften von St. Vith und
Bütgenbach ihr gutschrieb^. Montjoie Hess Reinard demnach nicht belast.en.
Die Gewähr, welche durch den Akt vom 4. Februar 1353 gegeben
worden war, muss dem vorsichtigen Schönauer wohl nicht ausreichend
erschienen sein. Am 14. April desselben Jahres liess er sich nämlich durch
Heinrich als „Mombar*' (mamburnus) von Falkenburg, Euskirchen, St. Vith
und Heerlen einsetzen und zwar auf so lange, bis die ganze Schuld bezahlt
') bei Easkirchen.
^) Die Belehnung datirt vom 24. Aug. 1852. de Chestret 8. 28, Anm. 1.
") Das riecht aUerdings nach greulichem Wucher. Um aber gerecht zu urtheilen,
vergesse man nicht, wie hoch damals die Zinsen waren (vgl. oben S. 34, Anm. 4), wie
gewagt in diesem Falle das Qescbäft war und wie kostspielig in folge der Verhandlungen
mit den vielen Gläubigem und Erbberechtigten.
*) Lacomblet III, S. 419, Anm.
') Lacomblet III, Nr. 519, S. 423 und Anm. Aus dem Drittel schliessen Franquinet
(S. 11) und de Chestret (S. 28), dass nicht mehr alle Schwestern Johanus am Erbe berechtigt,
gewesen seien. VieUeicht hat die Frau von Schöneck für die Äbtissin und die damals
wohl schon geisteskranke Kanonissin mit abgeschlossen. Letztere, die Franquinet irrthilmlich
nach Köln versetzt, geberderte sich als Herrin von Falkenburg und liess sich dort nieder.
Man Hess sie bis zu ihrem Tode (1359) ruhig auf der Burg wohnen. Franquinet S. 12;
de Chestret S. 31.
•) Franquinet S. 11.
— 37 —
sein würdet Dadurch kam der Herr von Ninove in eine so abhängige
Stellung zu Reinard, dass er ohne dessen Zustimmung keine rechtskräftige
Handlung bezüglich dieser Besitzungen vollziehen konnte. Er musste sogar
seinen Beitritt zum Landfriedensbunde für die genannten Gebiete durch
Reinard bestätigen lassen*. Das war ein Zustand, den Heinrich auf die
Dauer nicht ertragen konnte. Das einfachste und radikalste Mittel, dem-
selben ein Ende zu machen, lag im Verkaufe der Herrschaften, die den
Eheleuten von Ninove so viele Sorgen verursachten, an den geldmächtigen
Gläubiger. Der Handel ist bald abgeschlossen worden. Am 11. März 1354
erklärt Johann III. Herzog von Brabant: „dat here Reijnard, here van
Monjouwe van Valkenburch ende van Scoinvoirst onse lieve man van ons
ontfaen heeft te leeue ... die bourch te Monyouwe ende al dat dair toe
behoirende es, die bourch te Butghenbach . . . den hof tot Rttdesheim . . .
dat huys te Berghe . . . den hof tot Busslaer^ ... die stat tot Zittert . . .
den toi tot Heistert ende tot Gülpen dat wilnere was ende biet dat gheleyde*
van Gressenich, den hof tot Esde^ . . . dat vierdeel van Heerle* mitten
gerichten ende mitten vieftenne mannen'', die heiecht* van Mechlen bi
Gulpen ende den toi van Lynne ^, van welken . . . golden, die rurende syn
van onsen hertochrike van Limborg her Reinart onse man worden is ..."
Ausser diesen Limburger Lehen empfing Reinard zugleich noch ein
brabantisches: „Item heeft die vurschreven her Reynart . . . van ons ont-
faen te leene vyftich pont goits gelts ane den toi tot Trichte^^ ende van
desen vyftich ponden es her Reynard . . . oec onse man worden, die rureüde
sin van onsen hertochrike van Brabant. Dairom ontbeden wy . . . allen den
ghenen, die Jioire leeue wirt (sie) van den heirschapen van Monyouwe ende
van Valkenbourch haudende syn, dat sy die leene wirt van heren Reynard
ontfangen ^K^
Da Falkenburg ein Reichslehen war, so erbat Reinard die Belehnung
mit demselben von Karl IV.; sie wurde ihm am 4. April 1354 von Toul
aus zn theil*^
Am 20. April (des neysten sundagis na paischen) desselben Jahres
erklärt Heinrich von Flandern, er habe mit der Frau von Schöneck einen
*) Lacomblet III, S. 423, Anm.
*) Meyer, Aach. Gesch. S. 326. Meyer übersetzt den Ausdruck mambur (er schreibt
mnmbur nach der Yolksaussprache momber) richtig mit Vormund; Heinrich war in bezng
auf diese Besitzungen entmündigt.
^) Vgl. Zeitschrift des Aachener Gcschichtsvereios II, S. 298.
*) Das Schutzrecht auf den Strassen, wofftr eine Abgabe entrichtet wurde.
*) Eysden.
^) Heerlen im Limbnrgischen.
^) Lehenlenten.
*) Fahne, (Gesch. der Köln. Geschlechter) und nach ihm de Chcstret übersetzen
,,Uälfte, moiti^^. Ich kann das Wort nicht finden, glaube aber, dass es ein Provinzialismus
für helheit = das (ianze ist.
*) Linnen auf dem rechten Maasufer oberhalb Ruremonde.
«<») Mastricht.
*') Staatsarchiv zu Düsseldorf A. I. 562.
") de Chestret S. 30 und Anm. 5.
— 38 —
Vertrag geschlossen über den dritten Theil, der ihr nacli ihrer Meinung
an der Erbschaft ihres Bruders Johann zustehe. Unterdessen habe er „die
bürgen heirheyde van Monyou, van Valkenburch, van Butgenbach, van sent
Vyt, van Euskirgen mit ihren z&belioerin" dem Herrn Keinard von Schön-
forst verkauft und setze darum denselben in alle Rechte ein, die er von
der Frau von Schöneck erworben, umsomehr weil dieser der Inhaber der
Verkaufsurknnde seitens der Frau von Schöneck sei und das Kaufgeld
theils bezahlt habe, theils noch bezahlen werde ^ An demselben Tage
bekundet Heinrich „dem edelen vursten unsem beirren heren Weutzelyn
dem herzogen van Lutzelenburch", dass er dem Herrn Keinard die Herr-
schaften von Montjoie und Falkenburg mit ihrem Zubehör sowie alles, was
er mit Frau Philippa „genomen", verkauft habe und bittet den Herzog,
Reinard mit „der burch, stat inde ampte van sent Vyt, die wir van uch
haldende waren", belehnen zu wollend
Aber die Rose, welche Reinard sich da gepflückt hatte, war nicht ohne
Dornen. Johann von Falkenburg, Herr von Born und Sittard, war im Besitz
dieser Stadt, und wahrscheinlich hat Reinard dieselbe nie thatsächlich besessen ^
Eines andern Theiles der Falkenburger Errungenschaft entäusserte der
Schönauer sich freiwillig: er vertauschte Euskirchen* und Rüdesheim,
welche Besitzungen ihm zu entlegen waren, an den Markgrafen von Jülich
gegen die Herrschaft Zetrud-Lumay oder Zittard, südlich von Tirleraont,
die dem Markgrafen aus dem Erbe seiner Mutter Elisabeth von Brabant
zugefallen war. Da aber Euskirchen grösseren Werth hatte als Zetrud,
so übernahm Wilhelm auch die Zahlung der 8000 Goldschilde, welche der
Frau von Schöneck im Vertrage von 1353 auf Euskirchen und St. Vith
angewiesen worden waren. In der Abmachung zwischen Wilhelm und
Reinard vom 12. März 1355 werden die Tauschgegenstände folgender-
massen beschrieben: Wilhelm erhält „die veste ind stat zu Eustkirch mit
der heerheid ind met den gerichtcn hoge ind neder, bennen ind buissen
Eustkirch gelegin, die zu Eustkirch gehorint, vort mit den mannen, borch-
mannen, dienstraannen, scheffenen, scheflfenstulen, mit den eigendom, mit
allen reuten id si corengelde, penniggelt*, hoenre, capune, curmeden, mulen,
erfgemal, benden, busche, velt, wasser, weide, vischereyen, opval, nederval,
mit allen notz ind urber, die zu Eustkirch gehorint, . . . mit der kirchengicht ^,
mit den clockenslage ind mit dem hove zu Rudesheim mit allen iren zubehorin".
») Staatsarchiv zu Düsseldorf A. I. 574. Lacomblet III, S. 423. Urk. 519 und
Anm. Es siegeln Heinrich in rothem Wachs: gekrönter Löwe mit Schrägbalken, Gerart
van Reysecken, Ritter: derselbe Löwe ohne Balken, Arnold von Marken, Ritter: doppelt-
geschwänzter Löwe, und Gerard Busch, Knappe: 3 Kugeln (2. 1.)
*) Staatsarchiv zu Düsseldorf A. I. 575. Siegel wie oben; Arnolds und Gerards
Siegel abgefallen.
«) de Chestret S. 31, Anm. 2.
*) Büsching, Erdbeschreibung VI. Theil S. 131, sagt: „37. Das Amt Euskirchen
oder Vemich hat 112G Morgen, gibt von jedem 26 Albus, überhaupt 366 Thaler 70 Albus,
wenn das Land 100000 Thaler erlegt".
^) Korn- und Goldrenten.
ö) Patronat.
— 89 ~
Reinard erhielt ^Zyttart in Brabanl prelegin mit alle syme ziibehorin,
mit der lieerlieid, mit den mannen, mit den scheifeuen, scheffenstulen,
mit dem gericlite, mit allen renten, mit penniggelde, mit corengelde,
mit einsen, mit hoenren, mit capunen, mit curmeden, mit mulen, mit erf-
gemale, mit pechten, mit buschen, mit velden, mit wasser, mit weiden,
mit benden, mit bruchgin \ mit vischereyen, mit opval, mit nederval, mit
allen notz ind urber, die zu Zyttart ind zu der heerheid van Zyttart
behorinde siin^". Zetrud war jedoch ein Lehen der Grafen von Namür
und noch im Jahre 1358 hatte Reinard die Belehnung mit dieser Herrschaft
nicht erlangt^.
Wir hörten bereits*, dass Walram, der Sohn Johanns von Born, seine
Ansprüche auf Falkenburg mit Waffengewalt geltend zu machen suchte.
Das mag Reinard wohl veranlasst haben, sich ganz aus dem verdriesslichen
Handel zu ziehen. In der letzten Hälfte des August 1356 verkaufte er
Falkenburg und Montjoie an den Markgrafen von Jülich. Vom 30. dieses
Monats datirt nämlich die Urkunde ^ worin Markgraf Wilhelm gelobt, er
wolle die Schlösser beider Herrschaften nicht in Besitz nehmen, bevor er
seinem Schwager^ Reinard von Schönau die Briefe überliefert, welche
Heinrich von Flandern von demselben in Händen habe, ihm die Belehnung
mit Zetrud verschafft und ihm alle Mundvorräthe an Wein, Korn und
allen andern Dingen, seine Kriegsgeräthe an Armbrüsten, Nothstellen ^,
Pfeilen sowie seinen Hausrath an Betten, Schlaflaken, überhaupt alles,
was Reinard auf die Burgen geschafft hatte, auf das Haus zu Caster,
in die Stadt Mastricht oder nach Aachen, wohin Reinard wolle, abge-
liefert habe. Damals war also der Verkauf abgeschlossen und Caster als
Pfandstück bereits abgetreten, jedoch verzögerte sich die Uebergabe der
Burgen noch, weil der vorsichtige Reinard vorher alle Schriftstücke in
Händen haben wollte, die ihn bezüglich jener Herrschaften belasteten. Auch
sollte durch die Zögerung ein Druck auf den Markgrafen ausgeübt werden,
damit er den Grafen von Namür bewege, Reinard endlich mit Zetrud zu
belehnen.
Eine Urkunde vom 25. Juni 1361 gibt weitere Aufschlüsse. Wilhelm,
dieses Namens der zweite Herzog von Jülich, erklärt darin, zur Zeit seines
Vaters habe Reinard den Ritter Heinrich von Barmen mit 6240 alten Gold-
schilden abgefunden, ihm selbst dann eine Schuld von 3760 Schilden
berechnet, so dass diese beiden Posten eine Summe von 10 000 Goldschilden
ausmachten ®. Ausserdem stehe demselben Reinard nach einer Verschreibung
vom Vater und Bruder des Herzogs noch eine Forderung von 46000
*) Brucheil.
*) Fr an q 11 inet, annexe II, 8. B5 ff.
») de Cbestret S. 33.
*) Siehe oben S. 22.
*) Lacomblet III, 8. 469, Nr. 5H1.
«) Vgl. oben S. 34.
^) Wnrfinaschinon. Verl. Rboen, Refestigun^sworke S. 132 f. lieber ihre AnfortigUDg
vgl. (He Amb'Utuntreii hn l.aurent, Sr:i*Urochnunu;en 8. 184 f.
*) 128 000 Mark nach dem iunern oder 89« 000 Mark nach dem jetzigen Goldwerthe.
— 40 —
Goldschilden zu ^ Die Höhe dieser Ziffer beweist, dass Herzog Wilhelm I.
von Reinard einen grössern Landbesitz erworben hat, und das kann nur
Falkenburg-Montjoie gewesen sein. Wir kennen demnach auch den Preis,
den Wilhelm für beide Herrschaften zahlte. Indessen hatte der Herzog die
Summe nicht ausgezahlt, sondern dafür dem Reinard Burg, Stadt und Land
von Caster * an der Erft als erbliches Eigenthum übergeben. Der Schönauer
habe jedoch, so fährt Willielm II. in seiner Urkunde fort, zu des Herzogs
gunsten auf die Erblichkeit verzichtet und ihm Caster wieder anheim-
gestellt. Darum verpfände er, Wilhelm IL, nunmehr an Reinard Burg,
Schloss und das ganze Land von Montjoie mit den dazu gehörenden Dörfern
und Kirchspielen, nämlich: den Berg genannt- Höve^, Mechernich, Merode^,
Kalterherberg, Mützenich, Lo verscheid ^, die beiden Menzerath, Imgenbroich,
Conzen, Fronrath, Lamberscheid ^, Puistenbach ', Sementrot®, Nieder- und
Oberrolsbroich ^, Kesternich und im Lande Ueberruhr: Wolfseifen, Kalten-
born, Wardenberg, Morsberg ^®, Hetzingen und die Eschauel".
Für die obenerwähnte Schuld von 10000 Goldgulden erhielt Reinard
als Unterpfand das Forstamt von Montjoie sowie die Dörfer und Gerichte
von Comelimünster: Roleflf, Freund, Ki'authausen, Dorpe^^, Busbach, Breide-
nich ^^, Haide ^^, Venwegen, Hahn, Friesenrath, Walheim, Pinsheim ^^ Net-
heim ^*^, Schleckheim, Ober- und Niederforstbach, Gressenich, Mausbach,
Krähwinkel, Eilendorf und die Haar*^
Endlich gewährleistete der Herzog dem Reinard und seinen Erben
sowie seinem Bruder Mascherei und ihrer Schwägerin, der Frau von Uelpich,
auf ihren Gütern im Kirchspiele Richterich das Recht mit ihren Laten zu
richten und zu dingen, so lange die Pfandschaft dauere. Nur das Blut-
gericht behielt der Herzog sich vor^®.
Mit der Rückzalilung jener Summen hatte es indessen eben so gute
Wege wie mit Erfüllung der andern Verpflichtungen, welche der Herzog
Reinard gegenüber eingegangen war. Der Schönauer bestand jedoch nicht
allzu hartnäckig auf den Bedingungen. Er trat wenigstens Falkenburg schon
bald ab. Am 25. März 1357 bekundet Herzog Wilhelm, dass sein Schwager
Reinard ihm dieses Schloss überliefert habe, und dass darum die wegen
Falkenburg und Montjoie eingegangenen Verpflichtungen nur noch auf Mont-
joie haften sollten ^^
Hemricourt erzählt den Hergang wie folgt. Reinard erwarb von
Heinrich von Flandern Falkenburg. Als er merkte, dass er die Herrschaft
») Mark 736 000 bzw. 4 233 600.
*) Caster zählte später 9 Gerichte (Zeitschrift des Aachener Geschieh tsvercins ni,
S. 305 und Anm.) und 60 Ortschaften (mündUche Mittheilung). Während die Burg seit
der Zerstörung durch die Hessen im Jahre 1642 elend in Trümmern liegt, hat das Städtchen
noch zwei Thore, einen Theil der Ringmauern, die Vogtei, Kellnerei (es war „die beste du
pais**, Annalen, Heft 28, S. 305) nebst einigen alten Häusern bewahrt.
^) Höven. *) Rütgen. '^) Lauscheid V 0) Lammersdorf. ^) Paustenbach. ^) Simmerath.
•) Rollcsbroich in der Pfarre Simmerath. *®) Morsbach. '*) Eschweide? oder Eschanel in
der Pfarre Schmidt? Vgl. über die Namen Annalen, Heft 6, S. 24. *«) Dorf. ") Breinich.
») Breinicher Haide. '^) Verschwunden. »«) Nöthcira, Nutten. ") Die Haarhöfe? »«) Lacom-
blet III, S. 521. Urk. 261. "») Das. S. 477. Urk. 570.
— 41 —
nicht werde halten können, vertauschte er dieselbe gegen Caster an den Her-
zog von Jülich. Um baares Geld erwarb er dann von letztenn Montjoie. Weil
nun diese Besitzung ganz von jülichschem Gebiete umgeben war und
Reinard fürchtete, der Herzog möchte es ihn dort entgelten lassen, wenn
es wegen Falkenburg Späne setze, bewog er denselben zu einem zweiten
Tausche und nahm für Montjoie die Herrschaft Sichern bei Diest*. Das
hört sich an, als wenn der Herzog eine Marionette in der Hand Reinards
gewesen wäre. Die obige, auf Lacomblets Urkunden gegründete Darstellung
zeigt deutlicli die Unrichtigkeit der Hemricourtschen Erzählung. Hier
lässt sich an einem schlagenden Beispiele nachweisen, dass man Hemricourt
doch nicht alles aufs Wort glauben darf.
Auffallen mag es aber doch, dass Reinard das fruchtbare Land Caster
gegen das rauhe Montjoie eingetauscht hat. Um den Beweggrund kennen
zu lernen, müssen wir einige Jahre zurückgreifen. In einer Urkunde vom
•6. Mai 1348 bezeichnet sich Reinard, der bis dahin stets den Titel von
Schönau führte, zum erstenmal als Herr von Schönforst, eine Benennung,
die er seitdem immer gebrauchte und die nach de Chestrets Bemerkung
erst mit ihm in den Urkunden auftritt. Reinard hat also ein Gebiet erworben,
dort eine Burg angelegt und derselben von ihrer Lage im Walde den
Namen Schönforst gegeben, damit zugleich anspielend auf den Stammsitz
seiner Familie Schönau. In der Urkunde, durch welche' Reinard II. am
Andreastage 1387 die Hälfte von Schönforst an den Erzbischof Friedrich
von Köln verpfändet, wird die Burg beschrieben als versehen mit „turnen,
graven, muiren, vurburgen ind vesteningen" ; der Erzbischof soll sie mit
Amtleuten, Thurmknechten, Pförtnern und Wächtern besetzen dürfen*. Es
war demnach ein stattlicher, fester Sitz. Von wem aber hat Reinard
jenen Bezirk erhalten? Jedenfalls von seinem Gönner Karl IV. Denn in
der angeführten Verpßlndung erklärt Reinard IL, Schönforst sei Reichs-
lehen, darum müsse er die Genehmigung des römischen Königs einholen.
Nun ist wohl klar, warum Reinard I. sich grade Montjoie und Corneli-
münster vom Herzoge von Jülich verpfänden Hess. Das waren ja die
Herrschaften, welche seiner neugegründeten Stammburg zunächst lagen
und in ihrem Zusammenhange ein schönes Gebiet bildeten. Ihr Werth
erhöhte sich bedeutend durch die mitverpfSndete Waldgrafschaft. Reinard
hat es genau so gemacht, wie später der Herr von Bongart, der sich im
Jahre 1361 das rings um seine Burg Heiden liegende ehedem pfalzgräf-
liche Allod Richterich von Herzog Wilhelm zur Sicherung seines Guthabens
anweisen liess. Nach einem andern Beweggrunde zu suchen ist demnach
überflüssig. Dass übrigens Reinard diesen Plan schon längere Zeit im
Sinne führte, scheint mir daraus hervorzugehen, dass er bei den oben
erwähnten Verhandlungen wegen der Falkenburger Güter jede Belastung
Montjoies vermied und die Verpflichtungen auf diejenigen Gebietstheile
ablud, welche er an den Herzog von Jülich verkaufte.
^) Uebcr Sichern werden wir ^l<»ich das Richtige bringen.
') Lehn- und Mannbuch des Erzstifts Köln I, Nr. 505. Staatsarchiv zu Düsseldorf.
— 42 —
Wie verhält es sich nun mit dem von Heniricourt erwähnten Besitze
in Sichern? Reinard hat diese Herrschaft nicht durch Tausch sondern
durcli Kauf erworben. Am 29. August 1358 überli essen ihm nämlich
Herzog Wilhelm II. und dessen ältester Sohn Gerard zwei Besitzungen,
welche wie Zetrud aus dem Nachlasse der Elisabeth von Brabant herkamen,
nämlich Sichem bei Diest und St. Agathenrode (Achtenrode, südlich von
Löwen) für 70 000 alte Goldschilde. Das machte 896 000 Mark aus, heute
wären es 6272000 Mark. Vorsichtig wie immer begnügte sich Reinard
nicht mit den Unterschriften Wilhelms und Gerards, auch des Herzogs
zweiter Sohn Wilhelm musste seine Zustimmung zum Verkaufe geben und
auf alle Anspräche verzichten (28. Aug. 1359)*. Reinard trat am 7. Mai
1371 Sichem an seinen ältesten Sohn Reinard II. ab*; St. Agathenrode kam
an den zweiten, Johann^.
Nach Hemricourt hätte Reinard noch grosse Kosten und viele
Mühen aufwenden müssen, um vom Herzog von Brabant die Belehnung
mit diesen grossen Herrschaften zu erlangen, weil Wenzel einen Herzog
von Jülich nicht mit einem Herrn von Schönforst als Lehnsmann
vertauschen wollte. Dynter* gibt einen realem Grund an: der Jülicher
wollte sich der Wiedervergeltung von Seiten des Brabanters wegen
der Beraubungen entziehen, denen des Letzteren Unterthanen im Lande
von Jülich ausgesetzt waren; da ist es begreiflich, dass Wenzel zögerte,
sich die bequemste Gelegenheit zur Ahndung der Unbilden entreissen zu
lassen. Wenn er trotzdem seine Einwilligung gab, so sehen wir hierin
den besten Beweis für den Einfluss und die Werthschätzung, deren sich
Reinard damals am Brabanter Hofe erfreute. Wir fügen gleich einen
zweiten bei. 1364 März 16. erklären Herzog Wenzel und seine Gemahlin
Johanna, sie hätten zwar die Rechte der Philippa von Falkenburg, des
Herrn von Brederode und der Äbtissin von Maubeuge auf die Herrschaft
Montjoie an sich gebracht, wollten aber doch den Reinard von Schönau,
der ihr Rath, Ritter und Mann sei, so lange in ruhigem Besitze belassen,
bis der Herzog von Jülich denselben bezahlt habe^.
Gelegentlich des Ankaufs von Sichem und St. Agathenrode Hess
sicli Reinard auch den Zoll zu Kaiserswerth bestätigen. Hiermit hatte es
folgende Bewandtniss. Gerard, der älteste Sohn Wilhelms von Jülich,
hatte Margarethe von Berg geheirathet und mit ihr 1346 die Grafschaft
Ravensberg und 1348 die Grafschaft Berg geerbt. Der dem Hause Jülich
gehörende ^ Rheinzoll zu Kaiserswerth wurde ihm jedoch streitig gemacht.
Durch gesciiickte Verhandlungen erreichte Reinard, dass der Graf zum
M de Chestret S. 41.
2) Das. S. 57.
8) Vgl. das. S. 61 und Anm. 2.
*) Ohroniquc des ducs de Brabant III, S. 59. Dyntcr (f 1448) war Sekretär bei
vier Herzogen von Burgund-Brabant (Feiler, Dlctionaire Historique II, 579), er ist also
gewiss ein bcmfener Zcnge und glaubwürdiger als Hemriconrt.
») Lac om biet III, S. 550. Urk. (552.
•) Zeitscbrift des Aachener Geschichtsverein XllI, S. 141, 148. Annalen, Heft 9, S. 85.
— 43 —
rascheren Besitze desselben gelangte. Dafür gaben ihm Gerard und Marga-
rethe einen Antheil am Zolle bis zum Ertiuge von 12000 alten Schilden (1358
Aug. 16.). Dieser Antheil ist unter dem Zolle von Kaiserswerth in der Ur-
kunde vom 29. August zu verstehen. Interessant sind die im Verleihungs-
briefe angeführten Zollsätze. Vom Fuder Wein, vom Centner Hafer, von der
Last Häringe, von drei Mühlsteinen und von drei Fass Stahl sollte Reinard
je zwei, von der Last gesalzener Fische je einen, vom Centner Hartkorn
je vier Turnoser Groschen erhalten, gleichviel ob die Schiffe zu Berg oder
zu Thal fuhren K Mit diesem Zolle stattete Reinard seine Tochter Adelheid
aus, als sie 1363 den Herrn Conrad zur Dyck heirathete^
Oben ^ haben wir bereits gehört, dass auch ein Antheil am Mastrichter
Zolle Reinard gehörte, ausserdem war er noch an zwei anderen betheiligt:
an dem zu Lobith zur Hälfte, an dem zu Nimwegen mit einem Ertrage
von 4 Groschen (gros)'*. Letztern vererbte er auf seinen ältesten Sohn;
der Zoll zu Lobith, wo Reinard den Städten Arnheim, Nimwegen. Ztitphen
und Roermond Zollfreiheit bewilligte, war wohl eine Entschädigung für
die dem Herzoge Eduard von Geldern geleisteten Vorschüsse. Als Johann
von Mors die Schuld des Herzogs mit 8405 Brügger Thaler zurückgezahlt
hatte, ging der Zoll auf ihn über^. (1363).
Reinards Gemahlin hatte aus ihrer ersten Ehe mit Otto von Born
einen gleichnamigen Sohn, der von seinem Vater die Herrschaft Elslo ererbt
hatte und mit Johanna von Breidenbend verheirathet war. Da die Ehe
kinderlos blieb, sicherte sich Reinard die Güter seines Stiefsohnes dadurch,
dass er für 3000 alte Goldschilde eine jährliche Rente von 300 Schilden
auf „burch, laut ind heerlichheid van Eilslo, van Bicht ^ ind van Catsop" ^
kaufte. Zu grösserer Sicherheit verschrieb Otto noch die „beede" und
„schetzinge" ® von Bocholt und Brogel, zwei Enklaven in der Grafschaft
Looz, welche vom Herzog von Jülich zu Lehen gingen. Auch versprachen
Otto und seine Frau, dass letztere, wenn ihr Mann vor ihr stürbe, sich
mit ihrer „liifzucht, medegave ind douarie" begnügen und dem Herrn von
Sqhönforst die Burg von Elslo tibergeben werde; die Güter, welche sie
selbst mit in die Ehe gebracht, sollten vom Versatz ausgesclilossen sein.
Den Brief unterschrieben als Zeugen Bischof Engelbert, der Herzog von
Jülich „want men dat vurburge van der burch mit den dorpe van Elslo
ind dat dorpe van Bijclit van uns zu leen haldende is" ^, Everard von der
*) Lacomblet III, S. 487. ürk. 582.
«) do Chestret S. 41.
») Siehe S. 37.
*) Hier steht ein Theil für das Ganze. So heisst es auch in einer Urkunde bei
Lacomblet III, Nr. 684, vom Jahre 1368, wo Herzog Wilhelm von Jülich nebst Frau,
Mutter und Schwester den Kaiserswerther Zoll an Pfalzgraf Ruprecht von Baiern ver-
pfändete, vom Antheile Reinards und Reiferscheids, dass „der van Ryfferscheit ind der van
Schoenvorst in yren vier groissen an dem vurgen. zolle Werde bliven sitzen".
*) de Chestret S. 43.
®) Grevenbicht.
') Weiler von Elslo.
•) do Chestret übersetzt ^les aides** (Verbrauchssteuern) und „tailles** (Grundsteueni).
•) Vgl. Zeitschrift des Aachener Geschichtsvercins XIII, S. 138.
— 44 —
Mark, Herr von Arenberg* und Neuenburg, Werner von Breidenbend und
Werner von Bruehhausen, Herr von Wickrath. 1361 K Im Oktober des-
selben Jahres gab dann Otto aus Wohlwollen gegen seine Stiefbrüder, „die
onse vrouwe ende müder nu ter tiet hebt van den* here van Scoenvorst
of nomoels van horae mach verengen", die Zusicherung, dass nach seinem
kinderlosen Absterben Burg, Land und Herrlichkeit von Elslo, Bicht und
Gatsop jenen erblich anerfallen und gehören solle. In diesem Akte wird
die Leibzucht und Nutzniessung (douarie) der Frau Johanna an Brogel
und Kessenich (zwischen Maaseyck und Boermond)* vorbehalten. Zeugen
sind der Bischof von Lüttich, der Herzog Eduard von Geldern und Zütphen,
der Herzog von Jülich ^. Die Herrschaft Elslo kam hernach an den dritten
Sohn Reinards, Conrad, der sich nach derselben nannte. Da Conrad in
seinem Heirathsver trage* mit Catharina von Argenteau vom 10. September
1372 nur von Schönforst genannt ist, so erhellt, dass er erst nach diesem
Akt« in den Besitz von Elslo kam. Das Testament seines Vaters bedachte
ihn noch mit den Dörfern Zetrud, Lümmen und Onderdenl)erg ^ In den
Registern des Lehenhofes von Brabant erscheint Reinard als Besitzer
folgender Lehen: des Hofes von Hartart (Hartert, Hartelstein, nördlich
von Mastricht bei Borg-Haren, später im Besitze Engelberts von Schöuforst),
mit Land, Benden, Büschen, mit der Fischerei und einer Insel in der
Maas, mit dem Zinse und dem Korngelde in der Umgegend; des Gutes
und der Herrlichkeit zu Heerlen mit Korngeld und Kapaunen „dat hi
vercreech jegen Herman van Vervych*'; endlich der Herrlichkeit Kessenich^.
Als Limburger Lehen Reinards verzeichnet de Chestref Burg und
Dorf Walravensberg an der lüde, heute Nothberg.
Nach einer gefalligen Mittheilung des Herrn Geheimen Archivraths
Dr. Harless in Düsseldorf hat sich „über Lehen, welche Reinard von
Schönau, Herr zu Schönforst, von dem Markgrafen bezw. Herzog von Jülich
empfangen, weder in den Urkunden und Litteralien, noch in den Lehens-
registem des Herzogthums Jülich etwas" ermitteln lassen. „Das älteste
Jülichsche Lehnscopiar ist nicht mehr vorhanden, doch hat sich ein alpha-
betischer Index (S. XVI.) der seitens der Landesherrn von 1288 erfolgten
Belehnungen erhalten, in dem sich bezüglich jenes Reinard nur folgendes
Regest findet: „Die Heid^ belangend hait Reynart von Schonauen . . .
bekentniss von sich gegeven, das er ontfangen have von dem marggreven
von Gulich einen . . . brief . . . das Goedert van der Heiden ritter bekent,
das er syn huys zur Heiden mit sym vorborg und mit den graven, so wie
sy beid gelegen syn bynnen irem cingell, mit alle den vestongen, die da
*) Franquinet, annexe V, S. 72 flP.
*) Vgl de Chestret S. 26, Anm. 3.
') Franquinet, annexe VI, S. 78 f.
*) Das. annexe VIII, S. 80 f. Vgl. unten XI: Conrad.
*) Franquinet, annexe IX, S. 82.
«) de Chestret, S. 51 und Anm. 1, S. 26.
') Das. 8. 26. In Zeitschrift des Aachener Oeschichtsvereins VI, S. 115 wird Nothberg
als JüHchcr Lehen aufgeführt.
®) Das Haus zur Heiden. Vgl. oben 8. 41.
— 45 —
synt oder gemacht werden, entfangen und offenhuys gemacht haflf des marg-
greven von Gulich . . . widder aller mallich on eynen bischofFen von
Collen. Datum des bekentniss 1352". Hat etwa Reinard auch dem Bongart
Geld geliehen und Heiden als Pfand erhalten?
Eine Verfügung Reinards zu gunsten seiner beiden ältesten Söhne
vom 2. August 1369, welche wir unten näher besprechen Verden, erwälint
noch folgende Besitzungen des Herrn von Schönforst: den Hof auf dem
Berlich zu Köln, den Hof zu Rehoven *, den Hof zu Richterich, den Hof
in der St. Jakobstrasse zu Aaclien, die Herrlichkeit von Marchienne-au-
Pont mit der Vogtei von Thuin, die herrschaftlichen Häuser in Brüssel,
St. Trond und Lüttich. üeber die Besitzung auf dem Berlich berichten
Zinsverzeichnisse der Johannitercommende zu St. Johann und St. Oordula*.
Reinard besass ein Haus in der genannten Strasse, welches auf St. Clara
zu gelegen war und früher dem Heinrich de varia penna (van der bonten
vederen) gehört hatte. Am 11. März 1361 kaufte bezw. nahm er in Erb-
pacht gegen einen jährlichen Zins von 6 Mark kölnisch eine den Johannitern
gehörende, an sein Eigenthum anstossende und dem „Freudenthal" gegenüber-
liegende Behausung (mansio)^ oflfenbar um seine ursprüngliche Wohnung zu
vergrössern. Der Erbzins sollte dazu dienen, den Mitgliedern des Convent<<
am Ostertage im Refektorium eine „pictantia", d. h. eine aussergewöhnliche
Erfrischung zu bereiten. Das Original des Kaufaktes lag im Schrein
Columba. Die Liegenschaft hiess noch im 17. Jahrhundert Schönforster
Hof, curia Schoneforst.
Reinards Aachener Besitzung, welche ebenso den Namen behalten
hatte, ist erst in neuester Zeit verschwunden. Sie lag an der Stelle, wo
jetzt die Paulusstrasse in die Jakobstrasse mündet und kam mit der Herr-
schaft Schönforst in den Besitz der Herzoge von Jülich. Die Herrlichkeit
Marchienne mit Thuin kam her von Heinrich VI., Graf von Salm in den
Ardennen, dem Schwiegervater von Reinards Tochter Philippine. Wahrschein-
lich war sie an Reinard verpfändet^.
Das Haus in Lüttich kaufte Reinard vom Nachfolger seines Brudei*s
in St. Trond, dem Abte Robert von Crenwick. Johann von Schönau liess
den Kaufakt am 20. August 1367 in die Realisationsbücher in Lüttich ein-
tragen*; auf ihn tibertrugen auch die Söhne Reinards ihre Antheile nach
dem Tode des Vaters. Heute befindet sich dasselbe im Besitze des Lütticher
Männer-Gesang- Vereins La Legia.
*) de Chcstret, (S. 55, Anm. 2) denkt an Reckhoven in der Orafschaft Looz, der
Hof lag aber in der Herrlichkeit Schönforst. Reinard II., sein Schwiegersohn Gerard von
Endelsdorf und seine Tochter Catharina verkauften denselben 1395 an den Abt von
Comelimünster, Pawijn Boyme von Merzenhausen, für 300 rhein. Gulden, wobei „wie
gewöhnlich*^ dem Pfluge sein Recht gewahrt wurde. Endelsdorf siegelt mit Horizontal-
balken, in der oberu Schildhälfte ein wachsender Löwe. Sonntag nach Lichtmesseu. (7. Febr.)
Staatsarchiv zu Düsseldorf. Orig.-Urk.: Comelimünster. Für Gerard vgl. Strange, Bei-
träge zur Genealogie ... I, S. 8, Anm. 1.
*) Staatsarchiv zu Düsseldorf, Faszikel 53, Nr. 60.
^ de Chestret S. 55 und Anm. 4.
*) Das. S. 51 und Anm. 2.
— 46 —
V. Reinard der Diplomat. Seine Beziehungen zu den Fürsten.
Seine Thätigkeit als Vermittler und in den Landfriedensbünden.
Wir haben uns im Vorhergehenden mehrfach gegen die durch Hemricourt
aufgebrachte, von Franquinet und de Chestret angenommene und weiter
ausgeführte Ansicht wenden müssen, als sei Reinard ein besonders hab-
süchtiger Mensch gewesen, der zur Befriedigung seines Eigennutzes selbst
die verwei'flichsten Mittel nicht gescheut habe. Wen die bisherigen Aus-
führungen noch nicht von der Falschheit dieser Auffassung überzeugten,
dem werden hoffentlicli die nunmclir zu erzählenden Thatsachen auch den
letzten Zweifel an Reinards Redlichkeit benehmen. In der That, wie
verkommen hätten jene Bischöfe, Kurfürsten und Landesherren bis zum
Kaiser hinauf sein müssen, um einen Wucherer und Gaunei- zu ihrem
Rath, Geschäftsträger, ja zu ihrem Vertrauten in schwierigen Familien-
angelegenheiten zu machen bezw. ihn selbst in ihre Familien aufzunehmen!
Doch lassen wir die Urkunden reden und den Leser urtheilcn.
Es ist schon erzählt worden, mit welchem Vertrauen Bischof Adolf von
Lüttich — und zwar gleich nach dem verrufenen Wollgeschäft — Reinard
beehrte, wie er ihn zu seinem Marschall machte und ihm gar die eigene
Nichte zur Frau gab. Gleichen Zutrauens erfreut« sich der Schönauer
bei Adolfs Neffen und Nachfolger, Engelbert von der Mark, der es haupt-
sächlich der Gewandtheit desselben zu verdanken hatte, dass er Bischof
von Lüttich wurde. Und Engelbert war ein tüchtiger Fürst, der Strenge
und Milde wohl zu vereinen wusste.
Dem Erzbischof von Köln, Walram, leistete Reinard grosse Vorschüsse
und treue Dienste. Wir hörten auch, dass Walram eine bedeutende Summe
aufwendete, um sich den Schönauer durch das Band der Vasallenschaft
enger zu verbinden. Das geschah 1347, nachdem Reinard im Jahre vorher
den grossen Handel mit König Johann von Böhmen abgeschlossen hatte,
wonach der Böhme des Erzbischofs Schulden an Reinard abtragen, Walram
dagegen dem Sohne Johanns, Karl IV., der sich wider Ludwig den Baier
als Gegenkönig aufwarf, seine Stimme bei der Wahl geben sollte. Es ist
wohl sicher, dass Walram das unwürdige aber nicht mehr ungewöhnliche ^
Geschäft nur mit Widerstreben, nur auf das Drängen des blinden Königs
und getrieben durch die eigene Geldnoth abgeschlossen hat. jedoch geholfen
hat es ihm nicht. Schon wenige Jahre nachher begab er sich, von Schulden
fast erdrückt, nach Paris um dort zu sterben. Vor seiner Abreise gab
er dem Herrn von Schönforst einen letzten Beweis seines Vertrauens: er
ernannte ihn zu seinem „gemeinen vickeris in werblichen sachcn**, d. h. zu
seinem Generalvikar oder Stellvertreter in der weltlichen Verwaltung des Erz-
stiftes, und als solcher stellt Reinard am 3. März 1349 eine Urkunde aus 2.
Walram starb zu Paris am 14. August desselben Jahres. Des Kaisers
Kanzler, Propst Nikolaus von Prag, machte sich Hoffnung auf die Nach-
*) Schon bei [der Wahl Friedrieh des Schönen war Aehnhches geschehen. Vgl.
Weiss, Weltgesch. VI, S. 365.
«) Lacomblet III, S. 381. Urk. 474.
— 47 —
folge. Vierzehn Tage nach dem Ableben Walrams traf er bereits eine
Verabredung mit Graf Gerard von Berg: wenn er Erzbischof werde, wollten
beide je zwei Herren ihres Rathes mit der Schlichtung aller Streitfragen
betrauen; könnten diese sich nicht einigen, so sollten sie den Herrn von
Schönforst zu einem „Obermeister" nehmen und sich nach dessen Ausspruch
richtend Die Stellung, welche Reinard hier zugedacht wurde, erforderte
gewiss einen nicht blos kundigen und klugen, sondern vor allen Dingen
ehrlichen und unparteiischen Mann: welch ehrenvolles Zeugniss für Reinard,
dass man grade ihn dazu ausersah. Nun könnte man etwa denken,
Nikolaus und Gerard hätten den Schönauer durch diese Auszeichnung ver-
anlassen wollen, seinen P^influss zu gunsten des Prager Propstes zu ver-
wenden. Dann haben sich aber beide Herren getäuscht. Reinard soll
zwar — nach Hemricourt — in dieser Angelegenheit gearbeitet haben, aber
nicht für Nikolaus sondern für Wilhelm von Gennep ^ den Propst zu Soest,
der ihn auch „reichlich belohnt*^ habe. Wenn wirklich Wilhelm den Herrn
von Schönforst zu seinem Geschäftsträger gemacht, ihm die entstandenen
Unkosten reichlich veigütet und vielleicht auch sonst noch seine Dankbar-
keit bezeugt hat: so musste auch die Erzdiözese Reinard dankbar sein
für seine Bemühungen, denn Wilhelm war wie Engelbert von Lüttich ein
vortrefflicher Bischof. Er liebte und bewahrte den Frieden, soweit das
in jenen aufgeregten Zeiten möglich war, befreite das Erzstift von seinen
Schulden und sorgte gewissenhaft auch für das geistige Wohl der ihm
anvertrauten Heerde. Wären etwa simonistische Umtriebe bei dieser Wahl
vorgekommen, so müsste man diese auf das schärfste veiiirtheilen ; sonst
aber lässt sich der Wunsch nicht unterdrücken, es möchten alle Bischofs-
wahlen jener Zeit so gut ausgefallen sein wie die beiden, bei denen Reinard
seine Hände im Spiele gehabt haben soll.
Betrachten wir Reinards Stellung zu den weltlichen Fürsten, zunächst
des Hauses Jülich, so haben wir zu dem bereits Gesagten nicht mehr
viele aber für das in ihn gesetzte Vertrauen dieser Herren bedeutsame
Thatsachen anzuführen.
1347 vermittelte Ritter Reinard von Schönau in Gemeinschaft mit
dem Markgrafen von Jülich einen Vergleich zwischen dem Erzbischof Walram
und dem Grafen Engelbert von der Mark; 1849 erfolgte ein zweiter
Spruch zwischen denselben Parteien ^
Böse Dinge waren um diese Zeit im Hause Jülich vor sich gegangen.
Die Söhne Wilhelms hatten sich gegen den Vater empört und ihn sogar
ins Geföngniss geworfen. Der Grund zum Frevel ist nicht aufgeklärt.
Damberger schreibt*: „Der kriegerische Sinn des Markgrafen hatte Schulden
M Lacomblct III, S. 389. Urk. 487.
*) 1349 gibt „Reinher v. Scboinhovon, Herr zu Scbonenforst", neben drei andern
Herren namens des Erzbischofs Wilhehn der Stadt Andernach gewisse Znsicherungen,
wogegen die Stadt den Erzbischof günstlich empfangen und ihm willig dienen sone.
Annalen . . . Heft 59, S. 79.
«) Laconiblet III, S. 361. Urk. 450.
*) Synchron. Gesch. XV, S. 92.
— 48 —
auf Schulden gehäuft und doch nichts ausgerichtet, worüber selbst die
Söhne erbosten und vielleicht noch wegen anderer Sachen. Sie thürmten
ihn sogar ein, doch wie scheint erst im Spätjahr 1349.** Da der Aachener
Rath unmittelbar vor der Krönung Karls IV., die am 25. Juli stattfand,
mehrfach Boten an den Markgrafen nach Düren und Vogelsang scliickte*
und Wilhelm selbst der Krönung beiwohnte^, so dürfte die Zeitangabe
stimmen. Die Aachener Stadtrechnung erwähnt das Ereigniss auch, gibt
aber weder Zeit noch Grund an. Es heisst nur, dem Grafen von Berg seien
100 Mark gegeben worden, als er zum erstenmal „post captivitatem" ^
seines Vaters nach Aachen kam. Bevor die Gewaltthat erfolgte, versuchten
die Freunde des Hauses, darunter auch Reinard, eine Vermittelung. Letzterer
verabredet am 1. Juli 1349 eine Zusammenkunft zur Sühnung des Mark-
gi'afen mit seinen Söhnen*; leider waren die Bemühungen ohne Erfolg.
Reinard blieb jedoch in seiner Verstrauensstellung.
Am 7. Februar 1357 erscheint er neben Godart von der Heiden als
Bürge des Herzogs für den Ehevertrag zwischen dessen Tochter Philippa
mit dem Herrn von Heinsberg^, und 1367 vermittelt er zwischen dem
Herzoge und dem Grafen von Wied wegen der Aussteuer der verstorbenen
Gemahlin des letzteren, einer Schwester Wilhelms II. Es handelte sich
um eine Geldrente von 1000 Schilden. Für den Betrag von 700 Schilden
Rente erhielt der Graf die Amtmannschaft von Sinzig und Breisig, für
die übrigen 300 das Haus Vernich^.
Nun zu Brabant. Als Herzog Johann III. 1355 starb, gingen die
beiden Herzogthümer Brabant und Limburg auf die Tochter Johanna über,
welche mit Wenzel von Luxemburg, dem Bruder Karls IV., vermählt war.
Reinard stand auch bei diesem Fürstenpaare in hohem Ansehen; die erste
Gunstbezeugung war die Bestätigung aller Privilegien und Briefe, die er
über Falkenburg und Montjoie von Johann III. und Heinrich von Flandern
in Besitz hatte. Dieselbe erfolgte unter Berufung auf die Fürbitte des
Kaisers selbst zum Danke für die Dienste, Liebe und Treue, welche Reiuard
dem herzoglichen Paare, dem Bruder Kaiser Karl und dem verstorbenen
Vater erwiesen habe, am 3. Mai 1356 ^ Reinard fand bald Gelegenheit,
seine Treue zu beweisen. Graf Ludwig von Flandern, der Gemahl einer
Schwester Johannas, machte namens seiner Frau Ansprüche auf die Stadt
Mecheln. Man war im Begriffe zu den Waffen zu greifen, da schlug
Reinard eine Konferenz von brabantischen und flämischen Bevollmächtigten
vor, welche die Angelegenheit auf friedlichem Wege schlichten sollten.
Die Fürsten gingen darauf ein. Die Kommissare Wenzels, <larunter auch
Reinard, schienen nicht abgeneigt, dem Verlangen Ludwigs zu entsprechen;
^) Laurent, Stadtrechnungen S. 204, Z. 5, 10, 13, 15, 37.
') Das. S. 208, Z. 11.
^) Heisst das nach der Gefangennahme oder nach der Gefangen schaff? Laurent
a. a 0. S. 208, Z. 12 «f.
*) Lacomblet HI, S. 885. ürk. 480.
*) Bas. S. 474. IJrk. 567.
«) Das.
0 Staatsarchiv zu Düsseldorf A. I. Nr. 605.
— 49 —
die Bürger von Brüssel jedoch widersetzten sich und warfen einige der
Herren ins Gelangniss. Daraulhin kam es zum Kampfe. Wenzel wurde
geschlagen und ganz Brabant unterwarf sich in kurzer Zeit dem Sieger ^
Eeinard gehörte zu den wenigen Lehenträgern, welche dem unterlegenen
Fürsten treu blieben und dem siegreichen Gegner absagten, de Chestret
meint, der Absagebrief Reinards sei mehr im Tone des Diplomaten als
des Soldaten gehalten, weil der Schreiber sich nicht für immer mit dem
hochmächtigen Grafen von Flandern habe überwerfen wollen. Man könnte
ebensogut sagen, das Schreiben sei freilich in einem anständigen, aber
einem hohen Herrn gegenüber auffallend knappen Tone gehalten. Der
Brief lautet: „An synen harde hooghen ende edelen, den greve van
Vlanderen. Heirre, ir wist wie dat ein orloghe is tuschen mine beere
van Lucemburch ende van Brabant, ende Uch, wellich mich mit herten
leyt is, ende ic mus blieven bij minen beere van Brabant vourscreven ind
dair mit will ich intghein uch verwaert zijn. Reynaert, here van Monoye,
van Valkenburch ende van Scoinvorst^."
Das ist die Form, in welcher man derartige Schreiben abzufassen
pflegte, wenn man sich nicht gradezu einer rohen Sprache befleissigen
wollte. Das Aachener Stadtarchiv bewahrt eine Menge Fehdebriefe aus
dem 14. Jahrhundert ^\ welche ganz ähnlich lauten, obwohl die Absender
derselben gewiss keine Diplomaten waren und wahrscheinlich auch nicht
auf dem Bildungsstandpunkte Reinards standen. Haben andere Brabanter
Edelleute bei dieser Gelegenheit sich dem Grafen gegenüber in roher Form^
ausgesprochen, so mag das eben* ihr Geschmack gewesen sein, man brauclit
aber deswegen in dem einfachen, sachgemässen Schreiben Reinards keine
selbstsüchtigen Hintergedanken zu suchen.
Sonst finden wir bei de Chestret noch einige Regesten, in denen
Reinard als Lehenmann oder Rath von Brabant erscheint. Am wichtigsten
ist die Urkunde vom 6. November 1362, in welcher er und andere Räthe
dafür gutstellen, dass Wenzel und Johanna deren Verzicht (auf weitere
ausserordentliche Beihülfe von seiten der Brabanter) genehmigen werden ''.
Wie in Lütt ich und Köln, in Jülich und Brabant, war Reinard in
Geldern ein angesehener Herr. Er blieb auch hier dem Fürsten treu, dem
er sich einmal angeschlossen hatte. Um Eduards willen widersagte er
dem Grafen von Kleve und gab demselben sein Lehen zurück, wofür Eduard
ihm allerdings Schadloshaltung versprach (1362, Juni 24.)*^.
Die Erwähnung Gelderns leitet über zur Schilderung der Stellung,
welche Reinard in den Verbänden zur Aufrechthaltung des Friedens und
der Sicherheit des Verkehrs einnahm. Wir finden hier neue starke Beweise
für das Vertrauen, welches der Herr von Schönforst überall genoss.
') Vgl. Ernst, histoire du Limbourg V, S. 97 ff.; de CheHtret S. 34 f.
*) de Chestret S. 35, Anm. 4.
^) Siehe Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins IX, S. 03 ff.
*) dans un mde langage, sagt de Chestret S. 35.
») Das. S. 40 f.
'^) Pranquinet, annexe Vil, S. 80.
— 50 —
Der Streit der Brüder Reinald und Eduard um den Besitz Gelderns
hatte dieses Land in grosse Unsicherlieit gestürzt. Darum schlössen Adel
und Städte von Geldern und Kleve am 25. Januar 1359 einen Landfriedens-
bund. Zum Obmanne wählten sie unsern Reinard und zollten durch diese
Wahl, wie de Chestret hervorhebt*, dem staatsmännischeu Geiste des
aussergewöhnlichen Manlies glänzende Anerkennung. Aber auch, möchte ich
hinzufügen, seiner Rechtlichkeit und Ehrenhaftigkeit.
Das Vorbild für diese Geldrisch-Klevische Vereinigung war der durch
Herzog Johann IIL von Brabant am 13. Mai 1351 mit dem Erzbischofe
von Köln sowie den Städten Aachen und Köln geschlossene Landfriedens-
bund, dem nachher der Markgraf von Jülich und andere Herren beitraten.
Vor zwölf Geschworenen des Bundes sollten alle Klagen wegen Strassen-
schändung oder Friedensbruch verhandelt werden; einer der brabantischen
Geschworenen war Reinard ^. Bei der Erneuerung des Bundes im Jahre
1364 gibt ihm Herzog Wenzel die erste Stelle unter seinen Amtsgenossen ^.
In dieser Eigenschaft wohnte Reinard der Ausschwörung der Urfehde
durch Goswin von Here bei, den der Bund 1364 gefangen und eine Zeit-
lang in Aachen festgehalten hatte; ob er sich an der Zerstörung der Burg
Vurendahl betheiligt hat, welche dem Raubritter Johann von Hoen gehörte,
lässt sich aus Meyers Erzählung nicht ersehen "*.
Dass man dem lierrn von Schönforst auch in dieser seiner Tliätig-
keit das ehrendste Vertrauen entgegenbrachte, beweist der Vorfall mit
Zülpich. Der Erzbischof von Köln hatte dem Herzoge von Jülich diese
Stadt um 5000 Mark verpfändet. Als die Pfandsumme ausgezahlt werden
sollte, verweigerte der Herzog die Annahme, weil er Zülpich gerne behalten
hätte. Es kam zu Reibereien, in folge derer der Landfriedensbund die
Sache in die Hand nahm. Am 26. Oktober 1366 übergaben die Geschworenen
die Stadt unserm Reinard mit der Weisung, dieselbe dem Erzbischof einzu-
räumen, wenn die Pftmdgelder bis zum nächsten Lichtmesstage erlegt
würden. Die Zahlung erfolgte denn auch am 2. Februar 1367 \
Auch bei geringern Anlässen sehen wir Reinard im Dienste des Bundes
thätig. Am 7. Okiober des letztgenannten Jahres entschuldigte sich die Stadt
Köln bei ihm, dass sie auf sein Schreiben noch nicht geantwortet, sie habe
ihre Geschworenen zum Landfrieden von allem in Kenntuiss gesetzt, die
ihm auf dem nächsten Bundestage „da sy by uch koment" genauen Bericht
erstatten würden ^ Es handelte sich um den Ritter Emund Birkelin, der
ohne Absage Kölns Feind geworden war. Die Stadt bat um Hülfe behn
Herzoge von Brabant und beim Landfriedensbunde, beschwerte sich beim
Aachener Rath, dass er den Birkelin unbehelligt habe ziehen lassen^.
') Franquinet S. 42.
*) Lacomblet III, S. 402. ürk. 49G.
») Ernst a. a. 0. V, S. 124.
*) Aach. Gesch. S. 334 £f.
*) Lacomblet III, S. 571, Anm. 2.
•) Hohl bäum, Mittbeilungrn u. s. w. I, S. 09.
^) Das.
— 51 —
ersuchte 1368, Februar 1., denselben Ratli, sich für die Freilassung der
von Emund gefangenen Kölner zu verwenden, gab unter dem 19. Juli
1368 und 16. Juli 1369 dem Birkelin Sicherheit^ und sühnte sich endlich
mit ihm am 24. Januar 1371 *.
Seinen Standesgenossen half Keinard ebenfalls gerne in ihren Zwistig-
keiten. So wählten 1367 Johann von Gronsfeld und Wilhelm von Goer
ihn zum Obmann bei ihrem Streite mit der Familie von Husen'.
Wir dürfen diesen Abschnitt nicht schliessen, ohne an Reinards Ver-
hältniss zum Reichsoberhaupte zu erinnern. Auch Karl IV. schenkte dem
Schönauer volles Zutrauen und verwendete ihn zu mancherlei Geschäften.
Persönlich mag sich Reinard dem Kaiser, zu dessen Königswahl er ja
entscheidend mitgewirkt hatte, bereits bei der ersten Krönung durch Erz-
bischof Walram in Bonn am 26. November 1346 vorgestellt haben, sicher
war er bei der zweiten Krönung, 25. Juli 1349, in Aachen anwesend.
Karl übertrug Reinard das Reichslehen in der Nähe Aachens und bot ihm
dadurch die Möglichkeit, sich eine eigene Herrschaft zu gründen, die freilich
nicht lange bestanden liat. Selbst der Umstand, dass der Herr von Schön-
forst dazu beitrug, den Plan des kaiserlichen Kanzlers in bezug auf Köln
zu durchkreuzen, hat des Kaisers Wohlwollen nicht geschwächt. In
geringem wie in sehr wichtigen Angelegenheiten wendet er sich an
Reinard. Während er ihm z. B. im Jahre 1354 die Untersuchung in
einem Prozesse überträgt, den Ritter Louis de Saive gegen die zwölf
Geschlechter von Lüttich führte*, ernennt er ihn am 22. September 1357
zu seinem Generalbevollmächtigten mit der Gewalt „alle Bündnisse, Ver-
brüderungen, Verbindungen, Versprechen, Eide, Verpflichtungen und Ver-
pfändungen*', welche Herzog Wenzel von Brabant mit dem Könige von
England eingehen werde, im Namen von Kaiser und Reich zu bestätigen
und zu beki äftigen *. In dieser Urkunde führt Reinard zum erstenmal
den Titel eines kaiserlichen Marschalls; „nostre am6 mareshal*' nennt ihn
Karl. Und 1359 ermächtigt Karl IV. den Erzbischof Wilhelm von Köln,
den Grafen Ludwig mit Flandern und den übrigen Reichslehen zu belehnen,
wenn er von dem edlen Reinard von Schönforst, dem Marschall des kaiser-
lichen Hofes, nähern Bescheid erhalten habe*^. Marschall, Gesandter,
Geschäftsträger des Kaisers — welche Stellung für einen Mann, der in
seiner Jugend nicht soviel hatte, um ein Pferd halten zu können!
Von einer ganz besondern Gunst des Kaisers Karl gegen Reinard
meldet dieser selbst in einer Urkunde vom Blasiustage ' 1359. Er erklärt,
der Kaiser habe ihm die Ermächtigung ertheilt, an einem beliebigen
^) Höhl bau ra, Mittbtulungoii n. s. w. I, S. 72.
«) Da?. S. 73.
8) de Chestret S. 52.
*) de Chestret S. 32.
») Das. S. 39 f.
•) Lacomblet III, S. 497. Urk. 572.
') Also vom 3. nicht 8. Fobrufir, wio Frnnqninet sagt, der S. 111 f. die Urkundt«
mittheilt.
— r>2 —
Punkte im Lande von Geldern einen neuen Zoll auf den Rhein zu legen;
er seinerseits wolle den Bürgern von Roerniond aus besonderer Freund-
schaft völlige Freiheit von allen Abgaben bei dieser neuen Zollstätte
bewilligen, gleichviel wo er dieselbe jetzt oder später anlegen werde.
Unmöglich ist die Sache nicht; aber Reinard würde schwerlich einen
Landesherrn am Rhein gefunden haben, der mit dieser Zollanlage zufrieden
und einverstanden gewesen wäre^ Er hat von der Erlaubniss auch nie
Gebrauch gemacht.
Dass der Kaiser noch 1371, nach der Schlacht von Baesweiler,
Reinards Dienste für die Befreiung Wenzels aus der Jülicher Gefangen-
schaft in Anspruch nahm, ist bereits oben S. 29 erzählt worden.
VL Reinard in seinem Verhältnisse zu den Städten
Aachen und Köln.
Eine Schilderung des öffentlichen Lebens Reinards muss auch sein
Verhältniss zu den Städten, den Mittelpunkten des Volkslebens, erwähnen,
die ja im Mittelalter neben den Fürsten die bedeutendste Stellung einnahmen,
in denen sich die grossen Gedanken, welche die Menschen jener Zeit
bewegten, am nachdrücklichsten geltend machten, deren Zustände der
sicherste Gradmesser für den Fortschritt oder Rückschritt der Kultur sind.
In den vorhergehenden Abschnitten hat sich mehrfach Gelegenheit geboten,
Reinards Beziehungen zu den braban tischen Städten darzulegen; besonders
lehrreich war seine Stellung zu den Kämpfen in Löwen und die Förderung,
welche er den Handelsstädten am Niederrhein durch die Bewilligung der
Zollfreiheit zu Theil werden Hess. Es erübrigt nur noch mitzutheilen,
was die Urkunden über seine Stellung zu den rheinischen Stüdten besonders
zu Aachen und Köln berichten.
In Aachen finden wir Reinard zuerst im Jahre 1338, als auch die
Kaiserin Margarethe, Kaiser Ludwigs Gemahlin, mit ihren beiden Söhnen
dort war. Den Schönauer hat wohl die Neugierde und der Wunsch, sich
die Festlichkeiten anzusehen, welche die Stadt der Kaiserin zu Ehren
veranstaltete, mit seinen Genossen nach Aachen getrieben; der Rath ehrte
den Nachbarn und canonicus praebendatus von St. Servatius durch einen
zweimaligen Ehrentrunk, den man ihm und seiner Gesellschaft das erste-
mal mit 4 Sextaren = 24 Flaschen, das anderemal mit 2 Sextaren über-
reichte*. Im Jahre 1344 verzeichnet die Rechnung wiederum einen zwei-
maligen Ehrentnmk von je 2 Sextaren für ihn^; das letztemal war er mit
seinem Bruder Mascherei zusammen. In beiden Jahren besuchte auch
der Herr Gerard im Barte (cum barba) die Stadt ^; es ist aber nicht zu
ersehen, ob seine Anwesenheit mit der Reinards, seines Genossen auf der
ersten Londoner Reise, zusammenfallt.
^) Ueber die Zölle, besonders auch zur Zeit Karls IV. vgl. Westdeutscho Zeit-
schrift XI, S. 109 ff.
*) Laurent, Stadtrechnungen S. 134, Z. 22 f.
») Das. S. 161, Z. 29; S. 162, Z. 13, 14.
*) S. 134, Z. 35; S. 162, Z. 18 f.
— 53 —
184(> niiiss sich Reinard läu*,^erc Zeit in Schünau oder in Aachen
selbst aufgebalten haben, denn die Rechnung fuhrt — und zwar ziemlich
kurz hintereinander — nicht weniger als neun Geschenke an Wein für
ihn auf*. Zwar schreibt der Rentmeister in dieser Rechnung immer nur
dnc). R. de Schoynawen — in den beiden früheren aus den Jahren 1338
und 1344, wo Reinard noch nicht Ritter war, heisst es gar nur R. de
Schoynawen — , dass aber unter diesem R. unser Reinard und nicht etwa
sein Bruder Raso zu verstehen ist, geht daraus hervor, dass letzterer
immer als Mascherei bezeichnet und besonders angeführt wird. Sehr
wichtig ist diese Rechnung für die Geschichte Reinards deswegen, weil
in derselben auch seine Frau angeführt ist. „Item*', Jieisst es „dno. R.
de Schoynawen. 4 (sextaria). Item cidem dno. R. 4. Item uxori sue 2*.**
Damit ist erwiesen, dass Reinard bereits 1346 verheirathet war. Offenbar
hängt der damalige Aufenthalt der Eheleute mit der zweiten Anwesenheit
der Kaiserin Margarethe und den politischen Wirren zusammen. Die
Kaiserin ist nicht um des Vergnügens willen nach Aachen gekonunen.
Von Lanzenstechen u. dergl., wie bei dem ersten Besuche der hohen Frau
im Jahre 1338 ist denn auch in der Rechnung von 1346 keine Rede, ja
nicht einmal von besondern Geschenken: man gab nur den herkömmlichen
Wein. Die Sorge um ihren Gemahl, über dessen Haupt sich damals schwere
Wolken zusammengezogen, hatte Margarethe nach Aachen geführt; sie
wollte die Stadt in der Treue gegen den Kaiser erhalten. Die Haltung
Aachens war ausschlaggebend, denn hier war die rechte Krönungsstätte:
wer am Grabe des grossen Karl die Knme empfangen, wer auf seinem
Throne gesessen hatte, war der rechtmässige König. Nun fallen grade
ins Jahr 1346 die Unterhandlungen Johanns von Böhmen zu gunsten seines
Sohnes Karl mit dem Erzbischofe von Köln, dem die Weihe des Königs
oblag; der Blinde hatte Walram entweder bereits für den neuen Thron-
bewerber gewonnen oder doch stark umgarnt: Grund genug für Ludwig,
alles aufzubieten, um sich wenigstens die Krönungsstadt zu sichern. Andrer-
seits war Reinard, dessen Vermögen ja auch zum Theile auf dem Spiele
stand, der Hauptagent Karls am Niederrhein, und wir sehen ihn damals in
Aachen, um die Kaiserin zu tiberwachen und ihr möglichst entgegenzuarbeiten.
Margarethe hat übrigens ihren Zweck erreicht, Aachen setzte sich in
Vertheidigungszustand und Karl hat auch nach seiner Wahl die Stadt nicht
angegriffen. Erst als Ludwig gestorben war, verstand sich der Rath zu
Unterhandlungen mit dem neuen Könige, welche hauptsächlich durch den
Markgi'afeu von Jülich geführt wurden^.
Auch in städtischen Angelegenheiten machte sich Reinard damals
nützlich. Die Stadt war in einen misslichen Handel verwickelt wegen
eines gewissen Golinus. Anscheinend war derselbe Mitglied einer Raub-
ritterbande (etwa der in der Rechnung erwähnten vom Valenpferde *), in
') Das. S. 193, Z. 17, 28, 29, 12, 18, 39; S. 194, Z. 16.
») Das. S. 193, Z. 29, 30.
^) Vgl. Laurent, Stadtrechnungen 8. 24 ff.
*) d. h. vom Hengste. Das. S. 178, Z. 33 f.
— 54 —
seinem Gewerbe von den Aachenern aufgegritfen und in der Stadt enthauptet
worden'. Das setzte dann Wirren mit den Genossen des Räubers ab,
deren Anführer Herr Schinman gewesen zu sein scheint, denn von diesem
ging das Gerücht, er stehe mit seinen Gesellen bei Freialdenhoven unter
den Waffen ^ Der Rath hegte Besorgniss wegen der Aachener Kaufleute,
die von Frankfurt kamen ^ und verhandelte in Bergheim, Sayn und Wester-
burg wegen des Geleites derselben ^. Ueberhaupt gab die Sache zu vielem
Schreiben, Hin- und Hersenden und Verhandeln Anlass. Auch an Reinard
schickte der Rath zweimal einen Boten nach Köln^; wahrscheinlich hat
man ihn ebenfalls um seine Vemiittelung angegangen. Die Kosten eines
zweimaligen Aufenthaltes Reinards zu Aachen in derselben Angelegenheit
bestritt der Rath mit 12 bezw. 9 Mark®. Da die Aachener Mark
damals etwa 5^2 Reichsmark galt^, betrug die Gesammtsunmie 115,50 Mark,
was heutzutage über 800 Mark ausmachen würde.
Die Rechnung von 1349 meldet, ein Herr Snft. ^ habe für Herrn
R. de Schoynforst 50 Mark erhoben^, gibt aber den Grund nicht an,
warum die Zahlung erfolgte. In demselben Jahre schickte der Rath einen
Boten an den Grafen von Berg und an Herrn R. de Schoinawen wegen
eines Herman von Lievendal, der Gerard von Weienberg und andere
Aachener Bürger gefangen hatte *^ Nachdem die Sühne mit Herman
gelungen war, machte dessen Oheim Schellart noch Anstände. Der edle
Ritter hatte einem Aachener Kaufmanne Mantelman Wolle geraubt. Darum
ritten drei Rathsherrn, Goswin von Pont, Conrad von Eichhorn und Alexander
nach Köln zum Grafen von Berg, und ein Diener des Herrn Reinard
gab ihnen das Geleite, wofür er 18 Schillinge** erhielt*^. Hiernach zu
urtheilen besass Reinard grössere Gewalt zur Sicherung der Heerstrassen,
als die Reichsstadt Aachen, welche damals auf der Höhe ihrer Macht stand.
Als ein andermal Heinrich Krügelchen nebst andern Aachenern in Limburg
gefangen lag, schickte der Rath ebenfalls an den Schönforster *^. Endlich
wendete sich die Stadt noch in diesem Jahre an Reinard wegen einer
Kölner Jahrrente, d. h. wohl eine solche, welche man Kölner Bürgern
schuldete. Die Sache muss wichtig und verwickelt gewesen sein, denn
nicht weniger als fünf Gesandtschaften gingen von Aachen nach Köln um
wegen dieser Rente zu verhandeln, und dreimal wanderten Boten an den
Herrn Renardum de Schoynvorst **. Gehen wir mit, um uns über die
Stellung Reinards zu dieser Stadt zu erkundigen.
Bereits 1346 bedient<i sich Köln der Vermittelung des Herrn voi>
Schönforst im Streite mit dem Grafen von Virnenburg und dessen Söhnen
wegen des Gutes Keldenich; der Vergleich erfolgte am 31. Oktober des
genannten Jahres *^
Seit 1347 stand Reinard mit Köln in einem sogenannten Bürgerschafts-
vertrage (concivilitas) *^, d. h. „er erhielt von der Stadt eine jährliche Rente,
M Das. S. 177, Z. 31 f. «) Das. S. 178, Z. 22 ff. ») Das. Z. 14 f. *) Das. Z. 20.
*) Das. S. 178, Z. 33; S. 179, Z. 5. •) Das. S. 178, Z. 36 f. 0 I>as- S. 2. «) Der Name
ist abgekürzt. ») Das. S. 199, Z. 30. »°) Das. S. 209, Z. 12. ") Die Mark hatte zwölf
Schillinge, '^j Das. 8. LMO, Z. 27, 29 ff. '») Das. S. 213, Z. 6. »<) Das. S. 214. ») Höhl-
^ *^um, Mittheilungcu VI, S. 58. »«} Das. VI, S. 64 ff; VII, S. 6 ff.
— ;),)
welche Bürj^crlelH), Bürccerrente, Rontlelien, Jahrrente, Leibrente * hiess,
wogegen er Bürger der Stadt mit folgenden Verpflichtungen wurde: 1. er
musste die Kölner Bürger, welche seine Besitzungen passii'ten, schützen
und 2. wenn die Stadt Köln angegriflen wurde, dorthin ziehen und entweder
allein oder mit seinen Leuten der Stadt helfen. Letztere Verpflichtung
regelte sich nach der Höhe der Rente. So musste ein Ritter, der 10 Mark
Jahrrente bezog allein, einer der 50 Mark erhielt, mit 5 Rittern und 10
Knappen, wer gar 100 Mark empfing, mit 10 Rittern und 15 Knappen der
Stadt zu Hülfe kommen. Reinard bezog, wie sich aus seinen Quittungen
ergibt, jährlich am 11. November 40 Mark, er wird demnach die Ver-
pflichtung gehabt haben, mit 4 Rittern und etwa 8 Knappen zu erscheinen.
Diese Verträge, welche seit etwa 1300 in Köln häufig werden, schloss
man nicht auf eine bestimmte Zeit. Jeder Theil, die Stadt wie der Ritter,
hatte ohne Zweifel Kündigungsrecht, wenn auch in den betreffenden Urkunden
nichts davon gesagt wird.*'
Ganz ungestört scheint das Bttrgerschaftsverhältniss auch bei Reinard
nicht geblieben zu sein. Am 20. Juli 1360 stellte er die Quittung über
die am 11. November 1359 verfallene Rente aus*. Dann muss wohl eine
Irrung zwischen ihm und der Stadt vorgekommen sein, denn die Urkunden
schweigen von ihm bis zum 26. September 1368, wo bekundet wird, dass
er seinen Bürgerschaftsvertrag erneuert habe^ Am 31. Juli 1369 vollzog
er dann eine Generalquittung über rückständige Jahrreuten im Betrage
von 400 Mark ^; man hat also nach Erneuenmg des Vertrages die Lehen von
1360 — 1369 nachträglich ausbezahlt und in der Generalquittung sind die
Gelder von 1368 und 1369 eingeschlossen.
Zweimal liess Reinard seine Rente durch Andere erheben: 1349 durch
Johann von Achen und Johann von Starkenburg •'^, 1354 durch den Aachener
Kanonikus Wilhelm de Aquis^ Am 21. September 1375 erhob Reinard
seine kölnische Jahrrente zum letztenmal.
•
VII. Reinard als Familienvater.
Nachdem wir die öfl'entliche Wirksamkeit des bedeutendsten Schönauers
an der Hand der Urkunden dargestellt haben, erübrigt noch ein Blick auf
sein Privatleben,. Hier hat Reinard allerdings der Verkommenheit seiner
Zeit, von der Damberger in wenigen Zeilen ein abschreckendes Bild ent-
wirft, wenig ehrenvollen Tribut gezollt. Jener Geschichtschreiber sagt:
•
') AUiJ diese Ausdrücke siud ua<'h Herrn Stadtarcbivar Dr. Hansen, dem ich diese
AufklüruDgen verdanke, gleichbedeutend.
") Höhl bäum, Mittheihingen VII, S. 28.
•'•) Das. S. 48.
*) Das. 8. 50.
*) Das. S. H8. Jo'iann von Sturkenbnrj? war im Jahre 1370 Geschworener der
Stadt Köln beim Landfriedensbunde an SteUe des Schöffen Gcrard von Benassys. Meyer,
Aach. Gesch. S. 340.
^) Höhlbuum a. a. 0. VII, 8. 14. Wilhelm kommt bei Heusch, nomina etc-
unter den Kanonikern de.-^ LieMrauenstlltcs nicht vor; vielleicht war er Kanonikus an
St. Adalbert.
— 56 —
„Den tiefsten Aerger erregte im Oliristentlium die schamlose Freschheit,
dass es gleichsam Gesetz der Mode für jede Dame wurde, wenigstens einen
erklärten Anbeter zu haben, während die Herren ganz imgescheut ihren
ehebrecherischen Liebschaften nachgingen ^,"' Ein solches Verhältniss braucht
man nun nicht grade bei Reinard anzunehmen; seine natürliche Tochter
Elisabeth, welche 1867 bereits verheirathet war, kann auch einer Verirrung
des Junggesellen ilir Dasein verdanken, aber dieser Flecken bleibt auf
Reinard haften. Elisabeth hatte einen Herrn von Mondersdorp zur Ehe.
Reinard sorgte für sie, indem er am 23. September 1367 durch Johann
von Schönau zu ihren gunsten eine Rente von 200 Goldthaler auf des
Herren von Rümmen Güter am Lehenhofe der Grafschaft Looz erheben
Hess ^
Reinard heirathete im Jahre 1344 oder 1345 Katharina von Wilden-
burg, eine Nichte des Bischofs Adolf und Base des Bischofs Engelbert von
Lüttich ^: sie verband den Schönauer nicht blos mit der edlen Familie von
der Mark sondern auch mit dem Hause Jülich, und hieraus erklärt sich
der Titel Schwager- Verschwägerter, den Herzog Wilhelm unserm Reinard
beilegt. Katharina war in erster Ehe dem Herrn Otto von Elslo angetraut
gewesen, dessen gleichnamigen Sohn wir bereits kennen lernten^. Sonst
sagen uns die Urkunden über sie nichts, als dass sie von der Stadt Löwen
eine jährliche Rente von 400 Goldschilden bezogen habe, am 25. April
1368 auf der Burg zu Montjoie gestorben und in der Abteikirche zu Burt-
scheid begraben worden sei^ Herr de Chestret erklärt die Thatsache,^
dass die Urkunden des Jahres 1368 fast ganz von Reinard schweigen, aus
der tiefen Trauer, in welche der Tod seiner Frau den Wittwer versenkt
habe. Nach allem, was sich schliessen lässt, muss man allerdings annehmen,
dass Katharina eine vortreifliche Frau war, auf welche die oben angefülirten
Worte Dambergers keine Anwendung finden, dass sie ihre Kinder gut erzog
und in der reich gesegneten Ehe ihren Mann recht glücklich gemacht hat.
Schon die oben erwähnten Verfügungen Ottos von Elslo zu gunsten
seiner Stiefbrüder beweisen, dass ein schönes Verhältniss im Hause Reinards
geherrscht haben muss. Das war aber zimi weitaus grössten Tlieile das
Verdienst der Mutter; der Vater war ja nach Ausweis der Urkunden die
meiste Zeit draussen: wie sich das übrigens bei einem so vielbeschäftigten
Manne auch von selbst versteht. Dass Reinards eigene Kinder ebenfalls
Liebe und Hochachtung gegen den Vater hegten, werden wir gleich sehen,
obwohl Hemricourt auch in dieser Beziehung allerlei zu erzählen weiss.
Ungefähr Vj^ Jahr nach dem Tode Katharinens, am 2. August 1369,
trat Reinard einen Theil seiner Besitzungen an seine beiden ältesten Söhne
ab. Die Urkunde^ zeigt uns Reinard als einen Mann, der inmitten der
») Synchron. Gesch. XV, 8. 53.
*) de Chestret S. 57.
^) Vgl. die Stammtafel bei de Chestret S. 17.
*) Vgl. oben S. 43.
») de Chestret S. 53, Anm. 1.
ö) Lacorablet 111, S. 592. Crk. 690.
— 57 —
weltlichen Geschäfte das Seelenlieil nicht aus den Augen verliert sowie
als umsichtigen Vater, der seinen Söhnen zwar Selbständigkeit, keineswegs
aber zügellose Freiheit gestattet.
Ritter Reinard (IE) und Johann, Propst zu Mastricht und Burggraf
zu Montjoie, erklären, dass ihr lieber Herr und Vater Reinard, Hen* zu
Schönforst, ihnen folgende Güter übergeben habe, die sie weder versetzen
noch verkaufen dürfen^: Reinard dem ältesten die Burg und Herrlichkeit
Schönforst mit den Dörfern Cornelimünster, Forst, Rötgen, Hitfeld. Eilen-
dorf, Linter, Hamm (Mederhem), Brand, Haar, Roleff, Freund, Krauthausen,
Breinig (Breidinch), Heiden, Venwegeu, Nöthen (Nutten), Ober- und Nieder-
forstbach, Schleckheim, Pinsheim und Slusen (Schiuser Mühle). Hiervon
behielt sich der Vater vor 15 Morgen Bend auf der Bever und das „Keris-
gut, dat hew darinzulegen", ausserdem 6 Mud Roggen jährlich von der
Mühle zu Burtscheid, welche er für sein und der Seinigen Seelenheil ver-
wenden wollte.
Johann erhält Burg, Stadt, Land und Herrlichkeit Montjoie mit den
Dörfern Mützenich, Lou verscheid, Gross- und Klein -Menzerath, Imgen-
broich, Luterbach, Fronrath, Meisenbroich, Rusenroth, Sementroth, Bicke-
rath, Kesternich und Hetzingen; ausserdem den Hof auf dem Berlich zu
Köln. Der Vater soll aus diesen Gütern die in der Vorburg zu Montjoie
neu erbaute Kapelle beliebig berenten.
Die Söhne erklären sich damit einverstanden, dass ihr Vater den
Hof zu Rehoven, den Hof zu Richterich und den Hof in der Jakobstrasse
zu Aachen 2 zur Ehre Gottes verwende. Die übertragenen Besitzungen
werden als Lehen bezeichnet, um deretwillen die Söhne des Vaters Mannen
sein und bleiben sollend
Ueber die Güter jenseits der Maas in Brabant, namentlich über Schloss
und Herrlichkeit Sichem, St. Agathenrode, Zetrüd, Marchienne-au-Pont
nebst der HeiTlichkeit Thuwyn, über die Höfe und Wohnungen zu Brüssel,
Lüttich und St. Trond kann der Vater nach Belieben verfügen. Noch
legte Reinard seinen Söhnen folgende Verpflichtungen auf: sie durften sich
über ihr Vermögen für niemand vergeiselen oder verbürgen, ohne des
Vaters Rath und Znstimunmg keine öffentliche oder geheime Ehe eingehen,
mit keinem Ritter, Geistlichen, Laien — gross oder klein — verkehren, auch
keinen Diener bei sich behalten, der dem Vater nicht gefällt, kein Würfel-
oder anderes Spiel treiben, bei dem sie mehr als 10 Gulden monatlich ver-
lieren könnten, wenn immer es sie gelüstet zu „vueren**, so dürfen sie
*) M. a. W.: Die Söhue erhielten nur ein beschränktes Nutzniessungsrecht, (las
Eigenthumsrecht verblieb dem Vater.
■^) Hier erbaute Rcinard eine Kapelle, welche 1370 eingeweiht wurde. Er dotirte
sie mit einer Rente von 44 Mud halb Roggen halb Hafer, welche er für 740 (lüldgulden
gekauft hatte. Qu ix, Karmelitcnkloster 8. 174. Urk. 43.
*) Dass Reinard der eigentliche Herr blieb, geht auch daraus hervor, dass er noch
1370 Lehen aus dem Ländchen (\)rnelimünster wie ans dem Gebiete von Montjoie verlieh,
de Ohestret S, 56, Anm.
— 58 —
weder „vuere** noch „cominaiiscliaf van der vnoro** * haUeii, Mainit niemand
durcli sie betrogen werde. Liegen sie irgendwo zu lange stille und glaubt
der Vater, dass das für sie nicht ehrenhaft oder nützlich sei, so müssen
sie auf sein Ersuchen sofort abreiten. Aus ihren Wäldern und Büschen
dürfen sie ohne des Vaters Bewilligung keine Eichen weggeben; besonders
soll Johann in den Montjoier Waldungen weder roden noch Kohlen brennen.
Der Vater dagegen daif nach Belieben Bau- und Brandholz schlagen und
holen lassen. Stirbt einer der Brüder kinderlos, so fallt sein Gut an den
Vater zurück.
Die Urkunde ist unterzeichnet von den „Verwandten und Freunden**
Rembod von Vlodorp, Dechant zu Aachen und den Rittern Ooedert zur
Heiden, Bernard zu Kinzweiler und Goedert von dem Bongart.
VIII. Reinards Ende.
Sonderbar: als wenn Reinard von Schönau, die merkwürdigste Er-
scheinung zwischen Maas und Rhein im ganzen 14. Jahrhundert, eine
sagenhafte Persönlichkeit wäre, verlassen uns vom 21. September 1375 ab
alle sicheren Nachrichten über ihn und wir sind wieder auf Hemricoui't
angewiesen, dem man doch nur soweit trauen darf, als die Urkunden seine
Erzählungen bestätigend Er berichtet Folgendes: Nach dem Tode seiner
ersten Frau wollte Reinard sein Glück nochmals in der Ehe versuchen
und wählte wiederum eine junge Wittwe Elisabeth von Hamal, zur Lebens-
gefährtin. — Elisabeth von Hanuil hatte schon zwei Männer gehabt:
Engelbert den Jungen, Sohn des Grafen Everard von der Mark aus zweiter
Ehe, dann Walter von Binckem. Ist dem so, dann war die Dame die
Schwägerin des Bischofs Adolf, die Tante des Bischofs Engelbert^: es ist dann
aber kaum zu begreifen, wie sie noch eine Junge" Wittwe sein konnte.
Hcmricourt erzählt weiter, die Kinder Reinards seien ob dieser Heirath
ausser sich gerathen, sie hätten ihren Vater verfolgt, für verrückt erklärt,
seine Besitzungen geplündert und an sich gerissen; die Feinde Reinards,
besonders der Herr von Brederode, hätten ihnen geholfen, sodass zuletzt
der arme Mann nicht mehr wusste, wohin sich wenden. Da habe er
denn alles, was er noch an Geld besessen, zusammengerafft und sei mit
zwei Dienern nach Rhodus geflohen, um dort „faire p^nitence de ses pechez**.
Dort sei er auch gestorben und höchst ehrenvoll begraben worden, während
die Junge Wittwe" ihr Leben als Keklnse in Köln zugebraclit habe.
Auch dieser Erzählung bringen wir Misstrau(Mi entgegen, habdn jedocli
die Genugthuung, dass diesmal selbst diejenigen beitreten, welche Hemricourt
sonst nur zu leicht glauben, Franquinet* und de ('hestret^ Letzterer
') Uierübcr habe icli keinen Aufschluss fiuden köiiueü. 8oU es Hamlel, Kaut'manu-
schaft, Aus- und Einfuhrgeschäft heissen?
-) Um jedoch II. nicht zu nahe zu treten, sei bemerkt, dass wir sein Werk nur
mehr veistümmelt vor uns haben. Vgl. Villen fagne, Uecherchos ... II, S. 452 ff.
^) Vgl. die ;>tammtafcl bei de Chestret S. 17.
*) S. 28.
-') .S. 60.
— 59 —
macht darauf aufmerksam, dass die Söhne Reinards dem Testamente ihres
verstorbenen Vaters in respektvollster Weise gehorchten, wofür Franquinct,
der die Erzählung Hemricourts mit den Urkunden nicht in Einklang bringen
kann, die Beweise liefert ^ Da sehen wir in der That, wie die Söhne
auf grund des väterlichen Testamentes Güter abgeben, welche sie bereits
in Besitz haben. Wenn sie den Vater wegen der zweiten Heirath für
verrückt erklärt und sogar thätlich angegriffen hätten, wie in aller Welt
würden sie den letzten Willen des Verrückten anerkannt und sich dadurch
aus ihrem Besitze haben treiben lassen? Und wenn sie sich mit seinen
Feinden verbündeten, wie kommt es, dass sie um des Vaters willen eine
erbitterte Fehde mit Mastricht aufrecht halten, die erst im Jahre 1405
gesühnt wird*? Es gibt demnach auch hier so viel Unwahrscheinliches,
dass man gezwungen ist, andere Gründe für die Auswanderung Reinards
zu suchen. Und der wahre Beweggrund, der Reinard zu seinem auffallenden
Entschlüsse brachte, ist das Unglück bei Baesweiler. Er hatte den vor-
schnellen Rath gegeben, sofort anzugreifen und denselben in einer Weise
begründet, die den tapferen und stolzen Herzog moralisch nöthigte, zuzu-
stimmend Mochte Reinard die Mehrheit des Kriegsraths, die Masse des
Heeres, vielleicht den Herzog selbst für sich haben: nachdem der Erfolg
gegen ihn entschieden hatte, musste er die ganze Verantwortung tragen.
Die Folge war der Verlust seiner angesehenen Stellung am Hofe wie unter
den Standesgenossen und die Erbitterung des Volkes, welche sich zu
Mastricht in massloser Weise Luft machte. Das war gewiss hinreichend
um einen bis dahin vom Glücke verhätschelten Mann zu dem Entschlüsse
zu bringen, dem ganzen irdischen Treiben zu entsagen. Es lag ja auch im
Charakter der Zeit, dass man am Abende eines sehr bewegten Lebens die
Stille des Klosters aufsuchte, um sich auf den Tod vorzubereiten. Dass
aber Reinard grade zu den Johannitern ging, mag darin seinen Grund
haben, weil er mit diesen schon von Köln her in Verbindung stand*. Zu
alle dem kommt dann noch das entscheidende Zeugniss des Sohnes und
der Enkel Reinards in der Urkunde von 1405, welche ausdrücklich erklären,
ihr Vater bezw. Gross vater sei „butenlendich" geworden wegen der „groete
smaet confusie ende schade*", die man ihm in Folge der Schlacht bei
Baesweiler zu Mastricht angethan habe. Wenn es immerhin noch vier
Jahre gedauert hat. ehe Reinard sich zurückzog, so ist das nicht befremdend.
Vielleicht hat er anfangs noch gehofft den Sturm zu beschwören und seinen
verlorenen Einfluss wieder zu erringen, vielleicht hat er wirklicli daran
gedacht in einer zweiten Ehe Trost und Ersatz für das entschwundene
Weltglück am häuslichen Herde zu suchen, vielleicht hat ihn die Sorge
für seine Kinder noch zurückgehalten: jedenfalls konnte ein Mann mit Reinards
ausgedehnten imd vielseitigen Geschäftsverbindungen einen solchen Ent-
schluss erst nach längerer Vorbereitung ausfüliren.
*) Franqninet, annexe IX, S. 82.
*) VgL das. annexe XVIII, S. 94.
*> ,r>iv Ehre srobietet ilen soforti^ren Anirriff*.
*} Vgl. oben ^5. 4j.
— 60 —
Von Hemriconrts Erzälihnjg bleibt meine^s P>achtens nur übrig", dass
Reinard nach Rliodus g^egangeu ist. Dort machte er sein Testament, Hess
es von anderen Ordensrittern bezeugen und besiegclen ^ und starb — hoffent-
lich eines seligen Todes — im Jahre 1376.
IX. Reinards Kindei.
De (liestret*^ zählt 8 Kinder Reinards aus seiner Ehe mit der Dame
von Wildenberg auf, vier Söhne und vier Töchter. Die Söhne hiessen:
Reinard IL, Johann, Conrad, Engelbert; die Töchter: Alide, Philippine,
welche bald Johanna, bald Adelheid genannt sein soll, Mechtilde — nicht
Maria — und Elisabeth. Dazu kommt dann noch die uneheliche Tochter
Elisabeth, welche bereits oben erwähnt worden ist.
a. Reinard II. war verheirathet mit Johanna, Tochter Ottos von Arkel
und der Isabella von Bar^. Er erscheint als Herr von Schönforst und
Sichern, der grossen Waldungen von Meerdael, südlich von Löwen, und
von Berquyt sowie der Herrschaft Archennes an der Dyle, welche in der
Theilung der Reinard'schen Besitzungen von St. Agathenrode abgetrennt
worden war^. Seine Töchter hiessen: Johanna und Catharina; Söhne hatte
■
er nicht.
Wie wir oben S. 28 hörten, war Reinard in der Schlacht von Baes-
weiler 1371 gefangen worden, doch hat seine Gefangenschaft nicht lange
gedauert. Schon im folgenden Jahre war er in einen Streit mit der Stadt
Köln verwickelt, der am 11. September beigelegt war. An diesem Tage
dankt der Rath „dem ältesten Sohne des Herrn Reinard von Schönforst",
weil er die gefangenen Kölner Bürger frei gelassen habe und schwört ihm
wegen des Vorgefallenen Urfehde, d. h. Verzicht auf alle Rachel
Ausser seinem Antheilc an den väterlichen Liegenschaften hatte
Reinard auch die Forderungen an Wenzel und Johanna von Brabant geerbt,
die sich auf 2311 halbe Vilvorder Goldstücke beliefen. Zur Deckung dieser
Schuld ernannten ihn die Fürsten am 7. Dezember 1376 zum Burggrafen
von Schloss, Stadt und Land Dalhem (Dolhain) und sicherten ihm die
Stelle bis zur Abzahlung jener Summe zu. Dagegen verpflichtete sich
Reinard, den Bezirk auf eigene Kosten zu wahren, zu verwalten und zu
vertheidigen, nur soviel Holz im Dalhemer Walde zu schlagen als zur
Instandhaltung der Schlossgebäude nöthig war und aus den Einkünften
jährlich am St. Andreastage 200 schwere Gulden an die herzogliche Kammer
zu zahlen. Am 20. Mai 1377 erhielt er sodann diese Burggrafschaft auf
Lebenszeit und quittirte dafür alle Ansprüche, die er vom Vater her an
>) de Chestret S. 61.
») S. 62 ff.
^) Franquinet S. 45.
*) de Chestret S. 62 und Anin. 5 und 7.
*) Höhlbaum, MitthcUungen I, S. 74. Dass er den Vollbesitz der Herrschaft
Schönforst angetreten, scheint Reinard dem Aachener Rathe durch besondern Boten
angezeigt zu haben; die Septemberrechnnng des Jahres 1376 verzeichnet ein Ehrengeschenk
von zwei Quart Wein an den „Schönforster Herold**. Laurent S. 261, Z. 22.
— 61 —
Johanna habe*. Reinard U. lieh aber auch selbst Geld an die Brabanter
Fürsten. In der Urkunde vom 15. Februar 1386, durch welche Johanna
verschiedene Gebiete an Karl den Kühnen von Burgund, den Gemahl ihrer
Nichte Margarethe, abtrat, heisst es nämlich, Dolhain sei dem Herrn von
Schönforst für 3000 moutons verpfändet^, und am 10. Mai 1382 erklärte
Eeinard, er habe an Wenzel und Johanna 2000 alte Goldschilde geliehen,
wofür ihm Burg und Land von Kerpen unter gewissen Bedingungen übergeben
worden sei^ Diese Schuld war im Jahre 1386 auf 6000 alte Schilde*
angewachsen, also hatten die Brabanter auf Kerpen neue Summen auf-
genommen.
Franquinet^ erzählt, Reinard IT. habe die Rente von vier alten
Groschen am Zolle von Nimwegen, welche ihm aus dem Nachlasse seines
Vaters ebenfalls zugefallen war, 1376 an Herman von Goch gegen eine
jährliche Rente von 25 Gulden abgegeben, jedoch im folgenden Jahre
andere Güter als Unterpfand gestellt, weil er auf den Zoll in folge eines
Vertrages seines Bruders Johann mit dem Herzoge von Geldern habe ver-
zichten müssen. Nach einem Regest in den Mittheilungen aus dem Kölner
StadtÄrchiv *^ erhob Reinard am 7. März 1384 ein Leib-Mannlehen an
diesem Zolle für den genannten Herman. — Hier möge erwähnt werden,
dass Reinard IL, nicht sein Vater, wie Graf v. Mirbach meint, im Jahre
1379 den Hof Boslar an Arnold von Randerath verpfändetet
In der Fehde zwischen Erzbischof Friedrich ITI. von Köln und (4raf
Engelbert von der Mark im Jahre 1384 hatte Reinard auf Seite des
Letztern gestanden, wobei das (Tcbiet von Schönforst und Montjoie arg
mitgenommen worden war^ Nach dem Friedensschlüsse stellten Friedrich
und Engelbert am 29. Oktober ihm eine Frist von einem Monat, iimer-
halb der er sich erklären sollte, ob er der Sühne beitrete oder nicht*.
Reinard war bereit, aber er konnte einen seinen Helfer, Gerard von Blanken-
heim, nicht zum Beitritte bewegen. Dieser gab die Gefangenen, die er
gemacht hatte, nicht frei und deswegen verfiel Reinard dem Erzbischof
in eine Busse von 4500 Gulden. Für diese Summe verpfändete er dem-
selben am Andreastage 1387 die Hälfte seines Schlosses Schönforst, ver-
sprach Oflfen Haltung der Burgen Montjoie und Kerpen und erklärte auch
das Schloss Wachtendonk nicht eher an den Jungherrn, dessen Oheim und
Vormund Reinard war, übergeben zu wollen, bis dem Erzbischofe wegen
aller Verschreibungen Genüge geleistet sei, die letzterer darüber in Händen
habe. Von dieser Sühne mit Friedrich sollte ausgeschlossen sein „der van
Gronsfeld ind syne partye, mit der ich (Reinard) in veden sitze"; warum.
') Ernst, histoire du Limbourg V, S. 119, Anm. 2.
•) Das. S. 154, Anm. 1.
3) Das. S. 119, Anm. 1.
*) Das. S. 154, Aura. 1.
^) S. 32.
«) Vn, S. 35.
') Zeitschrift des Aachener Oeschichtsvoreins II, S. 298.
') Meyer, Aach. Gesch. S. 353.
*) Lohn- und Mani.buch dos Erzstifta Köln I, Nr. 304. Staiitsaicbiv zu Düsseldorf.
— 62 —
werden wir noch hören K In einer andern Urkunde von demselben Tage
wird Näheres darüber festgestellt, wie es mit Schönfort gehalten werden
solle. Ausser den bereits oben S. 41 mitgetheilten Bestinimungen, dass
die Burg mit „turnen, graven, miüren, vurburgen, ind vesteningen" tiber-
geben werden und der Erzbischof dieselbe mit Amtleuten, Thurmknechten,
Wächtern, Pförtnern solle besetzen dürfen, wurde noch abgemacht: Reinard
müsse für den Unterhalt dieser erzbischöflichen Beamten und Reisigen
jährlich 100 Gulden aus den Einkünften von Schönforst anweisen; der
Erzbischof dürfe sich der Burg gegen jedermann, nur nicht gegen König
Wenzel und die Herzogin Johanna bedienen. Endlich wird gesagt, dass
Schönforst ein Reichslehen und einer Tochter Reinards als Mitgift gegeben
worden sei: „Vort, want dat vurschreven sloss Schone vorst rurende is zu
lehen van deme ryche ind ich Reynart . . dat selve sloss gegeven hain zu
hilige deme . . . Bernard van Fleckenstein mit Johannen mynre dochter . . so
hain ich ind . . . myn eidom . . . myme heren van Colne geloift . . . dat
wir binnen jaire ind dage na datum dis briefs . . . werven solen an unsme
gnedigen heren dem romschen kunyng, dat he synen willen ind consens
zu der versetzinge ind pantschaft der . . halfscheit des slosses geve ind
due . . / Es siegelten mit Reinard dessen Eidam, sodann Heinrich von
Hüchelhoven, Schultheiss zu Eschweiler; Heinrich von Dadenberg; Statz
von dem Bungard^
Wir hörten oben, dass Reinard sich auch verpflichtet habe, Burg
Wachtendonk nicht eher an seinen damals noch minderjährigen Neffen
abgeben zu wollen, bis des Erzbischofs Forderungen befriedigt seien.
1391 (ohne Tag und Monat) quittirte Friedrich III. dem Reinard von
Schönforst und Sichem über eine Summe von 2400 Gulden, welche Arnold
von Wachtendonk für die Oeffnung dieses Schlosses erhalten solle und
die an den 4500 Gulden, welche Reinard schuldete, abgezogen wurden ^
Ob Friedrich den Rest jemals erhalten hat? Wenige Jahre nachher verlor
Reinard seine Stammburg für immer, doch erst am 31. Januar 1404 erklärte
der Erzbischof, sein Rath Reinard von Schönforst und Sichem habe die
Amtmannschaft von Zülpich und zu der Hart, die derselbe eine Zeit
lang besessen, wieder an ihm abgetreten, wogegen er, der Erzbischof, auf alle
Ansprüche an Reinard verzichte, dessen Lehenspflichten jedoch vorbehalten \
und an demselben Tage verzichtete Reinard seinerseits auf alle Forderungen,
welche er, auch wegen der verpfändeten Hälfte von Schönforst, noch an
Friedrich habe ^ Damit waren alle Schulden auf beiden Seiten getilgt.
Wenige Jahre nachher hat Reinard wieder etwas zu fordern, nämlich eine
jährliche Rente von 100 Gulden, die ihm auf den Zoll zu Bonn angewiesen
war und die der Erzbischof 1408 mit 500 rheinischen Gulden ablöste.
Jedoch machte Reinard einen Vorbehalt zu gunsten des Herrn Heinrich
') Das. Nr. 504, Lacomblet III, S. 780. Urk. 885.
*) Das. Nr. 505, Lacomblet III, S. 780, Anm. 2.
») Das. Nr. 502.
*) Das. Nr. 790.
6) Das. Nr. 791.
— C3 —
von Diulenbcrtr wejren de^ Hauses und Gutes zu Mfinddiausen ,as \'u»e
dat verschreven is* K Nach einer Anmerkung bei Lacorablet ITT, S. 262,
war Munchhaasen dem Reinard 1404 auf Lebenszeit übertragen wonlen;
wahrscheinlich ist das Gut von ihm an die Dadenberger gekommen.
Obschon Gerard von Blankenheim durch seine Weigerung, die kölnischen
Gefangenen loszugehen, Beinard in grosse Verlegenheit gebracht und selbst
zur Verpfändung seiner Burg Schönforst genöthigt hatte, scheint das gute
Verhältniss zwischen beiden dadurch nicht gestört worden zu sein. Als
sich nämlich der Landfriedensbund 1385 aufmachte, um das Raubnest
Reiferscheid bei Schieiden zu belagern, wo sich ^alle die boisewichter die
vurziits oper stroisen plogen zu schedigeu" ^ versammelt hatten, schloss
sich Reinai*d zwar dem Bunde an und versprach, gegen das Schloss und
dessen Vertheidiger zu fechten, nahm jedoch seinen Oheim Gmf Arnold
und den Heim Gerard von Blankenheim aus^ Im Lager vor Reiferscheid
erschien Reinard wie die anderen grossen Herren mit seinen „pufferen***.
Franquinet^ erzählt sogar, man habe ihn zum Befehlshaber über das
Belagerungskorps gewählt; aber diese Angabe wird wohl ebenso irrig sein
wie die anderen, die Einschliessung habe nur einige Tage gedauert und
man habe die Burg mit stürmender Hand genommen. Die Verbündeten
lagen vielmehr vom 11. August bis zum 11. Oktober vor Reiferscheid, an
welch' letzterm Tage die Uebergabe der Burg durch Vertrag erfolgte ^ Im
Sühnebriefe unterzeichnet Reinard allerdings gleich hinter dem Herzoge
von Jülich'; er hat also immerhin eine angesehene Stellung im Bunde
eingenommen.
Als Reinard sich mit dem Erzbischofe Friedrich verständigte, schloss
er ausdrücklich den Heinrich von Gronsfeld und dessen Partei aus der Sühne
aus. Die Fehde zwischen Schönforst und Gronsfeld war duir.h ein nichts-
würdiges Verbrechen hervorgerufen worden, an dem Reinard leider hervor-
ragenden • Antlieil genommen hatte: durch die Ermordung des wackeren
Johann von Gronsfeld, Heinrichs Bruder. Franquinet hat einen Brief
Conrads von Elslo, des dritten Sohnes Reinards I, veröffentlicht ^ worin
derselbe den Verlauf der Blutthat in lebendiger Weise schildert, ohne
jedoch über die Beweggründe zu derselben Aufscliluss zu geben. In dieser
Beziehung sind wir demnach auf Vermuthungcn angewiesen. Ich möchte
jedoch hierin lieber Franquinet beistimmen, der den Mord auf pei^önliche
Reibei*eien zurückführt, als dem Chronisten Froissart, welcher den Herzog
') Das. Nr. 901.
') Lauront, Stadt rccbimngon S. 57.
••) Mt'yer, Aach. Gesch. S. 854.
*•) Laurent. S. 290, Z. 12. Die Stadt schenkte denselben 2 Gulden. Die „puffere
van Schoinvorst, van Wacht endunk und van der Dick" erhielten im Januar 1392 ein
Geschenk von 6^4 Mark, die Schönfor.ster Pfeifer 1394 um dieselbe Zeit 5^/4 Mark. (Das.
S. 377, Z. 13; S. 394, Z. 20).
») S. 33.
•) Laurent, Stadtrechnungen S. 62, 66.
^ Hiihlbaum, Mittheilungen VIT, S. 41.
«) Annexe XTTI, S. 86.
— 64 —
von Geldern der Urheberschaft bezichtigt ^ Auf persönliche Zwistigkeiten
deutet auch Conrad selbst hin, wenn er seinen Bruder ßeinard den Herrn
von Gronsfeld zu einer Zusammenkunft in Aachen einladen lässt, um dem-
selben beweisen zu können, dass er weder mit Rath noch mit That zu
der Feindschaft zwischen Johann Wilde und den Kindern des Füchschens ^
einer- und Gronsfeld andrerseits beigetragen habe. Von Misshelligkeiten
zwischen ßeinard und Johann ist sonst nichts bekannt; wohl aber wissen
wir, dass Statz von Bongart jahrelang in bitterer Feindscliaft mit dem
Gronsfelder lebte. Johann beklagte sich, dass Statz ihn während seiner
Kriegsgefangenschaft in folge der Schlacht bei Baesweiler auf das schmäh-
lichste verleumdet habe und forderte seinen Gegner zum Zweikampf auf
Leben und Tod. Dieser Statz ist wohl der Anstifter des Greuels gewesen,
wie ihn auch Conrad der Ausführung des Mordes bezichtigt; Reinard hat
jedoch seinem Freunde Statz die Gelegenheit geboten und das Opfer in
die Falle gelockt. Man höre Conrad.
Statz von Bongart und der Herr von Schönforst verhandelten eines
Tages wegen der Gronsfelder Angelegenheit. In Folge davon ersuchten
sie (/onrad^ er möge den Herrn von Gronsfeld nach Aachen einladen, da
wolle Reinard seine völlige Unschuld ihm gegenüber darthun. Gronsfeld
erschien. Statz von Bongart, Slabbart von Kinzweiler, Conrad selbst und
Johann von Heimbach trugen ihm die Gründe für Reinards Schuldlosigkeit
vor und verhandelten mit ihm über eine Zusammenkunft mit Reinard in
einem Hause, welches letzterem zugehörte und von Johann von Necken
(Ecken) bewohnt wurde. Gronsfeld war einverstanden. Dann begab sich
der Herr von Schönforst in die Behausung des Herrn Arnold von Riismoelen,
wo Conrad und Slabbart wohnten, weckte beide und ersuchte sie, den Grons-
felder zu ihm in das genannte Haus zu führen. Jene suchten Johann in
seiner Wohnung^ auf, wo auch er im Schlummer lag, und geleiteten ihn
zu Reinard. Beide Herren grüssten sich höflich unter Abnehmen der
Kopfbedeckung, wobei Gronsfeld noch scherzend spracli: „Gott helf, Herr
V(m Schönforst, es ist mir lieb, dass Ihr eben so grau werdet, wie ich bin*'.
Damit gingen sie Arm in Arm in ein Nebenzimmer und bespraclien die
Sache wegen der Kinder des Füchscliens und Gerken Falkners. Unter-
dessen erschien Statz von Bongart und nach ihm Engelbert von Schönforst,
der jüngste Bruder Reinards, mit zwei Knechten. Statz trat in das
Zimmer Reinards, der ihn mit den Worten empfing: „Warum kommt ihr
jetzt?** Statz entschuldigte sich: „Ich meinte, Ihr hättet uns gerufen." In
demselben Augenblicke drang auch Engelbert ein. Er hal)e lange genug
gewartet, rief er und zog das Schwert. Nun merkte Conrad die Falle,
in welche er unvorsichtigerweise den Gronsfelder geführt hatte. Er unter-
0 Vgl. Franquinet S. 33; S. 34, Anm. 1; S. 35.
*) Franquinet schreibt im Texte zwar Vaesken, in der Urkunde jedoch Vueskeu.
^) Vgl. unten bei: Conrad.
*) 1385, wo er fast jeden Monat in Aachen war, wohnte Johann einmal „in heren
Johans huis" (Laurent S. 303, Z. 8), dann auch in „Luibsheren" oder „Luibshuis" (das.
S. 830, Z. 2, S. 333, Z. 25). Letzterer Name wird wohl „heren Lupenhuis vur den sal"
(das. S. 383, Z. 23) bedeuten.
— 65 —
lief den Degen Engelberts, umschlang den Bruder und schrie ihn an:
^Mörder, was willst Du thun?** Dem Bruder Reinard rief er zu: ^Schön-
forst, Du böser Verräther, wirst Du dulden, dass dieser Mann hier ermordet
werde, den ich auf dein Wort hergebracht habe?" Aber Statz von Bongart
griff den Herrn von Gronsfeld und that ihm den Tod an. Der Lärm rief
noch andere herbei. Goedert von Schönau zftckte sein Messer und schrie
Conrad zu: ^Ergib dich, oder ich steche dir den Hals ab**, und Arnold,
der Rentmeister von Schönforst, rief: „Herr von Elslo, Ihr könnt nicht
hinaus.** Gerard von der Dick, der Neflfe der Schönforster, Goedert von
Bongart und sein gleichnamiger Sohn traten in die Kammer, sahen den
Ermordeten imd gingen hinweg. Der Mord erfolgte am 25. August 1386.
Conrad betheuerte seine Unschuld mit einem Eide und schwor, dass
er sich an keiner Fehde betheiligen werde, welche aus dem Morde ent-
stehen könne.
Obwohl nach dem Berichte Conrads, der — wie Franquinet hervor-
hebt — nur neun Tage nach der Blutthat, also noch unter dem ersten
frischen Eindrucke derselben geschrieben wurde, Statz von Bongart als
der eigentliche Mörder anzusehen ist, so scheint doch in der öffentlichen
Meinung Reinard als der Hauptschuldige gegolten zu haben, sei es nun,
weil es sich damals wirklich zunächst um seine Zwistigkeiten mit Grons-
feld gehandelt hatte, oder weil er in der spätem Fehde als Hauptmann
seiner Partei aufgetreten ist. Aus dem Eingange des vorliegenden Berichtes
geht unzweifelhaft hervor, dass Reinard dieses Spiel mit Statz abgekartet
hat. Die Zeitgenossen betrachteten, wie gesagt, den Schönforster als
Hauptübelthäter. Die Herzogin Johanna gab ihrer Entrüstung über die
Ermordung ihres treuen Dieners u. a. auch dadurch Ausdruck, dass sie
am 6. Juli 1387 der Stadt Mastricht, welche schon längere Zeit wegen
der daselbst Reinard I. wiederfahrenen Unbilden mit dem Hause Schönforst
in Fehde lag, die Zusicherung gab, sie werde sich in dieser Sache von
ihren Bürgern zu Mastricht nicht trennen, auch weder Genugthuung noch
Sühne von den Schönforstern annehmen, bis die Stadt sich mit denselben
verglichen habe^ Selbst diejenigen, welche den Herzog von Geldern als
Anstifter des Mordes ausgeben, bezeichnen Reinard als das von ihm ge-
wählte Werkzeug *, und die handschriftliche, im Besitze des Herrn Dr. Adam
Bock befindliche Aachener Chronik sagt gradezu: „Zum Jahre 1386 be-
richtet das Manuskript, dass der Herp von Schönforst im campus Marianus ^
zu Aachen den Herrn von Gronsfeld umgebracht habe.**
Die Voraussicht Conrads, dass dem Morde eine Fehde folgen werde,
ist in Erfüllung gegangen. Drei Jahre lang tobte ein erbitterter Kampf
zwischen den beiden Parteien, an dem „fast alle Herren der Umgegend
und viele Bewohner der Städte Mastricht und Aachen theilnahmen". Reinard
verbrannte „die Dörfer Oupey, welches den Gronsfeld gehörte, Walhorn
*) Franquinet, annexe XIV, S. 90.
•) Vgl. Ernst a. a. 0. V, S. 158 f., Anm. 1.
*) Nach der bei Qu ix, Karmcliterkloster S. 86, abgedruckton kleinen Chronik lag
das Mordhaus „uf dem kloster'* d. h. dem Klosterplatz.
— 66 —
und andere liniburgische Ortschaften" ^; seinen eigenen Besitzungen wird
es nicht besser ergangen sein. Endlich gelang es dem Erzbischof Friedrich
von Köln dem unseligen Treiben ein Ende zu machen. Er verurtheilte
1389 die Theilnehmer an dem Morde zur Stiftung von zwei Sühnealtären;
Reinard und Statz errichteten einen in der Kapelle des Schönforster Hofes
in Aachen^ Goedert von Bongart den anderen in der Kapelle zu Bocholz bei
Simpelveld. Aber damit war die Blutschuld nicht gesühnt; seit dem Jahre
1386 ist das Glück von Reinard gewichen: bald erstand dem ermordeten
Gronsfeld ein scharfer Rächer in der Person des Herzogs von Jülich.
1387 begannen die Verhandlungen zwischen Johanna von Brabant
und dem Herzoge Karl dem Kühnen von Burgund, welche dahin führten,
dass zunächst und zwar 1396 das Herzogthum Limburg mit seinen An-
hängseln an Karl abgetreten wurde *^. Dazu gehörten auch die Burgen
und Herrschaften von Dolhain und Kerpen, deren Pfandherr und Burggraf
Reinard II. war. Höhlbaum ^ gibt den Inhalt einer Urkunde, wonach
Reinard unter dem 22. Juli 1389 den Ritter Gerard von Widdenau auf
ein Jahr zum Amtmann von Kerpen bestellte mit der Weisung, die Burg
gegebenenfalls an Carsilius von Palant, den Schwager von Reinards Bruder
Engelbert zu übergeben.
Im Jahre 1392 finden wir Reinard als Helfer der Stadt Köln, welche
wieder einmal im Streite mit ihrem Erzbischofe lag. Durch Urkunde vom
23. Juli öffnete er der Stadt alle seine Schlösser, auch Kerpen, gegen
Jedermann, den Herzog von Burgund, die Herzogin von Biubant und den
Herzog von Jülich ausgenommen, dafür zahlte ihm die Stadt eine Summe
von 2000 Gulden, worüber Reinard am 7. August quittirte*. Die oben
erwähnte handschriftliche Aachener Chronik erzählt, die Herren von Schön-
forst (Schoenvorstiani dynastae) hätten mit Hülfe des Herrn von Heinsberg
und des Kölner Rathes die benachbarten Gegenden wie Räuber (latro-
cinantium more) misshandelt.
Am 19. Februar 1394 trat Reinard in ein Schutz- und Trutzbündniss
mit dem Herzoge von Geldern. Wilhelm versprach, Reinard nebst seinen
Besitzungen und Leuten zu beschützen und zu vertheidigen, öffnete ihm
die festen Plätze in Geldern, Jülich und Zütphen, Reinard dagegen gelobte
dem Herzoge und dessen Leuten Unterstützung und Hülfe in jeder Ange-
legenheit und Offenhaltung seiner Burgen Schönforst, Montjoie und Kerpen
— so lange er letzteres in Besitz habe — gegen jeden, den Herzog von
Burgund und die Herzogin von Brabant ausgenommen ^. Es fällt auf, dass
in dieser Urkunde ebensowenig wie in der von 1392 Rede von König
Wenzel ist, den doch die Versclireibung von 1387 noch erwähnt; man
scheint am Rheine wenig Rücksicht melir auf diese Majestät genommen
zu haben. Schönforst war doch Reichslehen! Unklar ist auch Reinards
') Franqninet S. 38; 39, Anin. 1.
*) Ernst a. a. 0. V, S. 170.
») Mittheilungen . . . VII, S. 57.
*) Das. S. 74, 84.
'') Franquiuet S. 40.
— 67 —
Stellung zu Montjoie. Franquinct denkt an eine Verpfändung; ich möchte
eher glauben, dass der Schönforster als Vormund des Sohnes und Sach-
walter der Wittwe seines damals bereits verstorbenen Bruders Johann die
Verwahrung und Verwaltung dieser Herrschaft gehabt und bis zu seinem
Lebensende behalten habe. (Vgl. de Chestret S. 63, Anm. 6.)
Die enge Verbindung mit dem Hause Jülich hinderte nicht, dass
Reinard noch in demselben Jahre* mit einem Mitgliede dieser Familie,
Reinard von Jülich, dem Bruder des Grafen von Geldern, in heftige Fehde
gerieth. Weil der Jtilicher nebst dem Grafen von Sayn Helfer des Johann
von Reiferscheid war, mit dem der Zwist begonnen hatte, glaubt Franquinet
die Ursache des Streites in der Belagerung Reiferscheids vom Jahre 1385
suchen zu dürfen. Das wäre immerhin möglich, denn mit 1393 waren die
acht Jahre abgelaufen, binnen welchen der Reiferscheider Ruhe zu halten
versprochen hatte. Dann ist jedoch der Racheversuch arg missglückt.
Der Schönforster, unterstützt durch den Herrn von Heinsberg und die
Stadt Köln, behielt den Sieg, verwüstete das Jülicher Land und nahm
selbst seine beiden Hauptgegner, den von Reiferscheid und Reinard von
Jülich gefangen. Er erpresste ein grosses Lösegeld, welches der Herzog
für seinen Verwandten erlegte. Da der Schönforster um eben diese Zeit die
Herrschaften Tielt und Tielt-St. Martin ankaufte -, so liegt die Vermuthung
nahe, dass der Kaufpreis aus diesen Lösegeldern bezahlt worden ist.
Aber Reinard hat sich seines Erfolges nicht lange erfreut. Die
Stunde der Vergeltung für die Gronsfelder Blutschuld und manch andere
Gewaltthat war da. Die mehrfach erwähnte Aachener Chronik erzählt
nach Pontanus: „Reinard von Schönforst, Herr in Montjoie, der mehr als
einmal feindselig ins Jülichsche eingefallen war, hatte Reinald, den Bruder
des Herzogs, sowie den Herrn von Reiferscheid gefangen und ein sehr
grosses (ingens) Lösegeld von ihnen erpresst. Darum (unde) belagerte
Herzog Wilhelm das Schloss Schönforst . . ." Bütkens meint, der Streit
zwisclien dem Herzoge und Reinard schreibe sich noch von dem Verkaufe
der Herrschaften Falkenburg und Montjoie durch Reinard I. her. Das ist
unwahrscheinlich. Der Grund hätte doch auch schon 1394 bestanden, wo
Reinard und Wilhelm Waffenbrüderschaft eingingen. Auch hätte in diesem
Falle der Herzog nach der vollständigen Niederlage Reinards den Schön-
forstem sicherlich Montjoie abgenommen und sich nicht mit Schönforst
begnügt. Montjoie ist aber erst 1439 durch Jülich regelrecht eingelöst
worden.
Der Verlauf des Kampfes war für Reinard höchst traurig. Der
Herzog, unterstützt durch die Herren von Kuilenburg, von Abcoude, von
Vianen, von Asperen und besonders durch die Stadt Aachen^ mit ihren
') Meyer, Aach. Gesch. S. 358, setzt die Fehde mit Berufung auf die Kölner
Chronik in das Jahr 1392. Vgl. jedoch S. 66.
*) Franquinet S. 41.
*) Reinards Vcrhältniss zu Aachen ist nicht ganz klar. Er soll Vogt gewesen
sein. Die Stadtrechnungen erwähnen ihn häufig; 1385 ist er fast jeden Monat in der Stadt
gewesen nnd zwar mit dem Gronsfelder. 1387 im Mai schickt ihm der Rath einen Boten
nach Luxemburg und Sichem (Laur, 8. 342, Z. 20) und schenkt ihm — wie schon 1383,
— 68 —
vorzüglichen Belaperungsniaschinen zog vor Schönforst und schloss die
Burg ein. Zwar versuchte Reinard durch die Verwüstung Jülichschen
Gebietes den Herzog von der Belagerung abzuziehen, zwar wehrten sich
die Belagerten verzweifelt und .schlugen den Ansturm der Feinde mehr
als einmal ab: als der Hauptthurm ^ unter den Geschossen zusammenbrach,
musste die Besatzung nach einer Belagerung von sieben Wochen Schön-
forst übergeben, 21. September 1396. Der Herzog fand dort nach dem
Zeugnisse eines gleichzeitigen limburgischen Schriftstellers, auf den sich
die mehrerwähnte Aachener Chronik beruft, grosse Mengen von Wein,
Getreide und anderen Vorräthen; er stellte das Schloss her und behielt
dasselbe.
Von da ab bildete Schönforst unter dem Titel „Vogtei** einen Theil
des Jülicher Gebiets. Büsching beschreibt es folgendermassen : „Die Vogtei
Schönforst, in welcher das landesfürstliche Schloss desselben Namens ist,
hat 1160 Morgen, gibt von jedem 26 Albus, also von allen 221 Thaler
15 Albus, wenn das Land 100000 Thaler aufbringt** ».
Reinard verlor aber nicht bloss seine Stammburg, auch Schloss
Wilhelmstein mit der Amtmannschaft, das er bis dahin als Pfandstück
inne gehabt, wurde ihm abgenommen. Der Herzog zog von Schönforst
dorthin und vertrieb die Mannen Reinards nach Htägiger Belagerung.
Wilhelmstein war viel bedeutender als Schönforst. Nach Büsching hatte
dieses Amt „5941 Morgen, gibt von jedem 30 Albus, überhaupt 2227 Thaler
70 Albus, wenn das Land 100000 Thaler erlegt**».
Endlich büsste Reinard bei dieser Gelegenheit die Aachener Vogtei
ein, welche ihm ebenso wie Wilhehnstein von Jülich in Pfandschaft ge-
geben war.
Welch starkes Selbstbewusstsein, welch verwegene Kampfeslust beseelte
doch damals den deutschen Adel, als dessen Typus der blinde König
Johann bei Crecy erscheint! Jener Herzog von Geldern fürchtete sich
nicht, selbst dem Könige von Frankreich den Fehdehandschuh hinzuweifen
und liess sich nur dadurch von der Aufnahme des ungleichen Kampfes abhalten,
dass sein Vater ihm mit dem Ausschlüsse von der Erbfolge in Jülich
drohte*, und ein kleiner Dynast wie der Schönforster nahm es mit dem
Herrn von zwei mächtigen Herzogthümern auf! Welch gebietende Stellung
würde das Reich eingenommen haben, wenn die Kaiser diese übersprudelnde
Kraft nach aussen hätten verwenden können, wenn die Sonderbestrebungen
das. S. 272, Z. 4 ~ ein Ohm Meth (das. S. 345, Z. 26). Ebenso 1890 (S. 372, Z. 18) und
1392 (S. 381, Z. 7). 1386 und 1394 ist er Mann der Stadt, wofür er jährlich 100
Gulden erhielt (das. S. 354, Z. 14; S. 399, Z. 32). 1391 kürzte man seinetwegen fast
9 Mark an den städtischen Accisen (das. S. 371, Z. 22).
*) Der letzte Rest des gewaltigen Donjons ist heuer — nach 500 Jahren — •
zusammengestürzt.
») Erdbeschreibnng VI. Theil, S. 130.
') Das. S. 32. Zum Vergleiche geben wir auch die Ziffern für Montjoie. Dieses
Amt hatte 7500 Morgen und gab in dem angeführten Land^chat« von jedem Morgen 27 Vj
Albus, überhaupt 2587 Thaler 40 Albus.
*) Ernst a. a. 0. V, S. 163.
— 69 —
der Fürsten und Herrn nicht damals schon des Kaisers Krone, Scepter
und Schwert zu einem Puttenspiele herabgewürdigt hätten, wie die Kunst
einer spätem Zeit in unbewusstem Spott durch die Stuckverzierungen des
Frankfurter Römers zum Ausdruck gebracht hat!
Schwer empfand der Schönforster den harten Schlag, welchen der
Hei-zog von Jülich ihm versetzt hatte. Er griff zu verzweifelten Mitteln
um sich zu rächen und die Niederlage wettzumachen. Bei der Spannung,
welche zwischen Brabant und Geldern bestand, wird es ihm keine grosse
Mühe gekostet haben, die Herzogin Johanna zum Kriege gegen Wilhelm
zu reizen, aber um ihr Bundesgenossen zu werben, soll er sich nicht
gescheut haben, selbst seine Ritterwürde bioszustellen. Er ging wie Meyer *
nach Fisen erzählt, in die Stadt Lüttich, liess sich dort in die Fleischerzunft
aufnehmen und verkaufte seine Waare auf offenem Markte. Dadurch gewann
er die Zuneigung der Zünfte und bewog sie, sich dem Zuge der Brabanter
gegen Geldern anzuschliessen. In diesem Kriege verwüsteten letztere
unter Anführung des Grafen von St. Paul, bei dem Reinard sich als Unter-
befehlshaber befunden haben soll, Linnich und Aldenhoven. Nach der
handschriftlichen Aachener Chronik wäre St. Paul selbst vor Jülich gezogen,
hätte viele flüchtigen Einwohner der Stadt gefangen und als Brandschatzung
3000 Gulden erhoben. Auch Aachen wurde in Mitleidenschaft gezogen.
Weil die Stadt den Brabantem keine Lebensmittel verkaufen wollte, wozu
sie nach einem Vertrage von 1 360 verpflichtet war *, liess St. Paul mehrere
Dörfer im Reich „bis an den Salvatorberg** in Brand stecken'. Vielleicht
hat Reinard durch diese Brandstiftung den Aachenern die Quittung für
die Beihülfe zui- Eroberung von Schönforst und Wilhelmstein ausgestellt.
Nutzen hat dem Schönforster auch dieser Feldzug nicht gebracht, viel-
mehr neuen Schaden. Ausser Schönforst, dass ihm bereits genommen
war, hatte er von seinem Vater noch die schöne Herrschaft Sichern geerbt,
nach der er sich ebenfalls nannte; nun ging auch diese verloren. Aus
dem Umstände, dass er sich einmal in einer Urkunde vom 3. April 1378
als Herr von Schönforst und Schöneck bezeichnet*, schliesst de Chestret^,
Reinard habe Sichem für einige Zeit gegen Schöneck abgegeben. Jetzt
aber versetzten ihn die grossen Unkosten der Umtriebe gegen den Herzog
von Geldern in die Nothwendigkeit, Sichem gegen eine Rente von 1800
Gulden an den Herrn von Diest zu verkaufen oder doch zu verptänden.
Die Herzogin Johanna genehmigte die Uebertragung noch in demselben
») Aach. Gesch. S. 358.
■) Herzog Wilhelm erkannte später diese Verpflichtung selbst an. Vgl. Nopplus,
Chronick III, Nr. XVII, S. 274.
') Die Kölner Chronik fügt bei, er habe anch „die wyu** verheeren lassen, ein Aus-
druck, den Meyer (Aach. Gesch. S. 359) mit „Weingewächs" wiedergibt Ich halte „die
wyn** für das Dorf Weiden, welches im Volksmuude „Wije, eu der Wije" heisst, bemerke
jedoch, das die handschriftliche Chronik daraus einen Aachener Wald Vinna macht. Der
Aachener Wald dehnte sich allerdings noch im 14. Jahrhundert bis in die Gegend von
Haaren ans. Vgl. Laurent, Stadtrechnnngen S. 137, Z. 16.
*) Franquinet, annexe X, S. 83.
») S. 62.
— 70 —
Jahre 1398. Auch dieses Geschäft gab wieder Anlass zu neuen Ver-
wickelungen, die ebenfalls zu einer Fehde geführt hätten, wenn der Aus-
bruch nicht durch Freunde Reinards verhindert worden wäre. Nach
Franquinet ^, der sich auf Bütkens beruft, ist der Verkauf von Sichern erst
1413 rechtskräftig geworden. Unsere oftbenutzte Chronik erzählt den
Handel nach Haraeus^ wie folgt. „Zu derselben Zeit (1399) brach ein
Sturm im Lande Overmaas zwischen Heinrich (Thomas) von Diest und
Reinard von Schönforst und Sichern aus. Reinard war Befehlshaber der
Burg von Löwen und drängte den Heinrich, der ihm viel Geld schuldig
war, aber nicht zahlte, zur Stellung von Bürgen. Es ärgerte den Diester,
dass Reinard ihn wie einen böswilligen Schuldner behandelte. Man griff
beiderseits zu den Waffen, aber der Herzog von Geldern (! ?), der Graf
von Blankenheim und der Abt von Prüm ^ schrieben an die Löwener, deren
Mitbürger Heinrich war und die deswegen denselben leicht zur Erfüllung
seiner Schuldigkeit anhalten konnten. Durch deren Vermittelung kam es
zum Waffenstillstände und die Sache wurde bald freundschaftlich erledigt".
Zu air diesem Missgeschick gesellte sich für Reinard noch grosses
Unglück in der Familie. 1403 wurde sein Bruder Conrad zu Löwen
meuchlings ermordert, in demselben Jahre gerieth sein Schwager Johann
von Arkel in Streit mit Albert von Baiern, Graf von Holland. Zwar
gelang es Reinard durch den Sohn des Grafen, der zum Bischof von
Lüttich erwählt war, einen Frieden zustande zu bringen; aber schon im
folgenden Jahre brach der Krieg wieder aus und endete diesmal mit der
vollständigen Niederlage des Arkel. Johann verlor seine Besitzungen und
selbst seine Freiheit; zehn Jahre lang schmachtete er in der Gefangenschaft*.
Dr. Baersch scjireibt in den „Nachrichten über die Abteien Malmedy
und Stablo**^ vom Abte Walram von Schieiden: „Die Regierung dieses
Abtes war sehr unruhig. Er gerieth in Fehde mit dem kriegerischen
Reinard IL von Schönforst, Herrn von Montjoie. Die Einwohner von
Stablo fielen 1409 in das Gebiet von Montjoie ein, plünderten und brand-
schatzten darin; da eilten die Einwohner von Contzen den von Montjoie
zu Hülfe, schlugen die von Stablo und tödteten den grössten Theil der-
selben. Zum Andenken an die Gefallenen wurde eine Kapelle neben der
Kirche zu Contzen erbaut. Die Gefangenen musste der Abt mit der damals
sehr bedeutenden Summe von 12000 (!) rheinischen Gulden einlösen und
deshalb mehrere Klostergüter verpfönden.*'
Tu den Urkunden jener Zeit bezeichnet sich stets Johann (TL) als
Burggraf von Montjoie. Wenn also hier kein Irrthum im Namen vorliegt,
so muss man annehmen, dass Reinard nach dem Tode seines Bruders
Johann (L), d. h. nach dem Jahre 1381, als Chef des Hauses Schönforst
') Franquinet S. 44.
*) Aimales ducum Brabantiae . . 1623. Haraeus war Kanonikus in Löwen und
starb 1632. Y^]. Fe 11 er, Dictionnaire Historiquc III, S. 407.
^) Walrara von Schieiden. Wir finden ihn gleich in Fehde mit Reinard.
*) Franquinet S. 45.
^) Annalen, Heft 8, S. 53.
— 71 —
auch in Montjoie gewisse Rechte ausgeübt hat und nach aussen als Herr
daselbst aufgetreten ist.
ßeinard 11. beschloss im Jahre 1419 ein Leben, welches dem seines
Vaters an ruheloser Thätigkeit nicht nachsteht. Aber diese Thätigkeit
sammelte und erbaute nicht, sie zerstreute und zerstörte. Die Schönauer
waren glänzende Meteore, die einen aussergewöhnlichen Anlauf nehmen,
einen Augenblick Staunen oder gar Furcht erregen, dann aber bald zer-
platzen. Ein ungleich ruhigeres Leben war Reinards Bruder
b. Johann (L) beschieden. Als kaum elfjähriger Knabe erhielt er auf
Vermittelung seines Vaters vom Herzog Wenzel die reiche Propstei von
St. Servatius zu Mastricht (1361)^ und behielt dieselbe bis zum Jahre
1370*. Da Johann 1369 die Burggrafschaft Montjoie antrat und sein
Bruder Engelbert nach ihm als Propst von St. Servatius erscheint, so ist
anzunehmen, dass er auf Wunsch Reinards I. oder bei der Verheirathung
mit Margarethe Schelfert von Merode-Hemmersbach ^ auf jene Pfründe zu
gunsten Engelberts verzichtet hat. Auch das Eanonikat an St. Lambert
in Lüttich, welches Johann innehatte, befindet sich später im Besitze
Engelberts*. Gott sei Dank, dass die Zeit dieser Pröpste und Kanoniker
vorüber ist! Wahrscheinlich noch bei Lebzeiten des Vaters empfing Johann
die Herrschaft St. Agathenrode, wodurch ihm der Verzicht auf die Propstei
noch leichter gemacht wurde ^; ausserdem besass er die Herrschaften
Clabbeke, Neerpoorten, Ottenburg und den Zoll zu Wavre^ Johann starb
bereits 1381, also im Alter von etwa 31 Jahren. Er hinterliess zwei
Kinder: Katharina, welche in erster Ehe den Grafen Wilhelm von Sayn
(1392) und 1432 den Grafen von Linange und Dachsburg heirathete. Sie
starb ohne Erben und ihre Mitgift St. Agathenrode kam an ihren Vetter
Conrad IL von Elslo^ Johanns Sohn, Johann IL von Schönforst, Herr
von Montjoie, wurde durch Heirath mit Johanna von Rochefort Besitzer
von Walhain und Flamengerie, kaufte Cranendonk, Diepenbeck, Eindhoven
und gründete in der Nähe der letztgenannten Besitzung das Kloster
Haegen. Er starb kinderlos am 1. Februar 1433. Johann IL wird hier
noch erwähnt, weil er den langandauernden Streit des Hauses Schönforst
mit der Stadt Mastricht 1405 beilegte und 1411 das Ländchen Corneli-
münster gegen die 10000 Goldschilde, für die es verpfändet war, an den
Herzog Reinald von Geldern und Jülich zurückgab ^ Seine Frau, welche
bis 1444 lebte, empfing am 13. Mai 1439 von Gerard, Herzog zu Jülich
^) Franquinct S. 23. Johann wäre demnach um 1350 geboren.
«) de Chcstret S. 63.
*) 1376 war Johann mit Frau und Töchtern gelegentlich der Krönnng Wenzels in
Aachen; 1385 traf die Frau von Montjoie am Fronleichnamstage mit ihren Schwägern
Heinard, Engelbert und Conrad, sowie mit den Frauen der beiden erstgenannten in der
Stadt zusammen. Laurent S. 243, Z. 23; 8. 255, Z. 23; S. 298, Z. 21, 32, 34; S. 299, Z. 7, 8.
♦) de Chestrct S. 63, 64.
») Vgl. oben S. 42.
«) Franquinet S. 46, de Chestret S. 63.
') Franquinet S. 47.
«) Das. S. 47 ff.
— 72 —
und Berg, die Pfandsumme für Montjoie und trat die Herrschaft an
diesen ab^
c. Conrad nannte sich nach der Herrschaft seines Stiefbruders Otto,
die ihm zugefallen war, Herr von Elslo. Sein Heirathsvertrag mit Katharina
von Argenteau datirt vom 10. September 1372. Katharina war die Tochter
Johanns von Argenteau und der Katharina von Gronsfeld, diese hinwiederum
eine Tochter Heinrichs und eine Nichte Johanns von Gronsfeld. Die Frau
Conrads war demnach die Enkelin des Heinrich und die Grossnichte
Johanns. Conrad trat also durch diese Heirath mit beiden in Affinität; daraus
erklärt sich, warum man ihn wählte, um Johann nach Aachen und in das
Haus Reinards zu locken, und warum Conrad sowohl den Erschlagenen wie
Heinrich in dem Briefe an letzteren seinen „lieben Schwager* nennte
Es ergibt sich ferner, dass um jene Zeit jeder durch Schwägerschaft
Verwandte, ganz abgesehen vom Grade der Affinität, einfach „Schwager"
genannt wurde.
Weil der Vater der Braut verstorben und die Mutter in zweiter
Ehe mit Dietrich von Welkenhusen lebte, wurde der Vertrag für Katharina
von den Grosseltern Heinrich von Gronsfeld und Mechtild von der Heiden,
von der Mutter und dem Stiefvater, von dem Grossoheim Johann von
Gronsfeld und Frambach von Broich unterzeich uet. Katharina erhielt als
Mitgift den Pfandhof zu Tengys, der jährlich 63 Mtid Spelz aufbrachte,
und 50 Mtid Spelz aus den Renten und Einkünften, welche ihrem Vater
in Harve^ und Umgegend zugestanden hatten. Diese 50 Mtid gab die
Mutter, weil sie sich das Haus auf Walhorn ftir ihre Lebenszeit vor-
behielt; erst nach ihrem Tode sollte dasselbe an Conrad und seine Frau
kommen *.
üeber andere Besitzungen Conrads haben wir S. 44, über seinen
Streit mit dem Kapitel zu St. Servatius wegen der Schätze Reinards I.
S. 21, über seine Verwickelung in die Ermordung des Gronsfelders S. 64 f.
berichtete Conrad selbst starb ebenfalls eines gewaltsamen Todes. Er
gerieth in Zwist mit zwei Löwener Patrizierfamilien, den Eveloge und
Witteman. Drei Herren von Eveloge und zwei Herren von Witteman
schlichen sich in der Nacht des 7. März 1403 in das Zimmer, welches
Conrad im Hause des Schöffen und Rathsherrn Johann von HüflSe bewohnte
und ermordeten ihn in seinem Bette. Einer der Mörder, Heinrich von
Eveloge wurde in Löwen auf dem Markte hingerichtet, die anderen ent-
kamen. Reinhard und Johann, die Brüder, sowie Heinrich von Viel-Salm, der
Schwager Conrads, sammelten Reisige, um die Stadt Löwen wegen des
Mordes zu befehden, es gelang aber dem Gesandten der Stadt und der
Herzogin Johanna, sie zu besänftigend
') Frauquinet und Annalen, Heft 6, S. 17.
*) Franqninet, anuexe XIU, S. 86 ff.
*) So steht in der Urkunde; im Texte hat Franquinet „WaUiom''.
*) Franquinet, annexe VIII, S. 80.
') Die Aachener Stadtrechnongen erwähnen Conrad häufig; 1394 im Mai empfängt
sein Knecht 9 schwere Gulden für das Pferd eiuos Gefangenen. Laurent S. 396, Z. 34.
«) Franquinet 8. 52 ff.
m MtM^@h@uM ¥b3?Jiili
rCä^-.^
-o
Jührlich 8 NumniiTD
k 1 Bogen Itiiyfkt Oktiiv.
I'n^is lies .rahr^iinn^
4 Mark.
wmiaBions -Verlag
der
T'üclien Buclihandlim)}
lt. e«iii
in AocbeD.
MittheiluDgen des Vereins für Kunde der Aachener Vorzeit.
Im Auftrngc lU-s Vereins lierausgegeben von E. Schnock.
Np. 5/6.
Achter Jahrgang.
1895.
Inlinlt: H. -T. Ctiis», Keiniird vün Si;hünan, der rrste Herr von Si-hOufurst. (Schlaas.) —
B. M. Lersch. Der Ruliqaiun- Behälter des hl. Anastusiiis im Aachener Dom. — J. Uuch-
kreiner, Abbnicli der Häuser des Jusephinischcn Inatitnia und des Waisenhauses in der
Pontstra^e. — Kleinere Mittbeilungen : Freilcgung des Chores der Nikolaiiskircbe su
Aachen. — Spottgedicht auf die Franzosen aus dem Jahre 179ä.
Reinard von Schönau, der erste Herr von Schönforst.
Von H. J, (iroas. (Schhiss.)
tl. Engelbert von Schönforst legte 1376 seine Wüiile als Propst von
St. Servatiiis nieder. Als Herr von Hartelstein und Arken heiriitliete er
1381 Agnes von Palivnt, Scliwester des Carueüs, Herrn zn Rreidenbend.
Wegen einer Scliiild von 5000 (iolddcnaren imisste er 1385 einigen Löwener
Bürgern erklären, dass alle seine Güter deren Eigenthum und er selbst
nur ihr gemietlieter Diener znr treuen Verwaltung derselben sei'! Den
Hof Batenberg, der zu Hartelstein* gehörte, löste Engelberts Schwester,
EHsalieth von Wedergraet, mit 900 Gulden von ihrem Ncftcn Reinard von
Berg, wieder ein^; die Herrschaft Arken, welche ein brabantisches Lehen
war, entzog tlie Herzogin Johanna dem Engelbert wegen Felonie und gab
sie dem Wilhelm von Sayn, den Gemahl seiner Nichte Katllarina^ Engelbert
starb kinderlos.
e, Alide von Schonforst heirathete im September 1363 zn Aachen
Onrad von der Dyck, Nach dessen Tod ging sie eine zweite Ehe mit
Arnold von Waclitendonk ein*.
') Frtinqninet, anncxe Xll, H. 06.
•) Vgl. (iWii 8. 41.
■) Fraoquinet. anncxe XV, S. 91.
*) Das. snnesc XVI, 3. 92.
') dft Chestrol S. 84. Sic bcjiog 1.^73 c
ne Jabrreute von 200 H.irk: von
Stadt Linz; die Uvutv rllhrte von ihrer Muhm.,
vüu Wiulerbur^' her. Auualen
Heft 59, S. 231.
— 74 —
f. Philippine von Schönforst, Gemahlin Heinrichs VII. Graf von Viel-
Salm (1365) starb 1399.
g. Mechtilde von Schönforst vermählte sich vor 1373 mit Peter von
Dollendorf, Herrn von Cronenburg in der Eifel und Neuerburg. Sie starb
um 1389.
h. Elisabeth von Schönforst lebte um 1376 in erster Ehe mit Otto
von Trazegnies, Herrn von Wedergraet oder Contrecoeur, nach 1387 in
zweiter Ehe mit Johann von Diest. Sie starb nach 1393.
Der Eeliquien-Behälter des hl. Anastasius im Aachener Dom.
Von B. M. Lersch.
(Mit einer Tafol.)
Ehe das Heilige Land unter die Botmässigkeit der Sarazenen kam,
wurde es von den Persern zu wiederholten Malen verwüstet. Im Juli des
Jahres 614 zündeten sie die Grabeskirche des Herrn, die Konstautinisclie
Basilika an, raubten unzählige heilige Gefässe und schleppten auch das
heilige Kreuz mit sich, nachdem sie alle sonstigen christlichen Denkmale
zerstört hatten. Die Zahl der Kleriker, Mönche und Nonnen, welche von
ihnen damals getödtet wurden, ist fast unglaublich. Von den ermordeten
14 Tausend Anachoreten sind noch viele Hundert Schädel im Wüstenkloster
Mar Saba aufgeschichtet, unter ihnen drei, denen vorzugsweise Verehrung
gezollt wird. Auch die Heiligen-Kammer unseres Aachener Domes bewahrt
in einem Schnmckgefösse den Schädel eines berühmten Martyi-ers, der auf
Befehl desselben Tyrannen den Tod erlitt, wie jene. Es ist dies das Haupt
des hl. Anastasius.
üeber das Leben dieses Heiligen haben wir zuverlässige Nachrichten ^
Als Sohn eines persischen Magiers Namens Hau wurde Anastasius, damals
noch Magundat genannt, in den Künsten der Magie unterrichtet. Noch
im Jahre 617 diente er mit seinem Bruder Sain als höherer Offizier beim
persischen Heere und am Hofe Choroes kam ihm die Kunde von der Er-
oberung Jerusalems und der Entführung des hl. Kreuzes. Dadurch auf
das Christentum aufmerksam gemacht, trat er aus dem Heere aus und
ging nach Hierapolis, wo er zu einem persischen christlichen Silberschnnede
in die Lehre kam und die ersten Keime der christlichen Lehre in sich
aufnahm. Besonders waren es die Gemälde, welche Märtyrer vorstellten,
die sein Geraüth anregten. Entschlossen, Christ zu werden, ging er dann
*) Am ausführlichsten und mit vielen gelehrten Bemerkungen versehen ist das Lehen
des hl. Anastasius beschrieben in den Acta Sanctorum Bollaudi edit. Carnandet, Brux.,
vol. ni, 1863, 35—54, wobei die Verfasser Gladbacher und Trierer Manuskripte der akon
Akten benutzten. Jüngst erschien: Herrn. Uscner, Acta martyris Anastasii Persae, graece
primum edidit, 1894, Bonnae, F. Cohen, als Programm, nach zwei jetzt in Berlin befind-
lichen Manuskiipteu, hinsichtlich der Wundergeschichten etwas vollständiger als die Ueber-
setzungen bei Bollandus, nicht ohne einen hämischen Seitenhieb gegen die Dunkelmänner
der Jetztzeit.
— 75 —
nach Jerusalem; hier führte ihn sein neuer christlicher Meister, ein Münz-
präger, zu einem Geistlichen der Anastasis-Kirche, Elias genannt, welcher
ihn aber zur fernem Unterweisung an Modestus verwies. Modestus ver-
trat damals Patriarchenstelle. Von diesem getauft, kam er im Jahre 620
zum Kloster des Abtes Justinus oder Anastasius, in der Nähe Jerusalems,
wo er 7 Jahre dem Gebete und der klösterlichen Arbeit oblag. In der
Ueberfülle seiner Frömmigkeit entschloss er sich, als Glaubensbote und
Eiferer gegen das Treiben der Magier unter die Heiden zu gehen, in der
sichern Aussicht, die sehnlichst gewünschte Martyrerkrone zu erreichen;
aber auf der Reise wurde er von den Persern ergriffen und blieb dann
längere Zeit gefangen. Er musste jetzt, an einen andern Gefangenen mit
einer Kette zusammengeschmiedet, Steine brechen und tragen. Am Feste
der Kreuzerhöhung, dem 14. September, wurde ihm die Begünstigung, eine
christliche Kirche besuchen zu dürfen. Chosroe hätte viel darum gegeben,
dass Anastasius dem Christentume abtrünnig geworden und schrieb in
dieser Angelegenheit wiederholt an den Präfekten, liess dem Heiligen Geld
und Ehrenstellen versprechen, wenn er wieder die Landesreligion annehmen
wolle. Als dies nichts half, sandte er einen eigenen Richter, um ihm das
Todesurtheil zu spiechen. Anastasius wurde dann mit 70 andern Christen
erdrosselt. Nach dem griechischen Menologium beim 15. Januar wurde dem
Heiligen vor der Enthauptung ein Strick um den Hals gelegt und dieser
zugezogen bis zur Erstickung. Das abgeschlagene Haupt wurde an Chosroö
geschickt ^
Anastasius wurde am 22. Januar 628 enthauptete
Zwei der Mordscene Entronnene brachten die Kunde seines Todes
nach Jerusalem. In ganz Palästina erregte diese Nachricht Trauer und
Entsetzen, da er ungemein beliebt war. Hatten die Christen ihn schon auf
der Reise zahlreich begleitet, und als er noch im Kerker gehalten wurde,
seine Ketten geküsst und einen Wachsabdruck davon angefertigt, um ihn als
Andenken an den Bekenner aufzubewahren, so musste sein Tod die Ver-
ehrung, die sie für ihn hegten, noch steigern und den Wunsch erwecken,
die Ueberbleibsel des Heiligen zu besitzen. Besonders strebten auch seine
Klosterbrüder, wovon zwei ihm nach Persien nachgefolgt waren, nach
diesen für sie so theueren Reliquien. Das Mönchskleid, welches der Heilige
so schätzte, dass er davon sagte: „Dies Kleid ist mein Ruhm**, mochte
leicht zu erlangen sein; ein Mönch brachte es nach Cäsarea. Den Körper
*) Es scheint in damaligen Zeiten bei den Persern gebräuchlich gewesen zu sein,
den Kopf eines vornehmen Getodteten dem Könige als Trophäe zuzusenden; z. B. lesen
wir, dass Chosroe der Jüngere sich (Iber die Ankunft des Kopfes des Zadespra freute
(Evagr. VI, 20), gleichwie ein anderes Mal die vom Perserkönige Eingekerkerten, die sich
empört hatten, den Kopf des Merusa nach Konstantinopel schickten (Holland. 23. Jan.
p. 508). Wahrscheinlich wurde in derartigen Fällen der Kopf mit Salz conservirt. (Vergl.
Coustantini Or. c. 24.)
^) An diesem Monatstage wird sowohl von den lateinischen als den griechischen
Menologien sein Andenken gefeiert (Paghi). Hermannus contractus setzt mit Unrecht den
Tod des Heiligen, den er Persa nobilis nennt, auf 613, Ado Vienn. auf 604, Marian.
Scotus auf 617, Sigebert auf 620.
— 76 —
aber wollten die Kerkerwärter nicht folgen lassen, obwohl der Kerker-
meister, selbst Christ, keine Schwierigkeit machte. Aber die Söline eines
am Orte ansässigen Christen, die dem Heiligen schon in der Gefangen-
schaft Dienste geleistet, erkauften den Leichnam mit schwerem Gelde, um
ihn in ein benachbartes Kloster zu bringen, von wo er dann später (man
weiss nicht wann) nach Konstantinopel, hernach aufGeheiss des Heraklius
aber nach Rom gebracht wurde. Da nur Anastasius von jenen Siebenzig
enthauptet worden, war es leicht, seinen Leichnam zu erkennen. Hatte
man schon in der Gefangenschaft Anastasius mit zwei andern Gefangenen
durch ein angehängtes Täfelchen kenntlich gemacht, so versäumte auch
sein letzter Richter es nicht, auf den Kopf, den er Chosroe zusandte, ein
Siegel zu setzen.
Als wenige Wochen nachher Chosroe ermordet wurde, suchte sein
Nachfolger mit Heraklius Frieden zu schliessen. Der schon gegen Pfingsten
desselben Jahres abgeschlossene Frieden, wobei das von den Persern sorg-
faltig aufbewahrte Kreuz Christi zurückgegeben wurde, bot wohl die
Gelegenheit, sich auch das Haupt des vor wenigen Monaten getödteten
Märtyrers zu erbittend Ehe am 14. September das Kreuz im Triumph-
zuge zurückgeführt wurde, mag jenes schon in den Händen der Christen
gewesen sein. Dass diese den Kopf eines Heiligen verehrungsvoll auf-
bewahrten, sehen wir aus dem Berichte des Evagrius, in dem er das Aus-
sehen des Kopfes des hl. Simon Stylites beschreibt. Fehlen uns freilich
genaue Nachrichten über die Uebergabe des Kopfes, so verknüpft doch
ein Name, der auf dem Reliquien-Behälter steht, worin das Haupt ruht,
jene Uebergabe mit dem Friedensschlüsse, wie wir später sehen werden.
Diejenigen, welche die Reliquien des Heiligen zurückführten, scheinen damit
lange von Ort zu Ort gezogen zu sein; überall verehrte man diese ehr-
würdigen Ueberbleibsel, besonders aber zollten die Einwohner von Cäsarea
dem Märtyrer, der bei ihnen bleiben sollte, grosse Verehrung und zogen ihm
prozessionsweise entgegen unter dem Klange der angeschlagenen Hölzer
(sacra ligna percutientes), die damals, wie jetzt noch im Oriente, die Stelle
unserer Glocken vertraten ^ Sie erbauten dafür ein Oratorium in Mitte der
Stadt, wo sie auch das Bild des Heiligen hinbrachten. Der Ort, wo diese
Kapelle stand, aber auch der Bau selbst, hiess Vierthor (Tetrapylon),
sodass die Annahme nahe liegt, der Platz habe seinen Namen vom Gebäude
*) Vielleicht kam bei dieser Golegcnheit aucb die im Schatze zu St. Denis aufbewahrte
Sassaniden-Schüssel Chosroea I. (531 — 570) in den Besitz von Heraklius, von da später
nach Rom und dann in Karls Hände.
■) In Mingrelien, Georgien, sowie im ganzen Oriente bedient man sich noch des
Tones des heiligen Brettes an Stelle der Glocken. Ora beschreibt es als ein dünnes Brett,
etwa eine Hand breit, fünf Hand lang. Selbst wo es Glocken gibt, schlägt man vor dem
Läuten mit dem Brette an und soll das Anschlagen des Holzes an das Kreuzesholz
erinnern (Reise n. Pers. 1780). Die Griechen in der Türkei benutzen ein etwa vier
Finger breites, zwei Finger dickes, etliche Schuh langes hölzernes zierlich gehauenes
Instrument, das einen nicht unangenehmen Ton beim Anschlagen gibt, statt der Glocken.
(Haug, Alterth. d. Christ. 209.) In armen Gegenden Russlands schlägt man noch mit
hölzernen Hämmern auf ein hangendes Brett, um die Leute zur Kirche zu rufen.
— 77 —
erhalten ^ Damals war hier neben dem Bilde auch der Kopf des Heiligen
ausgestellt -.
Wie lange diese Reliquien in Cäsarea blieben, wissen wir nicht genau;
wahrscheinlich nur einige Jahre. Vermuthlich hat das siegreiche Vordringen
der Sarazenen im Jahre 686 die nächste Veranlassung gegeben, die Kirchen-
schätze vor der Wuth der Araber zu sichern. Ein Theil der geschlagenen
Eöraer nahm ja eben über Cäsarea ihren Rückzug; gewiss schloss sich
ihnen eine grosse Zahl Christen aus den preisgegebenen Orten an. Mög-
lich, dass sie die meisten Kirchenschätze nach Konstantinopel flüchteten.
Denselben Weg dürften die Ueberbleibsel unseres Heiligen genommen haben.
Von der Aufbewahrung dieser Reliquien in Konstantinopel finden sich
einige Nachrichten in den Exuviae sacrae Coristant. II, Gen. 1878, p. 226:
In ecclesia s. Lucae servatur truncus s. Anastasii, nam Caput furto ab-
latum est; ferner p. 262: post 6. annum Heraclius cum victor Constan-
tinopolin rediens detulit secum corpus Anastasii Perse (!) . . . sub Henrico
Dandalo duce delatum est Venetiis . . . Auch p. 261 wird erwähnt, dass
nach der Einnahme Konstantinopels durch die Venetianer der Körper nach
Venedig gebracht worden sei.
Die bald darauf entbrannten religiösen Streitigkeiten in der Haupt-
stadt des oströmischeu Reiches über die Natur des Gottmenschen werden
den Anlass gegeben haben, jene nach Italien zu flüchten. Man weiss näm-
lich, dass griechische, von den Schismatikern aus dem Oriente vertriebene
Mönche, kurz nach dem Einfalle der Araber in eben demjenigen Kloster
eine neue Heiraath gründeten, wo nachweislich im Jahre 713 sich der Kopf
des Heiligen und sein Bihl befanden^, und dessen Marienkirche wohl von
jeuer Zeit an den hl. Anastasius als Nebenpatron hatte, in der spätem
Basilika des hl. Anastasius ad aquas Salvias, einer Annexkirche von
St. Paul*. Es dürfte diese Uebertragung der Ueberlieferung entsprechend
') „Constructo venerabili Tetrapylo, uoinine sancti raartyris et jain perfecto, cum
translatio fieret reliqiiiarum'* n.igt die Leejondo.
"*) ^Serraoues, quos locuta ent adveröus caput siium; . . . adfert imaginem et ad caput
ejus ooHocat."
") „L'oa (cclfbia .sanctat; Dei j^enitricis Mariae, ubi sancti Anastasii reliquiae cum
imagine ejus asservabatur, dens uuus scti. Anastasii . . . xVbbas scti. martyris caput et
imaginem super alt^iro protVrt.'* L(»tztores goscliah bei einem Exoreismus. Das römische
Martyrologium (22. Januar) sagt: „Romae ad Aquas Salvias . . . ejus caput liomam delatum
est." Dasselbe bei Heda. Baronius bemerkt zum 22. Januar: „S. Anastasii Persae . . .
Metaphrastes ejus ac sociorum acta descripsit; habet ea Lipoma t. V et 8ur. t. I. Habe-
mus in nostra bibliotheca ejusdem res gestas a (Iregorio quodam clerico e Oraecis Latiuc
redditiis . . . Habetur illic insupc^r elegaus historia de arreptia jjuella virtute martyris
liberata Komae in ecclesia s. Mariae ad Aquas Salvias; eo nomine olim ea ecclesia dice-
batur, quac postea ab illata illuc sanctornm piguora Viucentii et Anastasii illorum
nomine dicta est.**
*) ^Tunc tomporis plurimi tum ex Oriente tum ex Africa Monachi a Monothelitis
vexatione in urbem conii'nigraverunt sibique assignatam a poutitice occupabant ecclesiam.
Ab eo tempore :i nioiiacbis (iraccis incoli coepit basilica scti. Anastasii ad Aquas Salvias,
quem locum (he^^'orius Magnus basilicae sancti PauH attribuerat.** Mabillon, Ann. I.
Nach einem Hrieir ili s hl. ilernard (Litt. 11, 7) war zu Rom seit alter Zeit eine Kirche,
deren Patron der hl. Anastasius war.
— 78 —
noch zu Lebzeiten von Heraklius (t 641) geschehen sein^ Nach Pancirol
wurde nämlich auf Befehl des Kaisers der Rumpf und das Haupt zu
diesem Kloster gebracht. Zur Zeit des Konzils von Nicäa (787) waren
Kopf und Bild noch in der Kirche ad aquas Salvias. Dies lesen wir in
den Akten jenes Konzils. Als dort nämlich die Verehrung der Heiligen-
bilder zur Sprache kam und zur Bestätigung derselben der Legat des
Papstes Hadrian einen Theil der Wundergeschichten, wie er noch wörtlich
in der alten Lebensbeschreibung unseres Heiligen steht, vorlas, geschah
auch Erwähnung des Ortes, wo jene aufbewahrt wurden. Die grosse Ver-
ehrung, worin der Heilige stand, erklärt es, dass nach und nach mehrere
Anastasius-Kirchen in Rom entstanden. In Ravenna war ehemals auch
eine Kirche des hl. Anastasius. (Ughelli Ital. sacra II, 354, 859.)
Eine griechische Lebensbeschreibung machte den Glaubenszeugen
im Oriente bekannt und berühmt; vielleicht gab es davon lateinische Ueber-
setzungen, ehe Beda eine solche für den Occident besorgte. Häufig mögen
Reliquien des Heiligen begehrt und gegeben worden sein. Ein Herzog von
Sachsen erhielt vom Papste Sergius Reliquien der Aebte Anastasius und
Innocenz. (Mabill. III, 873.) Bereits im Anfange des 9. Jahrhunderts finden
wir unter andern auch Reliquien des hl. Anastasius als zu Aachen vor-
handen in der Angilbert'schen Urkunde kurz erwähnt; vermuthlich war
dies schon das erwähnte Haupt.
Die Uebertragung des Kopfes des Heiligen von Rom nach Aachen
dürfte unter Karl dem Grossen geschehen sein. Dieser als unermüdlicher
Sammler der Reliciuien der Heiligen^ bekannte fromme Kaiser hatte zur
Erlangung dieses Kopfes im Jahre 801 die beste Gelegenheit. Wie ich
nämlich fand, besteht eine Legende oder vielmehr ein Schriftstück, wonach
Papst Leo und Karl (eben Diejenigen, welche der Tradition nach eine
Anastasius-Kirche erbaut haben sollen) in der Belagerung von Ansidonia,
einem Hafenorte im Toskanischen. Hülfe durch die Fürbitte des Heiligen
erfuhren. Nachdem sie das Haupt des Heiligen hatten herbeiholen lassen,
soll ein Erdbeben gekommen sein, welches die Mauern der Stadt nieder-
warf und die Belagerten in ihre Hände gab. Sei es mit diesem wunder-
baren p]rdbeben, wie es wolle, Thatsache ist, dass die genommene Stadt
Eigentum des Klosters wurde, welches der Hüter dieser Reliquien war^.
*) Marianus Scotus, der aber auch den Tod des Heiligen 11 Jahre zu früh an-
gibt, setzt die Uobertraguiig schon auf 626, dem 15. Jahre des Kaisers Heraklius. In
einer Chronik (Sigeberts?) wird die Uebertragunc: der Gebeine des Heiligen schon aufs
Jahr 620 gesetzt: „S. Anastasii martyris ossa miraculis praefulgcntia Roraam delata sedera
ad aquas Salvias tenueruut," Chronologisch genauer mag die weitere Bemerkung des
Chronisten sein: „638 Johannes pontifex . . . reliquias sanctoriim martyrum Anastasii,
Venantii et Mauri, ne a barbaris incumbentibus dissiparentur, e Dalmatia llomam traduxit,
atque ad fontem Lateranensem aede condita collocavit."
2) Weil dios in Deutschland wenig bekannt ist, erinnere ich hier in einer kleinen
Abschweifung von unserm Gegenstande an den von Karl dem Orosscn dem Kloster von
Argenteuil geschenkten „Heiligen Rock" (la sainto Tunique nach Guerin), den er durch
die Kaiserin Irene erhalten hatte. (Mislin, Heil. Orte II, 286.)
^) „Ad illud tempus quo res Italiae Carolus Augustus ordinabat, Cointius rofert
victoriam, quam Leo et Carolus ad Ansidoniam urbem Tusciae de suis hostibus insigni
— 79 —
Diese Legende war ehemals in der Abtei der hh. Vincentius und
Anastasius ad aquas Salvias (jetzt alle Tre Fontane) auch bildlich dar-
gestellt. Die betreffenden jetzt verschwundenen Gemälde, welche wohl dem
IL, wenn nicht einem frühern Jahrhunderte angehörten, waren im Portikus
der Kirche; wir haben davon Zeichnungen aus dem Jahre 1630, welche
Seroux d'Agincourt in seine Sammlung von Denkmälern (Malerei, Taf. 97
u. 98) aufgenommen hat. Die im Gewölbe des Hauptthors befindlichen
Bilder* in Halbkreisforra werden uns durch den obigen Bericht über die
Belagerung Ansidonias verständlich. Auf einem dieser Bilder sieht man
ein bemanntes Schifft und viele Zelte bei der belagerten Stadt. Karl mit
Krone und Sonnenschirm sitzt zur Rechten des Papstes, zu welchem, unter
Vortragung des Kreuzes, der Klerus hinkommt. Der Heilige steht bei
einem Schlafenden, dem ein Engel zuflüstert, man möge das Haupt des
hl. Anastasius von Rom kommen lassen. Der hier dem Kaiser eingegebene
Rath wird an der andern Seite vom Engel dem Papste im Schlafe vor-
gehalten. Die zugesetzten Worte sind in dieser Hinsicht deutlich genug;
sie lauten : Karolus imperator. Exercitus eins. Ansidonia. Populus Romanus.
Leo Pr (Pater?) IIL (R())mam cu(m) sur(re)xeris mitte. Porta. Roma ad aquam
Salviam. Das zweite Rundgemälde zeigt eine Anzahl burgähnlicher benannter
Gebäude (Umgebungen oder Besitztümer des Klosters? von Karl dem
Kloster geschenkte Güter?); in der obern Abtheilung, worunter noch: rol
imperator zu erkennen ist, die Figur Karls, vor ihm ein Engel mit dem
auf einem Tuche ruhenden Kopfe des Heiligen; in der mittlem Abtheilung
ausser Thorbogen, die den theils eingestürzten Ort vorstellen, und den
Papst, der den Kopf des Heiligen trägt (es ist der Einzug der Sieger in
die von der Landseite und von der See aus angegriffene Stadt); an der
andern Seite ist die Uebergabe eines Diploms durch den Papst dargestellt.
Die Unterschriften unter den Zeichnungen sind: Karolus imperator. acclia
(ccclesia) s. Anaiistasii. abas. monachi conversi (d. i. Mönche). In der
mittlem Abtheihing rechts ist die Uebergabe der Insel Giglio (Gilgo) und
in der untern Abtheilung links die von Argentario und Orbello angedeutet,
alle durch Wellenlinien als an der See gelegene Orte bezeichnet und jeden-
falls vorher dem nahen Ansidonia gehörend. Die andern in der untern
Abtheilung rechts gezeichneten Orte heissen: Altricoste, Asianus (Asciano
miraculo reportanmt, et ex conim patet diplomate nee non ex alio quod in ejusdem postca
conünnationem Alexander Papa IV emiisit, quod utramquo recitat Ughellus in Ostion-
siiini episcopornni catalogo in epist. XI. Leo III et CaroluH Imp. in suo Diplomate sie
loquuntur: Dominus nostcr .1. Chr. per angelum suum in visione nobis videri fccit, ut caput
praedicti martyris [Anastasii sc.] ad ejus pngnam, quam nos ad pracfatam civitatem
[Ansidoniam] habebamus, cum Dei laudibus advcniret; nostris vero inimicis dicebat, ut
vincebamus. et nos ita talia fecimus; et nunc auxiliante Deo et isto praefato martyrc,
advcniente ejus capite [quod ex Monasterio propc Ilomam ad Aquas Salvias sito delatum
est] terrae motus vonit super nostris inimicis et tcrror apprebendit eos et parietes irru-
emnt; inimici vero uostri in nostris manibns devencrunt" etc. Aus Pagbi Crltica in
Aunales Baronii a. 801.
') Sie sind iii »l r beiüigenden L i cb td ruck taf el reproducirt.
*) Ansitlonia liegt au einem kleinen Meerbusen mit drei Inseln.
— 80 —
südöstlich von Siena), Aquila (nordöstlich von Rom?), Acapite, Serpena,
Monsacutus (Montalto?).
Von den andern Darstellungen, welche die Martern des hl. Vincentius
und des hl. Anastasius vor Augen führen, ohne dass sich bei jeder fest-
stellen Hesse, auf welchen von Beiden sich das Bild beziehe, übergehen
wir zwei, auf unsern Heiligen wohl mit Unrecht bezogen, da sie nicht
der Legende entsprechen K Zutreffender könnte ein drittes Bild erscheinen,
wo von zwei Jünglingen ein Heiligen-Leib, dessen Seele in Kindesgestalt
ein Engel aufwärts hebt, zu einem kapellenartigen, scheinbar sechseckigen
Gebäude gebracht wird, dessen Dach einige Aehnlichkeit mit der Kuppel
des Behälters zeigt, worin zu Aachen das Haupt des Heiligen liegt. Ein
anderes Gemälde'^ stellt Leo mit einigen Kardinälen dar, daneben Karl
mit den traditionellen edlen Gesichtszügen des Kaisers.
Das bedeutsamste Bild für uns ist aber die Uebergabe des Hauptes
des Heiligen durch den Abt und die Brüder des Klosters, mit den nicht
zu verkennenden traurigen Gesichtszügen als Verlierende kenntlich, an die
auf einem mit Kriegern besetzten Schiffe Befindlichen, von denen einer
die Hände zum Annehmen ausstreckt. Das Haupt wird ohne Behälter auf
einem Tuche ruhend getragen. Natürlich hatte es einen solchen, aber es
lag dem Maler nahe, diesen der Deutlichkeit wegen fortzulassen.
Damals besass dasselbe Kloster noch den Leib des Heiligen. Er soll
erst gegen 841, nachdem er 200 Jahre dort geruht, zur Salvatorskirche
ad scalas sanctas gekommen sein. Durfte der Papst den Brüdern zumuthen,
dass sie den Kopf, dessen Wunderkraft eben erprobt worden, dem Kaiser
für seinen neuen Dom schenkten?
Ohne Zweifel hat Karl dem Kloster dafür bedeutende Gegengeschenke
gemacht. Er hielt zu Aachen eine eigene Versammlung ab, bei welchei'
er dem Kloster des hl. Paulus vor dem Ostiensischen Thore Kinns, dessen
Bau und Ausstattung auf der Tagesordnung stand, und speziell der Kirche
S. Vincenzo ed Anastasio bedeutende Besitzungen in den toskanischen
Mareyinen anwies. (Annal. S. Amandi IL Pertz, Monum. I, 14; Reumont,
Gesch. der Stadt Rom II, 267.) Nachweislich war Ansidonia ein Bcsitz-
thum des Klosters, worüber Paghi weitere Auskunft gibt: „Alexander IV
(1254 — 1261) in suis ad abbatem fratresque monasterii S. Anastasii literis
confirmat ecclesiae eorum civitatem Ansidoniae cum omnibus ecclesiis et
pertinentiis suis, olim ab infidelibus et iniquis honünibus possessis, sed
praeterea a memorato (7arolo Imperatorc una cum pracfato Leone Praede-
cessore nostri meritis et auxiliis B. Anastasii martyris eiusdemque capitis
ostensione devictam et destructam, propter quam victoriam ecclesiae supra-
dicti martyris praefatas possessiones donavit.*'
Im Jahre 1138 gründete lunocenz an der Kirche S. Anastasii ad
*) Auf einem derselben ist die Ertränkunjy eines Heilij^on dargestellt, was wohl auf
einem Missverständiiiss der Akten beruht, in welchen von Erwürj^unpj Kede ist; doch
erinnert der am Fasse hangende Stein an die mehrstündige Marter, welche Anastasius
erlitt, als man ihn an der Hand aufhing und den Fuss mit einem schweren Stein beschwerte.
*) Auf unserer Tafel links reproducirt.
— 81 —
aquas Salvias ein Kloster, dotirte es reichlich und setzte dahin einen
Pisaner als Vorstand einiger von Claravallis erhaltenen Mönche. Die grösste
unter den drei Kirchen, die heute noch im Hofe der Abtei delle Tre
Fontane stehen, ist die Kirche S. Vincenzo ed Anastasio, sie ist von
Honorius I. im Stile einer Pfeiler-Basilika erbaut worden.
Die Anwesenlieit des Schädels des hl. Anastasius in Aachen in der
zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts ist konstatirt. Man weiss nämlich,
dass Heinrich IV. von da denselben im Jahre 1072 zur Harzburg ent-
führte. Bei der Zerstörung, welche diese Feste im nächsten Jahre erlitt,
wurde er aber vom Abte eines benachbarten Klosters gerettet und ver-
muthlich alsbald wieder dem rechtmässigen Eigentümer zurückgegeben.
Im Jahre 1192 war er wenigstens wieder in Aachen, wie nachgewiesen
werden kann. Jetzt bezeichnet ihn eine beiliegende mittelalterliche Inschrift
als Haupt des hl. Anastasius.
Nach einer von Prof. Schaaffhausen im Jahre 1874 angestellten
Untersuchung hat der Schädel folgende Verhältnisse. Länge 187, Breite
141 Millimeter; Breitenindex also 70,5. Entfernung .der Stimhöcker 65.
Stirnbreite am Ende des Wangenbeinfortsatzes 105, am tiefsten Ausschnitte
der linea temporalis gemessen 98 (95?). Stirnbein lang 121, Scheitelbein 119,
Hinterhauptschuppe mit dem Zwickelbein 72. Scheitelhöckerbreite 115. Den
kommunizirenden Stirnhöhlen entspricht eine gleichlaufende Erhebung der
Augenbrauenbogen, die aber nur massig entwickelt sind. Die Knochen der
Schädeldecke sind massig dick. Alle Nähte sind offen, innen geschlossen.
Die Nähte haben eine mittlere Länge der Zacken. Hinterhauptschuppe ein
wenig abgesetzt. Die linea nuchae bildet eine Querleiste. „Der Schädel
hat eine besonders schöne Stirnbildung und alle seine Merkmale deuten
auf einen intelligenten Menschen kaukasischer Rasse ^*'
Es ist kaum zu bezweifeln, dass wir noch das wahre Haupt des
persischen Märtyrers besitzen. Der dunkle, rauhe, filzartige Stoff, womit
der Kopf umhüllt ist, scheint in der Form mit der Kutte, die wir auf
dem Bilde sehen, übereinzustimmen. Der hl. Maxinlus erwähnt die dunkel-
farbigen Kleider (atras et subfuscas vestes) der damaligen Mönche. Auf-
fallend könnte der beiliegende 44 Centimeter breite üeberrest von feinstem
Byssusgewebe sein, welcher mit Goldstreifen und verschiedenen Farben
gemustert ist. Die Kostbarkeit des Stoffes lässt vermuthen, dass ein reicher
Orientale damit das verehrte Haupt umgab, gleichwie der Senator Astyrius
den Leib eines andern Martyi'ers in ein magnificum et sumptuosum linteum
hüllte. (Euseb. VII, 14.) An den Goldfäden nehme man keinen Anstoss.
Ovid und Claudian sprechen schon von eingewebten Goldfäden. Vgl. auch
Kreutzer: Paulus des Silentiariers Beschreibung der Hagia Sophia, 1874,
65. Uebrigens ist schon in den Akten bemerkt, dass man den Leib, ehe
') Wenn im Kloster ad aquas Salvias angeblich das Haupt des hl. Anastasius noch
vorhanden sein soll, worüber ich trotz mehrfacher Bemühungen keine Auskunft erhalten
konnte, so wird diese Nachricht sich nur auf den hier fehlenden untern Theil des Schädels
beziehen. Da es aber mehrere HeilijL^e dieses Namens gibt, kann die Nachricht auch auf
einer falschen Deutung des in Kum vorhandenen ^Köpfchens" beruhen.
er im Kloster des hl, SergiHs beigesetzt wurde, mit kostbarer Leinwand
umhüllte.
Schon bei der Uebertragung der Reliquien des hl. Anastasius nach
Jerasalem war ein Bild desselben vorhanden, das bei der Ueberbringung der
Reliquien aus Persien nach Cäsarea und bei der Heilung einer Dämonisclien in
Askalon erwähnt wird. (Usener, üSb 1, p. 27b 16.) Sehr früh ist ein solches
ins Kloster ad aquas Salvias zu Rom gekommen. Auf dem zweiten Nicae-
nischen Konzil (787) gegen die Ikonoklasten wird dieses mit dem Schädel
des Heiligen zur damaligen Zeit dort aufbewahrte wunderthätige, bei
Exorcismen zu Hülfe genommene Bild als Beweis für die Rechtmässigkeit
und den Nutzen der Bilderverehrung erwähnt. Es gibt wohl 4 verschiedene
kleine Kupferstiche, welche das Haupt des Märtyrers darstellen, deren
Vorbild das römische Gemälde sein
dürfte. Kin solches mir vorliegendes
Blatt mit dem Namen des Würzburger
Stechers Joh. Salver (1695—1724)
trägt die Unterschrift: Vera cffigics
S. Anastasii Mart. Ord. Carmclitarum,
cujus aspectu fugari dacminies nior-
bosque curari Acta 2.'' Ooncilii Nicaeni
testantur. Die liier erwähnten Kar-
meliter sind nicht die einzigen, die
den hl. Anastasius als ihrem Orden
angeliörig ansehen. Der Kopf ist licht-
umstrahlt, was daran erinnert, dass
nach der Lebensbeschreibung die
Kerkergenüssen deu Heiligen von
einem immensen Lichte umSosscn
sahen. Die am Kopfe gezeichnete
Wunde, wovon in den Akten sich
keine Andeutung findet, ist wohl als
irrtümüclie Auflassung des Siegels
zn nehmen, welches dem Kopfe, ehe man ihn an Chnsroe sandte, aufge-
drückt wurde.
Dies Martyrerhaupt liegt wenigstens seit Jahrhunderten, wahrscheinlich,
so lange es in Aachen ist, in einem silbernen, vergoldeten kunstreichen
Behälter, dessen ganze Hohe (ohne die untergesetzten Füsschen) 27,2 Centi-
meter beträgt, und welcher sich in einen mit Holz innen ausgekleideten
kubischen Untersatz und eine von vierzehn nicdern Säulchen getragene
Kuppel eintheilt. Der untere Theil ist jedoch nicht ganz so breit (20 Centi-
meter), als er hoch ist (21,2), was weniger in der verschiedenen Breite der
Bandverzierungen, als in der Ungleichheit der Seiten (15,1 : 16,8) der ein-
gefügten Innern Wandplatten liegt. Der grösstc Raum dieser vier Recht-
ecke wird auf drei Seiten von leicht zu öffnenden Doppelthüren und einer
breiten verzierten Einfassung derselben eingenommen. Jede fast 8 Centi-
meter breite Duppcltliüre trägt auf jedem ihrer Flügel zuerst zwei erhabene
— 83 —
Kreuze in der Form ih^s Andreaskreuzes (auf drei Tliüren also zwölf Kreuze),
dann noch ein grosses in Doppellinieu eingegrabenes Kreuz von merk-
würdiger Kolben-FoiTO seiner vier Aeste (sechs solche Kreuze auf den drei
Thüren). Eine Seite des Kubus hat statt der Thüre einen auf fast halb-
kreisförmiger Unterlage erkerartig vorspringenden Anbau (Breite 10 Cen-
timeter, Radius 5Va Centimeter, Höhe 18 Centimeter), der einem Kapellchen
ähnlich ist. Der Untertheil, dessen Boden etwas höher liegt, als der des
Kubus, ist seitlich vorzugsweise durch drei nebeneinander stehende Bogen
hergestellt. Die zwischen den Bogen liegenden jetzt spitzbogig aus-
geschnittenen Fensterchen sollen der Tradition nach ursprünglich nicht
vorhanden gewesen sein, sondern die Stelle von Silberplättchen, die mit
einem Patriarchalkreuz verziert waren, einnehmen. Dem etwa 10,5 Centi-
meter hohen Unterbau des KapellcJiens ist eine in sechs Felder abgetheilte
Halbkuppel aufgesetzt. Auf dem Kubus ruht ein etwa 13,5 Centimeter
breiter, 15 Centimeter etwa hoher Rundbau, getragen von vierzehn Rund-
bogen. Die Decke dieses Rundbaus sowie der Halbkuppel und die Um-
randung der Thüren sind mit schwarz eingelegten Arabesken in Niello
verziert.
Auf jeder der vier Seiten der Kuppel steht eine Inschrift in griechischen
Kapital -Buchstilben. Drei dieser Inschriften sind Stellen aus den
Psalmen 86 und 131, während die vierte die Herstellung und Widmung des
Kunstwerkes betritft. Diese heisst in Uebersetzung: „Herr hilf Deinem
Diener Eustathius, Prokonsul, Patrizier und Statthalter (Strategen, Ober-
befehlshaber) von Antiochien und Likaidus.** Lassen wir die Frage un-
erörtert, wo dieser Ort Likaidos (Lykandus?) lag. Vielleicht ist gar Likai
dou (le), d. i. Lyke, Deine Dienerin, gemeint; nach anderer Meinung ist
Lykaidos der Name des Künstlers. Wer ist aber Eustathius P Archivar
Käntzeler (1853) erkannte darin Jenen wieder, den Heraklius an den
Gesandten von Persien schickte, um den Frieden zu schliessen. Im kaiser-
lichen Schreiben, das uns aufbewahrt ist, heisst dieser Eustathius der hoch-
ansehnliche Tabularius; man hat dies mit Finanzminister oder Finanzrath
übersetzt; vielleicht wäre Hof-Archivar richtiger. Es könnte aber derselbe
sein, den Theophanes ad a. 620 einen Neapolitaner nennt, wobei Neapolis
in Palästina (Sichern) gemeint ist, und in dessen Haus zu Tiberias der
König einen Juden taufte. Möglichenfalls ist einer dieser beiden, wenn
sie verschiedene Personen waren, Prokonsul und Statthalter gewesen und
hat das Geld zu diesem Reliquiarium gegeben. In jedem Fall müsste dies
dann vor dem Jahre 635 geschehen sein, ehe die griechische Statthalter-
schaft mit dem Anfange der muhammedanischen Herrschaft erlosch. Ist es
derjenige Eustathius, der den Frieden vermittelte, so liegt es nahe zu glauben,
dass dieser aucli den Kopf des Heiligen aus Persien zurückerhielt und für
denselben diesen kleinen Kunstschrein herstellen liess. Wann und wo soll
es nachher einen Prokonsul von Antiochien gegeben haben, dem man die
Verfertigung dieses Reliquiars verdanken könnte? Sollte es im spätem
Mittelalter nacli Aachen gekommen sein, würden wir (larüber wohl eine
Nachricht haben. Diese fehlt aber gänzlich.
— 84 —
Es bleibt daher wahrscheinlich, dass der Schrein kurz nach dem Tode
des Heiligen im Oriente entstand, etwa unter den Händen eines in Kon-
stantinopel oder in Persien gebildeten Künstlers. Wie verträgt sich aber,
wirft man uns ein, mit dieser frühen Entstehungszeit die Art der Ver-
zierung mit Arabesken? Die Form der fast in gothischer Weise spitz
gewölbten Thüren? Die ganze Bauart des Gefässes?
Die Entstehungszeit der Arabesken liegt viel weiter zurück, als die
Zeit ihres Aufkommens im Occidente. Man sehe nur die Verzierungen des
Schwertes, welches Karl der Grosse aus dem Oriente erhielt. Die an
unserm Reliquiar vorkommende eingegrabene und dann mit anderm Stoff
eingelegte Linienverzierung ist ihrer Form nach selbst antik zu nennen;
eine ihr sehr ähnliche findet sich bereits an einem Kapital des Theseus-
tempels. (Lübke, Kunstgesch. 1873, S. 91.)
In Ritters Erdkunde (Thl. XI, 447) wird eine oktogonale uralte christ-
liche Kapelle aus der Ruinenstadt Ani im Euphratsystem beschrieben, mit
reich dekorirtem Aeussern, deren Fenster unter den Chornischen von tief
eingegrabenen gewundenen und verzweigten Verzierungen umgeben sind.
Daran stösst eine andere Kapelle, deren Wände das schönste Skulptur-
werk in Arabesken zeigen, darin das lateinische Kreuz häufig als Ornament
vorkonunt; das Dach wird von Rundbogen getragen. Hamilton meint, in
diesen Ruinen von Ani sei sehr wahrscheinlich der Ursprung des reichen
sarazenischen und gothischen Stiles am vollständigsten zu studiren, in all
seinen Theilen, in Bogen, Kapitalen, Ornamenten aller Art von der ein-
fachsten bis zur mannigfaltigsten Zusammensetzung.
Die Kunst, Ornamente in Metall einzulegen, scheint der byzantinischen
Technik keineswegs fremd gewesen zu sein.
Gab es denn auch Spitzbogen in jener Zeit? Ja, auch der Spitzbogen
findet sich, wenn auch nicht systematisch angewendet, im Oriente viel
früher als im Abendlande. Das Thor von Masada, wovon Sepp eine Ab-
bildung gibt (Jerus. I, 827), liefert den Beweis, dass bereits vor unserer
Zeitrechnung in Palästina der Spitzbogen einheimisch war. Sepp fand ihn
auch an den Herodesgi-äbern und am Thore von Samos und Thorikos.
Uebrigens handelt es sich hier nicht um einen eigentlichen Spitzbogen,
sondern nur um eine spitzbogenartig auslaufende Thürform, die zudem der
Kuppel entsprechend geformt ist, ohne architektonische Grundlage.
Die vielen Kreuze, welche unser Kunstwerk bedecken, werden für die
Zeit passend erscheinen, in welcher Heraklius das Kreuz als Siegeszeichen
auf die Münzen setzen liess. Die Form derselben kommt, abgesehen von
der Breite, mit der Gestalt jenes Kreuzes überein, welche auf einer
Münze der christlichen Kaiserzeit erscheint, deren eine Seite ein Christus-
haupt, die andere die Abbildung der Anastasis-Kapelle vorstellt, und
weicht nui' durch die knaufformigen Ansätze von der Form ab, wie ein
Ravennatisches Kapital sie zeigt. (Lübke 1. c. p. 240.) J
Die ganze Form des Kunstwerkes hat einen orientalischen Charakter.
Offenbar haben wir hier das Bild einer kleinen Kirche vor uns, sei
es als Nachbildung einer bestehenden Kirche oder einer nur in der Phantasie
,;
;,^
— 85 —
des Künstlers vorhandenen. Es gleicht einem Wohnhause aus Jerusalem
hinsichtlich der quadratischen Unterlage und in etwa auch der Kuppel-
decke, wie wir sie noch jetzt in einem Theile des hl. Landes finden. Aus
der Form des Wohnhauses, worin das Viereck den Wohnraum, die Kuppel
das Himmelsgewölbe bezeichnet, ging die Form der Kirche hervor. Die
kubusförmige Form, die ihr Vorbild im Oratorium des Salomonischen
Tempels hatte, war auch in den ersten Jahrhunderten, als das Christen-
tum in die Oeffentlichkeit trat, keine ungewöhnliche Bauweise fiir kleinere
kirchliche Gebäude oder den Haupttheil grösserer Prachtbauten. Die dem
hl. Anastasius zu Ehren zu Cäsarea erbaute Kapelle ist ja durch das
Wort Tetrapylon bezeichnet und war wohl ein nach vier Seiten durch
Thüren verschliessbarer Betplatz. Das Sanktuarium der schönen Kii'che
in Tyrus war viereckig (locus sanctuarii in speciem quadrati sublimibus
est u^dique circumseptus columnis), während die von Konstantin zu Anti-
ochien errichtete Patriarchalkirche ein sanctuarium forma solii octangularis
enthielt. (Euseb. de laud. Constant.) Das Oktogon ist eine Weiterbildung
der Quadratform. Wir finden es an San Vitale (526 begonnen, 547 geweiht)
zu Ravenna, dem Vorbilde unseres Aachener Doms, welchem wieder die
Rotunde zu Ottmarshausen im Elsass fast genau nachgebildet wurde. Die
Kirchen von Aachen und Ottmarshausen hatten eine viereckige Absis als
Chörchen; bei keiner war diese ganz quadratisch. Die zu Aachen war im
Längendurchmesser ausgedehnter, die von Ottmarshausen ist es mehr in
der Breite. Seroug's Tafel 25 zeigt, dass jene mit zwei seitlichen Hemi-
cyklen (als Sakristeien?) versehen war und an der hintern Wand einen
Durchlass hatte, also auch gewissermassen ein Tetrapylon war.
Das Anschreiben von passenden Inschriften auf christliche Kirchen
dürfte nichts Ungewöhnliches gewesen sein, sodass auch in dieser Hin-
sicht die Parallele bestehen bleiben kann. Eine Kirche in Etshmiadzin
im Euphratsystem von quadratischer Form mit Kuppelbau, ein ehrwürdiges
Denkmal des christlichen Altertums, trägt eine griechische Inschrift, welche
in einem Gebete mit Namensunterschrift besteht.
Es erübrigt uns, die drei noch nicht erwähnten Inschriften unseres
Reliquiars zu besprechen. Vielleicht geben sie eine Andeutung, welche
Kirche darin nachgebildet ist.
Nehmen wir an, der Haupteingang liege, wie bei der Basilika des
hl. Grabes und beim hl. Grabe selbst, an der Ostseite, die Absis an der
Westseite, so stehen auf der Südseite die Worte: „Preiswürdiges wird
von dir gesagt, Stadt unseres Gottes", auf der Nordseite aber: „Der Herr
hat Sion erwäh ^at es sich zur Wohnung erkoren". Diese beiden Stellen
deuten doch wohi hinlänglich an, dass wir hier eine Nachbildung einer
Kirche zu Jerusalem vor uns haben. Dass sie nicht blos von der allgemeinen
christlichen Kirche zu verstehen seien ^, dürfte die concrete Unterlage
') Wie in einer Stelle bei Euscbius (X, 4): „In qua tandcm civitateP num quid in
hac, quae nuper a Deo exstrueta et fabricata est, quae est ecclesia Dei vivcutis, columna
et firmamcntura veritatis? de qua sie ctiam aliud divinum oraculum annuntiat: Gloriosa
dicta sunt de te civitas Dei.**
— 86 —
eines kirchlichen Gebäudes beweisen, aber auch die Inschrift der dritten
Seite: „Stehe auf Herr zu Deiner Ruhe, Du und die Lade Deines Heilig-
tums". Dies deute ich auf die Auferstehungskirche.
Ist es wahrscheinlich, dass unser ßeliquiar der ursprüngliche Be-
hälter für den Kopf des hl. Anastasius war, und wissen wir, dass dieser
mit einem Kleriker der Anastasiskirche Umgang hatte, dass er von Modestus,
dem spätem Wiedererbauer dieser Kirche getauft wurde, und werden wir
finden, dass eine Aehnlichkeit zwischen der Anastasiskirche und der Form
unseres Reliquiars besteht, so kann diese Deutung des Wortes AvaaxrjS-r] ^
wohl nicht als zu kühn angesehen werden. Lag es nicht nahe, dass seine
frühern Freunde, wovon einer Bischof war, im Vereine mit dem reichen
Eustathius eine Nachbildung jener Kapelle zur Ruhestätte des Märtyrers
erwählten, die ein sinnreiches Bild seiner glorreichen Auferstehung sein
sollte? Wenigstens konnte von den Kirchen Jerusalems sich keine besser
dazu eignen, als Schmuckkästchen nachgeformt zu werden, als sie, welche
die Andacht der Gläubigen mit Schmuck überladen hatte % Nur diese
niedrige Kapelle, bei welcher die Thüren zugleich Fenster waren, kann
hier dargestellt sein. Auf keine andere passen die Worte des Psalmes:
„Stehe auf Herr zu Deiner Ruhe^ (womit gleichzeitig die Auferstehung
und die Grabesruhe angedeutet werden), „Du und die Lade Deines Heilig-
tumes** besser als auf sie.
Um diese Hypothese als sicher auszugeben, müsste man freilich die
Form der Anastasis-Kapelle nach ihrer Wiederherstellung besser kennen,
als dies der Fall ist. Wir kennen sie aber eher in ihrer ältesten klassischen
Form, wovon die neue Kirche wohl nicht wesentlich abwich. Von der
ältesten Gestalt der Grabkapelle aus den Tagen der hl. Helena haben
wir nämlich höchst wahrscheinlich eine Nachbildung in einem Elfenbein-
Relief, das aus dem Bamberger Domschatze stammt, von dem man mit
Sepp glauben möchte, es selbst oder sein Original sei auf Befehl der hl.
Helena gefertigt worden, obwohl der vollendete Kunststil eher dem Zeit-
alter Justinians entspricht. „Es spiegelt sich darin der Bau in seiner
Ursprünglichkeit. Die aedicula zeigt auffallend dieselbe Bogenform mit
zwischengestellten Doppelsäulen, wie die Hinunelfahrtskirche am Oelberge.
jenes Bauwerk der Helena. Zwölf Säulchen, je zwei sich fast berührend,
wovon nur die Hälfte sichtbar, tragen sechs Halbkreisbogen im aufsteigen-
den Tambour, wovon eines auf jeder Seite zum Fenster dient." Die um-
gebenden Personen, welche die der Auferstehungsscene sind, zeigen an,
dass hier die Auferstehungskapelle in ihrer klassischen Urform dargestellt
ist. Sie war jedenfalls niedrig; wenn wir annehmen, dass die Statue Lebens-
grösse hatte, dürfte sie etwa zwölf Fuss Höhe bei gleicher Breite gehabt
haben. Der Patriarch nennt die Grabkapelle xtjßov, einen Würfelbau ^
*) Das Wort 'AvdoTa kommt auch öfters bei den Erscheinungen des Heiligen in den
Akten vor.
*) Antonin, der vor ihrer Zerstörung im Jahre 570 dort war, sagt, das Kirchlcin sei
mit Süber bedeckt gewesen.
^) Die eigentümliche Art, wie hior die PtTson dos Auferstandenen dargestellt ist,
dürfte sehr beachtenswerth sein. Gleicht die Auferstehung nicht einer Himmelfahrt? „Der
— 87 —
Man braucht nur die Abbildung unseres Anastasius-Behälters damit
zu vergleichen, um die Vermuthung zu rechtfertigen, er solle auch eine,
wenngleich unvollkommene Nachbildung der Anastasis-Kapelle vorstellen.
Freilich ist es nicht mehr die unversehrte klassische Form, die mit Stand-
und Relief-Bildern der Kaiser versehene Schmuckkapelle, welche von den
Persern und Juden zerstört worden, sondern gewissermassen eine degene-
rirte, der damaligen Kunstrichtung entsprechende architektonische Bildung,
Das klassische Gebäude hat rektanguläre, nicht quadratische Seiten, in-
dem der unter die Thürschwelle fallende Fuss in den Boden versenkt
erscheint. Der. Rundbau ist noch etwas höher als der quadratische Unter-
bau im Gegensatze zur gedrückteren Form des vielfensterigen Neubaus.
Eine Absis fehlt dem konstantinischen Gebäude oder liegt verborgen. Aber
dennoch bleibt eine grosse Aehnlichkeit, die sich auch darin ausspricht,
dass ein Theil der Fensterchen offen, ein anderer Theil blind erscheint. Es
ist mir daher sehr wahrscheinlich, dass unser Reliquiar entweder eine
Künstler ringt mit dem Gedanken, die Auferstehung bildlich zu fassen, wofilr damals noch
kein bestimmter Typus bestand. Die Darstellung ist mithin auf den ersten Blick eine alt-
christliche, ja im Geiste der Antike entworfen . . . Der Menschensohn schreitet in jugend-
licher Gestalt, nicht kümmerlich wie in den Katakomben, mit wallendem Haar, übrigens
bartlos ... die Felshöhle hinan, wo die Rechte des Vaters hinter Wolken oder einem
Vorhänge . . . Ihn emporzieht, als g^lte es Uerständc und Auffahrt in einem Bilde zu
vereinen . . . Das Motiv mit der aus den Wolken dargestreckten Hand Gottes erhält sich
bis ins 12. Jahrhundert. Der Christuskopf ist noch nicht typisch ausgebildet und trägt
. . . wie auf Katakombenbildern die Rolle des neuen Bundes . . . Christus trägt allein
den Glorienreif . . . Dies erinnert zugleieh, dass 325 das Konzil von Nicäa die Gottheit
Christi gegen die Arianor feststellte und der Bau der Auferstehungskirche diente eben
zur Bekräftigung des unwiderruflichen Dogmas." Sepp. Diese Darstellungs weise wird noch
verständlicher, wenn man sie zugleich als Apotheose Konstantins auffasst. Der Kaiser
starb in der Pfingstzoit. Die sieben Wochen zwischen Ostern und Pfingsten fasste man, was
auch in diplomatischer Hinsicht bekannt ist, als Einen Festtag auf, an welchem gewisser-
massen die Auferstehung mit der Himmelfahrt zusammenfiel. „Haec consummata cele-
britate pentecostes, quae 7 continuas hebdomadas omnibus houoribus decorata ad extremum
unitatis numero consignata est, quo tempore . . . nostri Servatoris in coelos ascensum, et
sancti ad homines spiritus descensum accidisse. Huius in celebritatis extreme fere die
imperator ad Deum suum assumptus est*^ (Euseb. de vita Const. c. 64.) So lag es nahe,
des Kaisers Himmelfahrt mit der Auferstehung des Erlösers zu verbinden; als zum Himmel
fahrend zeigen den seligen Kaiser die nach seinem Tode geprägten Münzen „quadrigis
instar aurigae insedentem, demissa Uli coelitus manu dextra exceptum^. (Eus. ib.
c. 73.) Fehlt hier auch das Viergespann, so ist doch die rechte Hand, die ihn zum Himmel
aufnimmt, sehr charakteristisch. Der Baum mit pickenden Vögeln ist nach Sepp ein
Motiv der antiken Kunst, das hundertfältig au Sarkophagen wiederkehrt, um den Untergang
der Leiblichkeit und die Aufnahme in einen höhern Organismus zu bezeichnen. Es ist hier wohl
der dem Senfkörnlein entsprungene Baum, dessen Zweige zum Himmel reichen und in dessen
Schatten die Vögel wohnen. Mau malte Konstantin auch, wie er in der Bläue des Himmels
ruhte (cum coeli effigiem in tabella propriis coloribus expressissent, depingunt eum super
coelestes orbes in aethereo coetu requiescentem. Eus. de vita 69). Der Kaiser trägt das
Haar halblang, wie wir es auf den Münzen finden, was vorher weniger üblich war. Die
Gesichtszüge sind verjüngt; es hält nicht schwer, in ihnen das Abbild seines Neffen
Hannibalianus wiederzuerkennen, wie wir es auf Münzen finden. (Lee Roman. Imper.
Profiles, 1874.) Dieser ward im Jahre 335 König von Pontus, Cappadocien und Armenien,
fand aber 837 einen gewaltsamen frühen Tod. Mau pflegte, so scheiuts, den Kaiser in
— 88 —
nicht ganz getreue Abformung der konstantinischen Basilika ist (die
Künstler erlauben sich ja in solchen Fällen häufig Abweichungen vom
Originale), oder dass einst die Anastasis-Kapelle in dieser Form eine Zeit
lang bestand. Könnte es die Form sein, wie Modestus die Kapelle wieder
herstellte? Schon vor der Bekehrung des hl. Anastasius wurde Modestus
vom Pa^triarchen von Jerusalem, Johann dem Almosengeber (605 — 616),
an die heiligen Orte geschickt mit grossen Spenden von Geld und Frucht,
angeblich auch mit zahlreichen Arbeitern zur Wiederherstellung des Ver-
wüsteten, und schon nach der Gefangennehmung des Patriarchen, die gleich-
zeitig mit der Zerstörung der Grabeskirche war, begab sich Modestus,
damals Abt des Theodosiusklosters ostwärts von Bethlehem in Syrien und
Aegypten auf die Sammlung, um die verwüsteten Kirchen wieder auf-
bauen zu können. Wenn die Beschreibung eines Pilgers, der etwa 54 Jahre
später die hl. Orte besuchte, massgebend ist, nahm die Kapelle jetzt eine
andere Gestalt an. Der neue Patriarch baute in den Jahren 616 bis 626
GeseUschaft seiner Söhne abzubilden. {Is ter bcatus per trium liberorum successionem,
pro uno multiplex redditus est, ita ut in imaginibus et picturis apud omncs gentes, una
cum liberis suis cundem honorem adeptus sit. Eus. IV, 72.) Umgeben hier nicht die drei
Söhne trauernd das Grab, zwei in ihren Gesichtszügen den Schmerz verrathend, der dritte
das Antlitz verbergend? Der Engel am Grabe scheint Porträt von Konstantins II.
(ibid. Taf. 147 A.) Die Anführerin der Frauen hat, wie ich meine, durch die gebogene
Nase und die Haartracht einige Aehnlichkeit mit der Helena. Schon Sepp vermuthete,
dass hier das Porträt derselben gegeben sei. Dass das Gebäude selbst wohl zunächst
die Auferstehungskirche darsteUen soll, dürfte nicht zu bezweifeln scän ; aber die Zuthaten
erinnern an die Kirche, welche sich der Kaiser zu Konstantinopel zur (^rabcsstätte aus-
ersehen hatte, die den Aposteln gewidmete Kathedrale, was hier durch eine Statue des
Apostelfttrsten Petrus angedeutet ist. Zwölf Säulen sollten hier sein Grab umstehen (quare
cappas illic duodecim quasi sacras quasdam columnas ad Apostolici collegii honorem
memoriamque attoUens, medium inter ipsos condimentum suum locabat, quud utrinque
seni claudebant Apostel i. Eus. IV, CO). Aehnlich umstanden zwölf Säulen die runde Grab-
kapeUe in Jerusalem. Euseb. III, 37. Die dem Kubus aufgesetzte Kuppel erscheint darum
von zwölf Säulchen getragen, wovon sechs sichtbar sind; obwohl rund, nähert sie sich
dem Sechseck, obgleich mit der quadratischen Grundlage besser ein Achteck harmoniren
würde. Die Säulchen der Kuppel, wenn wirklich nur zwölf statt sechszehn, sind vieüeicht
nur die Wiederholung der untern zwölf Säulen. Die Medaillons der Kaiser passen zur
Buhestätte des kaiserlichen Erbauers. In griechischen und lateinischen Kalendern steht
das Fest Konstantins und der hl. Helena angemerkt meist unter dem Titel: Memoria
sanctomm gloriosorum a Deo coronatorum atque Apostolis aequalium Imperatorum Constantini
et Helenae; von Gott gekrönt werden sie genannt, wie überhaupt die Griechen ihre Kaiser
O-eooTiTCxoug nannten, ein Ausdruck, dessen Analogon in Karolingische Diplome übergegangen
ist; einem Apostel ähnlich hiess Konstantin in den Menäen der Griechen. Der Festtag
Konstantins wurde selbst im Occidente am 21. Mai begangen und wird es auch heute
noch an gewissen Orten von Russland, Böhmen, Flandern. Siehe AI. Aur. Pelliccia de
ehr. eccl. politia 1829.
Die Elfenbeintafel des Mnnchener Nationalmuseums ist nachgeahmt
in einer aus Bamberg stammenden, ums Jahr 1000 geschnittenen Tafel
des Museums zu Liverpool, abgebildet in Gesch. d. deutsch. Plast. 1885,
19, und von dieser stammt die Bamberger Tafel eines Missales, die in
Cahiers Melanges p. 4 und in Försters Denkmalen I, 1 zu S. 9 abgebildet
ist. Das Tempelchen stimmt mit dem Siegel der Kanoniker am hl. Grabe
vom Jahre 1125 überein, das hier photographisch reproducirt ist.
— So-
das Halbrund um die Anastasis durch griechische Architekten zur byzanti-
nischen Rotunde mit zweifachem Umgange. Wo früher die Säulen im
Halbkreise um die Anastasis-Kapelle standen, kamen jetzt Mauern. Eine
dreifache Mauer in Kreisform, welche weite Gänge umgab, umschloss jetzt
zur grössern Sicherheit gegen feindliche Einfälle den Ort der Auferstehung.
Die Mitte bildete ein rundes Kirchlein (rotunda ecclesia, quae et anastasis.
h. e. resurrectio vocitatur, quae in loco dominicae resurrectionis fabricata
est). Die an zwei Stellen durchbrochene dreifache Mauer und Kirche
hatte zweimal vier Durchgänge (gegen Nord- und Südost? quatuor ad
eurum, quatuor ad vulturnum). Die eigentliche Kapelle war so niedrig,
dass man mit der Hand an die Decke reichen konnte. Im Innern, wo nur
neun Mann Platz zum Stehen hatten, stand das in den Felsen ausgehauene
Grab mit dem Eingange von Osten. Es war etwa drei Palmen über den
Boden erhaben. Zwölf Säulen trugen den Bau (die Kuppel? rotunda ecclesia
a tribus aucta parietibus duodecim columnis sustentatur). Aussen war die
(innere?) Kirche bis zur Spitze mit Marmor bedeckt, auf der vergoldeten
Spitze aber stand ein grosses goldenes Kreuz. Rechts von der Kapelle
lag die viereckige Muttergotteskirche. (Adamanni de loc. sanct., Bedae Opp.)
Ein Elfenbein-Relief aus Mailand angeblich aus dem 8. Jahrhundert,
zeigt auch die Anastasis-Kapelle rund, mit einem schmälern Aufbau, der
noch an die klassische Form erinnert.
Später hat die Grabeskirche sehr verschiedene Gestaltungen ange-
nommen. Nach der Beschreibung des fränkischen Mönches Bernard, der
gegen das Jahr 870 Jerusalem besucht hat, umstanden das Grab neun Säulen,
deren Zwischenräume mit vorzüglichen Steinen ausgemauert waren. Von
diesen neun Säulen standen, so heisst es, vier vor dem Gral)e und umschlossen
mit ihnen den Grabesstein, was ich mir so vorstelle, dass eigentlich sieben
in der Aussenmauer war^n, wovon zwei durch eine Quermauer mit zwei
mittleren Säulen in Form einer Sehne verbunden waren; hinter dieser Mauer
lag dann das Grab, hinter diesem waren zwei der sieben Säulen an der Mauer.
(Tertia ecclesia ad occidentem, in cuius medio est sepulchrum Domini habens
9 columnas in circiiitu sui, inter quas consistunt parietes ex optimis lapi-
dibus, ex quibus 9 columnis 4 sunt ante fiiciem ipsius monumenti, quae
cum suis parietibus claudunt lapidem coram sepulchro positum, quem angelus
revolvit Bernardus ao. 870.) Vielleicht standen auch die vier Säulen nicht
alle vor dem Grabesstein, sondern herum, mit den Mauerfüllungen ein Vier-
eck bildend, sodass nur fünf Säuleu für die Aussenwand blieben.
Es wäre von grossem Interesse, die Formen der alten hl. Grabkirchen,
wie sie in verschiedenen Städten vom 5. — 9. Jahrhundert erbaut wurden,
zu vergleichen. Die angeblich dem 5. Jahrhundert angehörende Heilig-
grabkirche zu Bologna, eine weite ovale Rotunde, erinnert im Mittelschiffe
mit den über zwölf Säulen gespannten Bogen an die zwölf Säulen, welche
als Repräsentanten der Apostel um die Anastasis standen.
lu den Oktogonkirchen von Aachen und Ottmarshausen stellt wohl
die quadratische Absis die Auferstehungskapelle vor. Der obere der Auf-
erstehung Christi geweihte Altar des alten Domes zu Aachen (superius
— 90 —
altare in eadem capella) dürfte in der obern Abtheiliing der Absis gesümden
haben. Es ist auch merkwürdig, dass in der Zeichnung der Absis, die
man Ciampini verdankt, hinter dem Hauptaltare drei unter einem grossem
Bogen gestellte Bogen ersichtlich sind, sehr ähnlich denen auf dem Heilig-
grab-Siegel der Tempelherren. Dies Siegel soll das Bild der Auferstehungs-
kapelle im 12. Jahrhundert darstellen. Es erinnert noch immer an die
klassische Form; quadratische Unterlage, hohe Eingangsthüren, Absis mit
drei Fenstern, Kuppel mit sechs Fenstern, auf der Spitze das Kreuz.
Es wäre ein interessantes Thema für einen Architekten, die Grabes-
kirchen der früheren Jahrhunderte näher zu beschreiben.
Das hl. Grab zu Görlitz, in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts
erbaut, hat IOV2 Elle in der Länge, 6^/3 Ellen in der Breite und ebenviel
in der Höhe. In der Mitte des Daches erhebt sich eine 5 Ellen hohe
Kuppel, die auf sechs Säulen ruhet. Von aussen soll das Gebäude läng-
lich rund erscheinen, das Innere bildet aber ein in zwei Abtheilungen
durch eine Wand gesondertes Viereck. Einer dieser Theile ist das Vor-
gemach und wird durch zwei süd- und nordwärts angebrachte Fenster
erleuchtet, während der Eingang gegen Osten sieht. In der Trennungs-
wand ist links ein ^^/g Elle hohes Thürchen, das den Eingang zu der
zweiten Abtheiluug gestattet, die vP/« Elle lang und breit und 6V4 Elle
hocli ist. An diesem Eingange ist der Stein, welcher jenen Stein vorstellt,
auf dem der Engel sass, von dem uns auch die Beschreibungen der alten
Grabeskapelle berichten.
Im Vorstehenden ist die Form des Anastasius-Kasten mit der Gestalt
der ursprünglichen Grabeskirclie in nahe Vcri)indung gebracht worden.
Eine andere Ansicht geht dahin, dass derselbe ein Gefäss gewesen, worin
das heilige Brod aufbewahrt wurde, wie ein ähnlich gestaltetes in den
russischen Kirchen vorkomme. Wenn dies richtig ist, so bleibt doch nicht
ausgeschlossen, dass auch diese Gefässe ursprünglich Nachbildungen der
Grabeskirche gewesen. Schliesslich sei bemerkt, dass die oben erwähnten
griechischen Inschriften in Kessels (icschiclitliclien Mittlieihingen über die
Heiligthümer vollständig mitgetheilt sind.
Abbruch der Häuser des Josephinischen Instituts und des
Waisenhauses in der Pontstrasse.
Von Jos. Biichkremer.
Mit einer AbbililuiiR;.
Tn dem mittleren Theile der Pontsti-asse ist im Laufe des Jahres
1894 durch den Abbrncli der obei'halb der Kirche des Josephinischen
Instituts liegenden beiden Gebäude der Armenverwaltung ein altes aachener
Städtebild wesentlich geändert worden. Hier reihten sich noch eine grosse
Anzahl älterer Bauten dicht zusammen, sodass die Strasse, namentlich
auch durch die frei geschwu^igenon Fluclitlinien und durch die Verengung
derselben nach den beiden Enden zu ein zwar wenig modernes, aber
— 91 —
fiir den Liebhaber und Kenner alter Städtebilder sehr anziehendes male-
risches Bild bot.
Von der Neupforte kommend, erblickte man, gleich nachdem man an
den weit in die Flucht vorspringenden Häusern des sogen. Beguinen-
winkels vorüber ist, jene platzartige Erweiterung der Pontstrasse.
Das Bild wird rechts begrenzt durch die malerischen Umrisse des aus
dem 17. Jahrhundert stammenden Hauses Nr. 74 mit seinem mächtigen
Consolhauptgesimse und der grossen Giebeldachlucke, während weiter
hinauf der Rest eines gothischen Fensters uns an die alte Kirche des
hl. Aegidius erinnert. Auf der andern linken Seite wird das Bild durch
die grossen einfachen Linien der Kirche des Josephinischen Instituts ein-
gerahmt und weiter hinauf erhoben sich hier früher die beiden Fassaden
der diesem Institut zugehörenden Häuser, wozu auch das alte Haus des
Bürgermeisters Emundts gehörte. Und auch das dann weiter hinauf
folgende Haus, das zur Zeit als Gesellenhaus eingerichtet ist, passt in
das alte Städtebild vorzüglich hinein. Denkt man sich in die Fenster
desselben wieder die alten Kreuze hineingestellt, und die sonstigen mo-
dernen Zuthaten hinweggenommen, so ist das alte Bild fertig, das würdig
in dem nach oben nun folgenden Hause, dem ehemaligen Lombard seinen
Schluss findet.
Wenngleich auch die beiden eben erwähnten Fassaden der Häuser des
Josephinischen Instituts für sich genommen, keinen hervorragenden Kunst-
werth beanspruchen konnten, so wirkten sie dennoch als Theile des eben
geschilderten Strassenbildes vorzüglich mit. Durch den nunmehr im
September des Jahres 1894 erfolgten Abbruch dieser Häuser ist dieses
schöne Bild verschwunden. Von den beiden in Rede stehenden Häusern
hatte namentlich das obere, das frühere Emundtssche Haus eine eigen-
artige Fassade.
Dieselbe hatte eine Breite von ca. 15 Meter, war dreigeschossig und
13 Meter hoch. Die Haupttheilung derselben bestand aus sechs Pfeilern,
die mit Ausnahme der beiden über dem Portal stehenden die ganze Höhe
der Fassade einnahmen. Der Sockel der ganzen Fassade und das Basis-
profil der Pfeiler derselben bestand aus Blaustein, während die Schäfte
der Pfeiler aus Ziegelsteinmauerwerk aufgerichtet waren. Die reichen
Kapitelle * zeigten eine Verbindung der jonischen und korinthischen Ordnung,
und waren merkwürdigerweise aus Eichenholz hergestellt. Ein einfaches
aus einem Architrav und grosser Holzleiste bestehendes Hauptgesims schloss
die Fassade nach oben hin ab. Das in guten architektonischen Verhält-
nissen ausgeführte Portal war ganz aus Haustein gebaut, und bestand aus
einer halbkreisförmig abschliessenden Oeffnung, die durch zwei Pilaster
eingerahmt wurde. Das das Portal abschliessende Hauptgosims war über
den Pilastern und dem verzierten Schlussstein verkröpft. — Die Fenster-
öffnungen waren durch unverzierte Gewändesteine eingefasst, die sich dicht
zwischen die grossen Pfeiler legten; während die Fenster des Erdgeschosses
*) Diese Kapitelle suwie die weiter unten erwähnten lleliefs werden im hiesigen
Museum aufbewahrt.
— 92 —
und des ersten Stockwerkes beträgliche Höhenverhältnisse zeigten, waren
diejenigen des 2. Stockwerkes fast quadratisch. — Einen eigenthünilichen
schönen Schmuck erhielt die Fassade noch durch neun Reliefs, die in
den aus Ziegelsteinen bestehenden Flächen über den Fenstern des Erd-
geschosses und des ersten Stockwerkes angebracht waren. Auch von
diesen Reliefs war eines aus Holz geschnitzt.
Diese Reliefs, deren Grundform viereckig war, enthielten in einer
eiförmigen Vertiefung die Darstellung römischer Kaiserporträts. Die aussen
verbleibenden Zwickel und die Umrahmung dieser Ellypse war durch kar-
tuschenartige Ornamente oder durch Akanthusblätter und Masken verziert.
Die Köpfe selbst waren alle neun verschieden, sehr decorativ auf-
gefasst und derb plastisch behandelt. Durch den mannigfaltigen Schmuck
dieser Figuren mit reich ornamentirten Helmen, mit einfachen Reifen-
kronen, oder mit dem lorbeerdurchflochtenen Haar wirkten dieselben trotz
der etwas schematischen Gesichtsformen sehr günstig auf den Beschauer ein.
Die ursprünglich durch den Wechsel in der Farbe zwischen dem
Blaustein- und dem Ziegclsteinmauerwerk sehr malerisch wirkende Fassade
sah bei dem einförmigen Oelfarbenanstrich natürlich weniger günstig aus.
Das Innere des Gebäudes, das nach den Formen der Fassade zu
urtheilen aus dem Schlüsse des 17. Jahrhunderts oder dem Anfange des
18. Jahrhunderts herrührte, enthielt, abgesehen von einem hübschen
Treppenpfosten zur Zeit nichts mehr, was ein kunsthistorisches Interesse
hätte in Anspruch nehmen können.
Kleinere Mittheilungen.
Freilegung des Chores der Nikolauskirche zu Aachen.
Durch die im Anfange des Jahres 1804 ausgeführte Neuanlage einer Strasse zwischen
der Grosskölnstrasse und dem Seilgraben, die den Namen Mi noriten Strasse fuhrt, ist der
bis dahin verbaute Chor der St. Nikolauskirche freigelegt worden. Die dadurch in Weg-
fall gekommenen Bauten waren 1. ein im vorigen Jahrhundert gebautes (leschäftshaus
von keiner weiteren Bedeutung, 2. die Loretokapelle der eben genannten Kirche, die in
der Breite des sitdlichen Seitenschiffes sich neben den Chor nach der Grosskölnstrasse zu
legte und 8. ein weiteres kleines Haus, das zwischen den beiden genannten Bauten lag
und um das in seiner Fassade stehende alte Kreuz herumgebaut war.
Die im Jahre 1703 von dem damaligen Baumeister Mefferdatis erbaute Loretokapelle
bot nur geringes kunsthistorisches Interesse. Sie musste wegen vollst Ȋndiger Baulallig-
keit abgetragen werden. Ihr Grundriss war rechteckig, sie hatte eine Thür zur Strasse
und zum Chor, wurde durch zwei rundbogige Fensler erleuchtet und durch ein Tonnen-
gewölbe überdt^ckt. Das gänzlich schmucklose Aeussere wurde durch ein S-förmig gebogenes
Walradach abgeschlossen und bekrönt durch einen aus Kupfer getriebenen profilirten
Knauf, der eine länglichovale vertikale 3Ietallplatte trug, worauf ein Madonnenbild gemalt
war. Das Innere der Kapelle schmückte ein prachtvoller Altar im reiclisten Kococcostil,
der nach den Entwürfen des Architekten J. J. Couven in der Mitte des vorigen Jahr-
hundert^s ausgeführt wurde. Ueber der einfachen Mensa erhob sich ein zierliches Tabcr-
vT»
nakel (nur Repositorium), zu dessen beiden Seiten, mit der Predella und den Leuchter-
bänken verbunden, sich kleine Räume zur Aufnahme von Reliquien befanden. Der Altar
war au beiden Seiten durch reich geschnitzte Thüreu architektonisch mit den Wänden
— 93 —
der Kapelle verbunden. Der Altar stand einen Meter vor der Rückwand. Dieser hintere
Raum wurde durch die beiden Thüren zngÄnglich. An der Rückwand war eine sehr
zierlich ausgebildete reich umrahmte Nische angebracht, worin sich ursprünglich eine
Madonnenstatue befand. Diese ganze Nische war so hoch angebracht, dass man von der
Kapelle aus, vor dem Altare stehend, auch den Sockel derselben noch sehen konnte. Die
Wirkung des Ganzen war ausserordentlich schön und plastisch, da die eben erwähnte
Nische einheitlich mit dem eigentlichen Altare zusammenwirk'te, obgleich sie räumlich
nicht mit demselben verbunden war.
Die farbige Behandlung des ganz in Holz hergestellten Altar werke« war sehr
wirkungsvoll. Die ornameutirten Theile sowie die beiden Engelfigurcn, die die seitlichen
Thüren bekrönten, und alle Profilleisten und (resimse waren vergoldet, während die ver-
bleibenden Flächen als grüner Marmor behandelt und durch kleine goldene in regelmässigen
Abstanden aufgemalte Flammen belebt waren ^
Das eben erwähnte Kreuz, gleich unterhalb der Loretokapelle, stand ursprünglich
noch tiefer und bildete bis 1763 einen Theil der den Hof des damaligen Franziskaner-
klosters nach der Grosskölnstrasse zu abschliessenden Mauer. 1763 erhielt es den Stand,
den es beim Abbruche noch hatte, und wurde damals mit dem sogen. Minderbrüderpiefchen
verbunden, das vordem vor dem Eckhause zwischen Gross- und Kleinkölns trasse, dem
sogen. Gapstock, stiind. Die sehr barocken Figuren der durch eine architektonisch einfach
ausgebildete Nische eingerahmten Kreuzgruppe waren keine bedeutenden Kunstleistungen;
sie zeigten eine übertriebene realistische Darstellung und eine überaus theatralische Auf-
fassung in ihrer Gruppiruug. Das hiesige Suermondt-Museum bewahrt eine Photographie,
die die oben erwähnten nun abgerissenen Bauten und auch die Anlage dieser Kreuzgruppe
darstellt.
Im Anfange des laufenden Jahres musste auch die an der Nordseite des Chores
gelegene Sakristei wegen Baufälligkeit niedergelegt werden. Dieselbe war nach dem
Aachener Brande zum Theil mit Bauresten der bis dahin erhaltenen ursprünglichen
Sakristei errichtet worden und würde schon längst wegen der mangelhaften Bauweise
eingestürzt sein, wenn nicht schwere Eiseuanker die Mauern zusammengehalten hätten.
Der jetzt niedergelegte Sakristeibau bot nur geringes architektonisches Interesse
und war ganz unorganisch mit dem Chor der Kirche verbunden. Dennoch wirkte die
gesaramte Gruppe der Sakristei mit ihren kleinen Anbauten von der neuen Minoritenstrasse
aus gesehen, sehr malerisch. Auch von dieser Anlage bewahrt das Museum eine Photo-
graphie auf.
Das Innere der Sakristeibauten war nur hinsichtlich des Mobiliars von einiger
Bedeutung. Die grossen Sakristeischränko zur Aufbewahrung der Paramente und der
heiligen Gefässe waren einfache aber geschmackvolle Arbeiten; durch verzierte Lisenen
und vielfach verkröpfte Rahmenproftle und die schön ornamentirteu Eisenbeschläge und
Schlösser machten dieselben einen sehr gediegenen Eindruck.
Durch den Abbruch dieser Sakristeibauten haben sich manc^he Anhaltspunkte für
die Gestalt der vor dem aachener Brande bestehenden ursprünglichen Sakristei ergeben.
Dieselbe stand an der gleichen Stelle, hatte dieselbe Länge wie die jetzt abgerissene
Sakristei, aber nur eine Breite gleich der der Seitenschiffe, so dass die nördliche Seiten-
schiffwand in ihrer Verlängerung mit der Sakristeimauer dieser Seite zusammenfiel. Das
Innere war durch Kreuzgewölbe überspannt, deren Schildbögen an der nördlichen Chorwand
noch sichtbar sind. Unter der Bauraasse der abgerissenen Sakristei fanden sich eine
grosse Anzahl von (Tcwölberippen, Maasswerkstäben, Schlusssteinen, Thürgewänden etc.
der ursprünglichen Sakristei auf. Besonders interessant sind die Gewölberippen und die
sehr reich mit feinem Blattwerk verzierten Sehlusssteine. Die Ornamente an denselben
sind von grosser Schönheit und merkwürdigerweise auch an den Stellen der Schlusssteine
angebracht, die dem Beschauer gänzlich unsichtbar bleiben mussten. Diese Baureste sind
f^r Aachen besonders beachtenswerth, weil sie die einzigen sind, die uns aus jener Zeit, dem
Anfange des 13. Jahrhunderts, erhalten sind. Es ist Sorge dafür getragen, dass alle
*j Vgl. die AhbiUlung.
— 94 —
anfgefandenen Bautheile an geeigucter Stelle in den unteren Räumen der neuen Sakristei
aufbewahrt werden.
Die an den erwähnten Fundstücken noch theil weise erhaltene Malerei stammt
grösstentheils aus dem 15. Jahrhundert. Danach sind die Gewölberippen in Zonen getheilt,
wovon die eine wechselseitig weiss und roth und die andere schachbrettförmig bemalt ist
und zwar in den Farben weiss, gelb, blau und roth. Die Ornamente der Schlusssteine
sind naturalistisch, die Blätter grün und die Rosen roth, bemalt. Die Wandflächen waren
mit einem dunkelrothen Thon angestrichen.
Im Bauschutte fanden sich ausserdem noch eine grosse Anzahl interessanter Boden-
belegsteine aus gebranntem Thon, die ornamentale Verzierungen und Wappen enthalten.
Diese Bodenfliesen gehören dem Schlüsse des 15. Jahrhunderts an.
Durch den Abbruch der Sakristei ist auch die untere Endigung des Treppenthürm-
chens, das den Zugang zum Dachboden der Kirche vermittelt und in der Ecke zwischen
Chor und nördlichem Seitcnschifib liegt, frei geworden. Dieser Bautheil ist im Laufe der
Zeit oft umgebaut worden und es ist daher schwierig, den ursprünglichen Zustand zu
erkennen. Der Zugang zu diesem Treppen thürmchen wurde durch eine kleine Thür
in der östlichen Abschlusswand des nördlichen Seitenschiffes vermittelt. Diese Thür
begann erst in einer Höhe von 1 Meter über dem Fussboden der Sakristei, sodass ursprüng-
lich noch eine Freitreppe davor angebracht sein musste um dieselbe zugänglich zu machen.
Bei dem jetzigen Neubau der Sakristeiräume wird dieser Bautheil wieder in der vermuth-
lich alten Weise hergestellt werden. Dasselbe gilt von dem kleinen kreisrunden Fenster,
das oberhalb der vorhin erwähnten ThÜr aufgefunden wurde. Dieses Fenster wird im
Innern der Kirche durch den Marienaltar verdeckt und bildete die Fortsetzung der Kreuz-
gangfenster des nördlichen Seitenschiffes, die das obere Stockwerk des Kreuzganges mit
der Kirche verbanden.
Bei der nunmehr bereits theilweise erfolgten Wiederherstellung der äusseren
Ghorfassaden hat es sich gezeigt, dass der Chor ursprünglich weniger lang als zur Zeit
war. Der ursprüngliche, gleichzeitig mit der noch jetzt stehenden Kirche errichtete Chor,
hatte ein ganzes Gewölbejoch weniger. Der erste 1327 consecrirte Bau ' wurde 1333 durch
den Brand beschädigt. Bei der folgenden Wiederherstellung ist wahrscheinlich der Chor
in dem jetzt bestehenden Umfange vergrössert worden ^ 1390 wurde derselbe fertig-
gestellt. Dass der Chor ursprünglich um ein Gewölbejoch kleiner war, folgt aus dem
Unterschied der architektonischen Verhältnisse und des Mauerwerks zwischen den altem
und jungem Chortheilen. Die Fenster des neuem Thciles beginnen tiefer als die des
altem Theiles; jene sind dreitheilig, diese zweitheilig; die Gewölbejoche des altern Theiles
haben profilirteSchildbögcn, während die des jungem Theiles solche überhaupt nicht
haben. Schliesslich stellte es sich bei der jetzigen Restauration auch heraus, dass die
Strebepfeiler an der Stelle, wo die beiden Theile sich vereinigen, hier ohne Verband nach-
träglich angesetzt worden waren.
Aachen. J. Buchkremer.
Spottgedicht auf die Franzosen aus dem Jahre 1793.
[Nnch eiuem m der hiesigen Stadtbibliothek (Mise. tom. VI Nr. 27) vorhandenen Flngblutt.]
Das nachstehende Gedicht vordankt seine Entstehung der grossen Freude der links-
rheinischen Bevölkerung Über den Sieg der Ocstcrreicher unter dem Prinzen von Koburg
über die Franzosen unter Dumouriez bei Aldenhoven. (1. März 1703.) Infolge dieser
Niederlage mussteu bekanntlich die Franzosen das seit Dezember 17U2 besetzt gehaltene
deutsche Gebiet räumen. Die tiefe Abneigung gegen die Franzosen und die von ihnen
vertretenen Grundsätze, sowie die Freude über das Ende der Fremdherrschaft und die
*) Dieser Altar wurde sorgfHltig abgebrochen und wird höchst wabi-scheinlich nn einer älin-
lichen Stelle wieder sur Verwendung kommen.
*) Neu, Zur Geschichte des Fransiskanerklosters etc., Aachen 1881, S. 14.
») Cfr. Qu ix, Beiträge zur CJeschichte der Stadt Ajichen, II {lriH\, S. 13S: „Am 9. Mai 1390 wurde
der nunmehr fertig gewordene neue Chor der Kirche v«»n dem WtihJiischof zu Lüttich, ArnoUl,
Bischof von CapitoHaue mit 8 Altären geweiht." — Nou a. a. O. S. 17 nimmt hierbei nur eine
Bestauration an.
— 95 —
Dankbarkeit gegenüber dem Sieger kommen in dem Gedichte in gleicher Weise zum Aus-
druck. Jedenfalls ist das Gedicht, dessen Verfasser sich am Schlüsse selbst als „Schröders,
Küster zu Puffendorf im Gülischen Amt Aldenhoven** bezeichnet, nicht lange nach der
Schlacht entstanden. Wie einige im Gedicht (vgl. u. a. 6 und 8) befindliche Andeutungen
schliessen lassen, ist dasselbe vor der am 4. April 1793 erfolgten Flucht des Generals
Dumouriez zu den Oesterreiehem verfasst.
Ludovicus XVI
Innocens Mortuus
den 21ten Januarii.
Ludwig König der Franken, ist Mord-
weis gestorben, Wem wundert's: wenn solcli'
ganz Reich nunmehro verdorben?
Wird in ein neu Liedchen entworfen, unter der Melodie:
Wunderschön prächtig.
I. Vers.
Französisch' Nati(m! Wo ist dein Köuigsthronr*
O du elendes Volk in Babilon!
Du schändest deiner Krön, auch spürest jetzt dein Lohn,
Merke, wir singen dir*s, aus frohem Thon;
Du darfs zwar wagen, die wir's beklagen,
Zu plündern die Länder, mit schändlicher 3Iacht,
Bis dich der Kaiser zum Schinder jetzt jagt.
2.
National-Konvent! schrie auch dein Präsident!
Werden wohl billig Blut-Igel genennt;
Du sprachst ein Urtheil, dies bringt dir viel Unheil,
Da du dein König bringst in Henkers Hand.
Himmel schick Rache, donnere und krache,
Segne den Säbel in Koburg sein Hand,
Dass Er die Mörder würg im eignen Land.
3.
Gibt dir*s noch Wunder? Merk insbesonder.
Wenn du zum Feind jetzt hast die ganze Welt;
Ein Volk olm Gesetz, Freiheit ihr Geschwätz,
Gleichheit und Bruderlieb, wie man es zählt.
Keines von beiden wollen wir leiden.
Wir glauben und halten die römische Lehr,
Suchen und rächen des Kaisers sein Ehr.
4.
Wer hat die Welt gemacht? und dich darauf gebracht?
Begreifs du dies Wunder, so meld* es nur bald,
War's nicht der Himmel? Thörichter Lümmel!
Erkenne die Wahrheit, sie ist gar zu alt;
Ob dich empörest, doch nichts zerstörest.
Würdest du rasend, ein Lucifer gleich,
So bleibt das Wort gelten aus göttlichem Reich.
5.
Du pralllest dein(?r Macht, man dich darzu auslacht,
Sehe ein David mit Goliath im Streit,
— 96 —
Wer auf Gott vertraut, der hat wohl gehaut.
Gedeon mit wenigen schlagt weit und "breit,
Du Volk der Franken, gehst aus den Schranken,
Fluchest des Himmels und alles, was recht,
Wie die Barbaren und solches CJcschlecht.
6.
Du prahlst dein 3Ieistcrstiick und grosses KriegesglUck,
Seh, wie der Vogel dir jetzt fliegt aus der Hand,
Komm auf das Kriegsfeld, wo Koburg jener Held,
Mit hundert jagt tausendeu aus dem Land;
Ohne die Leichen, die Todes verbleichen.
Wir haben am Ruhrfluss viel tausend an Hand,
Denen der Pulver von der Pfanne gcbranudt.
7.
Du bringst zwar schön Geschütz, uns aber ist es Nütz,
Dir kocht man hier Suppen aus eigenem Döppcn,
Du hast den Freiheitsbaum hier gepflanzet kaum,
Du machest dein Gräber hier mit eigenen Schuppen;
Und auch dein rothe Kapp, 0 dummer Narrenlapp,
Brauche in Zukunft zu ein' Ehrenkranz,
Wenn dich noch lüstern soll dergleichen Tanz.
8.
Dein oberster Feldherr General Dumouriez
Ein echter Würgengel, wie Holofer,
Geister voller Hofart und von gar schlechter Art,
Michael der Held stürzt solch' Lucifer;
So faule Glieder plotzen jetzt nieder.
Laufen als Mörder und Böß wicht ins Grab,
Man würgt ihn' die Gurgel nicht schändlich gnug ab.
9.
Koburg du teurer Held, Heil sei dir in der Welt,
Wir streuen dir Palmen zum Lorbeerkranz.
Du hast uns Heil gebracht, die Franken fortgejagt, *•
Unsterblicher Lohn sei ewig dein Glanz.
Dies wenig Lieder, ich lege nieder,
L;h singe mit Jubel und freudigen Thon,
Gott reiche auf Ewig dem Helden sein Lohn.
10.
Sub umbra Alarum, 0 Lux Musarum!
Majestätischer Adler des Ocsterreicher Haus,
Ich bin dein Unterthan und reich dir diesen Plan;
So lang mein Blut weget, reiss ich nicht aus.
Mein Leib, und Leben, will ich dran geben,
Sehe, ich schreib dirs mit eigener Hand
Schröders mit Namen, so bin ich genannt.
Küster zu Puffendorf im Gülischen Amt Aldenhoven.
Princeps Saxokoburg Generalissimus!
Venit Vidit Vicit.
Koburg unter göttlich-starkem Schutz,
Ist den Patrioten jetzt zum Trutz.
Äacheit. C. Wackev.
Druck von UicKiiANN K.kki/.vm in /Vachkj».
Mmm -Ea@li©xis ¥oxÄ0li
Jshrljch S Numnicni Kummiiu<iiinii-Vi>rlim
k I Bögen Rojiil Oktay. '''^'
t 'rnuierVlii'n Itiii'liUnu'llniiK
Preis des Jahrgang» ,5 j„,„
4 Hark. in Aniilji'ti.
Mittheilungen des Vereins für Kunde der Aachener Vorzeit.
Im Auftrage des Vereios lierauHKegi'ben von B. Bobnock.
Achter JahrKanff. 1H05.
Inhalt: Franz OpiieobofT, Die famiUc von FticBbcim in Ani-huti im IT. und IE). JobrhuDtliirt.
Die Familie von Friesheim in Aachen im 17. und 18. Jahrhundert.
Von Franx Oppenhoff.
Die erste Nammer des laufenden Jahrgangs dieser Zeitschrift bra^'lite
aus der Feder des Herrn J. Bachkremer die eingehende, durch H Tafeln
erläuterte, hochinteressante Baugeschichte des Friesheimschen Hauses auf
dem Bergdrisch. Ist der Name dieser Familie eben durch ihr prftchtigCB
Heim den meisten Aachenern auch bekannt geblieben, so durfte doch kaum
mehr als der Name der ehemaligen Besitzer des jetzt niedcrgelcf^n Kchönen
Gebäudes sich in der lokalen Erinnerung erhalten haben. Und duch liegt
die VermutDng nahe, dass diejenigen, die ein. besonders für jene Zeiten,
80 ansehnliches Wohngebäude ihr eigen nannten, auch im öffcntlidien
Leben Aachens hervorgetreten seien.
Der Wunsch, fiber die ehemaligen Besitzer des Frie»^heimHche[l IfauMiii
genauere Nachrichten zu erhalten, hat zu den nathütehcnden Audführungen
den er-<ten Anst/j>ä gegeben. Dieselben machen cn hich ;<ur Auf^lM;, die
Beziehr.r.gen der Familie von Frie»>heim zum öffentlichen Uiben Aaehcnii
im 17. Jahrhundert und im Anfange des iH. unter Au^wJiIus^h de« min^ler
Wich'.:;/i:n kurz darzulegen. Der Verfa-SKer hofft damit zur Kenntuih der
GescLi.iite Aachen-^ io d<:r trüt^n Zeit, die i;n 17. Jahrhundert über Dculvib-
U-d hereinbrach, einen klehien Beitrag zo li<;f':ni, wenn er -lich atich nicht
TCTh^iiiL da-3 noch vieles der Aufklärung' ttezw. Krpänz'Jii:: Wlarf.
AU Qnei:en kommen vor aüem in Be'.r-yJjt die Ilut-- und l'AmxuV-.h-
pr>ju4.-:üe der ätadi Aachen: leMer reichen «ie wir b;-. ia da» Jahr det
gnwiMD .Staii'.braiile! ilOö*!; L;:.ii/. AL-ierer r"^.!','-.':;i':.'j ArchiTaHer) wird
■Lten Yj^kL-vWi g-^-Lehen. A'.f Gnid vo-'j .\:*-£.<,jt:u aj* A/i/:!-*;f.*;r
EirtbeBll^Lera t^i Mao» ia IL BaL'le »*:;L*:r ,&:i'.ra:^e z^r 0':Lea^/g:e
u 1
— 98 —
rheinischer Adels- und Patrizierfamilien" auch über die Familie von Friesheim
genealogische Mitteilungen gegeben, die der nachstehenden Arbeit viel-
fach sehr von Nutzen gewesen sind.
Es bleibt noch aufzuklären, woher die Familie stammt. Mit der
Uradelfamilie von Friesheim, welche die erbliche Vogtei im Dorfe Friesheim
bei Euskirchen besass und bereits 1171 urkundlich vorkommt, hat die
Aachener Familie nichts gemein. Das beweist die Verschiedenheit der
Wappen ^ Der Name der Aachener Familie wird bald Friesheim, Friessheim,
Vriessem, meist aber Freis(s)heim geschrieben. Sie gehörte der deutsch-
reformirten Kirche an und ist vielleicht in Folge ihrer Verwandtschaft
mit den Familien Amya, Blantsche u. a. nach Aachen gekommen. Nach
Macco werden die Friesheim in den Aachener Kirchenbüchern nicht vor
der Wende des 16. Jahrhunderts genannt^; allen Mitgliedern der Familie
kommt im 17. Jahrhundert das Adelsprädikat zu, einige, so der Oberst
Gottfried von Friesheim und seine Söhne, waren Freiherren. Gleichwohl
finden sich in den meist benutzten Adelslexiken keine Nachrichten über
die Familie von Friesheim, nur das Zedlersche Universallexikon ^ gedenkt
derselben als eines freiherrlichen Geschlechtes, dem der General der Infanterie
der Generalstaaten in Holland, Johann Theodor (f 1733) entsprossen sei*.
Im 17. Jahrhundert gab es in Aachen zwei Linien der Familie von
Friesheim, von denen die eine, deren Hauptvertreter Albrecht von Friesheim ^
war, das prächtige Haus auf dem Bergdrisch bewohnte, während die andere,
welcher der schon genannte Oberst Gottfried, Freiherr von Friesheim ange-
hörte, an der Ecke „des Duppengrabens** und „der Missierstrasse" ihr Heim
hatte ^. Beide Zweige der Familie zählten, wie das auch die vornehme
^) Gütige, Mitteilung des Herrn E. von Oidtman. Bezüglich der Wappen vgl.
von Oidtman in der Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins, Bd. VII, S. 315, Anm. 1,
Hensch, ebenda S. 297, Anm. 1 und Macco, Bd. II, S. 35.
*) Am 2. Februar 1677 bescheinigen Bürgermeister, Schöfifen und Rat der Stadt
Aachen, „dass der wohlgeborener Godefridus von Friessheim freyherr und oberster in
ihrer kayserlicher mayestätt dienst und dieser unserer statt eingeborener bürger und
einwohner ist, wie auch seine voreitern selige bürger und einwohnere
gewesen seyn**. (Amtliche Zeugnisse auf dem städtischen Archive.) Gottfried von
Friesheim war geboren 1602 oder 1603.
^) Bd. IX (aus dem Jahre 1735) unter Friesheim ; auch Macco führt die Familie als
Freiherren von Friesheim auf.
*) Ueber ihn s. unten S. 108 ff.
^) Ein Sohn Albrechts, Hans Peter, war wahrscheinlich Inhaber einer Kupferfabrik;
er wird 1677 unter denjenigen genannt, die aus dem städtischen „Kelmyn Berg" Galmei
geliefert erhielten. (Verzeichniss von E. E. Kahts Kelmyn Bergs, 1676—1677, auf dem
städtischen Archive).
*) Das Eckhaus Alexianergraben-Franzstrasse, in dem Oberst Gottfried Freiherr
von Friesheim wohnte, dürfte im Laufe der Zeit wohl manche Veränderungen erfahren
haben; doch machen besonders die den Hof räum umgebenden Gebäudeteile — eine
photographische Abbildung befindet sich im städtischen Museum — noch heute einen
imposanten Eindruck. — Dass Gottfried von Friesheim in dem genannten Hause wohnte,
ergiebt sich aus einem Erlasse des Kats vom 31. Juli 1663, der demjenigen eine Belohnung
von 100 Keichsthalem zusichert, der den „leichtfertigen Bosswicht" namhaft machen könne,
der am 27. Juli Nachts zwischen 10 und 11 Uhr in der „Wohnbehausung des Herrn
Obristen von Freissheirab am Eck des Duppengrabens" nach der Seite „von Missierstrasse"
— 99 —
Einrichtung des Hauses auf dem Bergdrisch und die Beziehungen der von
Friesheira zu anderen angesehenen und wohlhabenden Familien der Stadt
(Amya, Römer, Hessel von Dinteren u. s. w. ^) wahrscheinlich machen, zu
den reicheren Bärgerfamilien Aachens. Der Name Albrecht von Friesheims
(Freisheims) erscheint überaus oft in den städtischen Rats- und Beamten-
protokollen. Er war, wahrscheinlich seit dem 1. Februar 1651 ^ Gläubiger
der Stadt, und eine lange Reihe von Jahren hindurch beschäftigen die
„Freissheimschen Gelder" die städtischen Behörden; trotz wiederholter
Umlagen (Schatz, Schätzung^) und strenger Eintreibung bezw. Bestrafung
der „Hinderstendigen" wollte es Jahrzehnte hindurch nicht gelingen, die
Schuld zurückzuzahlen. Nach der amtlichen Festsetzung durch den Magistrat
betrug die Schuld am 6. März 1659 6451 Reichsthaler; die Interessen dieser
Summe seien für die Zeit vom 1. September 1655 bis 6. März 1659 zuzurech-
nen. Ausserdem sollten dem Gläubiger „wegen gehabter Mühe** 300 Tfialer
zugelegt werden*. 1662 beträgt die Schuld noch 3284 Reichsthaler ^ und
am 29. Januar 1665 beschliesst der Rat, „damit der Wittiben von Herrn
Alberten von Freissheim ihrer hinderstendigen Capital und Interessen halber
dermahleinst verholffen werden möge", solle „der bürger und einwohnender
sowoU als der Auswendiger darahn pro quota bezahlen" und mit dem
Empfange, der bereits begonnen hatte, fortgefahren werden*. 1669 beträgt die
Friesheimsche Forderung noch 2846^4 Reichsthaler, wozu aber noch ungefähr
700 Reichsthaler rückständige Zinsen kamen '. Noch im Jahre 1684 befassen
dorch ein Glasfenstcr einen „Grobstein in ein Gemach geworfen", das die Herren Abgesandten
der Generalstaaten der Vereinigten Niederlande innegehabt hätten, und in dem sie damals
beisammen gewesen wären. Vgl. auch RatsprotokoU von Dienstag, 81. Juli 1663 (Eats-
protokolle, Bd. IV, S. 153). Der bezügliche Erlass des Eats wurde „durch öffentlichen
Trommelschlag" verkündigt. — In einer notariellen Urkunde vom 24. Juli 1659 (in den
Prozessakten Freissheim/Sicss auf dem städtischen Archive) wird die Wohnung des
Herrn Obristen Gottfried von Freissheim als auf der Marschierstrasse belegen angegeben,
womit zweifellos ebenfalls das Eckhaus Marschierstrasse-Duppengraben gemeint ist. Dass
der Oberst vor 1659 auf dem Bergdrisch gewohnt hat, ist wohl kaum anzunehmen. Somit
dürfte die von J. Buchkremer in dem eingangs genannten Aufsatze (S. 7 des laufenden
Jahrgangs dieser Zeitschrift) ausgesprochene Vermutung, dass das bisher noch nicht ent-
zifferte Wappen auf dem prächtigen Kamine der Haupthalle des Hauses auf dem Berg-
drisch dasjenige der Familie Amya sei, nicht zutreffen.
*) Vgl.. die Namen der Taufpaten bei Macco a. a. 0., 11, S. 36.
*) An diesem Tage wurden bei Albrecht von Friesheim seitens der Stadt „Friedens-
oder Satisfaktionsgelder aufgehoben". — Aachen hatte zu der den Schweden nach den Be-
stimmungen des Westfälischen Friedens zu zahlenden Kriegsentschädigung von 5 Millionen
Thulern für seinen Anteil 27,234 Flor, beizusteuern. Vgl. Meyer, Aach. Gesch., Bd. I,
S. 646 und Haagen, Gesch. Achens, Bd. II, S. 258.
') Unter dem „Frei^sheimschen Schatze" ist eine Umlage zu verstehen, aus deren
Ertrag die von der Stadt an Freissheim geschuldete Summe („die Freisshei raschen Gelder")
bezahlt werden sollte. Ueber den Ausdruck Schatz, Schätzung vgl. man, was Haagen,
Gesch. Achens, Bd. II, S. 250 über die Hatzfeldsche Schätzung sagt, und Gross, Zur
Geschichte des Aachener Reichs, in dieser Zeitschrift, Jahrgang VI, 1893, S. 72.
*) Beamtenprotokolle, Bd. XXXIX, S. 99.
*) Ratsprotokolle, Bd. III, S. 48.
•) Ratsprotokolle, Bd. VI, S. 10.
^) Ratsprotokolle, Bd. X, S. 289.
— 100 —
sich Magistrat und Rat mit der alten Schuldforderung der Erben „weiland
Alberten von Freissheira*', mit denen ein Vergleich geschlossen wird \
wodurch die Angelegenheit ihr Ende erreicht haben dürfte.
Dass sich die Bezahlung einer verhältnismässig doch nicht grossen
Summe so lange hinziehen konnte, dass die Stadtkasse häufig nicht in der
Lage war, die fälligen Zinsen zu zahlen, erklärt sich aus der so überaus
trostlosen finanziellen Lage der Stadt im 17. Jahrhundert. Schon in der
zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts war der allgemeine Wohlstand infolge
der vielen Beunruhigungen durch Kriege sehr erschüttert worden^; vollends
vernichtet wurde er im 17. Jahrhundert. Mehr als der grosse Stadtbrand
des Jahres 1656 haben die unaufhörlichen Kriegsdrangsale die völlige Ver-
armung des grössten Teils der Bürgerschaft herbeigeführt*. Die damalige
Kriegführung ging nicht so sehr darauf aus, durch grosse Schlachten
eine schnelle Entscheidung herbeizuführen, als den Gegner durch Hin- und
Herzüge zu ermüden und durch Verheerungen des Landes der Mittel zur
Kriegführung zu berauben. Nur in den Sommer- und Herbstmonaten stan-
den die Truppen im Felde, im Winter fielen sie den unglücklichen Be-
wohnern des Landes, das gerade den Kriegsschauplatz bildete, zur Last.
Die Heerführer erhoben nicht selten die unerhörtesten Forderungen, für
sich selbst wie für ihre Offiziere und Mannschaften, und wenn sie nicht
befriedigt wurden, so plünderten und raubten sie, bis sie ihren Willen
durchgesetzt hatten. Es machte dabei keinen Unterschied, ob das Reich
bezw. die Stadt zu den kriegführenden Parteien gehörte oder nicht. Meist
handelte es sich darum, die Stadt zu zwingen, entweder die Truppen in
ihr Gebiet aufzunehmen und dort zu verpflegen oder aber für die Ver-
schonung eine Abfindungssumme zu zahlen. Die Heere der eigenen Nation
machten es kaum besser als die fremder, und ein kaiserlicher Schutzbrief
nutzte in den seltensten Fällen, da er von den Generalen, sei es unter
dem Drucke der Kriegsereignisse, sei es aus Habsucht, nicht geachtet
wurde; ebensowenig halfen spätere Eeklamationen.
Als Deputirter der Stadt und Vermittler fremden Heerführern gegen-
über war während des Dreissigjährigen Krieges zu wiederholten Malen
thätig der schon mehrfach genannte Freiherr Gottfried von Friesheim ; sein
Sohn zwang 1702 während des spanischen Erbfolgekrieges, an der Spitze
holländischer Truppen, die Stadt, seine Leute in ihre Mauern aufzunehmen
und ihnen mehrere Monate lang Quartier zu geben!
Freiherr Gottfried von Friesheim war seiner Zeit ohne Zweifel einer
der wohlhabendsten und einflussreichsten Bürger Aachens. Er war Offizier
im Dienste des Kaisers, in welchem er — nachweislich seit 1647 — den
Rang eines Obersten bekleidete*. Er lebte wenigstens in späteren Jahren
») EatsprotokoHe, Bd. XIV, S. 143.
•) Vgl. Hansen, Kriegsdrangsale Aachens in der zweiten Hälfte des 16. Jahr-
hunderts, in der Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins, Bd. VII, S. 65 ff.
•) Vgl. Haagen, Gesch. Achens, Bd. 11, S. 244 ff. (259), und Aus Aachens Vor-
zeit, Jahrgang III, S. 113/14.
*) In amtlichen Zeugnissen des Aachener Magistrats (im städtischen Archive) aus
'en Jahren 1660 und 1675 wird er als sacrae Cacsareae maiestatis colonclus bezeichnet;
— 101 —
ständig in Aachen und war ein Geldmann mit den ausgedehntesten per-
sönlichen und geschäftlichen Verbindungen. Wir lernen ihn kennen als
Ankäufer mehrerer Häuser bezw. Höfe^ und als Inhaber einer „von der Stadt
gekauften" Mühle*, besonders aber als einen in Zeiten der Not von der Stadt
oft in Anspruch genommenen Vermittler in Geldangelegenheiten; an den
mannigfachen Truppenwerbungen in jenen kiiegerischen Zeiten war er
finanziell beteiligt, zu mehreren ausländischen Höfen hatte er die engsten
Beziehungen.
Gottfried von Friesheim wurde geboren zu Aachen 1602 oder 1603^
und vermählte sich am'29. November 1629 mit Katharina Amya, mit der er
acht Kinder hatte. Im Jahre 1642 war er Eittmeister und hatte seinen
Wohnsitz innerhalb des Aachener Reichs. Als nämlich nach dem Siege des
französischen Marschalls de Gu^briand über den kaiserlichen General von
Lamboy auf der Husener Heide bei Uerdingen am 17. Januar 1642 der Gene-
ral ßeinhold von Rosen, der, einem livländischen Geschlechte entsprossen,
mit Gustav Adolf nach Deutschland gekommen und nach Bernhard von
Weimars Tode 1639 mit dessen Armee in französische Dienste getreten
war, das Aachener Reich brandschatzte, kamen am 6. April 1642 Graf
von Merode de Holfalize zu Frankenberg, der Rittmeister Gottfried von
Friesheim und Arnoldus Schmitz, Pastor zu Haaren, einerseits und ßein-
hold von Rosen andererseits zu Düren zusammen, um wegen einer an den
letzteren zu zahlenden Summe zu verhandeln, wodurch der Plünderung
und Verheerung des Aachener Reichs durch die Rosenschen Truppen ein
Ende gemacht werden sollte. Die Stadt Aachen hatte sich nämlich zu
in einem solchen yom 26. August 1675 heisst er sacrae Caesareae maiestatis quondam
colonelhis, während er in einem Zeugnis vom 2. Februar 1677 „oberster in ihrer kayser-
hrher mayestätt dienst und dieser unserer statt eingeborener bürger und einwohner"
genannt wird (vgl. S. 98, Anm. 2).
*) So kaufte er im Jahre 1637 (?) das bekannte Gut Oberfrohnrath bei Horbach,
welches zu Anfang des 18. Jahrhunderts aus den Händen der Familie von Friesheim
durch Kauf (für 25000 holländische Gulden) an den Bürgerhauptmann Johann von Thenen
überging, bei dessen Familie es bis heute geblieben ist. S. Hon seh in der Zeitschrift
des Aachener Geschichtsvereins, Bd. VIT, 8. 296/97. — Ueber die Erwerbung eines „auf
der Paunelle** am Stadtwall gelegenen Hauses durch Gottfried von Friesheim berichtet
eine Urkunde vom 27. Oktober 1635, die bei Pick, Aus Aachens Vergangenheit, Aachen
1895, S. 481 mitgeteilt wird.
^ Wo diese Mühle lag, konnte nicht genau festgestellt werden. Einen Anhaltspunkt
bietet eine Notiz in dem Beamtenprotokoll vom 19. Juni 1668 (Bd. XXXX, S. 270): „Den
Supplicirenden Lambert Lamberts, Jacob Moess und Consorten haben herm Bürger-
meistere und beambten auf ihre gcthane praesentation, dass die bottergass uf ihre
eigene Kosten bestendigh repariren und 12 ihar langh also unterhalten wollen mitt dieser
condition daz von dess h. Vögten heyendalss erb ahn biss ahn dess h. obr. von
freissheimbs Müll solches thun sollen, gegen einnehmungh dess Weggelts ahn St.
Albertspfortz uf 12 ihar langh dergestalt wie in ihrer Supplication mitt mehreren Vermelt
ihr begeren eingewilligt . . .** u. s. w. Die Buttergasse, in welcher demnach die Mühle
lag, war eine Querstrasse des Adalbertsteinwegs und schnitt diesen auf der Strecke
zwischen der heutigen Elsass- und Viktoriastrasse.
*) Es heisst nämlich in einem vom Aachener Magistrat am 4. April 1675 aus-
gestellten amtlichen Zeugnisse: ilhistris et generosus dominus Godefridus baro de Freisheim,
aetatis septuaginta duorum annorum . . ,
— 102 —
einem Vergleiche mit von Rosen d. h. zur Zahlung einer Abfindungssumme
an diesen General nicht verstehen wollen, was zur nächsten Folge die
Brandschatzung des Aachener Reichs gehabt hatte. Die oben genannten
drei Abgesandten des Reichs, die „ohne Zuthun der Stadt" im Namen der
Eingesessenen des Reichs die Verhandlungen führten, kamen mit von Rosen
dahin äberein, „dass das Reich von allen Hostilitäten, als Raub, Plünde-
rung, Morden und Brennen frei sein solle, wenn es ein für alle Mal diesen
alhier logirenden Regimentern zum besten 4000 Reichsthaler innerhalb 8
Tage zahlte**. Die Stadt Aachen wurde ausdrücklich von diesem Abkommen
ausgeschlossen ^ In den Jahren 1647 und 1648 w&r der Oberst Gottfried
Freiherr von Friesheim Kommandant zu Eschweiler ^. Als solcher hatte er
den Auftrag, die von der Stadt Aachen, deren Waffenfabrikation vor dem
Stadtbrande in hoher Blüte stand ^, zum Dienst der kaiserlichen Heere auf
das Schloss zu Eschweiler gelieferten Waffen, inbesondere Pistolen, den
einzelnen Truppenkörpern gegen Quittung auszuteilen*.
Wie 1642, so hat Oberst von Friesheim im Laufe des 30jährigen
Krieges mehrmals im Interesse Aachens mit den Führern der Aachen oder
dessen Gebiet berührenden Armeen verhandelt, öfter auch das zur Befrie-
digung der Generale nötige Geld vorgeschossen. Er selbst weist hin auf
seine Bemühungen und Verdienste um die Stadt in einem Schreiben an
diese vom Oktober 1660, in welchem es heisst: „Was nuhn anbelangt, das
mit Hern Haubttman Boogardt vor diesem von E. E. Rahtt auff Euss-
kirchen, Kessenich und der ents wegen Abwendung der 6 Lottringschen
Regimenter deputirt gewesen, auff welcher reysen dan ich alle Zehrungs-
und andere Unkosten verwandt und bezalldtt, und mir grosse obligationes
von denselben Obristen und ihren nachgesetzten Officieren über den Halss
gezogen, will mich ahn gemeltes Hern Haubttmans advis und raport refe-
rirt haben, und stelle eins mit dem anderen zu meiner hooch- und villge-
ehrter Heren Burgermeister und Heren Beambten grossgunstiger Discretion/
In demselben Briefe wird an einer anderen Stelle ausgeführt: (Die Herren
Bürgermeister und Beamten mögen erwägen, dass) „mir derzeit in a° 1636
wie ich auff einstendigh anhalten des Hern Burgermeister Berchems, Hern
Doctor Nuttens und Hern Balthasaro Munstero als damohllen E. E. Rahtts
abgesanten undt Deputirten, zu Dienst der ganzer Statt und gemeinem
Besten innerhalb drey ad 4 dagen: Rixdl. 28 400 content formirte und dahr-
schoss, und in a"* 1640 denovo, auff Begehren E. E. Rahtts, an Picolomini
und General Commissario Boehmer, voor dem Burgermeister Buittbach baar
*) Dass es bei der Zahlung von 4000 Reichsthalern nicht verblieb, geht aus dem
unten S. 103 auszüglich mitgeteilten Briefe des Obersten Gottfried von Friesheim an
die Stadt Aachen vom Oktober 1660, wo der Schreiber angibt, dass er „a* 1642 zu
Manutinentz des Reichs an Generalmajor Koose 5000 Reichsthaler und dan 10 000 Reichs-
thaler** bezahlt habe, klar hervor. — S. Anhang.
») Seit dem 11. Mai 1648 erscheint Kapitänlieutenant Promb als Kommandant in
Eschweiler.
•) Vgl. Haagen, Gesch. Achens, Bd. IT, S. 250.
*) Mehrere dieser Quittungen mit anderen diese Angelegenheit betr. Papieren be-
finden sich auf dem städtischen Archive.
— 103 —
zahllete Rxdl. 12 000 und deu 24. May selbiges Jahrs 7000 ßxdl. und
dan in a** 1642 zu Manutinentz des Reichs an den Generalmayor Roose
5000 Rxdl. und dan 10 000 Rxdl. So van den ersten Rxdl. 28400 durch
meine Dexteritiet, dem deuffel aus dem Rachen zu Collen gehoolt, davon
ohne mich E. E. Rahtt woU nit eines Hellers Wehrt wurde becommen
haben, versprochen wahrt axinsbefreyung und andere prävilegien mehr vor
meine Lebzeitt ..."
Bezüglich der erwähnten Kriegsdrangsale sei auf die Darstellung des
betr. Zeitabschnittes bei Meyer und Haagen (II, S. 244 S.) verwiesen.
Im Jahre 1636 quartierte der kaiserliche Oberst von Bredau seine 12
Kompagnieen zu Pferd und 5 zu Fuss mit Gewalt in Aachen und der
nächsten Umgebung ein und blieb dort vom 12. Februar bis zum 8. Juni
(Meyer, I, S. 623/4); 1640 musste die Stadt die Befreiung von den Winter-
quartieren, die der kaiserliche General von Hatzfeld in Aachen zu nehmen
drohte, sehr teuer erkaufen (Haagen, II, S. 250); über die Plünderungen
im Aachener Reich durch General Rosen 1642 s. oben S. 101/2 und Anhang
zu S. 102. Im einzelnen lassen sich die Vorgänge, auf die der Schreiber
des Briefes * hinweist, wohl kaum nachweisen.
Es fehlte Gottfried von Friesheim nicht an mächtigen ausländischen
Verbindungen, die wohl geeignet waren, seinen Einfluss in der Stadt zu
stärken; von besonderer Bedeutung sind seine Beziehungen zum englischen
Hofe und diejenigen zum Hause Oranien. Karl II., der Sohn und Nachfolger
des unglücklichen, am 30. Januar 1649 hingerichteten Königs Karl I. von
England, war nach der vollständigen Niederlage bei Worcester (1651) von
Cromwell eifrigst verfolgt unter wunderbaren Abenteuern aus England
geflohen und hatte seitdem auf dem Festlande in gezwungener Unthätig-
keit abgewartet, bis die Zeiten sich der Wiederaufrichtung der Monarchie
und seiner Wiedereinsetzung in die königlichen Rechte günstiger gestalteten.
1660 beriefen ihn seine Unterthanen zurück, und ergriff er von dem an-
gestammten Throne Besitz. Das tragische Geschick seines Hauses und
die eigenen wechselvollen Erlebnisse Karls IL, der wie wenige die Ungunst
und die Gunst des Schicksals erfahren hatte, erweckten diesem Fürsten
^) Das Schreiben, dem die oben mitgeteilten Auszüge entnommen sind, betrifft eine
dem Obersten von Friesheim von der Stadt zugegangene Rechnung von 11636 Mark, „die
noch von Wein und Bier Accinssen restiren sollten". Diese Rechnung will der Oberst
nicht anerkennen nuter Berufung darauf, dass ihm für seine der Stadt geleisteten Dienste
Accinsbefreiung versprochen sei. Am Schlüsse des Briefes spricht er die Hoffnung aus,
dass seine „villfaltige gethane treuwe diensten und Mühewaltungen noch in etwas werden
consideriret werden und meine hoch- und villgeehrte Heren mir dahrin nit zu hartt fallen,
angesehen ein gantze gemeinden besser etwas entrahten kann als ein particuller; sonderlich
der es ohne Raum zu melten mit trewen Diensten meritirt hatf*. Die Bürgermeister
und Beamten lehnten die Bitte des Obersten um Niederschlagung der genannten Forderung
nicht völlig ab, sondern „machten diesen Durchschlag, dass dem Herrn Obersten in
Absehlag und Quittirung aller und jeder seiner Praetensionen" die Hälfte der betr.
Summe nachgelassen werden, dass er aber „den übrigen Rest entrichten und inskünftig
gleich anderen damit gehalten werden solle**. (Beamtenprotokolle Bd. XXXIX, S. 177.)
Das Schreiben des Obersten, welches kein Datum tiägt, war bei der städtischen Ver-
waltung am 20. Oktober 1660 eingegangen.
lU* —
eine aussergewöhnliche Teilnahme auch ausserhalb Englands, namentlich
an den Orten, an denen er während seiner Verbannung geweilt hatte. Zu
diesen Städten gehörte auch Aachen ; auch Aachens Bürger hatten den nur
allzu schwachen, aber mit der Gabe einer seltenen persönlichen Liebens-
würdigkeit ausgestatteten Fürsten in seinem Unglücke im Jahre 1655 in
den Mauern ihrer Stadt kennen gelernt; als er endlich auf den Thron
seiner Väter zurückgeführt wurde, erweckte die Kunde hiervon auch in
Aachen lebhaften Widerhall, der in einem herzlichen Glückwunschschreiben
der Stadt seinen Ausdruck fand^ In demselben Jahre (1660), in dem Karl
nach England zurückkehrte, ernannte er den Obersten Gottfried, Preiherrn
von Friesheim zu seinem Residenten in Aachen. Die Ernennungsurkunde
(aus Westminster vom 2. Dezember 1660^) rühmt seine reife Einsicht und
seine Verdienste, sowie seine nicht gewöhnliche Ergebenheit für den König
und seine Sache; „anderswo habe er hiervon öfters Proben abgelegt".
Wahrscheinlich hatte der König während seines Aachener Aufenthalts den
Obersten kennen gelernt und mit ihm Verkehr gepflogen. — Gottfried von
Friesheim war als „Magnae Brittanniae et Hyberniae regis hac in urbe
residens", wenn die Stadt Veranlassung hatte zur englischen Regierung
oder diese zur Stadt in Beziehung zu treten, der Vermittler. Ein solcher
Fall trat ein 1668, dem Jahre des Aachener Friedenskongresses. Der
englische Gesandte zum Kongresse, Ritter Temple, kündete seine bevor-
stehende Ankunft dem Obristen Gottfried von Friesheim an, damit dieser der
Stadtverwaltung wegen des bei solchen Gelegenheiten üblichen Ceremoniells
Mitteilung mache. Der Gesandte hatte dem Wunsche Ausdruck gegeben,
„ab incognito einzukommen". In diesem Sinne benachrichtigte die Stadt
den Meyer, den Pfalz-Neuburgischen Obristlieutnant, Freiherm von Kolff,
dem als Vertreter seines Herrn das Recht zustand, den Gesandten das
militärische Ehrengeleit zu geben. Nachträglich aber berichtete der Haupt-
mann Bogardt, den die Stadt eigens zu dem Zwecke dem Ritter Temple
entgegengeschickt hatte, um von ihm zu erfahren, ob er feierlich em-
pfangen werden wolle, dass der Gesandte erklärt habe, „ex rationibus"
wünsche er ebenso wie die anderen Gesandten eingeholt zu werden. Als
nun dem Herrn von Kolff, der inzwischen „die fürstlichen Völker" hatte
abziehen lassen, die Mitteilung von der Sinnesänderung des Gesandten
gemacht wurde, „formalisirte er sich höchlichst darüber** in der Meinung,
die Stadt Aachen habe ihn absichtlich getäuscht, um ihn in der Ausübung
des Geleitsrechtes „zu retardieren". Er drohte, dass hierdurch der Ver-
4xag zwischen seinem Herrn und der Stadt „interrumpirt" werden solle.
In dieser Verlegenheit beschlossen Bürgermeister und Rat („zu Entfliehung
aller Misshelligkeiten, so bei diesem Zustand zu befahren") die feierliche
Einholung durch die Herren Bürgermeister für dieses Mal zu unterlassen,
dem Herrn Gesandten aber die Herren Hauptmann Bogardt und Oberst
von Friesheim entgegen zu schicken, die die Stadt „aufs beste excusiren"
>) S. Meyer, Aach. Gesch., S. 663; Haagen, Geschichte Achens, Bd. n, S. 274.
•) S. Anhang.
— 105 —
sollten, übrigens „wolbemelten herrn, wie anderen hcrren beschehen, mit
kanon und kammerschuss zu verehren" ^
Wie zu dem königlichen Hause von England, so hatte Gottfried von
Friesheira auch sehr nahe Beziehungen zum Hause Oranien, das durch
Heiraten* mit dem Hause Stuart eng verknüpft war. Im September 1681
erhielt Oberst von Friesheim in seiner Wohnung auf dem Alexianergraben
den Besuch der Prinzessin von Oranien. Bürgermeister und Beamte be-
schäftigen sich am 5. August 1681 mit den Empfangsfeierlichkeiten für
den hohen Gast und beschlossen: ,,dass beym einziehen der Königlichen
Princesse von Oranien die bürgerschaflft von Cölner-Pfortz ab bis ahn des
herrn Obristen von freissheimb behausung in armis und parade stehen,
der weg durch gross Cölnerstrass über Closter (so hiess früher Kloster-
gasse und Klosterplatz; vgl. Pick, Aus Aachens Vergangenheit, S. 223)
und Parfiss genohmen und ohne einich schiessen mit wehr beschehen,
sondeni nur mitt Canon und Cammer dass salut geben werden solte*^.
üeber den Besuch der Prinzessin von Oranien berichtet ganz kurz
auch die kleine sogenannte Schricksche Chronik oder „Verzeichnuss Wass
sich alhier Binnen dieser Stadt Aachen Innerhalb 23 Jahren Zugetragen
hatt, als anfangent 1666 bis 1689 adi". Hier heisst es zum Jahre 1681:
„5 Sept. Kam die Princess von Oranien hierin .... 12 dito Marschirte
die Princessin von Oranien hinweg"*. Der Name der Prinzessin von
Oranien ist weder in dem Beamtenprotokoll noch in der Schrickschen
Chronik angegeben; man hat wohl an die Gemahlin Wilhelms in., Maria,
die Tochter König Jakobs II. von England, welche nachmals Königin von
England wurde, zu denken ^
Oberst Gottfried Freiherr von Friesheim starb in hohem Alter im
Juli 1683, nachdem ihm seine Gemahlin im August 1682 im Tode vorauf-
>) Beamtenprot. vom 27. April 1668 (Bd. XXXX, S. 261 ff.). — Eine Notiz in
dem Beamtenprotokoll vom T.November 1668 (Bd. XXXX, S. 280) lautet: -Dem Herrn
Obristen von freissheimb sollen wegen des Englischen Ambassadorn Tempels von gebrawenen
weissen Bier guctgethan [werden] sechssig gl. aix. — Nach dem Beamtenprotokoll vom
22. Februar 1691 (Bd. XXXXTTT, S. 287) wurde dem Syndikus Lipman aufgegeben „ein
höffliches schreiben an Ihre Majestät König in Engellandt, wie weniger nit ahn h. Obristen
von freisheim einzurichten gestalt derselbe sich gefallen lassen wolle ersagtes schreiben
behorig orthss zu adressiren". Der hier genannte Oberst von Freisheim ist zweifelsohne
der Sohn des Obersten Gottfried, Johann Theodor von Freisheim, welcher in den Dienst
des Prinzen Wilhelm in. von Oranien, Erbstatthalters von Holland, der im Jahre 1668
auf den königlichen Thron von England erhoben wurde, getreten war. üeber ihn s. unten
S. 108 ff.
*) Karls II. Schwester Maria war die Gemahlin Wilhelms n., Prinzen von Oranien,
und der ans dieser Ehe hervorgegangene Sohn, Wilhelm III. von Oranien, heiratete 1677
Maria, die älteste Tochter Jakobs II. von England, des Bruders und Nachfolgers Karls 11.
*) Beamtenprot., Bd. XXXXII, S. 138.
*) von Fürth, Beiträge und Material zur Geschichte der Aachener Patrizierfamilien,
Bd. U, 8. Abteilung, 2. Anhang, S. 181.
*) Wenige Tage nach dem Besuch der Prinzessin von Oranien wurde dem Oberst
Gottfried von Friesheim eine Enkelin geboren, zu deren Taufe als Patin geladen war
und persönlich erschien: „Charlotte, Ihre Durchlaucht die Verwlttibte Frau ChurfUrstin
zur Pfalz". S. Macco a. a. 0., Bd. n, S. 85, Anm. 2.
— 106 —
gegangen war^ Die Söhne wandten sich wie der Vater der militärischen
Laufbahn zu und brachten es hier zu hohen Stellungen. Der älteste von
ihnen, Johann, geboren 20. Dezember 1630, der im Jahre 1658 den Rang
eines Obristwachtmeisters im Regimente des Obersten Georg Friedrich von
Sparr^ im Dienste Kaiser Leopolds bekleidete, weilte im Mai genannten
Jahres in Aachen, um Mannschaften für sein Regiment anzuwerben. Ob-
gleich Leopold ihn mit einem Empfehlungsschreiben^ an Bürgermeister
und Rat der Stadt Aachen ausgerüstet, und sein Minister von Lamboy
in demselben Sinne an die Stadt geschrieben hatte, wurde die Werbung
Anlass eines ernstlichen Konfliktes. Die Ursache ist nicht völlig aufgeklärt,
doch scheint es, dass ein Aachener, Zander Cornelissen, seines Zeichens
ein Zimmermann, unter Schmähreden gegen Leopold die in seinem Namen
veranstaltete Werbung verächtlich zu machen suchte und dadurch den
Zorn des Oberstwachtmeisters Johann von Friesheim so gewaltig reizte,
dass er gegen ihn den Degen zog, den Fliehenden verfolgte und ihn in
dem Hause „zur Maus" auf dem Münsterplatze niederstiess. Bürgermeister
und Rat der Stadt wollten diese Rechtsverletzung nicht ungeahndet
lassen, sondern thaten Schritte zur Ergreifung Johann von Friesheims und
suchten zu hindern, dass er mit den bereits angeworbenen Truppen die
Stadt verlasse. Der Vorfall hatte sich am 4. Mai zugetragen; am 6. Mai
protestirte Oberst Gottfried von Friesheim Namens seines Sohnes in Gegen-
wart dreier Offiziere des von Sparrschen Regiments auf dem Rathause gegen
die Massnahmen der städtischen Behörde und verlangte freies Geleit für
seinen Sohn zur Abführung der angeworbenen Truppen. An demselben Tage
fassten die Bürgermeister und Beamten folgenden Beschluss:
1658, Mai 6. Obwohl der Obrister Freissheimb sich heut dato vor
herren Burgermeist^ren und Beambten angeben und namens seines sohus
*) Nach den Begräbnisregistern der Alexianerbrüder, die auf dem Aachener Standes-
amte aufbewahrt werden, wurde Oberst von Friesheim am 9. Juli 1683, seine Gemahlin
am 1. September 1682 begraben.
*) Georg Friedrich von Sparr gehörte einer angesehenen, wahrscheinlich aus
Schweden stammenden Familie an, aus der im 17. Jahrhundert mehrere tüchtige Generale
hervorgingen, so Ernst Georg, Graf von Sparr, Kaiserlicher General-Feldzeugraeister, der
unter den verschiedensten Fahnen sich kriegerische Lorbeeren errungen hat, und inbesondere
Otto Christoph, Freiherr von Sparr, Kurfürstlich-braudenburgischer Generalfeldmarschall,
der als tüchtiger, zuverlässiger, namentlich im Geschützwesen erfahrener Führer von dem
grossen Kurfürsten mit Recht sehr hochgeschätzt wurde. (S. Allgemeine Deutsche Biographie,
unter Sparr.) — ücber Georg Friedrich von Sparr s. auch S. 108, Anm. 1.
^) In diesem Schreiben, welches das Datum, Pilsen den 5. Februar 1658, trägt, heisst es:
„Demnach wür zu mehrer Versterckhung unserer armada unseren under den sparischen
Regiment Obristen Wachtmeisteren Johann von freissheimb eine gewisse Werbung zu
fuess aufgetragen haben, Alss ersuchen wür Euch hiemit freund tgnediglich, Ihr wollet
gedachten Obristwachtmeisteren Johann von freissheimb oder seine dessentwegen aus-
schickenden officier nicht allein die freye Werbung verstatten, sondern auch darzue allen
gueten Vorschub und hilifliche Handt biethen. . ." Die Unterschrift lautet: Leopold, König
von Böhmen und Ungarn und Erzherzog zu Oesterreich. (Leopold I. wurde erst am 18. Juli
1658 zum Kaiser erwählt und am 5. August gekrönt; König in Ungarn war er bereits seit
1655.) Lamboys Brief ist aus Prag vom 12. Februar 1658 datirt. Beide Briefe be-
finden sich auf dem städtischen Archive.
— 107 —
dess Obrii^ten Wachtmeisters Johanssen von Freissheimb (welclier vorgisteren
nachmittags in der Mauss in eines Burgers hauss einen Zimmerman nieder-
gestochen) frey gleidt zu abfuhrung seiner Volker zu Behuef Ihrer
Konigen in Ungarn zu ertheilen begert, zugleich auch protestirt, dass man
zu ergreiffung wohlgemeltes seines sohns die haxschalen (?) in seinem hauss
geschicket hette. So haben herren Beambten, den Pralen punctum wegen
des gleidts weilen dieser actus zumal exorbitant und der Statt und Bürger-
lichen Privilegien zuwieder lauft, zu Einem Ehrbarn Raht verwiesen,
sonsten sich erklert, dass sie erleiden mögten, dass die geworbene Volker
durch den officiren stündlich abgefürt würden, welches dem Obristen Freiss-
heim per Secretarium also angezeigt worden. Wie nun derselb mit dieser
der herren Beambten Erklehrung nicht zufrieden sondern umb ferner per-
sohnlich gleidt seines sohns angestanden, ist es bey vorigen antwort ver-
plieben, wargegen bemelter Obrist protestirt und verlauten lassen, wan
bey so beschaffen Sachen, einige fernere Soldaten verloren gehen werden,
dass er und sein söhn den abgang an die Verursachere zu suchen bedacht
were, dass er sonsten viele gehessige Leut dahie hette, solches wiesse der
effectus auss^
Der Bat trat der Auffassung des Magistrats bei und beschloss am
8. Mai 1658: „Ein Erbar Kahtt last es bey der hh. Bürgermeister und
Beambten Schluss wegen des wieder den Obristen Wachtmeister Johann
von freissheimb abgeschlagenen gleides, noch zur Zeitt bewenden*'*. Jetzt
griff Oberst Georg Friedrich von Sparr zu Gunsten seines Oberstwacht-
meisters ein; er eilte von Köln nach Aachen und richtete am 14. Mai ein
Schreiben ^ an die Bürgermeister, in dem er kategorisch sowohl freien Ab-
zug für seinen Oberstwachtmeister und seine Kompagnie samt Bagage und
Zubehör als auch Bestrafung des oben genannten Zimmermanns verlangte.
Am Schlüsse seines Briefes erklärt Oberst von Sparr, er erwarte schleu-
nigste Antwort, da er im Begriffe stehe, „zu Pferde zu sitzen"; die Bürger-
meister würden, indem sie seinen Wünschen Folge gäben, sich selbst
und ihm „viele Weitläufigkeiten abschneiden". Diesem so bestimmt ausge-
sprochenen Ersuchen hat der Magistrat wohl entsprechen müssen; war
doch in jenen kriegerischen Zeiten bei den trostlosen Zuständen im deut-
schen Reiche die bürgerliche Gewalt der militärischen gegenüber machtlos.
Aber man verlangte doch eine Entschädigung des verwundeten Zimmer-
manns, und zwar hielt man sich an den Vater des inzwischen abgezogenen
Oberstwachtmeisters. — „In Sachen" — heisst es in dem Beamtenprotokoll
vom 12. Juli 1658* — Zandern Cornelissen und den herrn Obristen God-
darten von freisslieimb eines und andern Theilss haben hh. Bürgermeister
und Beambten über vorigen ertheilten mündlichen Bescheideren | : dass
Er nemblich den durch söhn h. Johannen von freissheimb verwundeten
Cornellischen befriedigen solle: | die Execution erkandt und solle
^) BeamtonprotokoUe Bd. XXXIX, S. 79.
») Ratspro tükolle, Bd. I, S. 156.
*) Dasselbe befindet sich im städtischen Archive.
*) Beamtcnprotokolle Bd. XXXIX, S. 85.
— 108 —
Ein herr Ein lierr sein und den Ungehorsamen zum Gehorsam
pringen".
Zehn Jahre später nahm Johann von Friesheim, der inzwischen zum
Generalwachtmeister aufgerückt war, im Dienste der Republik Venedig
auf Kreta an den Kriegen gegen die Türken teil, in denen Angehörige
aller Nationen auf das heldenmütigste, aber dennoch ohne Erfolg, für den
christlichen Glauben und christliche Kultur und Gesittung kämpften. Zwei
Brüder Johann von Friesheims, Wilhelm Heinrich und Johann Theodor,
hatten Kompagnieen in dem Regimen te Johanns, doch hat Johann Theodor
an dem Feldzuge wohl kaum teilgenommen ; an seiner Statt führte ein Haupt-
mannsverwalter (Laurentio Bartholomaei) die Kompagnie ^ 20 Jahre lang
hatten die Türken auf Kreta Krieg geführt, 4 Jahre lang dauerte die
förmliche Belagerung Kandias, des am stärksten befestigten Platzes und
letzten Stützpunktes der venetianischen Macht auf der Insel, bis endlich
am 7. (17.) September 1669 nach hartnäckigster Verteidigung der Rest
der christlichen Besatzung in ehienvoller üebergabe die Stadt räumen
musste. Schon einige Monate vorher war in den heissen Kämpfen um das
Fort St. Andreae Johann von Friesheim gefallen ^,
Der jüngste Sohn Gottfried von Friesheims, Johann Theodor^, geb.
7. Oktober 1642, dessen oben bereits mehrfach gedacht worden ist, trat in den
*) Prozessakten Buirssgen/Freisheira (Stadt. Archiv). S. auch die folgende Anm. —
Die „ausländischen Völker** im Dienste der Republik Venedig standen unter dem Befehle
des früheren Obersten Johann v. Friesheims, des Generals Georg Friedrich von Sparr, der bei
der Belagerung Kandias neunmal verwundet und späterhin zum Kaiserlichen General-
Feldmarschall-Lieutenant erhoben wurde (S. Zedier, Universallexicon unter Sparr).
^) Auf Ersuchen Gottfrieds von Friesheim, des Vaters Johanns und auf dienst-
eidliche Versicherung des Schöffen Johann Wilhelm von Berchem und des städtischen
Artilleriehauptmanns Jakob Savelsberg bescheinigen Bürgermeister, Schöffen und Rat
am 6. April 1669, dass der „illustris et generosus dominus Joannes baro a Freisheim
piae memoriae, quondam sacrae Caesareae majestatis colonellus et generalis vigiliarum,
qui nuper in servitio serenissimae Venetorum reipublicae in praesidio
Candiae contra hostem Christiani nomiuis militando occubuif, ein ehelicher
Sohn des Gesuchstelle rs und seiner Frau Katharina Amia sei. Wenige Tage später (am
13. April 1669) bescheinigen dieselben Behörden gleichfalls auf Ersuchen Gottfried von
Friesheims, dass in Aachen und Umgegend keine ansteckende Krankheit herrsche. Dieser
Bescheinigung bedurfte der Antragsteller, da er mit seinem Sohne Johann Theodor —
offenbar aus Anlass des Todes Johann von Friesheims — nach Italien zu reisen beab-
sichtigte. Gottfried von Friesheim selbst war bei den grossen Werbungen der Republik
Venedig finanziell beteiligt (S. auch Prozessakten Bürssgen/Freisheim auf dem städtischen
Archive) und hatte noch im Jahre 1675 einen Geschäftsführer in Venedig. Am 26. August
dieses Jahres nämlich erklärte Gottfried von Friesheim vor den Bürgermeistern, Schöffen
und Rat, dass sein Mandatar und Geschäftsführer zu Venedig, Abraham von Colin,
jüngst verstorben, und damit das diesem am 9. Februar 1675 vor dem hiesigen Magistrat
ausgestellte „mandatum ad recipiendum a serenissima republica Venetiana ipsi domino
comparenti adhuc restantia debita" erloschen sei, und ernannte zugleich zu neuen Bevoll-
mächtigten Laurenz und Simon Charles.
^) Bei Macco a. a. 0. Johann Die der ich genannt; Taufpaten waren: Johann
Diederich, Graf von Merode (S. Anhang zu S. 102), Daniel Amya, Johann von Bour,
Baro de Frankenberg, Paulus Roemer doctor, die Edelgeborene Anna von Stein-Kallen-
fels, Maria Seulain und Susanne de Beurre.
— 109 —
Heerdienst der Generalstaaten in Holland ein und bekleidete im Jahre 1680
den Rang eines „capitains onder die guarde von syn hocheyt" K Im zweiten
Jahre des spanischen Erbfolgekrieges, am 7. November 1702, zog er, der mitt-
lerweile Generalmajor geworden war, an der Spitze holländischer Truppen
in das Aachener Gebiet ein, um sehr gegen den Willen der Bürger und
der derzeitigen städtischen Behörden in der Stadt Winterquartier zu nehmen.
Wie in so vielen Fällen, weigerte sich die Stadt erfolglos, die holländischen
Truppen, denen bald noch preussische folgten, aufzunehmen. Im Einzelnen
berichtet über diese Vorgänge ausführlich die Chronik des Bürger-
meisterei-Dieners Janssen, wo es zum Jahre 1702 heisst: „Den 7'®° 9^*^^*
ist der general freissheim von die staeten mit 3000 man Reuter und fusser in
reich von Aachen (eingerückt) und heilt sich 8 tag darein auff und thäte
grossen schaden, und den 14 9"'^*'' komt dieses folck bis an pont Pfortz
und wolte parfors in der statt sein, die h h™ hielten die thor verslossen
konten aber dass accordt nitt einig werden, da bleib dass folck vor Pont
pfortz liegen, des nachts und haben groossen Schaden in die benten, an
Haagen, bäum alles abgehauwen und feur davon gemacht dai-auff dan des
aben alle burgerschaft in gewähr und auff die wäll gute wacht gehalten,
und diese habens halt nit besser gemacht, dan sie nahmen auch dass holtz
und bonestecken auss die gartens und Machten auch feur davon, darüber
komt der Kayserl. Commissarius von luttich in der Nacht durch dass Volck
nach sandtkoul pfortz zu, so unterreden sich unsere h h*" mit ihm und seindt
dess accordts einig worden, und das volck komt den 15. 9^^** zur statt
hinein und blieben hier in winter garnisonn, dan sie hatten im Nahmen
des Kaysers ihre function wohl gedahn" *. Es ist nur zu begreiflich, wenn
die Stadt sich mit allen Mitteln sträubte, Trappen, auch wenn sie, wie in
diesem Falle, einer befreundeten Macht angehörten, für den Winter in ihre
Mauern aufzunehmen. Denn abgesehen davon, dass die Anwesenheit der
Soldaten mannigfache Belästigungen für die Bürger mit sich bringen
musste, so waren auch stets grosse Geldopfer für die Stadt mit den Ein-
quartierungen verbunden. So auch im Winter 1702/3. Von manchen Miss-
helligkeiten und Streitigkeiten über die beiderseitigen Verpflichtungen
berichten die städtischen Beamtenprotokolle ^; Interesse dürfte auch folgende
Notiz erwecken, die dem Protokoll vom 8. Januar 1703^ entnommen ist,
„ferner sint h. Rhentmeister Heidtgens und h. Weinmeister von Eschweiler
deputirt worden, gestalt dem h. Generalmaior freiherrn von freissheimb
ahnstatt Eines neuen Jhars 100 Ducaten zu praesentiren, wie dan auch
dem Maior de la place 2 souverainen zu verehren". Solche Ehren-
gaben wurden nach Ausweis der Beamtenprotokolle in jenen Zeiten hoch-
stehenden Persönlichkeiten sehr oft dargebracht; sie entsprangen in den
weitaus meisten Fällen gewiss nicht dem freien, unbeeinflussten Willen des
*) Nämlich des Prinzen von Oranien. (Amtliche Zeugnisse des Aachener Magistrats
auf dem städtischen Archive; Macco a. a. 0., II, S. 35; vgl. auch oben S. 105, Aum. 1.)
') y. Fürth, Beitr. und Material z. Gesch. der Aachener Patrizierfamilien, III, S. 26.
«) Bd. XXXXV, S. 121, 126, 135, 137, 188, 146.
*) Beamtenprotokolle, Bd. XXXXV, S. 182.
— 110 —
Gebers, sondern waren vielmehr eine Unsitte, eine drückende Verpflichtung,
der die städtische Behörde, ohne Nachteile für die Stadt fürchten zu
müssen, sich nicht entziehen konnte^.
Im Frühjahr 1703 zog General Johann Theodor von Friesheim mit
seinen Truppen gegen Bonn, die Residenz des mit Frankreich verbündeten
Kurfürsten und Erzbischofs von Köln, Joseph Klemens, und nahm teil an
der Belagening dieser Stadt, die am 14. Mai nach vorausgegangenen Ver-
handlungen mit dem französischen Kommandanten Marquis d'Alegre von den
Holländern besetzt wurde.
Auch in den folgenden Jahren des spanischen Erbfolgekrieges nahmen
vielfach Truppen der kriegführenden Mächte in Aachen Winterquartiere;
wiederholt gingen zu Beginn des Winters Deputirte der Stadt zur Haupt-
armee, um mit den Generalen persönlich zu verhandeln und Befreiung von
der Last der Winterquartiere zu erlangen — meist vergeblich. In einigen
Fällen wurde den Deputirten aufgegeben, sich u. a. auch an den General-
major von Friesheim zu wendend '
*) Wie 1703 Herrn Generalmajor von Friesheim, so wurden 1704 dem Grafen von
Dobna, dem Befehlshaber der in diesem Jahre in Aachen im Winterquartier liegenden
Truppen, seitens der Stadt ein Neujahrsgeschenk von 100 Dukaten gemacht. Am
5. Januar 1704 beschlossen Bürgermeister und Beamte, „dass hiesigem herm Comman-
dant^n, dem Grafen von Dohna mit einer Recognition von 100 Ducaten in Golt als wie
dem Herrn Generalmaior von Freissheimb beschehen ahn Handt gangen auch demselben
sein hier frey zu brauen vcrstatlet werden solle". (Beamtenprotokolle, Bd. XXXXV, S. 190.)
— Ein ebenfalls recht ansehnliches Geldgeschenk, 1000 Eeichsthaler, dazu noch ein Fuder
Wein, erhielt 1689 von der Stadt der brandenburgische Generalmajor Friedrich von
Heyden, der mit seinen Truppen am 10. November 1689 in Aachen Winterquartiere bezog.
Zugleich beschloss der Magistrat, der Gemahlin desselben einen Spiegel oder ein Stück
Silberwerks zu verehren. (Pick, Aus Aachens Vergangenheit, S. 589.) — Denn nicht nur
bares Geld, sondern auch Waffen (Pistolen), Pokale, „Drankgeschirre", Geräte aus Kupfer
(z. B. Kronleuchter) oder Silber (z. B. Lampetschüssel) und vor allem Wein wurden als
Geschenke an hohe Personen gegeben. Die Wein Verehrungen aus den Jahren 1662—1779
hat Pauls, Zur Geschichte des Weinbaues in der Aachener Gegend, (Zeitschrift des
Aachener Geschichtsvereins, Bd. VII, S. 270 if.), auf Grund von Auszügen aus den
Beamtenprotokollen zusammengestellt. Daselbst heisst es, dass am 30. Januar 1703, in
demselben Jahre, in welchem dem General von Freisheim „anstatt eines neuen Jahrs" 100
Dukaten verehrt wurden, die Herren Weinmeister deputirt wurden, dem „Brigadier Major
von Zobell ein Vässgen Wein anstatt eines neuen Jahrs, Frantzen Wein auszusuchen", und
4 Tage nachher, am 3. Februar 1703, wurde beschlossen, dass durch den Kapitän Bogart
„hundert Bouteillen wissen, fünfzig Champagner und fünfzig Borgongsche Weins dem
H. von Zobel praesentirt werden sollen". — Ein Älal hören wir auch von der Ablehnung eines
angebotenen Geldgeschenks. Die betreffende Stelle in den Beamtenprotokollen (Bd. L) lautet:
„Sambstag den 9**^" 7^*"'' 1758 (Kleins Raths) ist beschlossen, dass dem frantzosischen Commis-
sario h. De la saal, welcher von seiner Excellence h. Marschall De Contades am 24***" jüngst
(umb sich mit dem hannoverischen Commissario wegen sicheren Geschäften zu Unterreden)
hiehin geschickt worden, sich dahier ettwan 6 wochen auifgehalten hatt, Undt übermorgen ab-
reysen wirdt, wegen einigen den herm burgermeisteren Undt beambten insbesonders bekanten
Ursachen, Ein hundert güldene Ducaten durch Regierenden h. burgermeistem von Oliva
selbst zum present gemacht werden solln — non voluit acceptare — nur allein ein
klein präsentgen von thee Undt Nehnadeln ahngenohmen.
«) Beamtenprotokolle, Bd. XXXXV, S. 164, 230.
— 111 —
Johann Theodor von Friesheim scheint später seinen. Aufenthalt
dauernd in Holland genommen zu haben; er starb als General der Infanterie
der Generalstaaten, 91 Jahre alt, im Jahre 1733 ^
Anhang.
Zu Seite 102.
Der Dürener „Vergleich" lautet nach der auf dem städtischen Archive befindlichen
Ausfertigung vollständig so:
Demnach Sich die Statt Aachen wieder alle hoflfnung biss anhero nicht accomodiren,
und zu einem Nachbarlichen Vergleich verstehen wollen, under dessen aber dem Landt
und Reich von Aachen mit Blunderungh, Raub, Mordt und Brandt nicht geringer Schade
zugefuegt worden. Dahero gedachtes Reichs von Aach Eingehorrige ohne Zuthucn der
Statt ursach genohmen zu vcrhuetung ferneren und groesseren Ruins die hochwollgeborenen
Edlen und Ehrwürdigen Graven und herren herm von Merode de Hoffalize herrn zu
franckenburgh h. Gottfrid von freissheim, Rittmeistern und Johannes Schmidtz pastom
in hären zu »mir anhero mit genügsamer Volmacht abzufertigen umb in ihren und dess
reichs von Aach nahmen Einen gewissen vergleich, und zu erhalttung guter Nachbar-
schaft mit mir zu treffen, Also und dergcstaltt dass die eingehorrigcn dess Reichs von
Aach bey hauss und hoff auch ufifm feldt, und wo Sie sunsten zu verrichten haben
wurden Jedesmahlss geruhigh und unperturbirt gelassen und aller orten und enden frey
sicher und ungehindert passirt werden mögen, Massen dann Endtlich nach langer ünder-
redungh dahin verglichen worden, da die herren Abgeordneten Crafft habender Volmacht
in Nahmen dess Reichss von Aachen Eingehorrige (Warunder aber die Statt Aachen
durchauss, noch dero Burgerschafft nit begriffen Sonderen aussgeschlossen und zu Ihr Excell.
dess herm General Lieutnants Graven von Guebriants Respect mit derselben zu tractiren
vorbehalttcn sein soll; zu erhalttungh gutter Nachbarschaft, Ein vor alle mahll diessen
alhier logirenden Regimentern zum besten Vier Tausendt Reichssthaller Innerhalb acht
Tagen gewiss und unfhelbar zu entrichten vcrwi lüget, Mitt diesser Gegenversicherung
dass von Jetzt ahn, und hinführe keine ferneren ansprach oder forderungen an dass reich
von Aachen gethan. Sonderen alles unheil, und biss anhero vergangene Hostilitäten Alss
Blunderen, Rauben, Morden und Brennen, von den Eingehörigen abgeschaffet, und also
in allem gute Nachbarschaft gepflogen werden solle, über dass weillen auch die Under-
thanen in treibungh ihres gewerbs, So woll auss- alss Innerhalb dess Reichs zu schaffen
haben, So soll dennen zu Wittem und Wilhelmstein liegenden officiren Ernstlich anbevohlenn
werden, dass Sie alle und iede dess Reichss von Aachen Underthanen Jedesmahlss aller
orten und enden frey, sicher und unangefochten passiren und repassiren. Auch alle
freundtschaft mitt crtheilungh pass, und anderen dha Sie dessen von Noethen haben
wurdenn, widderfahren lassen sollen. Und nachdeme vor diessem getroffenen vergleich von
dem Reich Aachen underscheidtliche gefangene hinwegh gefuhrt worden; So Ist auch dess
fhalss abgeredt und beschlossen, dass Solche, gegen eine Leidentliche Rantzion widerumb
frey, ledig, und loss werden sollen Und Im fhall sich auch zutragen wurde, dass ahn
Einen und anderen dess Reichs Aachen ortt, oder underthanen Ettwass gewalttsames
verübet werden soltte. So Soll dasselbe Nicht allein reraedyrt: Sonderen auch die Thätter
zu gebührender Straff getzogen werden, dass nun diesses wie obstehet desto besser und
vester gehaltten werden möge, Ist diesser vergleich doppelt, und Eines lauts aussge-
fertiget, und von beiden Theilen underschrieben worden, Signatum Deuren den 6. Aprilis
a«» 1642.
Unterschriften: Reinholdt von Rosen, v. Merode de Hoffalyze Frankenburg, Gode-
frid von freisheim, Arnoldus Schmitz, Pastor in haaren. (Die drei Erstgenannten haben
ihrer Unterschrift ihr Siegel hinzugefügt.)
*) Zedlers Universallexikon, Bd. IX unter Friesheim.
— 112 —
Arnold n,s Schmitz war der dritte in der Reihe der Haarener Pfarrer und verwaltete
die Pfarrstelle von 1635 bis 8. Dezember 1648. (Im Texte der Urkunde wird, abweichend
von der Unterschrift, dem Haarener Pfarrer der Vorname Johannes gegeben. Die Haarener
Bjrchenbücher kennen nur den Vornamen Arnold: Arnoldus Faber sive Schmitz.) Er war
ein geborener Haarener. Als dritter unter den von seiten des Reichs mit dem General
von Rosen zu Düren verhandelnden Notabein wird oben der „Graf und Herr von Me-
rode de Hoifalize zu Franckenburg" genannt. Herr zu Frankenberg war seit dem 21.
März 1633 Johann Diederich von Merode-Hoffalize, der im Jahre 1645 starb. Er begann
im Jahre 1637 den Wiederaufbau des völlig verfallenen Schlosses. In demselben Jahre
1642, wo zu Düren das Abkommen zwischen Rosen und den genannten Vertretern des
Aachener Reichs getroffen wurde, wurde wahrscheinlich das herrschaftliche Gebäude
zu Frankenberg fertiggestellt: oberhalb der Eingangsthüre ist das Familienwappen mit
der Jahreszahl 1642 angebracht. (S. Quix, Die Frankenburg. . Aachen 1829, S. 4, 16 ff.,
75.) Johann Diederich von Merode de Hoifalize und Gottfried von Friesheim waren be-
freundet; als in demselben Jahre 1642 dem letzteren ein Sohn geboren wurde, vrurde der
erstere Pate, und nach ihm erhielt das Kind auch die Vornamen Johann DiedericL (S. 108,
Anm. 3.) — Eine kurze Notiz über die Plünderungen der Rosenschen Truppen findet
sich in dem Begräbnisregister der Alexianerbrüder, das auf dem Aachener Standesamte
aufbewahrt wird, zum März 1642: „Anno 1642, den letzten Martii ist der Oberst Rosen
mitt ctwau 15hundert Pferden in dit reich kommen und hatt den 1. Aprill in der nacht
etzliche Meullen und heuser auff Collesteinwech in brandt gestochen, darunder S. Tomas
(-hof: unleserlich) item Dennewartzmeull, den huntzkirchhoff, die Fellmeullen des Abends
zwischen 7 und 8 Uhren". (Die Dennewaltsmühle lag „gegen das Elunckartshäuschen
über" [Mühlenregister auf dem städtischen Archive] ; Hundskirchhof [„Die Hundtskirfßger
Müll": Mühlenregister] ist noch heute der Name des gleichfalls auf dem Eölnsteinweg
gelegenen Gutes.)
Zu Seite 104.
Die Urkunde, durch welche Karl II. von England den Obersten Gottfried Frei-
herrn von Freisheim zu seinem Residenten in Aachen ernennt, hat folgenden Wortlaut:
(L. S.) Carolus Del gratia Angliae, Scotiae, Franciae et Hybemiae Rex, Fidei
Defensor etc. Omnibus ad quos praesentes iiterae venerint, Salutem. Cum Nos perpensis
serio verum momentis aequum censuerimus, ut in malus Nostri commodum et utilitatem
aliquis a Nobis constituatur, qui rebus Nostris prout vel occasio tulerit, vel Nostra exi-
gerint Mandata, Aquisgrani sedulus invigilet: Sciatis quod Nos perspecta diu habent^s
tum maturam Nobilis et dilecti Nobis viri Gothofredi Baronis de Freisheim prudentiam
et merita, tum afifectum in Nos et Nostra non vulgarem [cujus utriusque saepius alibi
in Nos edidit specimina] Eundem Baronem de Freisheim nominaverimus et constituerimus,
et literis hisce Nostris nominamus et constituimus Ablegatum Nostrum Residentem in
praedicta urbe Aquisgranensi. Eidemqne pleuam protestatem authoritatemquc facimus et
concedimus praedicto Residentis munere fungendi, nee non privilegijs, honoribus et
immunitatibus omnibus quae ad idem pertinent, quocunque nomine aut appellatione enun-
cientnr, aequo plane iure cum alijs quibusque Residentibus fruendi. Volumusque insuper
et edicimus omnibus Fidelibus subditis Nostris, Amicos vero et Confederatos quoscunque
Nostros rogamus et pro Amicitiae iure exoramus, ut praedictum Baronem de Freisheim
eo porro loco et honore dignentur, quam fas est sibi vendicare Nostrum Residentem.
Datum in Palatio Nostro Westmonasteriensi die Decembris 2. A" Dni 1660 regnique
nostri Duodecimo.
Carolus R.
Ad Mandatum Seren™* Dni Regis
FA. Nicholas.
Eine Abschrift der Urkunde befindet sich im städtischen Archive.
DULCK VON IIkIUIANN KaATZKU in V^JMUlUi,
M^M@h%us ¥@>9rs§li
Jährlich 8 Nummern Kommissions -Verlag
a 1 Bogun Royal Oktav. ''*''
Cremcr'^chcn Buch handhing
Preis des Jahrgangs K j^jj^l
4 Hark. iu Aachen.
Mittheilungen des Vereins für Kunde der Aachener Vorzeit.
Im Auftrage des Vereins heraasgegcben von B. Sohnook.
Ächter Jahrgang.
Inhalt: C. Rbntti, Di^r liheinatigu malerische Wandschmuck im karuIingiäehcQ Tbeile des
Aachener Münsters, — Bericht über das Vereinsjahr 1B94— 05. — Vorzeichniss der Mitglieder.
Der ehemalige malerische und plastische Wandschmuck im
karolingischen Theile des Aachener Münsters.
Von Anfang ari hat die Kirche die Kunst, (He Dante so schön und
wahr eine Enkelin Gottes nennt, in den Dienst ihres Kultus gestellt. Zeugen
dessen sind die bis ins zweite, ja erste Jahrhundert nach Christus hinauf-
reichenden Ueberrcste all christlicher Malerei und Skulptur in den Kata-
komben. Doch zur vollen und reichen Entfaltung konnte die Kunstthätigkeit
in der Kirche erst gelangen, als dieselbe durch das Toleranzedikt KoDstantiuä
des Grossen im Jahre 313 aus der unwürdigen Lage einer rechtlosen
Sklavin in die einer freigeborenen Himnielstorhtor gebührende Stellung
erhoben wurde. Nun bedeckte sich gar bald der Boden der christlich ge-
wordenen Welt mit herrlichen Basiliken, deren Altären und liturgischen
Geräthen und Gewändern der Stempel der Kunst aufgedrückt war, deren
Kuppeln, Wände und Fussböden in vielfarbigem niuaivischem Schmucke
erglänzten. Dass auch das weithin berühmte Liebfrauenmünster iu Aachen
einer solchen Mnsaikverzierung nicht entbehrt hat, ist wohl unter den
obwaltenden Verhältnissen, auch wenn keine Kunde davon bis zu uns
gedrungen wäre, anzunciimcn. Ob aber sclion Karl der Grosse oder erst
sein Sohn und Nachfolger Ludwig der Fromme das Münster in dieser
Weise ausgestattet hat, ist eine nicht völlig aufgeklärte Frage. Einliard,
der begeisterte Biograph Karls, der in seiner vita Caroli, Alles aufzuzählen
pflegt, was seinem kaiserlichen Herrn zum Ruhme gereicht, berichtet im
26. Kapitel wohl, dass Karl seine Lieblingsschöpfung „auro et argento et
— 114 —
luminaribus atque ex aere solido cancellis et januis" geziert, und Säulen
wie Marmor aus Rom und Ravenna habe kommen lassen, erwähnt aber
nirgendwo einer musivischen Wandbekleidung. Wenn dann aber weiter in
dem Briefe Hadrians^ an Karl, unter den aus dem Palast zu Ravenna
geschenkten Gegenständen die „musiva" ausdrücklich genannt werden, so
dürfte aus dem Schweigen Einhards hierüber geschlossen werden können,
dass die „musiva" erst unter Ludwig dem Frommen an Ort und Stelle
angebracht worden sind. Die üeberlieferung, dass ein italienischer Mönch
die Mosaiken ausgeführt habe, gewinnt an Wahrscheinlichkeit bei der
Erwägung, dass in Italien zu jener Zeit diese Kunst wenn auch bereits
im Sinken begrilien, noch vielfach geübt wurde, und dass die unter Karl
dem Grossen angeknüpfte Verbindung mit dem päpstlichen Hofe auch unter
Ludwig dem Frommen noch rege fortbestand und die Ueberlassung italienischer
Künstler erleichterte.
Die Frage, welche nun zunächst der Lösung harrt, ist die nach den
Theilen des Münsters, die im 9. Jahrhundert mit Mosaik verziert worden
sind. Der ehemalige Kanonikus an der Münsterkirche und Geschichtsschreiber
Aachens Peter & Beeck erzählt in seinem „Aquisgranum", dass zu seiner
Zeit (1620) die Mosaiken noch dunkel an dem Gewölbe des Eingangs der
Kirche an der Wolfsthür, deutlicher an einigen Fensternischen, am voll-
kommensten aber an der Kuppel und dem Innern Hauptgewölbe des Central-
baues, das über der Hängekrone in der Mitte der Kirche ist, zu sehen
gewesen wären. Wir werden wohl nicht fehl greifen in der Annahme, dass
auch in dem zu ä Beecks Zeiten längst verschwundenen karolingischen
Chorbau die Mosaiken nicht gefehlt haben. Man hat zwar, gestützt auf
die dehnbare Bemerkung k Beecks, „die Kirche sei im Innern mit Malereien
von Mosaikarbeit in buntfarbigen Bildern, welche Geschichten aus dem
alten und neuen Bunde darstellten, ehemals allenthalben bekleidet und
bedeckt gewesen" * angenommen, dass die Innern Wände des Oktogons
ebenfalls musivisch ausgestattet gewesen seien.
Dagegen spricht der Umstand, dass man im Gegensatz zu den Fenster-
laibungen auf den innem Wänden keine Spur von Mosaik entdeckt hat,
während derselbe doch hier sich leichter und besser als dort erhalten haben
würde. Ferner muss darauf aufmerksam gemacht werden, dass die Innern
Wandflächen beim Bau des Oktogons sofort ausgefugt worden sind, was
wohl niclit geschehen wäre, wenn sie zur Aufnahme von Mosaiken bestimmt
gewesen wären. In Italien war es Sitte die Mosaikbilder an besonders
lichtvollen Stellen wie z. B. den Fensterlaibungen in Medaillonsform anzu-
bringen; dasselbe düifte auch hier der Fall gewesen sein. Während wir
über die bildlichon Darstellungen der Mosaiken im Gewölbe der Vorhalle,
in den Fensterlaibungen und im alten karolingischen Cliore absolut keine
Nachrichten haben, besitzen wir von dem Kuppelbild ausser der Beschreibung
ä Beecks eine Zeiclinung Ciampinis, die von Aachen aus an ihn nach Rom
gesandt wurde, und welche dieser Gelehrte in seinem grossen Werke über
*) Epist. 36 apud Dom. Boquet et Baronius.
*) Aqiiisicraiinin. Ucbersetzuug vou Käntzelcr S. 78.
— 115 —
Kirchen und Mosaiken, in Kupfer gestochen, veröffentlicht hat. Die Zeichnung
stellt die auf dem Throne sitzende majestas Domini dar, der die Aeltesten,
welche sich von ihren Stühlen erhoben haben, ihre Krone darreichen.
Die Darstellung ist durchaus mangelhaft und fehlerhaft, was unschwer
nachzuweisen ist.
Ciampini, durch die Zeichnung irre geführt, nimmt an, dass in der
Kuppel statt der 24 Aeltesten der Apocalypse nur 12 zur Darstellung gelangt
seien, ja er beweist sogar in weitschweifiger Weise, dass dies in wahrer
Würdigung der symbolischen Bedeutung der Zwölfzahl gar nicht anders
hätte geschehen können. Und doch zeigt ein Blick auf das Bild, dass in
Wirklichkeit nicht 12, sondern der hl. Schrift entsprechend 24 Aelteste
angebracht waren. Hätte der Zeichner den Krcisbogentheil, welcher dem
mittleren zunächst liegt, bis zum horizontalen unteren Randstrich der
Zeichnung herabgezogen, so würde er auch in diesem Felde noch Raum für
den dritten Aeltesten gefunden haben, da . er aber diesen Bogen in dem
Seitenrandstrich der Zeichnung aufliören lässt, so wurde der Raum für den
dritten Aeltesten abgeschnitten. Ciampini hat dies nicht gefunden, und
da er in den beiden Nebenfeldern nur zwei Aelteste stehen sah, hat er
daraus gefolgert, dass in der Kuppel nur 12 Aelteste sich vorgefunden
haben, was unrichtig ist. ä Beeck sagt S. 51 deutlich, dass 24 Aelteste
vorhanden waren, die sich von ihren Sitzen erhoben und dem auf dem
Throne Sitzenden ihre Krone darboten ^
Eine fernere Abweichung in der Zeichnung des Ciampini von der
traditionellen Darstellungsweise der Aeltesten ist darin zu erblicken, dass
er die Aeltesten ihre Kronen mit unverhüllten Händen dem Heiland darbieten
lässt. In Wirklichkeit aber ist das Aachener Bild von der überlieferten
Form nicht abgewichen; denn die Zeichnung, welche sich 1873 nach Ent-
fernung des Stucks aus dem Gewölbe des Oktogons unter den karolingischen
Mosaikpasten vorfand, und welche jedenfalls als Vorlage für die Anbringung
der Pasten gedient hatte, zeigte, so defekt sie auch sonst gewesen sein
mag, deutlich genug, dass die Hände der Aeltesten, welche die Kronen
darreichten, verhüllt dargestellt waren. Auch die Anbringung der Engel,
am Throne der Majestas in der Ciampinischen Zeichnung muss auf einem
Irrthum beruhen, da der Augenzeuge ä Beeck in üebereinstimmung mit
den Traditionen der Ikonographie ausdrücklich hervorhebt, dass um den
Thron die vier apocalyptischen Thiere gestanden hätten.
Die Sterne, welche sich in dem Mosaikbilde der Kuppel befanden,
scheinen aus Metall hergestellt gewesen zu sein. Als die Stuckaturen der
Kuppel abgehauen wurden, fanden sich, in den Stein des Gewölbes ein-
gehauen, kreisrunde Vertiefungen von etwa 30 cm Durchmesser und 3 cm
Tiefe vor, welche unregelmässig über die Kuppelfläche in der Art vertheilt
waren, dass dieselben immer auf der Stelle angebracht waren, wo nach dem
Bilde der Himmel dargestellt war. Für die Mosaiken selbst hatten diese
*) Vgl. H. Barbier de Montault, Die Mosaiken im Münster zu Aachen; au3 dem
Französischen übersetzt von Andr. Hub. Körner S. 9.
— 116 —
Vertiefungen keinen Zweck, vielleicht haben sie dazu gedient, Platten auf-
zunehen, auf welchen die Sterne im Hochrelief angebracht waren.
Die karolingischen Mosaikbilder nahmen bedeutende Flächen ein.
So cntliielten:
die Kuppel 282,00 qm
die Vorhalle 70,00 „
die Fenster 59,00 „
und das Chor 39,00 „
mithin eine Gesammtfläche von rot 550,00 qm.
Es ist nicht anzunehmen, dass diese grosse Bildfläche, wie die
Aachener Tradition sagt, durch einen einzigen Mann ausgeführt worden
ist. Angenommen, dass bei der Sorgfalt, mit welcher in jener Zeit die
Mosaiken ausgeführt wurden, ein Mann durchschnittlich 15 Tage bedurfte
um 1 qm Mosaik fertig zu stellen, so ergeben sich 8250 Tage oder — das
Jahr, bei den vielen Feiertagen, die in jener Zeit beobachtet wurden, zu
250 Tage gerechnet, — 33 Jahre Arbeitszeit. Es ist wahrscheinlicher, dass
die Bilder durch mehrere Künstler, die unter der Leitung eines Mönchs
standen, ausgeführt worden sind. Dass damals hinreichend Leute vorhanden
waren, welche mit den musivischen Arbeiten vertraut waren, bezeugen
die zur Zeit Karls des Grossen und Ludwigs des Frommen in Rom erbauten
Kirchen, in welchen Mosaikbilder sich befanden; so das durch Leo IIL
im Lateran erbaute Triclinium, Sta. Praxede, St. Nereus et Achilleus und
viele andere. (Vgl. Platner und Bunsen, Rom). Wir können daher mit
einer gewissen Sicherheit annehmen, dass mehrere Mosaikkünstler bei der
Ausführung der Aachener Mosaiken beschäftigt waren.
Die Ausführung der Mosaikarbeiten vollzog sich in folgender
Weise: Zunächst wurde ein in Farben gemaltes Vorbild hergestellt,
von welchem eine Zeichnung auf die Mauer aufgetragen wurde. So-
dann wurde mit einem hackmesserähnlichen Instrumente den farbigen
Pasten die der Zeichnung entsprechende Form gegeben. Die Pasten wurden
hierauf zu kleinen, vielleicht handgrossen Flächen zwecks Beurtheilung der
Richtigkeit der Farben und Zeichnung provisorisch zusanunengestellt, deren
Rückseite mit Mastik oder Mörtel belegt und jede Paste an die für sie
bestimmte Stelle der präparirten Wand eingedrückt. Der Mastik bestand
aus einer Mischung gebrannten Kalks und pulverisirten Marmors, mit
Olivenöl zu einer teigartigen Masse angemengt, die in wenigen Monaten
steinhart wurde. Eine Bekleidung der Wände des Oktogons mit Marraor-
tafeln ist zwar vielfach angenommen worden, aber ohne alle Ursache; denn
auch nicht eine Spur von Eisenhaken, mit denen dieselben in der Mauer
hätten befestigt werden müssen, hat sich vorgefunden.
Weitere Nachrichten über die polychrome Ausstattung des Münstei*s
erhalten wir erst nach fast 200 Jahren durch den anonymen Biographen
des um 1018 verstorbenen Lütticher Bischofs Balderich 11.^ Dessen Mit-
theilung lautet in der von Käntzeler besorgten Uebersetzung des Aquis-
') Vitn Baldcrici Eimsc. Anonym. 1053. Pcrtz, Mouuin. S. IV, 794.
— 117 —
granum von ä Beeck (S. 143): „Mit Recht liat auch Kaiser Otto III., als
er einst im königlichen Palaste, dem königlichen Sitze und dem Staats-
Wohnsitze seinen Aufenthalt hatte und dabei bemerkte, dass die dortige
Kapelle noch nicht mit Malerei genug geschmückt sei, aus Eifer für des
Gotteshauses Zier den ehrenwerthen Mann Johannes, von Geburt und
Sprache Italiener, einen überaus geschickten Maler aus Italien zu sich
gerufen und ihm aufgetragen, an dieses Geschäft seine geschickte Hand
zu legen. Er folgte seinem Befehle und hat ein besonderes Kunstwerk
in Aachen zu Stande gebracht, obgleich es durch die Länge der Zeit, wie
alle Dinge, vergangen ist." Ueberall, wo diese Mittheiluug verwerthet
w^rd, wird sie auf die Restauration der karoüngischen Mosaiken bezogen;
allein in derselben ist ausdrücklich die Rede von einer weitern maleri-
schen Ausschmückung des nicht hinreichend mit Malerei versehenen Münsters
und dementsprechend haben sich denn auch in jüngerer Zeit anlässlich der
im Münster vorgenommenen Restaurationsarbeiten Reste der Malereien des
italienischen Meisters unter der Pliesterung des Gewölbes im Glockenthurm
auf dem Hochmünster, auf den Wänden des letztern, in dem zugemauerten
Fenster oberhalb der vom Hochmünster zur Gallerie der Kreuzkapelle
führenden Thüre und in der Treppe im nördlichen Treppenthurme vor-
gefunden.
Dieselben zeigen durchweg einen ornamentalen Charakter, was jedoch
nicht ausschliesst, dass auch Figurenmalereien vorhanden gewesen sind.
Wir wollen versuchen, eine kurze Beschreibung der Malereien zu geben,
wenngleich dieselbe ohne Beigabe von Abbildungen mangelhaft bleiben muss.
Der grössere Theil der üeberreste dieser Malerei befindet sich im
Glockenthurm auf dem Hochmünster. An der Unterfläche des Gewölbes
erkennt man noch jetzt die Reste von zwei grösseren Kreisen, welche
durch einen rothen und einen weissen Streifen umrahmt sind. Allem An-
scheine nach befanden sich an diesem Gewölbe sechs solcher Kreise, welche
durch ein etwa 0,70 m breites Band eingefasst waren. Dieses Band wies
drei Reihen in rother Farbe dargestellter Quadrate auf, und befanden sich
an den Enden wieder in rother Farbe hergestellte Kreise. Das Innere der
sämmtlichen Kreise war weiss. Ob dasselbe zur Ausfüllung mit figürlichen
Darstellungen bestimmt war, Hess sich nicht mehr feststellen. Auch die
das Glockenhaus gegen AVesten abscliliessende Mauer enthält noch Reste
von Malereien, deren Gegenstand jedoch nicht mehr zu erkennen ist. Besser
erkennbar ist die Malerei der Unteransicht der Gurtbogen im Glockenthurm.
Die Malerei des an der Westmauer anliegenden Gurtbogens besteht aus
drei Reihen von aneinanderliegenden Quadraten, welche durch rothe Streifen
gebildet sind, und deren Fond zwischen Leichtroth und Gelb abwechselt.
Im Innern dieser Quadrate befindet sich ein kleiner rother Kreis. Der
gegen Osten befindliche Bogen des Glockenthurmes zeigt an seiner Unter-
ansicht ein aus vier geraden, kurzen Linien gebildetes Zickzackrauster,
welches sich in weisser Farbe von gelbem Grunde abhebt. Dieses Zickzack-
muster wird durcli einen rothen Streifen am Rande des Bogens eingefasst;
der Streifen zieht sich auch der Stirnseite des Bogens entlang. Die Unter-
— 118 —
ansieht der Reste der drei kleinen Bogen, welche ehemals von den daselbst
stehenden Marmorsäulen, die zwischen dem Glockenthurm und dem Hoch-
münster sich befanden, getragen wurden, zeigt einen gelben Fond von
einem inneren weissen und äusseren rothen Streifen eingefasst; der letztere
läuft wiederum der Stirnseite des Bogens entlang und setzt sich fort da-
selbst am Anfange des Bogens, sowie an der Stelle, wo das Mauerwerk
des Bogens an die Mauer anstösst. Diesem rothen Streifen zunächst be-
findet sich im Bogenzwickel ein gelber, welchem sich ein grauer anschliesst,
der den gelben Fond unifasst.
Entlang der Gewölberundung, welche sich über das westliche Quadrat
des RundschiflFes spannt, befand sich eine fortlaufende geometrische Ver-
zierung dicht an der Stelle, wo dies Gewölbe an die Säulenstellung, welche
das Glockenhaus vom RundschiflF trennt, anstösst. Die Zeichnung war
braun auf gelbem Fond, welcher an der Seite durch braune Linien ein-
gefasst war. Neben diesem geometrischen Muster, dem Oktogon zu, befand
sich eine weitere in rother Farbe ausgeführte Verzierung, deren geringe
Ueberbleibsel jedoch die ursprüngliche Darstellung nicht mehr erkennen
lassen. Reste eines breiten Streifens in schwarzer, gelber und rother Farbe
befinden sich am westlichen Bogen des Oktogons, an der Seite des Krönungs-
stuhles.
Die Grundform der Verzierung in der Laibung des Fensters über der
Thür, welche vom Hochmünster zur Gallerie der Kreuzkapelle führt, bildet
ein Quadrat, in welches ein Kreis in gelber Farbe eingezeichnet ist, dessen
Peripherie die Seiten des Quadrats berührt. Die liierdurch gebildeten vier
Zwickel sind in grauer Farbe gehalten. Die vier Seiten des Quadrats
bilden die Durchmesser von ebensovielen Halbkreisen, von welchen der
obere in schwarzer, der untere in brauner und die beiden an den Seiten
in weisser Farbe hergestellt sind. Durch diese Zeichnung wird die Form
eines griechischen Kreuzes mit abgerundeten Kreuzbalken hervorgebracht,
welche sich berührend übereinander stehen und sich wiederholend das ein-
fassende Band bilden. Dicht an die Querbalken des Kreuzes anschliessend
läuft an der ehemals der Verglasung des Fensters zugekehrten Seite ein
schwarzer Streifen, neben welchem sich ein gelber befindet, der, dem Glase
zu, durch einen Perlstab begrenzt ist. An der anderen Seite sind die
Kreuze ebenfalls durch einen schwarzen Streifen berührt, welcher die Kante,
die das Mauerwerk zwischen der Fensterlaibung und der Stirnmauer bildet,
einfasst, und in der letzteren den Bogen entlang sich fortzieht. Der Fond
zwischen den Kreuzen und den dieselben einfassenden Streifen ist ein leichtes
Rosaroth.
In der Laibung der im Rundbogen überwölbten, jetzt durch ein Gitter
verschlossenen Thür, die sich in der nördlichen Wendeltreppe vorfindet,
sind ebenfalls noch Reste von Malereien aus der ottonischen Zeit vorhanden,
jedoch auch in sehr defektem Zustande. Erkennbar ist nur noch eine der
Wölbung des Bogens entlang laufende, auf gelbem Fond in rothen Linien
ausgeführte Reihe vierblätteriger Blumen, die, etwa zehn Centimeter von
einander entfernt, sich wiederholen. Die einzelnen Blumen sind durch rothe
— 110 —
striche zu einem fortlaufenden Ornament verbunden, welches an der einen
Seite durch einen dunkelgrünen, an der anderen Seite durch einen rothen
Streifen eingefasst war. Neben dem letzteren Streifen, nach aussen hin,
war die Unteransicht des Thürbogens noch mit Malereien bedeckt, die sich
aber in so schlechtem Zustande befinden, dass schwerlich mehr das ursprüng-
liche Bild zu enträthseln sein wird.
Es ist dies Alles, was von jenen Malereien bis jetzt aufgefunden
worden ist.
Die teclinische Ausführung dieser Malerei scheint in einer Art al
fresco geschelien zu sein, wobei die Farben in die noch feuchte oder
angefeuchtete Pliesterung mit dem Pinsel etwas eingedrückt wurden. Für
das hohe Alter von fast 900 Jahren sind die Farben noch gut erhalten,
und dürfte ein grosser Theil der jetzigen Abblassung derselben darauf
zurück zu führen sein, dass später, doch nach dem Ende des 15. Jahr-
hunderts, über der Malerei eine neue Pliesterung angebracht worden ist,
wodurch die Farben nothwendig schwer leiden mussten. Die Farben in der
Fensterlaibung über der Thür zur Kreuzkapelle, welche nicht überpliestert
worden sind, haben sich viel besser erhalten als die überpliesterten im
Glockenhause. Es ist anzunehmen, dass zur Zeit als dieses Fenster zuge-
mauert wurde, die Malerei des Hochmünsters im Allgemeinen noch die
Erhaltung zeigte wie die dieses Fensters.
Der Gepflogenheit der mittelalterlichen Künstler, ihren Namen der
Nachwelt zu erhalten, ist auch der Maler Johannes treu geblieben. Nur
zwei Verse sind von der Zeit und Werth seines Werkes in nicht gerade
bescheiden zu nennender Weise verewigenden Inschrift übrig geblieben.
Sie lauten:
A patriae nido rapuit me tertius Otto
Ciaret Aquis, sane tua qua valeat manus arte^
Zum Lohne für diese Arbeit beschenkte derselbe Otto den Johannes
mit der bischöflichen Würde in Italien; doch durcli den Herzog der Provinz,
worin der Bischofssitz lag, abgehalten, weil dieser den an Sitten und
Frömmigkeit ausgezeichneten Mann lieber durch die Heirath mit seiner
Tochter erheben wollte als durch die bischöfliche Würde, verliess Johannes
aus Liebe zur Keuschheit Italien und stellte sich bei dem Kaiser wieder
ein. Endlich ist er zu Lüttich zur Zeit Bischofs Balderich den Weg alles
Fleisches gegangen und ruhet dort in der Kirche des hl. Jakobus in der
Nähe des Altars des hl. Märtyrers Lambertus^
Man setzte ihm folgende Grabschrift:
Sta, lege, quod spectas, in me pia viscera flectas.
Quod sum, fert tumulus, quod fuerim titulus
Italiae natus —
Qua probat arte nuinum, dat Aquis, dat cemere planum
Picta domus Caroli, rara sub axe poli^
') Vita Balderici Episoopi, Anonym. 1053, in Pertz, Monuin. S. IV, 724.
"^) Aquisgranum. Deutsche Uebersetzung von Käutzelcr S. 144.
*) Chapeavillo, Gesta pontif. Leod. Tom. I, p. 230.
— 120 —
Wir wissen nicht, wie lange die Schöpfung des Malers Johannes intakt
geblieben ist, doch steht fest, dass sie gegen Ende des 15. Jahrhundeils
auf dem Hochmünster noch vorhanden war.
Zu Anfang des 18. Jahrhunderts wurden die letzten Mosaiken in der
Kuppel des Münsters, wahrscheinlich weil sie schadhaft geworden waren,
abgenommen. Das Stiftskapitel beschloss, die Wände und die Kuppel dem
Zeitgeist entsprechend, mit plastischen Darstellungen in Gyps zu schmücken.
Mit dieser Aufgabe betraute dasselbe nach den Angaben von Quix und
Käntzeler den italienischen Künstler Altari. Er begann seine Arbeit im
Jahre 1719. Hierauf dürfte sich auch das Chronogramm:
saLVe o pla, o DVLCIs VIrgo Maria
beziehen, welches an der westlichen Stirnseite des Bogens stand, der das
Chor vom RundschiflF treimt.
Die Arbeiten Altaris sollen nach Käntzeler' sich bis zum Jahre 1730
hingezogen haben. Es mag dies richtig sein, da zu einer soleheu umfassenden
Arbeit ein Zeitraum von 10 bis 11 Jahren nicht zu lang erscheint. Die
weitere Nachricht Käntzelers, dass 1729 die Kuppel des Münsters ein-
gestürzt sei, muss auf einem Irrthum beruhen, da die ursprüngliche karo-
lingische Kuppel heute noch unversehrt besteht. Wenn auch die stilwidrige
Stuckverzierung vom Standpunkte der Kunst aufs tiefste beklagt werden
muss, so lässt sich doch nicht verkennen, dass Altari in seinem Fache ein
hervorragender Meister war. Der konstruktive Anfang der Kuppel liegt
in der Höhe des Bogenansatzes der Fenster des Oktogons; der dekorative
Anfang der Altarischen Stuckarbeit ging höher hinauf, er setzte erst 0,76 m
über den Fenstern des Oktogons an.
Nach der Darstellung Altaris schien die Kuppel von 16 Engelu
getragen, welche zu je zwei auf den Ausläufern der acht Pfeiler des Oktogons
standen. Die Kuppel war in Ai*t einer leichten Calottc behandelt, deren
acht Felder durch nach oben sich verjüngenden Medaillons mit Blatt-
umrahmung belebt waren. Das Innere der Medaillons war in blauem mit
Gold durchsetzten Tone gehalten. Da, wo die Galotte die acht Mauer-
flächen berührte, befanden sich halbrunde Ausschnitte, unter denen auf
schwerem Gesimse Moses und sieben andere Propheten sassen, auf besonderen
Spruch tafeln die entsprechenden, von ihnen gemachten messianischen Weis-
sagungen tragend. Sowohl die Engel wie die Propheten waren in mehr
als Lebensgrösse, als Vollfiguren, letztere in sitzender Stellung ausgeführt.
Die Figuren wurden durch im Innern derselben angebiaclite Eisenstangen
zusammengehalten.
Die Fenster sowie deren Laibungen erhielten ebenfolls Verzierung.
An die einfassende Umrahmung schloss sich die Verzierung der Laibung
an, in welcher, als Reminiscenz ihres früheren Schmuckes, Mosaikpasten
auf Blumenblättern angebracht waren. In dem Fenster des Oktogons, welches
die Durchsicht zum Chor bietet, war ein gekrönter Doppeladler angebracht,
unter welchem Nachbildungen von Türkentrophäen, Fahnen, Rossschweife
u. s. w. sich befanden.
') ti Beeck, Aquisgranum ; Deutsche Uebersetzung S. 358.
— 121 —
Auf (1. r Höhe des Anfanges der drei von den Marmorsäulen getragenen
kleinen Bogen lag ein durchgehender Kämpfer, welcher in den einspringenden
Ecken Konsolen bildete, die durch je einen geflügelten Engelskopf getragen
wurden. Auf jeder dieser Konsolen stand eine lebensgrosse Statue, und
zwar gegen Osten Jesus mit dem Kreuz und Maria mit dem Jesuskinde;
gegen Süden Johannes mit dem Lamm und Paulus mit dem Schwert; gegen
Westen Leo IIL mit dem Kreuz und Karl d. Gr. in voller Rüstung und
Kaisermantel, mit dem Scepter in der Rechten, und gegen Norden der
hl. Joseph und die hl. Anna, die letztere ein Kind, die hl. Jungfrau, auf
dem Arm tragend. Diese Statuen waren von vorzüglicher Arbeit; nur die
Leos IIL und Karls d. Gr. waren äusserst mangelhaft. Dieselben rührten
auch nicht von Altari her, sondern waren im Jahre 1825 von einem hiesigen
Bildhauer gefertigt worden.
Unterhalb des durchgehenden Kämpfers und der von Engelsköpfen
getragenen Konsolen befanden sich auf jedem Pfeiler zwei dicht neben-
einander stehende Paneele, welche bis zur Höhe des Fussbodens des Ober-
geschosses hinabreichten und auf dem grossen Gesims, welches in dieser
Höhe ringsum im Innern des Oktogons sich hinzog, standen. In jedem
dieser Paneele hing von oben herab ein Bandstreifen, an welchem in ver-
schiedenen Bindungen die sämmtlichen in der Kirche gebräuchlichen Geräthe,
wie Kelche, Leuchter, Weihwasserwedel, Schlüssel, Bischofsstäbe, musi-
kalische Instrumente, dann Kirchenpararaente, wie Kasel, Stolen, Alben,
auch Weihrauchlasser, ja sogar ein Blasebalg um das Feuer in letzteren
anzublasen, Vortrag- und andere Kreuze etc etc. hingen. Etwa in der
Mitte eines jeden Paneels befand sich, ebenfalls durch den Bandstreifen
getragen, ein ovales Medaillon, in welchem die hauptsächlichsten Reliquien-
behälter des Münsters dargestellt waren. Diese Medaillons waren oben mit
einer aus demselben Band kunstreich geschlungenen Schleife geschmückte
Diese Art der Belebung der Pfeiler machte jedoch einen eigenthümlichen
Eindruck.
Von ganz besonderer Schönheit war die Ausschmückung der Wände
im Erdgeschoss. Hier waren die Rundbogen mit Archivolten versehen,
welche sich auf dem Kämpfer zu einer nach einwärts gehenden spiralförmigen
Rundung verliefen. Ueber dem Schlussstein des Bogens hielten zwei kleine
Engel ein Medaillon, von welchem zwei Blumenguirlanden herabhingen,
welche mit ihrem unteren Ende an der Archivolte befestigt waren. In
diesen Medaillons waren kleine Szenen aus der heiligen Geschichte dargestellt.
In den acht Zwickeln der Bogen, an den Pfeilern waren die vier Evange-
listen und vier Kirchenväter, in vollendet schöner Arbeit, dargestellt. Die
Evangelisten befanden sich in der östlichen Hälfte des Oktogons und zwar
links Lukas, dann Johannes, dann Mathäus und rechts Markus. Die an der
Westseite befindlichen Kirchenväter waren, an der Südseite beginnend. Am-
•
broüius, dann Hieronymus, hierauf Augustinus und an der Nordseite Gregorius
der Grosse, alle in Hochrelief gearbeitet. Der Fond der Mauern, an welcher
sie befestigt waren, war abwechselnd in verschiedenen Mustern gaufriert.
*) In San Vittorino in Mailand habe ich eine völlig ähnliche Verzierung gesehen.
— 122 —
Auch die Boorcnsoffittcn waren verziert. In einem in jedem derseU»en
angebrachten Paneele waren verschiedene Abtheilungen, welche durch
Kreise, ovale, längliche Sechs- oder Achtecke getrennt waren. In diesen
Abtheilungen waren entweder Rankenwerk, oder Blumenornaraente oder
sonstige Verzierungen angebracht, während die trennenden Kreise n. s. w.
meist mit Blumen oder Sonnen gefüllt waren. Alle Arbeiten waren plastisch
hoch erhaben und von schöner kräftiger Ausführung.
Den Arbeiten im Oktogon, welche lediglich in der Dekoration des
Gewölbes bestanden, schlössen sich die des Rundschiffes würdig an.
Die säramtlichen Arbeiten, welche Altari im hiesigen Münster aus-
führte, waren aus freier Hand gefertigt. Keine gegossene Verzierung ist
verwandt worden. Zu den ausgeführten Arbeiten wurde zuerst das zu
Fertigende im Rohen aufgetragen, und dann der Gyps in noch halb feuchtem
Zustande in derselben Weise wie Bildhauerarbeit ausgearbeitet. Es war
dieses eine zwar mühsame, aber auch künstlerische Arbeit. Jeder einzelne
Theil war originell, keiner gleich dem anderen.
Im Hochmünster traten an Stelle des plastischen Schmuckes Gemälde,
welche^ durch Bemardini — wohl auch ein Italiener — seit dem Jahre
1730 ausgeführt wurden. Sie befanden sich in der Unteransicht der sechs
schrägen Gewölbe, welche über die drei nördlichen und drei südlichen
Quadrate des Rundschiffes gespannt sind, und stellten meist Szenen aus
der biblischen Geschichte vor. Die Figuren, mehr als lebensgross, waren
in Oelmalerei ausgeführt.
Es w^aren gute Bilder, w^elche Bernardini gemalt hatte, und besonders
in der Zeichnung waren sie vorzüglich. Bernardini war Meister in der
Zeichnung der perspektivischen Verkürzung, nell'arte del sotto in su, wie
der Italiener es nennt, und hier hatte er an den Gewölben des Münsters
vollauf Gelegenheit, seine Kunst zu zeigen, was er auch redlich gethan
hat. Im Kolorit war er weniger glücklich; es mag aber auch sein, dass
seine Farben späterhin durch äusseren Einfluss ihre ursprüngliche Kraft
verloren haben.
Die von Bernardini gemalten Bilder wurden in den Jahren 1824 — 25
durch den Aachener Maler Ferdinand Jansen - restaurirt. Auch malte der-
selbe in dem westlichen, dem Glockenthurm anliegenden Quadrate die Ein-
weihung des Münsters durch Leo III. im Jahre 805. In der unteren Ecke
hatte er in bescheidener Weise sein eigenes Bild angebrachte
Durch die Freigebigkeit des Königs Friedrich Wilhelm IV. wurden
im Jahre 1845 die von den Franzosen im Jahre 1794 geraubten Marmor-,
Granit- und Porphyrsäulen, welche Aachen im Jahre 1815 zurück erhielt,
1
*) Quix, Münsterkircbe S. 14.
') Jansen war auch ein sehr geschätzter Dichter, der mehrere Bändchen Gedichte
in Aachener Mundart herausgegeben hat, welche von 1815—1821 bei C. A. MüUer in
Aachen erschienen sind. Er wohnte in dem Hause der Grosskölnstrasse, welches heute
mit Nr. 51 bezeichnet ist.
*) Dieses einzige Bild Jansens ist bei der Zerstörung der Bilder des Hochmünsters
initzerstört worden, ohne dass von demselben eine Kopie genommen worden wäre.
— 123 —
wieder anfg-os^ellt. Im Jahre 1850 begann der schon 1843 gegründete
Karlsverein zur Restauration des Aachener Münsters seine praktische
Thätigkeit durch den Angriff der Wiederherstellungsarbeiten am Chor.
Das Stiftskapitel beschloss, in der Kuppel des Oktogons das Bild der Majestas
Domini, umgeben von den vierundzwanzig Aeltesten, in der Weise wie es
früher gewesen, in Mosaik ausgeführt, anbringen zu lassen. Es schickte
auf seine Kosten einen Zeichner nach Italien, der an dort vorhandenen
Mosaiken aus karolingischer Zeit die nöthigen Vorstudien machen und
einen Entwurf herstellen sollte; dieser Entwurf war bestimmt, dem nun
folgenden Konkurrenzausschreiben als Grundlage zu dienen. Bei diesem
Wettbewerb gingen nur zwei Zeichnungen ein, eine von Staatskonservator
von Quast und die andere von Professor Schneider in Cassel. Als Preis-
richter fungirten die Herren von Salzenberg, Schmidt, Viskonti, Parker,
de Surigni und Bethune. Die Verhandlungen dieser Herren über die ein-
gelaufenen beiden Pläne führten zu keinem Result>ate. Baron v. Bethune
in Gent erhielt den Auftrag, eine neue Zeichnung für das anzufertigende
Mosaikbild zu entwerfen. Diese wurde am 1. Juli 1871 per majora an-
genommen. Mit der Ausführung der Mosaiken wurde Salviati in Venedig
betraut, welcher nicht lange vorher eine Werkstätte auf der Insel Murano
eingerichtet hatte.
Man begnügte sich nicht damit, vorerst nur Raum für das Mosaik-
bild in der Kuppel des Oktogons zu schaffen, sondern entfernte auch sofort
die übrigen Werke von Altari und Bernardini mit einer unheimlichen Gründ-
lichkeit. Nicht einmal im Bilde wurden dieselben erhalten, obwohl es da-
mals an warnenden Stimmen nicht fehlte*.
Zum Anbringen der von Salviati angefertigten Mosaikpasten musste
die innere Fläche der Kuppel, die bei der karolingischen Arbeit glatt
geblieben war, besonders hergerichtet werden. Hierzu wurden über die
ganze Fläche derselben Rinnen von etwa 5 cm Breite und 3 cm Tiefe
dicht nebeneinander eingehauen, damit der Untergrund für die Mosaik-
pasten besser halten sollte. Auf diesen wurden die Mosaiken angebracht,
doch nicht in der Weise, wie es beinahe 1000 Jahre früher der italienische
Mönch gethan hatte, sondern in einer von Salviati erfundenen Art, die
sich vor der ersteren wohl durch Billigkeit aber nicht durch Exactheit
und Haltbarkeit auszeichnete. Salviatis Verfahren war folgendes: Das
rausivisch darzustellende Bild wurde umgekehrt (negativ) auf weichem
Papier gezeichnet und dann die Pasten, mit ihrer Aussenfläche der Zeich-
nung und den aufzubringenden Farben entsprechend, auf das gezeichnete
Bild geklebt. Hierbei stand selbstverständlich der von der Mörtelmasse
*) Der nachbcrige Stadtarchivar Käntzelcr schreibt im Feuilleton des „Echo der
Gegenwart** vom 12. Februar 1866: „Ich habe mehrmals Herrn Kanonikus N. N. darauf
aufmerksam gemacht, wie sich im Oktogon au den Wänden das ganze ehemalige Inventar
des Aachener Schatzes, vom Anfange des 18. Jahrhunderts, wohl auffinden lasse, so dass
man daraus ersehen könne, was jetzt noch vorhanden sei und was mangele von Keliquien-
gefässen, gottosdienstlichen Utensilien, Paramenten u. s. w. Bevor es zum Abschlagen
dieser Gypsoruamente im Oktogon kommen wird, wäre gewiss eine genaue Abzeichnung
dieser Gegenstände im Interesse der Alterthuinswissenschaft angezeigt,*
— 124 —
aufzunehmende Theil der Pasten aufrecht, und wurde dann das so her-
gestellte Bild an der ihm zukommenden Stelle mit den Pasten in die auf-
getragene Mörtelmasse eingedrückt und blieb so haften bis der Mörtel
erhärtet war. Hierauf wurde dann das das Bild noch immer bedeckende
Papier mit Wasser abgewaschen und jetzt erst trat das Mosaikbild in die
Erscheinung. Dieses Verfahren hatte den Uebelstand, dass es bei dem-
selben unmöglich war, während der Anfertigung des Bildes Fehler in dem-
selben sehen und verbessern zu können; jeder Fehler in der Ausführung,
jede Disharmonie in den Farben und andere Ungehörigkelten treten viel-
mehr erst dann zu Tage, wenn das Bild für immer an seiner Stelle ange-
bracht ist. Diese Mängel zeigten sich denn auch bei dem hiesigen Mosaik-
bilde; die musivische Fläche wies Unebenheiten auf und Lücken zwischen
den einzelnen Pasten, welche stellenweise 5 Millimeter betrugen. Der
hierdurch sichtbar werdende Mörtel wurde — mirabilc dictu — mit ent-
sprechender Farbe angestrichen und so dem uubewatfneten Auge des arg-
losen Zuschauers entzogen.
Die in solcher Weise angefertigten Mosaiken sind von der Abnahme-
Kommission angenommen worden, und erhielt dafür Salviati die Summe
von 58400 Mark.
Rechnet man hierzu die Kosten der Vorarbeiten mit . . 23 250
so stellen sich die Gesammtkosten der Mosaiken auf . . 81650 Mark^
Gegen Ende Juni 1881 wurde das Werk vollendet.
Vereinsangelegenheiten.
Bericht über das Vereinsjahr 1894—1895.
Auch in dem abgelaufenen Jahre hat der Verein sich wieder redlich bemüht, der
Aufgabe, die er sich bei seiner Gründung gestellt, einerseits durch Abhaltung von wissen-
schaftlichen Sitzungen und Ausflügen und andererseits durch Herausgabe und Vervoll-
kommnung des Vercinsorgans nach Möglichkeit gerecht zu werden. Die verschiedenen
Monatsversammlungen waren gut besucht und verliefen, Dank dem unermüdlichen Eifer
einzelner Vereinsmitglieder in Beschaffung interessanten lokalgeschichtlichen Materials, sehr
anregend. Wegen der in den Sommer des abgelaufenen Jahres fallenden Heiligthumsfahrt,
die naturgemäss mancherlei Behinderung der Vereiusraitglicder im Gefolge hatte, fand nur
ein wissenschaftlicher Ausflug statt. Derselbe hatte zum Zielpunkt das geschichtlich
merkwürdige Städtchen Aldenhoven bei Jülich. Herr Pfarrer Schnock verbreitete sich
in einem eingehenden Vortrage über die Geschichte dos Ortes, während Herr Direktor
Dr. Wacker über die Schlacht bei Aldenhoven sprach. An die Vorträge schloss sich eine
Besichtigung der Pfarrkirche und sonstiger sehcnswerther ßautcu an. Die satzungs-
gemässe Generalversammlung fand am 7. Dezember 1895 statt; in derselben erstattete
der Vorsitzende, Herr Dr. Wacker, Bericht über die Lage und Wirksamkeit des Ver-
eins in dem Jahre 1894—95. Demselben entnehmen wir, dass die Mitgliedcrzahl leider
nicht unerheblich zurückgegangen ist; bange Befürchtungen brauchen aber darob doch
nicht Platz zu greifen; „denn wir haben, so führte der Vorsitzende aus, in unserm Vereine
einen festen Stamm einheimischer Mitglieder, deren Festhalten am Verein uns gesichert
«) Vgl. Kölnische Volkszeitung vom 1. Juli 1881, Nr. 179, vom 11. Juli 1881, Nr. 189
und vom 23. September 1881, Nr. 2G3.
— 125 —
ist, deren berechtigter Lokalpatriotisiuus ein festes Fundament ist, auf dem »ich das
Interesse für die vaterstädtische Geschichte aufbant. An der Peripherie jedes Vereines
können wir eine fluotuirende Masse bemerken, auf deren Festhalten nicht zn rechnen
ist. Aus Gefälligkeit gegenüber einem Freunde oder Bekannten eingetreten, warten manche
nur auf eine passende Gelegenheit abzuschwenken. Alle wissenschaftliche Vereine der
Stadt klagen über Abnahme der Theilnehmer. Lassen wir uns deshalb nicht irre machen
in der weitem Verfolgung unserer idealen Bestrebungen; vor allem wollen wir die alte
Mitgliederzahl durch energische Agitation wieder zu erreichen suchen. Mit 250 Mitgliedern
können wir voll und ganz die Aufgabe erfüllen und materiell ermöglichen, die wir uns
mit unserer Zeitschrift gesetzt haben. '^ Sodann legte der Schatzmeister des Vereins, Herr
Stadtverordneter F. Kremer die Jahresrechuung vor, die von zwei Mitgliedern geprüft
und für richtig befunden wurde. Dem Schatzmeister wurde Entlastung gewährt und der
verdiente Dank für die sorgfältige Kassenverwaltung seitens der Generalversammlung
ausgesprochen. Die Einnahmen und Ausgaben stellten sich wie folgt:
Einnahmen:
An Kassen bestand aus dem Vorjahre M. 724.15
211 Jahresbeiträge für 1894 „ 633.—
2 rückständige Jahresbeiträge für 1893 „ 6.—
Zinsen der Sparkasse „ 13.98
M. 1377.13
Ausgaben:
Dmckkosten der Vereinsschrift und Anderes M. 933.15
Inserate „ 18.10
Porto-Auslagen „ 23.60
Verschiedenes „ 24.—
Kassenbestand w „ 378.28
M. 1377.13
Nach Erledigung des geschäftlichen Theiles der Generalversammlung folgte noch eine
Beihe interessanter geschichtlicher Mittheilungen; u. a. berichtete der Vorsitzende über
das weitere Schicksal der chiffrirten Briefe des französischen Generals Davoüts an Napoleon,
deren Entzifferung endlich gelungen ist. Das Nähere darüber hat Herr Dr. Wacker in
der Zeitschrift des Görresvereins veröffentlicht.
— 126 —
Verzeichniss der Mitglieder.
L Vorstand.
Erster Vorsitzender: Wacker, Dr. K., Direktor der Lehrerinnen-Bildungs-
anstalt in Aachen.
Zweiter Vorsitzender und Redakteur: Schnouk, H., Strafanstalts-Pfarrer
in Aachen.
Schriftführer: Oppenhoff, F., Gyranasial-Oberlehrer in Aachen.
Bibliothekar: Schollen, M., Staatsanwaltschafts-Sekretär in Aachen.
Kassirer: Kremer, F., Buchhändler und Stadtverordneter in Aachen.
Beisitzer: Rhoen, C, Architekt
Menghius, C. W., Stadtverordneter.
Spoeigen, Dr. J., Oberlehrer.
Jardon, Dr. A., Gymnasiallehrer.
Schaf frath, J., Stadtverordneter.
Glas Ben, J., Kaufmann.
IL Mitglieder.
Adams, Hub., Kgl. Notar in Aachen.
A Isters, Dr., Professor in Aachen.
Barth, Apotheker in Aachen.
Baurmann, Dr. L., in Aachen.
Becker, J., Pfarrer in Weidesheim.
B eissei. Mar. Wilh., Rentnerin in Aachen.
Bertaut, L. Fabrikbesitzer in Aachen.
Bibliothek des Landkreises Aachen.
Biesing, Fritz, Rentner in Aachen.
Bock, Dr. Frz., Rentner in Aachen.
Bock, P., Nadelfabrikant in Aachen.
Bock, 0., jr., Kaufmann in Aachen.
Böcke 1er, H., Direktor in Aachen.
Bott, Bürgermeister in Forst.
Brückner, Dr., Arzt in Aachen.
Brnns, Fritz, in Werden a. d. Ruhr.
Buchholz, Jos., Kaufmann in Aachen.
Buchkremer, Jos., Privatdozent in Aachen.
Bücken, Win., Uhrmacher in Aachen.
Gapellmann, R., Geometer in Aachen.
Gazin, Frz., Ingenieur in Denver, Co.
Amerika.
Ghantraine, Dr. "W., Arzt in Aachen.
Gharlier, A., Restaurateur in Forst.
Glar, Dr., Gymnasial-Oberlehrer in Aachen.
G lassen, J. J., Pfarrer in Verlautenheide.
G lassen, J., Kaufmann in Aachen.
G lassen, Dr. J., Arzt in Aachen.
G lassen, Jak., Kaufmann in Aachen.
Glassen, M., Kaufmann in Aachen.
Gornely, Bürgermeister a.D. in Elchenrath.
Gossmann, Th., Möbelfabrikant in Aachen.
Gremer, £., Hauptlehrer in Aachen.
Cremer, Jos., Bauunternehmer in Aachen.
Gremer, M., Lehrer an der Lehrerinnen-
Bildungsanstalt in Aachen.
Greutier, A., Buchhändler in Aachen.
D ahmen, Frz., Kaufmann in Aachen.
Daverkosen, Jos., Kaufmann in Aachen.
Demeuse, Henri, Rentner in Aachen.
Deterre, Jos., Buchd rucke reibesitzer in
Aachen.
Dicker, Otto, Rentner in Aachen.
Dodenhöft, Em., Lehrer a. d. Viktoria-
schule in Burtscheid.
Drosemann, Dr. 0., Redakteur in Köln.
Dujardin, P., Architekt in Aachen.*
Eibern, M., Baumeister in Aachen.
Ernstes, Rieh., Kratzenfabrikant in Burt-
scheid.
Eschweiler, Pfarrer in Gürzenich.
Feld mann, Fritz, Kaufmann in Strassburg
im Elsass.
Fey, Job., Landgerichts-Sekretär in Aachen.
Fey, Jos., Rentner in Aachen.
Firmanns, Jak., Juwelier in Aachen.
Firmanns, Apotheker in Aachen.
Flamm, G. J., Kaufmann in Aachen.
Forckenbeck, von, Rentner in Aachen.
Förster, Jos., Kaufmann in Aachen.
Fraiquin, Lehrer in Aachen.
Pranzen, Deservitor in Eller.
Geschwandner, Dr., Direktor an der
Viktoriaschule in Burtscheid.
Genien, Peter, Kaufmann in Burtscheid.
Geyer, Dr. H., Gymnasiallehrer in Wesel.
G Uli am, AI., Brunnenmeister in Aachen.
Göbbels, J., Stadtrath in Aachen.
— 127 --
Gobi et, Aus:., Seifeufabrikaiit in Aachen.
Goeckc, Dr., Professor in Aachen.
Greve, Dr. Th., Professor in Aachen.
Grimmendahl, Dr. P., Gyiunasial-Ober-
lebrer in Aachen.
Gross, H. J., Pfarrer in Osterath.
Hammels, Jos., Kaufmann in Aachen.
Ha mm er 3, H., Photolithograph in Aachen.
Hammers, Job., Rentner in Aachen.
Hansen, Dr. Jos., Stadtarchivar in Köln.
Keinen, Dr. L., Arzt in Aachen.
Heller, Geometer in Aachen.
Hentrich, Gerichts- Aktuar in Aachen.
Hermann, Maschinenfabrikant in Bnrt-
scheid.
Her mens, Jos., Stadtrath in Aachen.
Herren, L., Kaufmann in Aachen.
Hess, Job., Kaplan in Köln.
Heucken, Jos., Kaufmann in Aachen.
Heasch, A., Cand. jur. in Aachen.
Hoesch, Otto, Kaufmann in Aachen.
Hoff, von den, H., Justizrath in Aachen.
Hon ne feller, P., Photolithograph in
Aachen.
Hube, M., Geschäftsbücher-Fabrikant in
Aachen.
Hüffer,Rüb., Maschinenfabrikant in Aachen.
Hüntemann, Jul., Schneidermeister in
Aachen.
Jardon, Dr. A., Gymnasiallehrer in Esch-
weiler.
Jaalns, Dr. H., Rabbiner in Aachen.
Jörissen, Alb., 8tud. jur. in Aachen.
Kaatzer, Herm., Wtw., Buchdruckerei-
besitzerin in Aachen.
Kaentzeler, Jos., Privatgeistlicher in Bonn.
Kahlau, H. J., Kaufmann in Aachen.
Kaltenbach, J., Kaufmann in Aachen.
Kelleter, Dr. F., Gymuasial-Oberlehrer in
Aachen.
Kelleter, Dr. H., Stadtarchiv-Assistentin
Köln.
Kickartz, J., Gasraeister in Aachen.
Klausener, Bürgermeister in Burtscheid.
Klevisch, Greg., Kaufmann in Aachen.
Klinkenberg, Dr., (iyranasial-Oberlehrer
in Köln.
Klinkenberg, P. H., Conditur in Aachen.
Koch, H. H., Dr. theol., Militär-Oborpfarrer
und Division-^pfurrcr in Frankfurt a. M.
Koehn, Gymnasial-Oberlehrer in Aachen.
Körfer, Herrn., Breunereibesitzer in Roth o
Erde.
Kremer, Ferd., Stadtrath in Aachen.
Krichel, J. 31., Rcndant in Aachen.
K r u s z e w s k i , Dr. A., Gymnasial-Oberlehrer
in Aachen.
Kuetgens, P., Stadtrath in Aachen.
Lambertz, H., Pianofortefabrikant in
Aachen.
Lamberz, Emil, Ingenieur in Aachen.
Lauffs, Fr., Rektor in Satzvey.
Lennartz, W., Hof-Uhrmacher in Aachen.
Lentzen, P. A., Fabrikdirektor in Aachen.
Lorsch, Dr., Arzt in Aachen.
Lessenich, M., Kaufmann in Aachen.
Linnartz, Direktor der Pro vinzial -Taub-
stummenanstalt in Aachen.
Lippmann, Otto, Fabrikant in Aachen.
Lob, R., Fabrikant in Burtscheid.
Lörkens, Dr. J., Professor der Rechte in
Freiburg i. d. Schweiz.
Loersch, Dr. H., Geheim. Justizrath, Pro-
fessor der Rechte in Bonn.
Lovens, Jakob, Pianoforte-Fabrikant in
Aachen.
Lücke rat h, W., Pfarrer in Waldfeucht.
Maassen, Arthur, Dachdeckermeister in
Aachen.
Mac CO, H. F., Kaufmann in Aachen.
Mahr, Gerb., Heizungsfabrikant in Aachen.
Maus, Heinr., Kunstgärtner in Aachen.
Med er, Dr. J., Gymnasial-Oberlehrer in
Aachen.
Menghius, 0. W., Stadtrath in Aachen.
Messe w. Frz. G., Rentner in Aachen.
Meurer, Dr. A., Realgymnasial-Obcrlehrer
in Aachen.
Michels, Jos., Hotelbesitzer in Aachen.
Möhlich, Job., Königl. Aratsanwalt in
Aachen.
Mülle nmeister, J., Tuch-Fabrikant in
Aachen.
Nelson, Dr. J., Professor in Burtscheid.
Neu, Frz., Rektor in Aachen.
Nenfforge, Th. von, Kaufmann in Aachen.
Ncujean, Eg., Maler in Aachen.
Niederau, W., Agent in Burtscheid.
Niessen, Jos., Kaufmann in Aachen.
Noethlichs, Gottfr., Lehrer in Aachen.
Ochs, Pfarrer in Steinfeld.
Oidtmann, Dr. Heinr., Glasmalerei in
Linnich.
Oppenhoff, F., Gymnasial-Oberlehrer in
Aachen.
Otten, Heinrich, Cigarren-Fabrikant in
Aachen.
Pauls, E., Rentner in Düsseldorf.
Paulssen, Frz., Stadtrath in Aachen.
Peelcn, Ferd., Pliestcnucister in Aachen.
— 128 —
Peltzer, Gast., Kaufmann in Aachen.
Peppermülier, Oberbibliothekar in Aachen.
Pier, von, Hrch., Nadelfabrikant in Aachen.
Pier, von, Louis, Nadelfabrikant in Aachen.
Pohl, Wilh., Bildhauer in Aachen.
Polis, Peter, Fabrikant in Aachen.
Polis, Pierre, Fabrikant in Aachen.
Pschmadt, Realgymnasial - Vorschullehrer
in Aachen.
POtz, Jak., Kaufmann in Aachen.
Quadt, Max, Rektor in Aachen.
Qu ad flieg, Lehrer in Aachen.
Reinartz, Job., Architekt in Bnrtscheid.
Rey, van, A., Kaufmann in Aachen.
Rhoen, C, Architekt in Aachen.
Roo rings, Aug., jr., Kaufmann in Aachen.
Rossum, Rud., Kaufmann in Aachen.
Rüben, J., Bauunternehmer in Aachen.
Rtttgers, F. J., Juwelier in Aachen.
Saedler, H., Pfarrer in Derendorf.
Savelsberg, Dr. H., Gymnasial-Oberlehrer
in Aachen.
Senden, Major im 2. Bad. Feld- Artillerie-
Regiment Nr. 30 in Rastatt.
Sommer, Dr., Professor in Aachen.
Schaf frath, J., Stadtrath in Aachen.
Schervier, Aug., Fabrikant in Aachen.
Schiffers,Hnb.,Steinmetzmoi8terinRaeren.
Schillings, Jos., Kaufmann in Aachen.
Schlesinger, M., Redakteur in Aachen.
Schmitz, H., Realgymnasial-Oberlehrer in
Aachen.
Schmitz, C, Stadtrath in Aachen.
Schmitz, P., Havanna-Import-Geschäft in
Aachen.
Schneider, Frz., Apotheker in Aachen.
Schnock, H., Strafanstultspfarrer in Aachen.
Schnütgen, Gymnasial-Oberlehrer in
Aachen.
Schollen, M., StaatsanwaltHchafts-Sekretär
in Aachen.
Schulze, Job., Gymnasial-Vorschullehrer in
Aachen.
Schumacher, Wilh., Zeichner in Aachen.
Schwartzcnber^, von, Fr., Steinmetz-
meister in Aachen.
Schweitzer, J., Buchhändler in A&chen.
S p 0 e l g e n , Dr. J., Realgymnasial-Oberlehrer
in Aachen.
Springsfeld, Dr., Arzt in Aachen.
Stanislaus, Aug., Flaschenbiergeschäft in
Aachen.
Steinraeister, Carl, Cigarrenfabrikant in
Aachen.
Strom, Frz., Kaufmann in Aachen.
Talbot, Hugo, Rentner in Aachen.
Theissen, Job. Pet., Reg.-Sekretär in
Aachen.
Theissen, Hrch., Hotelbesitzer in Aachen.
Thoma, Dr., Arzt in Aachen.
Thom6, Ferd., Buchhalter in Aachen.
Thyssen, Edm., Architekt in Aachen.
Tönissen, Wilh., Pfarrer in Borbeck,
ürlichs, Barth., Buchdruckereibesitzer in
Aachen.
Vaassen, Dr. B., Rechtsanwalt in A&dien.
Valtmann, H., Kaufmann in Aachen.
Vi gier, Louis, Schirmfabrikant in Aachen.
V i n c k e n , Mich., Oberpostdirektions-Sekret&r
in Aachen.
Vogelgesang, C, Kaufmann in Aachen.
Wacker, Dr. C, Direktor a. d. Lehrerinnen-
bildungsanst^lt in Aachen.
Wangemannn, Dr. P., Zahnarzt in Aachen.
Weber, Arthur, Kaufmann in Aachen.
Weber, Alex, Lehrer a. d. Webeschule in
Aachen.
Weidenhaupt, P., Lehrer in Aachen.
Welter, H., Rechtsanwalt in Aachen.
Wen dl and, L., Pfarrer in Rheinbach.
Weyers, Rodr., Buchhändler in Aachen.
Wieth, Dr. H., Gymnasial-Oberlehrer in
Colmar.
Wings, Fr., Kaufmann in Aachen.
Wirtz, P., Reg.-Sekretär in Aachen.
Zimmermann, Bürgermeister a. D. in
Aachen.
Verlag der Cremer'schen Buclihandlung (C. Caziii) in Aachen.
Die Aachener Geschichtsforschung.
Entgegnung auf die „Kritische Studie" des Herrn Dr. LuIyös
über
„Die gegenwärtigen Geschicbtsbestrebnngen in Aaclien**.
Mit UntcrstUUuüg Aachener Üeschicbtsfreundc herausgegeben von Dr. C. WSiCker.
96 S. gr. 8*». Preis JL 1.80.
DkICK \(»N UkKMANN KAAl/.hU IN AA( hun.
rs f 011111
MinElLÜNGEN DES VEREINS FÜR KIDE DER AACHENER VORZEIT
IM AUFTRAG DES VEREINS HERAUSGEGEBEN
TOS
HEINRICH SCHNOCK.
NEUNTER JAHRGAN6.
AACHEN.
Kommissions-Vbbi.40 dkr Obemkkschen Büchhandldno (C. Cäzin).
1S96.
INHÄLT.
Seite
1. Schönau. Von H. J. Gross 1
2. Christliche Auslegung einer bösen Karlssage. Von B. M. Lersch . . 88
3. Über das Zusammenleben der Stiftsgeistlichkeit zur Zeit der Karolinger.
Von H. Schnock 85
4. Kleinere Mitteilungen:
1. Handschriftliche Aufzeichnungen (1758—1785) im Stadtarchiv zu
Aachen. Von M. Schollen 41
2. Theodor Zimmers. Von J. Fey 44
8. Die Anwesenheit einer hanseatischen Gesandtschaft an König
Philipp ni. von Spanien in Aachen im Dezember 1006. Von
F. Oppenhoff 47
4. Ein merkwürdiger Fund. (Briefe Davouts an Napoleon I.) Von
C. Wacker 48
5. Schönau. (Fortsetzung.) Von H. J. Gross 49
6. Kleinere Mitteilungen:
1. Aktenstücke aus dem Aachener Stadtarchiv (1795—1805). Von
W. Brüning. . 92
2. Veranstaltung von Maskenbällen bei festlichen Gelegenheiten im
vorigen Jahrhundert Von M. Schollen. 95
8. Zur Geschichte des Kreuzherrenklosters. . . „ „ „ 96
4. Anordnung einer Prozession durch den Bat . „ „ „ 96
5. Fleischverkauf in der Fastenzeit n n n ^^
7. Schönau. (Fortsetzung.) Von H. J. Gross 97
8. Der Maler Johann Adam Eberle. Von J. Fey 119
9. Bericht über das Vereinsjahr 1895—1896 128
•}-*®4-^-
Jährlich 8 Nummcni EommiBsiona -Verlag
I 1 Bogen Royal OkUv. ^^"^
Cremer'schen BnchhaDdlung
Preis des Jahrgangs ^f ,^^„
4 Mark. in Aachen.
Mitteilungen des Vereins für Kunde der Aachener Vorzeit.
Im Auftrage dea Vereins herausgegeben Ton E. Sehnaek.
Nr. 1/3. Nennter Jahrgang. 1896.
Inhalt: E. J. Qross, SchQnan. ^ B. H. Lcrsch, Christliche Auslegang einer bäsen Karlssage.
— H. Schnock, Über das Zusammenleben (rita communis) der Stiftsgeistlicbkeit zur Zeit
der Karolinger. — Kleinere Mitteiinngen : 1. Hand schriftliche Aufzeichnungen (1753—1785)
im Stadtarchiv za Aachen. — 2. Theodor Zimmers. — 3. Die Anwesenheit einer hanseatischen
Gesandtschaft an Künig Philipp II. von Spanien in Aachen im Dezemher 1606. —
4. Ein merkwürdiger Fund.
Schönau.
Von H. J. GroBS.
Unter den vielen Burgen, welche in reichem Kranze die Kaiserstadt
Aachen umgeben, dürfte kaum eine andere eine so wechselvolle und lUr die
Sittenkunde so interessante Geschichte haben, wie Schönau bei ßichtericli.
Wir wollen versuchen, auf den folgenden Blättern dem Leser eine nur aus
urkundlichen und andern bewähiten Quellen geschöpfte Darstellung der
Schicksale Schönaus und seiner Besitzer zu geben, wobei wir bemerken,
dass alle Nachrichten, deren Herkunft nicht besonders angegeben ist, aus
dem ehemaligen Schönauer Archiv gezogen sind.
I.
Herrschaft und Schloss Schönau.
I. Schönau ein „Sonnenlelien", d. h. eine freie Herrschaft.
Schönan ist nie so bedeutend gewesen, dass seine Besitzer eine Rolle
im Weltdrama hätten spielen können, aber trotzdem ist es jedem, der sich
mit deutscher Eechtsgeschichte befasst hat, dadurch bekannt, dass es zu
den wenigen sogenannten Sonnenlehen zählt. Grimm' gibt deren fünf an:
Hennegau, Bicholt an der Maas, Nyel bei Ltitticli, Scliünau bei Aachen,
Warberg zwischen Helmstett und Wolfenbüttel. Biesen fügt Hansen^ noch
folgende bei: Oldenburg, Hassleben, Elelienrode, Heyenrode, Bellstädt,
■) Deutsche RechtsaltcrthUmcr I, S. 278.
') Zeitschrift des Aachener Qesebicbts -Vereins VI, S. B4, N. 2,
— 2 —
UifterungeD, Schniiedehausen, Reckershauseii. Auffallend muss es uns mit
Hansen erscheinen, „dass der Ausdruck Sonnenlehen nur so selten erscheint,
während noch im vorigen Jahrhundert eine grosse Anzahl allodialer Be-
sitzungen vorhanden war, auf welche diese Bezeichnung nicht angewendet
wurde." Weniger auffällig erscheint uns der „Umstand, dass das Mittel-
alter in der Uebertragung der Lehnsidee so weit gegangen ist, sich sogar
den direkten Gegensatz des Lehns, denn das war ja doch eben das Allod,
im Lehnsnexus zu denken". Jene Zeit betrachtete sogar das Recht auf
Arbeit, das doch — wenn man so sagen darf — eines jeden Menschen
eigenstes Eigen ist, als ein von Gott und der Obrigkeit verliehenes, und
bezeichnete die Arbeit selbst als ein zum Nutzen des Gemeinwesens von
Gott und der Obrigkeit gegebenes Amt^ also ebenfalls als Lehen: da
lässt sich doch leicht begreifen, dass sie alle äusseren Güter nur als Lehen
ansah, die man von einem Menschen oder, wo das nicht der Fall war,
direkt von Gott erhalten hatte.
Aus dem Vorstehenden ist schon klar, was wir unter Sonnenlehen
verstehen. Das waren allodiale Besitzungen des Adels — wie Hansen
ausdrücklich hervorhebt* — , welche zu keinerlei Dienstleistungen ver-
pflichteten, weil sie eben des Besitzers erbliches Eigen waren, das ihm
nicht von einem andern Menschen gegen irgend welche Verpflichtung über-
tragen worden war. Diese Güter hatten sich frei und unabhängig erhalten,
sie waren dem allgemeinen Zuge der Zeit nach Verlehenung — man ge-
statte den Ausdruck — nicht gefolgt. Ihre Besitzer waren darum auch
selbst unabhängig, keinem andern Herrn unterworfen, sie waren frei von
einem jeden Dienste eines Höheren: ausgenommen natürlich, dass sie als
Angehölige des Deutschen Reiches ihre Pflicht gegen Kaiser und Reich
erfüllen mussten.
Dass die Herren von Schönau die Bedeutung des Ausdruckes Sonnen-
lehen im wesentlichen ebenso auffassten, erhellt aus ihren eigenen Erklärungen
in gerichtlichen Aktenstücken. So sagt Baltasar von Mylendunck: „1) dass
die herlichkeit Schonaw mit ihren pertinentiis von unvordenklichen zeiten
her in alle weg anders nicht dan von der lieben sonne Gottes zu lehen
ist empfangen und getragen worden; 2) dass bemelte herlichkeit iederzeit
als eine freie herlichkeit dem heiligen römischen reich ohne mittel^ under-
worfen gewesen und iederzeit dafür gehalten und verthediget worden."
Dieselbe Anschauung gibt sich auch kund in folgenden Sätzen, welche der
Herr von Blanche in seinen Prozessen häufig anführt: „Wie Könige und
Fürsten ihre Reiche, so haben die Herren von Schönau ihr Schloss mit
allem Zubehör nur von Gott allein . . ." und: „Wie im longobardischen
Gesetze die Allode Güter ohne Dienstleistung (sine hominio) genannt werden,
die man von niera<and als von Gott allein empfängt, so auch jene Burgen
*) Vgl. Janssen, Geschichte des deutschen Volkes I, S. 315.
^ Zeitschrift des Aachener Geschichts-Vcreins VI, S. 84, N. 1.
^) unmittelbar.
— 3 —
und Gerichtsbarkeiten, die man Sonnenleheu nennt/ Er beruft sich dabei
auf Trithius und a Sande.
Nach der Auffassung der Herren selbst war also das Sonnenlehen ^
nichts anderes als eine freie reichsunmittelbare Herrschaft, und als eine
solche wird Schönau auch von andern anerkannt und bezeichnet. „Gedachte
herlichkeit ist in negster gülischer vehenden * für eine solche reichsunmittelbar
freie herlichkeit verthediget worden," sagt Baltasar von Mylendunck. Eine
andere Aufzeichnung nennt Carl V. selbst als diesen „verthediger" und
fügt bei: „Das hat Dieterich von Mylendunck mit eigener band schriftlich
hinterlassen.**
Als Walter von Blisia den Maternusaltar in der Nikolauskapelle des
Aachener Münsterstiftes, dessen Sänger er war, mit vier Malter Roggen
jälirlichen Erbpacht ausstattete, bezeichnete er die Grundstücke, welche
mit der Kornlieferung belastet wurden, als gelegen „im Gebiete oder in
der Herrschaft Schönau am Hirsch" ^ und im Jahre 1668 bezeugte Herr
Gothard von Keverberg genannt Meven, der in der Nähe von Schönau auf
dem Schlosse Rah in der Sörs seine „adelige residenz" hatte, dass die
Herren von Schönau stets die Jagd in ihrem Bezirke ausgeübt, dass er
selbst oft mitgejagt habe, ohne dass ihm darüber vom Herrn zur Heiden*
irgend ein Wort gesagt worden sei, dass er von seinem Vater habe sagen
hören, Schönau sei Herrlichkeit gewesen, ehe das Haus Heiden dazu gelangte.
Die Herren zur Heiden wollten die Reichsunmittelbarkeit Schönaus
nicht anerkennen und bestritten dieselbe auch aus dem Grunde, weil die
Besitzer nicht zu den Reichstagen zugezogen würden. Darauf antworteten
aber die Herren von Schönau, es sei ein unterschied zwischen Reichs-
unmittelbaren und Reichsständen. Nur letztere hätten Sitz und Stimme
im Reichstage, erstere dagegen seien solche, die ausser dem Kaiser keinen
Herrn über sich erkennen. Der Reichsstand sei darum auch reichsunmittel-
bar, nicht aber umgekehrt der Reichsunmittelbare auch Reichsstand.
Wir ersehen auch hieraus, dass die Herren von Schönau aus der
Eigenschaft ihres Besitzes als Sonnenlehen keine andern Rechte herleiteten
und beanspruchten, als die den Reichsunmittelbaren überhaupt zustanden.
Woher aber diese Reichsunmittelbarkeit der kleinen Herrschaft? Wir
antworten: Schönau liegt in dem alten praedium Richterich. Dieser Gross-
grundbesitz war nach dem Zeugnisse der Jahrbücher von Klosterrath^ ein
Allod der Aachener Pfalzgrafen, die aber schon im 12. Jahrhundert manche
Teile desselben an ihre Verwandten oder Diener vergabt hatten. Aus
0 üeber die Bedeutung und Erklärung der sinnbildlichen Bezciclinung siehe unten
Nr. 5.
*) Im geldrischcn Kriege 1542—43.
^) „in territoris sive dominio de Schonawen**. Quix, Müusterkirche, S. 139. AValter
war Kanonikus seit 1452, Säuger seit 1505, f 1512. Vgl. A. Heu seh, Nomina Domino rum
Canonicorum Reg. Eccl. B. M. V. Aquisgranensis S. 10, Sp. 1*.
*) der das Jagdrecht der Schönauer leugnete.
^) Annales Eodenses S. 25 u. oft.
— 4 —
diesen Absplissen sind die Rittergüter im nachmaligen Ländchen von der
Heiden entstanden. Da dessen Geschichte anderwärts eingehend dargestellt
werden soll, erinnere ich hier nur daran, dass dasselbe als praedium
Richterich zuerst AUod der Pfalzgrafen, dann Besitzung der Heinsberger,
hierauf königliches Eigenthum, danach Reichslehen der Kölner Erzbischöfe
und endlich Gebiet der Herzoge von Jülich war, welch letztere eine ünter-
herrschaft daraus bildeten, die von der Burg ihres ersten Herrn den Namen
zur Heiden bekam.
Trotz den Vergabungen jedoch blieb vom praedium Richterich noch
ein stattlicher Rest übrig, den ein Verzeichniss der Einkünfte des Aachener
Münsterstifts aus dem 11. Jahrhundert^ als Herrengut des Grafen Hezelo
bezeichnet. Dieser Rest ist eben Schönau*. Nahe bei der Stelle, wo das
jetzige Schloss liegt, befand sich ehedem der Haupthof des ganzen AUods,
an welchem Verwaltung und Gerichtsbarkeit des praedium hing. Ein An-
zeichen dafür findet sich noch in einem Vergleiche aus dem 17. Jahr-
hundert, durch den die Parteien Mylendunck und Hillensberg sich ver-
pflichteten, nichts von den zu Schönau gehörigen Besitzungen zu verkaufen,
zu versetzen oder zu vertauschen, auch nicht „den pesch' sammt den
kamerhof, in welcher besirk das Haus Schonaw gelegen ist.** Das Schloss
liegt demnach auf dem Grund und Boden eines alten Hofes, dessen Sohl-
stätte noch im 17. Jahrhundert den Namen Kammerhof führte. Dieser
Ausdruck ist nach der Analogie von Kammerforst u. a. gleichbedeutend
mit Herrenhof; das Haus Schönau ist demnach an die Stelle des pfalzgräf-
lichen Kanuner- oder Herrenhofes getreten. Der Besitzer dieses Kammer-
hofes nun war im Anfange des 11. Jahrhunderts nach dem Zeugnisse der
oben erwähnten Urkunde Graf Hezelo, der zweite Sohn des Aachener Pfalz-
grafen Herman*; das praedium Richterich gehörte demnach zur Aus-
stattung der jüngeren oder hezelinischen Linie des pfalzgräflichen Hauses,
welche 1045 auch in den Besitz der Pfalzgrafen würde gelangte ^ Die vom
Salhofe abgetrennten Güter verloren natürlich ihren allodialen Charakter,
verblieben aber unter der Grundherrlichkeit des Besitzers des ursprüng-
lichen Haupthofes. Den Beweis liefern die Jahrbücher von Klosterrath.
Dieselben verzeichnen manche Schenkungen an Ländereien, welche von
Besitzern der im praedium Richterich gelegenen Gütern an die Abtei gemacht
wurden, melden aber auch jedesmal, dass die üeberweisung der Grundstücke
durch den Pfalzgrafen erfolgt sei ^. Nachdem das pfalzgi'äfliche Haus 1 1 40
ausgestorben, und der alte Kammerhof an ein minder mächtiges und an-
gesehenes Geschlecht gekommen war, verlor dieser auch die Lehensherrlich-
>) Qu ix, Cod. dipl. aquen. Nr. 42.
«) Vgl. Hansen a. a. 0. S. 88.
*) Wiese.
*) Groll ins, Erläuterte Reihe der Pfalzgrafen zu Aachen, S. 22.
*) G fror er, Papst Gregor VIT., Band I, S. 81 fif.
") Anoales Kodenses S. lö, 19, 20.
— 5 —
keit über die abgetrennten Güter. Diese kam an die verschiedenen Herren,
denen das praedium Richterich zuteil wurde, bis sie zuletzt den Kölner
Erzbischöfen verblieb, die sich das Oberlehensrecht bei der Abtretung
Eichterichs an die Grafen von Jülich vorbehalten haben mögen.
Der alte pfalzgräfliche Kammerhof aber behielt trotz aller Verluste
seinen allodialen Charakter; seinem Besitzer standen über die bei diesem
Hofe verbliebenen Ländereien und deren Bewohner dieselben Eechte zu,
welche einst die Pfalzgrafen über das ganze Gebiet gehabt hatten: also
alle Eechte des Grundherren.
Wann und von wem der Kammerhof den Namen Schönau erhielt, ist
unbekannt, indessen lag die Benennung nahe. Wie man später Schönforst
nach seiner Lage im Walde benannte, so hat man dem Kammerhof nach
seiner Lage in der wasserreichen, fruchtbaren Niederung die Bezeichnung
Schönau beigelegt.
2. Das Gebiet der Herrschaft Schönau.
Die älteste der mir vorliegenden Grenzbestimmungen datiert vom
23. Dezember 1523; dieselbe findet sich in dem folgenden Vergleiche
zwischen Dieterich von Mylendunck, Herrn zu Schönau und Werner von
Schönrode, Herrn zur Heiden.
„Wir Diederich herr zo Mylendunck ind zo Schönawen unde Werner
von Schoenrode, herr zo der Heiden inde zor Blyt etc. doen kund allen
lüden und bekennen hiemit offenbarlich: so ein herr zo Schönawe Gott
allmächtig ind seinere kaiserlichen majestät unde dem hilligen ryche ind
niemand anders vor overheuft kenne inde die hoeuftvart^ von des herren
kamer zo Schönawe an das kaiserliche kamergericht gaet ind sulchs von
alders herbracht ist, inde oich myn Dederichs ohme, wilne here Kraft von
Mylendunck ritter, here zo Meiderich ind zo Schönawe, mynre Werners
moder Maria von Merode, frawe zo der Heiden, den beiden Gott benaede,
vur reede * ind hoeuftgericht seinre fürstliche genade zo Guiliche beklaigt
hait over die ingriffe, dieselve frawe zo der Heiden in der hirlicheit von
Schönawe möge gedaen liain, inde darup ein ordeil gesprochen ist op
freidag des hilligen creuz abends' exaltationis in dem jare uns herren 1510,
dat here Kraft vorschreven by seinen regalien, laessen ind gerichten zo
Schönawen ruwlich ind vredlich blyven solde, wie syn alderen ind he sulche
zuvorens gehait ind gebruicht hain, so sein wir, der herr zo Mylendunck
ind zo Schönawe unde der herr zo der Heiden vorschreven, heude dag
datum unser gebiete halven bysamen getreten ind haven dieselve regulirt
ind gesatz: so dat der distrikt unde gebiet der herlicheit Schönawe gaen
sal längs dat ryche von Ache von Vetzsen* und Houf* an uns® up Bers-
berger ' gut, ind dar längs durch dat velt over Oirsvelder * klyf und längs
Oirsvelder gut und hinder dat huis Oirsvelt längs den meistweg^ ind längs
') AppeUation. *) Käthe. ') 13. September. *) Vetschau. ') Huff bei Vetschau. •) bis.
^) Bcrensberg. *) Uersfeld. ') Mistweg.
— 6 —
Vilsberger hof, vort durch Dtistergatz^ und Roderstrass^ uns an den scheifen
graf, item durch dat Richterger'' velt um dat eitergut* längs künegatz ind
vorsterheiden * durch den vieweg uns do an dat eitergut, ind davon längs
den flutgraf uns wider op dat ryche van Ache, so dat der here zo Schönawe
op gen Houf, in den Groenendal, an gen haut, zen Hirtz ind op Meven-
heide, inde oich zo Richtergen in den distrikt of gebiet der herlicheit
Schönawe gelegen unde over die laessen, leinlude* ind samentliche under-
saessen darinen wohnende zo gebieden, unde ein here von der Heiden sich
derselben guder, huiser, hotten ind wohnungen noch der laessen, leinlude
ind undersaessen zo Schönawe gehoerende, in geinerlei raanieren under-
nehmen en sal nu noch zen ewigen dagen. Ydoch die guder zo Richtergen
in den Richtergen distrikt betreflfend, so einige under die herlicheit von
der Heiden gehören, over dieselve guder ind sonst niet aneinhangende sal
man so genge^ als mogelich na unse augenschein of vurbringen unsre
diener beiderseitig gebiet in dem Richterger distrikt vorschreven ouch
aneinklevende ferner zo goeder vruntschaft ind naburschaft regelieren ind
setzen sonder aller argelist. Des zo warer urkund syn dieser verdregen
zwei glychs inhalts ufgericht ind haven unsere siegelen wissentlich hie an
doen hangen, der yder parteie einen na ime® genomen hait. Gescheit in
dem jaren uns herrn 1523 den 23 tag im dezember. Dederich her zo
Mylendonck ind zo Schönawe. Werner von Schoenrade, her zor Heiden inde
zor Blyt^**
Die Festsetzung der Grenze in Richterich hat nie stattgefunden.
Quix^® druckt jedoch einen Brief Werners von 1524 ab, in welchem der-
selbe seine Zustimmung zu einer Grenzbegehung ertheilt, welche das
Heidener Gericht gemeinschaftlich mit dem Schönauer abgehalten hatte
und welche die oben angegebenen Grenzen etwas näher bestimmt. Das
Schreiben lautet: „Myne vrüntliche grütz — So myne vogt ind geschworene
mir vorbracht haven, dat ür scholtis ind geschworen die limiten der herlig-
keit Schönawe mit hün begangen, zo wissen von dem dürrenbaum" längs
dat ryche von Aichen bis up Berensberg gut, item durch den kohlweg
bis up die elf trappen, item durch den byrweg''^, vort durch den rein an
den Scheit ^\ item durch den veeweg, borgass ind kuegass *^ over die vorster-
heid ind durch den weiweg bis up den dürrenbaum vorschreven, so bin
ich darmit zo vrede ind en sal mich der guten inde lüden binnen den vür-
gemelten limiten der herlichkeit Schönawe volgens sigel, breve ind ordel
der herzogen zu Guilich seliger gedechtnis niet annehmen; hirintgen*^ ir
uch der guten inde lüden in der herlichkeit van der Heiden baussen die
limiten der herlichkeit Schönawe vorschreven oich nit annehmen en solt;
ydoch die beide herlichkeiten Schonawen und Heiden sullen ein wy die
*) Dttstergasse. ') Strasse nach Herzogenrath. *) Richterich. *) Altirgnt. ') Vorderste
Heide. •) Lehenleute. ^) bald. •) an sich. •) Nach einer späteren Abschrift. '®) Geschichte
des Schlosses Schönaii S. 9. ") Zwischen Vetschau und Horbach. '-) alias: leer- oder Herweg.
^') Kohlscheid. '*) Vgl. oben: künegatz. '*) wohingegen.
— 7 —
andere berechtigt sein inde bliven up den gemeinen busch .... 1524.
Werner von Schoinrode her zor Heiden inde zor Blydt.**
Im Jahre 1754 Hess der Herr von Blanche die Grenzen seines Ge-
bietes gegen Aachen durch Statthalter und Schöffen begehen und lud alter
Gewohnheit gemäss die Herren von Aachen, d. h. Bürgermeister und Rath,
als Grenznachbaren zum Begange ein. Weil von selten des Magistrats
niemand erschien, nahm Blanche den Leutenant des Quartiers Laurensberg
und einen Einwohner des Aachener Reichs mit. Da im Protokolle die
bezüglichen Grenzen ganz genau bezeichnet sind, teilen wir dasselbe im
Wortlaute mit. Man ging „von Berensberg an längs dem Achener land-
graben bis am liirsch, sodan dieserseits^ längs dem wachtthürmgen daselbst
bis auf den hirscherweg und durch diesen hirscherweg bis auf den Berger-
creuzweg onweit unser lieber frauen rast^, hiervondannen aber durch den
Gronenthaler weg und durch die Herlenter- ^ oder Hufferstrass, item durch
den graberweg bis an Vetschen und hiervondannen durch den Herlenter-
weg bis an den dürrenbaum."
Es sind noch einige Verzeichnisse aus dem vorigen Jahrhundert er-
halten, welche die zum Schönauer Distrikte gehörigen Ortschaften, Höfe
und Häuser angeben. Alle zusammen liefern folgendes Ergebniss. Zur
Herrschaft gehörten:
1. Schloss Schönau mit dem Burghofe; das im Vorgeburg liegende
Pannhaus „an die Kreuzer**; 9 Häuser und Höfe mit ihrem Zubehör an
Graswuchs und Länderei ; 2. der Küppershof, welcher dem Aachener Lieb-
frauenstifte gehörte; 3. am Hasenwald: 14 Häuser; 4. auf die Huff: 3 Häuser
mit Weide und Land; 5. im Grünen thal: 6 Häuser mit Weide und Land;
6. an die Hand: 5 Häuser u. s. w.*; 7. zum Hirsch: 5 Häuser u. s. w.'*;
8. Lind-Hofgut; 9. Richterich: die Kirche, die daran anstossende Schule,
der Zehnthof des Aachener Kapitels und darum liegende 80 Häuser; dies-
seits der Borgasse, Künnegasse und Forsterheide 11 Häuser u. s. w.^;
10. Wilsberg: 9 Wohnungen; 11. Mevenheide, die sich bis auf den Vieh-
weg erstreckt: 11 Häuser und Höfe u. s. w.*; 12. Haus und Hof Uersfeld
samt dessen Abspliss Mittelürsfeld und 6 nunmehro (1758) erbauten Häus-
chen; 13. Forsterheid: 8 Wohnungen; 14. diesseits der Bank am Kreuz:
3 Häuser; 15. Viehweg: 10 Wohnungen; 16. Steinweg oder Kreuzstrass
diesseits am Scheid: 59 Wohnungen; 17. auf Bley: 2 Wohnungen.
Der weitaus grösste Theil dieses Gebietes wurde trotz der Abmachungen
von 1523 und 1524 den Besitzern von Schönau durch die Herren von Heiden
streitig gemacht.
*) auf der Schönauer Seite.
*) Vgl. meine Beiträge zur Geschichte des Aachener Reichs, „Aus Aachens Vorzeit**,
Jahrg. V, S. 102, Aum. 4.
') Heerlen.
*) wie bei Nr. 4 und 5.
— 8 —
3. Die Rechte der Herren vou Schönau.
Im Jahre 1302 bestätigte und verbriefte Kaiser Albert im Lager
vor Köln dem Ritter Gerard von Schönau alle Gerechtsame, welche letzterer
als Besitzer der Herrschaft Schönau auszuüben berechtigt war.
Die Urkunde selbst ist nicht mehr vorhanden, aber es gibt eine von
Bürgermeister und Rat der Stadt Aachen beglaubigte Abschrift. In einem
Prozesse wird erzählt, Balthasar von Mylendunck habe die Urkunde ihrer
Wichtigkeit wegen auf dem Aachener Rathause hinterlegt, und dort sei
sie bei dem Brande von 1656 zu Grunde gegangen. Nachdem berufene
Gelehrte erklärt haben, dass Inhalt und Form dieser für die Geschichte
Schönaus allerdings sehr wichtigen Urkunde keinen Anlass zu Bedenken
bieten^, wird man sich wohl auf dieselbe berufen dürfen. Sie lautet mit
der Erklärung des Aachener Magistrats also:
„Wir bürgermeister, scheffen und rath des königlichen stuels und
reichsstatt Aach thuen kund hiemit öffentlich bezeugend, dass der wohl-
geborener herr, herr Baltasar freiherr von Mylendonck, herr zu Schönaw
und Warden etc. uns einen brief uf pergameut geschrieben und mit ihre
röm. königl. majestät Alberti anhangenden Siegel zustellen und einhändigen
lassen, folgenden wörtlichen inhalts:
^Albert von Gottes Gnaden Römischer König, allezeit Mehrer des
Reichs, entbietet allen des H. Reichs Getreuen seinen Gruss. Ihr möget
wissen, dass Wir — da Uns der tapfere Mann Gerard von Schönau klar
dargethan hat, wie er und seine Vorfahren Burg und Herrschaft Schönau
bei Aachen mit ihrem Zubehör: den Höfen, Weilern, Häusern, Ländereien,
Weiden und Büschen, mit den Laten und übrigen Einwohnern und Unter-
gebenen, mit der hohen und niedern Gerichtsbarkeit, sowie andern Rechten
und Regalien, nämlich der Erhebung von Auflagen und Steuern^, der Prägung
von Münzen, der Ausübung der Jagd, bisher inne gehabt und ungestört
besessen hätten, und er zugleich demütig und unterthänig bat. Wir möchten
ihn, sowie seine Burg und Herrschaft Schönau mit ihrem Zubehör in Unsern
und des H. Reichs Schutz nehmen und die genannten Rechte und Regalien
bestätigen, — dieser unterthänigen Bitte willfahrend, den Gerard, seine
Burg und Herrschaft Schönau mit ihrem Zubehör in Unsern und des H. Reichs
besondem Schutz nehmen, alle und jede vorgenannten Rechte und Regalien,
deren Gerard und seine Vorfahren in der Herrschaft Schönau genossen und
sich erfreuten, aus der Fülle Unserer Königlichen Macht bestätigen, indem
Wir wollen, dass Gerard sowie seine Erben und Nachfolger in besagter
Herrschaft Schönau dieser vorbezeichneten Rechte und Regalien freien
Gebrauch und ungehinderten Genuss für immer haben sollen. Zur Urkund
und Bekräftigung haben Wir genanntem Gerard diesen offenen und mit
*) Vgl. Hansen, Zeitschrift des Aachener Geschichts-Vereins, VI, S. 86, N. 1.
*) Ich gebe die Urkunde zur Bequemlichkeit der Leser in genauer deutscher üeber-
setzung.
') assissias et voctigalia.
— 9 —
üneerm Königlichen Siegel bestätigten Brief ausgestellt. Gegeben im Lager
bei Köln im Jahre des Herrn 1302, am Tage der h. h. Märtyrer Crlspinus
und Crispinianus ^ in der 1. Indiction und im 5. Jahre Unserer Regierung.
Und hat demnach wohlgedachter herr bei uns fleissig ansuchen lassen,
dass wir denselbigen königlichen brief vidimiren und transumiren und ihm
davon ein glaubwürdiges vidiraus und transumpt mitteilen wollten. Daruf
wir den Originalbrief mit allem fleiss examinirt und gegen dies unser vidi-
mus und transumpt collationirt, und da wir denselbigen königlichen brief
von wort zu wort gleichen Inhalts, wie selbiger vor inserirt ist, und an
Siegel, Pergament und Schriften unversehrt, unradirt und unverletzt und
ganz richtig ohn allen argwöhn befunden, so haben wir ihm dies unser
vidimus und transumpt — dem in- und ausserhalb gericht gleich dem ori-
ginalbrief vollkommener glaub gegeben werden soll, mitgeteilt. Urkund der
Wahrheit haben wir unserer statt gemeinen insiegel hierauf drucken und
durch unseren secretarium dies vidimus und transumpt unterschreiben lassen.
Geschehen Aach am 22. augusti 1615. Niclaus von Münster.**
Kaiser Albert bestätigte demnach dem Ritter Gerard als Herrn von
Schönau folgende Rechte: Derselbe durfte die hohe und niedere Gerichtsbar-
keit sowie das Jagdrecht ausüben, sodann Umlagen und Steuern erheben,
endlich Geld prägen. Sehen wir nun zu, ob die Herren von Schönau diese
Rechte auch thatsächlich geübt haben.
a. Nichts ist mit grösserer Heftigkeit angegriffen und mit so aus-
dauernder Zähigkeit vertheidigt worden, als die Schönauer Gerichtsbar-
keit. Bei allen Kämpfen um die Selbständigkeit der kleinen Herrschaft
handelte es sich zunächst um die Berechtigung ihres Gerichts.
Es fragt sich nun: auf welcher Seite stand das Recht? Greifen wir
auf das zurück, was wir oben über die Stellung Schönaus zum praedium
Richterich gesagt haben, so dürfte sich die Frage leicht entscheiden lassen.
Schönau war der Haupthof des ganzen praedium, hier war der Mittelpunkt
für die Verwaltung und Rechtsprechung des Gesammtallods *. Diese Stellung
konnte Schönau nicht mehr behaupten, als der bei weitem grösste Theil
des praedium Richterich in den Besitz mächtiger Fürsten kam, als Herren
wie die Heinsberger, die Erzbischöfe von Köln, die Grafen von Jülich
Grundherren des Gebietes wurden und die Oberherrlichkeit über die ehedem
zu Schönau gehörigen Güter in Anspruch nahmen. Darum liess sich Gerard
von Schönau vorsichtigerweise von Kaiser Albert die Gerechtsame über
das dem alten Haupthofe noch verbliebene territorium oder dominium
verbriefen, damit nicht auch diese im Kampfe des Schwächeren gegen den
Mächtigeren verloren gingen. Ueber dieses Gebiet und dessen Bewohner
besass demnach der Herr von Schönau die hohe und niedere Gerichtsbar-
keit; über andere Güter des ehemaligen praedium Richterich, soweit sie
») 25. Oktober.
*) Vgl. hierzu meine Beiträge zur Geschichte des Aachener Reichs, „Aus Aachens
Vo^zeit^ Jahrg. VIII, S. 17 ff.
— 10 —
nämlich an Schönau lehenrtthrig, kurmedig oder zinspflichtig waren, stand
ihm nur noch eine Latengerichtsbarkeit zu; über diejenigen Güter aber,
welche in eine andere Grund- und Lehensherrlichkeit übergegangen waren,
hatte der Schönauer gar nichts mehr zu sagen.
Mit einem Worte: dem pfalzgräflichen Haupthofe Schönau ist es in
bezug auf die ihm unterstehenden Güter ähnlich ergangen, wie der kaiser-
lichen Pfalz Aachen mit ihren Nebenhöfen.
Dass diese Auffassung richtig ist, ergibt sich auch daraus, dass Hansen ^
aus der Erwägung einer Urkunde des Herzogs Wilhelm von Jülich zu dem-
selben Ergebnisse gelangt. Im Jahre 1361 verpfändete nämlich besagter
Herzog das ehemalige praedium Eichterich mit all seinen Gerechtsamen
an Goedert von Bongart, schloss aber ausdrücklich die dem Herrn von
Schönau auf dessen, wie auf den Gütern seines Bruders Maschereil und
deren Tante, der Frau von üelpich, zustehende Gerichtsbarkeit von der
Verpßlndung aus. Diese Güter lagen im Kirchspiele Richterich, sowie in
den andern^ Dörfern und Feldern, die zu Richterich gehörten. Der Vor-
behalt zu gunsten des Schönauers sollte jedoch nur so lange dauern, als
dieser' die Länder Montjoie und Cornelimünster vom Herzoge in Pfandschaft
besass. Den Blutbann auf diesen Schönauer Gütern behielt der Fürst zwar
sich selbst vor, denn er sagt: „Treife dat gerichte an lyf, dat solen sy
(die Schönauer) oeverleveren uns herzogen ind unsen amtluden"; jedoch
auch in solchen Fällen erfolgte die Verhandlung und die Findung des
Urteils durch das Schönauer Gericht: „ind danaf sal man alsdan richten,
also yre (der Schönauer) laisen dat wysen solen**.
Hier ist — und darauf hat Hansen mit Recht aufmerksam gemacht
— von Schönau selbst gar nicht, sondern nur von denjenigen Gütern die
Rede, welche die Familie von Schönau damals noch gemeinschaftlich im
Kirchspiele Richterich bezw. Eigelshoven besass; die Rechte des Herrn
von Schönau in der ihm verbliebenen „Burg und Herrschaft" werden also
durch diese Abmachung gar nicht berührt.
Es muss aber auch noch auf den Umstand hingewiesen werden, dass
der Herzog selbst beide Beschränkungen, sowohl die, welche die Dauer
des Vorbehalts zu gunsten der Schönauer bis zur Einlösung von Montjoie
und Cornelimünster festsetzte, als auch die, welche sich auf den Blutbann
bezog, in der erneuerten Belehnung Bongarts von 1370 fallen liess. Es
heisst nämlich da nur noch : „ [nd behalden ouch heren Reinarde, dem heren
van Schoenvorst op deme goede van Schoenawe ind wilne heren Maschriels
sins broders ind der vrouwen van Uelpich ire moinen irene goede zo Schoenawe,
') A. a. 0. S. 89 f.
') Hiermit sind die im Kirchspiele Eigelshoven liegenden Güter gemeint. Sie ge-
hörten demnach zum praedium, nicht aber zur Pfarre Bichtcrich.
^) Reinard, der jüngste aber bedeutendste der damaligen Schönauer. Vgl. über diese
Verhältnisse meine Abhandlung über Keinard von Schönau, ^Aus Aachens Vorzeit",
Jahrg. VIII, S. 17 ff.
— 11 —
dat zo Richtergin binnen deme kirspel inde in den anderen vorschreven
dorperen ind kirspelen mag gelegen syn, ire laessen ind leluden, wie sie
die alda hant, op wilchen irem goede van Schoenawe her Reinard, her van
Schoenvorst, die gerichte haven ind halden sal, ind die vorschreven heren
Goedert (von Bongart) noch die sine sich der niet annemen en solen".
Hieraus schliesse ich, dass der Herzog sich entweder selbst überzeugt
hat, er sei nicht berechtigt, die Gerichtsbarkeit der Herren von Schönau
zu beschränken, oder durch den damals noch sehr einflussreichen Reinard
zum Aufgeben der Beschränkungen veranlasst worden ist.
üebrigens hatte Goedert von der Heiden bereits im Jahre 1361 für
sich und seine Erben auf jeden Eingriff in die SchÖnauer Rechte schrift-
lichen Verzicht geleistete In einer andern Urkunde erklärte er sogar,
sich selbst und seine Untergebenen der Gerichtsbarkeit seines Nachbars
unterwerfen zu wollen, wenn er oder die Seinigen Güter erwürben,
welche im Gebiete der Herrschaft von Schönau lägen: „. . . mar wer et
Sachen, dat wir of unse undersassen einige lehen of loesgut kregen mit
recht . . . under der vorschreven heren Mascherei und seinen broder God-
dart van Schonawen und Ulpich, die sullen mit mehrder recht staen end
gefordert werden vor dem gericht ind herlichkeit ind goeder van Schonawe
und Ulpich" ^
Endlich gab derselbe Goedert im Jahre 1373 folgende Erklärung ab:
„Wir Goddart herr zur Heiden thun kund . . . dat wir . . . unsen magen
und broderen herrn Johannen Mascherei und Goddarten von Schonaw ge-
broderen geloft han und globen . . . ihnen und ihren lüden, laessen und
gerichten ind goederen van Schonaw und Ulpich geine noth, hindernus noch
achter theil nimmer mehr zu doen . . /'
Die Herren von Schönau versahen sich wohl von ihren neuen Nach-
barn in Heiden nicht viel Gutes, sonst hätten sie sich alle diese Ver-
sicherungen nicht ausstellen lassen. Indessen haben wir auch Reinard
von Schönau als einen sehr vorsichtigen Geschäftsmann kennen gelernt.
Uebereinstimmend mit dem, was uns die angeführten Urkunden über
die Gerechtsame der Herren von Schönau sagen, erklärt Kraft von Mylen-
dunck im Jahre 1566: „. . . Die freie herschaft Schonaw mit aller hohen und
niederen oberkeit, Jurisdiction, gepot, verpot, huldigung, Schätzung, politische
Ordnungen zu machen und was denselben weiters anhengig sein mag, in
und über den zugehörigen dorferen, eingesessenen underthanen, walden,
feldern, ackeren und anderen güteren, sowohl in criminal- als bürgerlichen
Sachen", wie seine Voreltern seit mehr als hundert Jahren und weit über
Menschengedenken ruhig und friedlich besessen zu haben.
Wie die Herren die Strafgerichtsbarkeit geübt, werden wir in der
M Qu ix, Schönau S. 13.
») Abschrift.
') Abschrift aus dem 18. Jahrhuudert. Daher die Verschiedenheit der Schreibweise.
Das Original beider Stellen legte Max von Mylendunk 1079 dem Gerichte zur Heiden vor.
— 12 ~
Geschichte der einzelnen Besitzer darthun; hier beschäftige uns zunächst
das sogenannte Latengericht, welches den Schönauern nie streitig gemacht
worden ist. — Dasselbe war ein Fronhofgericht, wie sie von Maurer^ be-
schreibt. Der Herr konnte selbst oder durch einen Stellvertreter zu Gericht
sitzen. Das war in Schönau der Schultheiss, der wiederum häufig durch
den Statthalter, einen der Schöffen, vertreten wurde. Bei Berufungen sollte
der Herr selbst Eecht sprechen. Zur Zuständigkeit der Fronhofgerichte
gehörte die Aufnahme von Fremden in den Hofverband, die Leistung des
Huldigungseides, die Veräusserung, Vertauschung und Freilassung der hof-
hörigen Leute, die Veräusserung und Zersplitterung von hofhörigen Gütern,
die Wieder Verleihung heimgefallener Hofgüter, die Konstatierung des her-
gebrachten Hofrechtes und die Erlassung neuer Verordnungen; ausser-
dem alle Vergehen der Hörigen, welche nicht zum Blutbanne gehört haben.
Aus dieser letzten Zuständigkeit lässt es sich auch erklären, dass sich-
eln dem grossen thurn des Schlosses Schönau ein mit eisernen banden und
schlossern versehener gefangenen-stock** befand, „worin die in der reichs-
herrschaft daselbst betroffenen missethäter zu gebürender abstrafung in-
carcerirt werden", obwohl die Herren von Schönau jederzeit den Stock und
die in der Herrschaft vorhandene „criminalgerichtsstatt** als Beweise für
eine vollständige Kriminalgerichtsbarkeit betrachteten.
Das Gericht war, wie Baltasar von Mylendunck sagt, besetzt mit
Schultheiss, (sieben) Scheffen oder Laten und andern Gerichtsdienern; der
Instanzenzug ging vom Gericht an den Herrn, vom Herrn an das kaiser-
liche ßeichskammergericht. Eine schriftliche Feststellung der Satzungen
und Gebräuche des Gerichts war nicht vorhanden; der alte Late lehrte es
die jungen — die neu eintretenden Schöffen — , wie das ältere Weistum
an einigen Stellen sagt. Jedoch erwähnt ein Gerichtsakt von 1610 folgende
Gewohnheit: „In dieser herrschaft Schönau ist herbracht und allezeit un-
verbrüchlich und ernstlich darob gehalten, wan etwo von auslendischen
gerichten requisitoriales oder subsidiales ertheilt, dass gleichwol darauf
nichts exequirt oder fuirgestellt; es were dan, dass die ganze volkomene
acta, darauf solche requisition beschehen, mitedirt und daraus ersehen, ob
auch richtig prozedirt oder aber einige nullitates committirt."
Als Hofgericht hatte die Schönauer Bank keine grösseren Befugnisse
als die andern Latengerichte ; es war ihre Aufgabe, die Eechte des Herrn
über die Lehengüter zu wahren, Uebertragungen der ihr unterstehenden
Ländereien vorzunehmen, die Berechtigten in dieselben einzusetzen und die
bezüglichen Akte in das Gerichtsbuch einzutragen. Beim Absterben eines
Lehenträgers mussten die Erben binnen sechs Wochen und drei Tagen sich
beim Gerichte angeben, das Lehen mit einem doppelten Pachte erheben
und einen Lehenträger stellen, widrigenfalls das Lehen verwirkt war. Auch
durfte kein Leheninhaber ohne Brief und Siegel des Herrn sein Gut be-
schweren. Wurde ein Gut geteilt, so mussten die einzelnen Absplisse
') Geschichte der Fronhöfe IV, S. 86, 140, 151.
— 13 -
erhoben werden. Ueber die Erhebungsgebühren wird in den Protokollen
nichts gesagt; es heisst stets: „hat seine gewöhnlichen iura gegeben **. Nur
von der Kurmede ist angegeben, dass sie mit zehn Reichsthaler „verthediget*
worden sei. Bei Verkäufen wird „Lickop** *, Gottesheller und Verzichts-
pfennig erwähnt; der Verzicht geschah „mit mund und halm**. Zuweilen
werden auch Kohlenlieferungen ausbedungen.
Den Protokollen der mir zu Gesicht gekommenen Gerichtsbücher von
1606 — 1666 entnehme ich die folgenden Angaben über Gerichtspersonen,
Kurmeden, Güterpreise, Flurnamen und Renten.
1606. Stefan von Richterich, Schultheiss; Egidius Pelser, Huprecht
Schröders, Thies Nacken, Johan Savelsberg, Peter und Johan Ortman,
Kerst von der Bank, Scheffen.
1631. Emund Merkelbach, Statthalter; Johan Savelsberg, Johan Nacken,
Werner und Johan Ortman, Kerst von der Bank, Johan Rempkens, Gerichts-
personen.
Peter Reuland verkauft ein Wohnhaus „in den bär genant, gelegen
am stegbendchen**, den halben Mistpfuhl und Bongart, sowie andere
Erbgüter (Immobilien) im Aachener Reich für 2100 Thaler ^, Lickop
ländlich, Gottesheller V» Reichsthaler. Eine Abschüttung der Güter
soll ohne die im Reich gelegenen nicht zulässig sein.
iVa Morgen Land „an den baumsweg" kostet 294 V2 Thaler,
Gottesheller ein Blaumeuser.
Der Verwalter von Schönau, Jakob Ernau, lässt eine Kuhkur für
10 Reichsthaler „verthedigen**. — Ein Gut in Richterich „an gen end**
zahlt an Schönau jährlich vier Kapaune und vier Schillinge ^ — Ein
Morgen Land „boven die Mevenheide** wird verkauft für 150 Thaler
und zwei Karren Kohlen; Gottesheller drei Mark. — Ein Gut in
Richterich „an dat weinhaus** zahlt ein Drittel von zwei Kapaunen.
— Auf Grundstücken „an der Hirtz** und „am Taubenberg" lasten
zwei Renten von „ein müd roggen und zwo mark pfenningsgelt" bezw.
„zwei müd roggen und ein capaun". Beide Renten werden „gegeben
jetzunder an junker Hoflfaliss erbgenamen binnen Achen". — Die Rute
„kurmediges land boven die Mevenheide" kostet sechs (Aachener)
Gulden weniger eine Mark. — Catharina Vrohn überträgt alle Güter
ihren Kindern unter dem Vorbehalt, dass diese sie „mit kost, drank,
kleidung unterhalten".
1632. Leonard Heidenthal, Schultheiss; Werner Ortmans und Emund
Merkelbach, Gerichtspersonen.
Panhaus und viertehalb Viertel Hofreide „auf die Houff" zahlte an
Schönau jährlich neun Bauschen. — „Ein halbes haus nämlich die
küche mit dem vorhaus, die scheuer, kuhestall, backhaus, anderthalb
') Weinkanf; stets mit dem Zusatz: ländlich.
*) Hienmter sind Aachener Thaler & 26 Mark — 130 alten Pfennigen zu verstehen.
') Für die Beuten vergleiche das folgende Register.
— 14 —
viertel hofreide, die platz, da das haus aufstehet, wird verkauft für
150 Thaler. Das Haus gibt an Schönau jährlich Vj^ Fass Roggen
und 3V4 Kapaun, an Heiden 7 Bauschen und einen Heller, „den grund-
schatz genant**. — „An den baumsweg, die kehr genant". — „Ein ort^
hauses oder stallung mit scheur, mistpfuhl, gerechtigkeit des putzes*
und hinterhabeudem kohlhof im Grönendal gelegen nechst dem bär"
kostet 270 Aachener Thaler und einen Wagen Kohlen. — Ein Morgen
Graswachs „in den cardian" zahlt jährlich sechs Heller. — Land
„boven das hilligen häusgen" kostet per Ruthe einen Aachener Thaler.
— Clara von Elzauen empfangt Güter „an die gass". — Graswachs
„den kockelholz genant unter dem hirtz". — Ein Haus in Richterich
wird verkauft für 55 Thaler und einen Thaler Verzichtspfennig. —
Die Ruthe pferdskurmedigen Landes am Baumsweg kostete sechs Gulden
eine Mark. — Der Bau „am hirtzer poeP** nämlich „kuchen, kamer
und keller** wurde für 57 Thaler verkauft. Anderthalb Morgen Land
daselbst kostete 131 Aachener Thaler, die Rute Graswachs imCardians-
bend wurde mit einem Thaler aix bezahlt. — Haus und Hof im
Grünenthal verkaufte der Besitzer für 210 Thaler. Die Hausfrau
erhielt einen Rosenobel, ausserdem lieferte der Käufer einen Wagen
und eine Karre Kohlen frei nach Aachen. Die Kosten des Notbaues
an dem baufälligen Häuschen ersetzte der Verkäufer. — Die Witwe
des Frambach Lonix „hat dem herrn mit doppeldem pfacht und gold
und Silber ihre belehnung entricht wegen unterschiedliche guter, und
fort den gerichtspersonen ihre iura" (1654).
1656. „Vor uns Adolf Hillensberg als possessor des Hauses Schönau,
fort Emont Merkelbach schultheiss und Peter Theilen gerichtspersonen".
Am 7. Februar dieses Jahres verzeichnet das Gericht den Verkauf
von sieben Viertel und 30 Ruthen Graswachs „gelegen in den Grönen-
dahl . . . mit dem vorheuft ausscheissend auf die Schönauer und Cardians-
bende ... an den wolerwürdigen herren Gerardus Schonebrot*, canonicus
U. L. F. Stift zu Achen, jede ruth zu acht gülden aich, und haben
verkeufer los frei gut verkauft, sonder allein der kirchen zu Richterich
undergüldig sein und pleiben 15 merk, und solle diese 15 merk an
die kaufpfennigen gekürzt und abgezogen werden".
Schönbrod vermachte das Land an die Ciarissen zu Aachen. Nach
seinem Tode wurde Herr Engelbert Quirini als „volmechtiger und
geistlicher vater der hochwürdigen frauen und dero conventualen des
Clarissenklosters zu Achen" damit belehnt; 1661 verkauften letztere
») Viertel.
^) Braunen.
^) Pfuhl, jetzt zugeschüttet und zu Garten gemacht.
*) Bei Heusch, Nomina ... ist der Name Schurebraedt (S. 22 *) und Schurebroedt
(S. 29 ') geschrieben. Er trat sein Kanouikat am 19. März 1594 an und starb als Jubiiarins
am 7. November 1656.
— 15 —
das Grundstück an Privatleute. — 1657 verkauft „die ehr- und teug-
same Agnes von Richterieb, wittib herren Goedtfreidt von Weisswiller
seliger oberrichter Mn gegenwart . . . ihres sohnes Adames Baltheiweins ^
. . . haus und hof gelegen zu Richterich " . . . für 400 Thaler und
20 Obstbäume. Das Haus ist „los frei gut**. Sollte ein „Bescheudt**
erfolgen, so wird dem Ankäufer alles erstattet, was er an den Bau
gelegt hat. — 1657 belehnt Amandus von Mylendunck, (der recht-
mässige) Herr zu Schönau, den Johan Heundt mit einem Gute, gelegen
zu Richterich „auf die gass". — 1660 . . . „etliche ruthen landts
ä 29 mark aix in den kaufbenden in den 15 morgen ... ist los,
leiber, frei gut". — 1662 . . . „haus und hof an das ürsfelder kleif
gelegen". — 1664. „Erb und gut, haus und hof, wie es zu Richterich
an das end gelegen negst den herren vom capitel zu Achen . . .
5 morgen lands, ein viertel graswachs, so schönauer guter sind, und
noch einige erbschaft, so theils Cortenbacher theils Uersf eider lehengut".
Ausser den mitgetheilten Flurnamen kommen noch vor: am Germich,
Altarfeldchen, am Hander Weg, am Hirzer Weg, auf die Fröschmisten,
auf die Fröschwei, auf dem Scheiben (scheifen) graf ^, auf die bach, in der
vasseinen (fasszeinen), in der Weinstrasse, das Bärenlebgen, im Bossbart.
1710 bekundet J. Cornets, abgestandener Schultheiss zu Schönau, vom
Herrn von Blanche sechs species Pattakons, womit alle seine Forderungen
befriedigt seien, gegen Herausgabe der Protokolle, Register und anderer
Briefschaften erhalten zu haben.
Wie wir schon sahen, hatten manche der lehenrührigen Güter ausser
den Lehenlasten noch andere jährliche Abgaben an „Erbpachten, Renten,
Capaunen und Geldzinsen" zu erlegen, welche alle auf Andreastag verfielen.
Ein Verzeichniss derselben vom Jahre 1596 enthält die folgenden:
„Peter an gen hirtz 4 müd V2 ^^^ss roggen, 1 capuin, 8 mark
pfeuningsgelt.
Krein^ zum hirtz 2 müd roggen, 4 mark pienningsgelt.
Jan up den thiendhof* 7 vass roggen, 11 capuin, 10 Schilling,
9 Pfenning.
Wilhelm Froen 12 capuin, 12 Schilling. — Goddart Nacken 1 capuin,
13 Schilling.
Druid^ im weinhaus' 1 capuin, 1 Schilling. — Heintgens kinder
10 vass roggen. — Gilles up Mevenheid 9 capuin, 15 Schilling. —
Der halfman up dem thiendhof 9 capuin, 9 Schilling. Item von einem
timmerplatz beneben seinem hause jarlichs 2 daler. — Meyen Thomas
1 hoen®. — Der Weingartzberg 7 capuin, 1 Schilling. — Thomas
hausfrau vor dem thiendhof 4 capuin, 5V« Schilling. — Gilles Peltzer
7 capuin, 2V2 Schilling, 9 penning, 2 kurmud. — Jan Kemmerling
1 müd roggen. — Gört Nacken 3 capuin, 3 Schilling, 1 malter roggen.
^) Vogtmajor. *) Baldoin. Welch eine Rechtsehreibung! ^) Graben. *) Quirin.
&) Zehnthof. «) Gertrud. ^) Ein Häuserkomplex in Richterich. ») Huhn.
— 16 —
— Merten Blomen 1 malter 1 cop roggen. — Gilles Pelzer 4 vass
roggen. — Carsillis van Merkelbach 1 malter roggen, 7 capuin, 7
Schilling. — Arnold Nacken 1 müd roggen. — Johan Froeschs gut
6 capuin, 3 Schilling, 9 vass V2 cop roggen. — Gerard von Schonawen
van dat erf van Oi^sfeld 2 capuin, 2 Schillinge. — Larabert von Urs-
feld und Theis von Steinstrassen 4 vass roggen. — Wilhelm int Wein-
baus, Thoenes auf dem Bremenberg 2 vass roggen. — Wilhelm Fredericlis
und Palliers kindern 16 capuin, 15 Schillinge. — Jan in die aide schewr
13 capuin, 13 Schillinge. — Goisen gut 7 vass roggen, 10 capuin, 10
Schillinge. — Nacken in dat weinhaus 3 vass roggen, 3 capuin, 3
Schillinge. — Johan uf den thiendhof 6 mark. — Gielis* Krops 7 capuin,
7 Schilling. — Der beer im Grönendal 3 mark. — Meister Lenz * söhn
in dem beer 1 hoen. — Poirtgens kinder 1 malter roggen. — Leonard
Jordens zu Vetschen öVs mark 1 Schilling. — Peter von SchirtzeF
4 mark, 1 mass even*. — Eeinart im panhaus IV2 mark. — Hern
Everharts kinder van Haren aus der teschen zu Aich 8 capuin. —
Segraz muUen op den graef 2 müd roggen, abgebest bei den here.
— Der halfen^ zu Berrenberg, Boendts parteien^. — Johan Broicher
1 mttd haver. — In den roemer der halfen betaelt 1 vass haberen.
Thiesken Roemers 2 vass haberen; lassen kurzen tegen einen brandiser,
staende in't salet' zu Schoenaw.
Pettr (sie) Milles zu Orsbach 2 vass roggen, 2 capuin. — Der
kleine hof zu Orsbach 2 capuin, — Der Schultheiss 2 capuin, 1 chur-
mud. Die churmud betalen die mitgedelingen van den schultheiss auf
der Mevenheiden.
Funk auf die Mevenheid 1 churmud. — Buetter* von Ach nunc
Schanternell 1 churmud. — Nellis im gronenschild 1 churmud. — Der
hof zu Neuland * gibt jarlichs 8 müd roggen, 12 gülden, 8 capuin. —
Jan Doetsmans 1 mud haber, 4 capuin, 4 acher merk, 1 churmud. —
Huegen gut IV2 mud roggen, 1 churmud. — Henrich Laven gut 2
mud roggen, 1 churmud. — Offens gut 3 vass even, 2 capuin, 2 hennen,
1 ziehnthoen, 10 V» Schilling, 19 pfenning, 1 paeschbrot ^^, 1 churmud.
— Die cluiss. Clas Neuland 1 vass haberen, 1 churmud. — Peters
gut an den putz zu Neuland 2 hennen, 1 ziehnthoen, 19 pfenning, 1
paeschbrot, 1 churmud. — Philips gut von Neuland 2 cupuin, 2 Schilling,
1 paeschbrot, 1 churmud, 1 capuin, 1 thienthoen, 3 Schilling, 1 paesch-
brot, 1 churmud. — Die OUichsraüllen ^^ zu Neuland 4 acher merk".
Eine Uebersicht der Einnahmen liefern die Rentmeisterrechnungen,
aus denen wir zunächst die Erträge von den Lehengütern ausheben.
1567 heisst es in den Einnahmen: „Item von den schönauischen
underthanen an roggen 21 müd, 1 vass, 3 ferdeP^. — Item von den under-
*) Egidius. *) Lorenz. ^) Schurzelt. *) Hafer. *) Halbwinner. •) Der Zins ist
nicht angegeben. ') Im kleinen Saal. ®) Bttttcrshaus in der Soers. *) Uebcr diesen Hof
siehe unten. >ö) Osterbrot. ") Oelmühle. ") Viertel.
— 17 —
thaüen 3 müd haber, 1 vass. — Item geben die underthanen zu Schonawen
jahrlichs 158^/4 capuin, 9 honer, 3 paischbrot und 5 gülden 16 bauschen
penuinksgelt".
Dass die Kapaune und Hühner aber nicht in natura abgeliefert,
sondern in Geld gezahlt wurden, zeigen die Rechnungen von 1571 und
1584, in denen der Posten so angegeben ist: „169 capuin und III ferdel
capuin, geben vur jeden 6 albus, facit 42 gülden, 10 albus und 2 heller",
und „169 capuin und HE ferdel capuin, jedes stück ad 8 albus ^= 56 gülden
14 albus, 9 honer vor jedes 3 albus"! Man scheint also die Tiere nach
dem Marktpreise bezahlt zu haben, während nach dem ältesten Laten-
weistum ein Paar Kapaune mit neun Schillingen bezahlt wurden „und wat
sy (die Pflichtigen) un me geven, dat en soulde niet syn ind werden darby
verunrecht".
Von den Geldzinsen sagen die Rechnungen: „Item geben die underthanen
jarlichs 76 pennink . . .". Die Zahl der bestehenden Kurmeden wird über-
einstimmend mit dem Verzeichnisse auf 15 angegeben; eine verfallene Kuh-
kurmede ist mit 6 Thaler — 13 Gulden berechnet. Im 17. Jahrhundert
wurden dafür, wie oben angegeben, 10 Reichsthaler erhoben.
Nach der Gefangennahme der Brüder von Blanche im Jahre 1760
verkündete der Kommissar Schlösser ein kuifürstliches Dekret folgenden
Inhalts: Da der Kurflirst vorhabe, das von den Brü^lern Blanche aus einem
blosen Latengericht zu formirende oder bereits formirte unmittelbare iudicium
zu kassiren, so interponire er zum voraus ein Dekret, dass gegen alle
diejenigen, welche von den Blanche sich zum Statthalter, Scheflfen, Fiskus,
Appellationskommissar anstellen liessen, die rechtsbehörige Ahndung vor-
gekehrt werden solle; dass es aber keineswegs in der kurfürstlichen Meinung
liege, der Schoenauer Laetbank als solcher etwas zu entziehen, so dass
die dahin gehörigen Sachen, als wegen Zins, Pacht, Ein- und Ausgang
der Kurmöden u. dgl. auch fernerhin dort verhandelt werden sollen. Es
dürfe sich aber niemand mehr unterstehen Sachen, die zum gewöhnlichen
Landgerichte gehören, bei der Schoenauer Laetbank einzuführen. Vogt und
Scheflfen der Unterherrschaft Heiden werden beauftragt, jede Zuwiderhand-
lung sofort zur Anzeige zu bringen. Vogt Coomans, Gerichtsschreiber Hoen
und die Schöffen versprachen, am Gehorsam nichts fehlen zu lassen „mit
hinzugefügter fast gemeinsamer ansprach, dass sie dieses reglements und
Unterscheidung des gewöhnlichen gerichts und der laetbank ganz wol zu-
frieden wären, weilen sie bis anhero fast nicht gewusst, wohin sich zu
wenden haben".
Die Genannten waren eben die Heidener Gerichtspersonen; von den
Schönauern, die zur Anhörung des Dekrets durch Läutung der Pfarrglocke
zusammengerufen waren, wird eine solche Aeusserung nicht berichtet. Oder
soll etwa durch das sehr bezeichnende „fast** zait angedeutet werden,
dass diese keineswegs „wohl zufrieden" waren?
b. Herr Kraft spricht in der oben angezogenen Stelle von „Schätzungen",
— 18 —
d. h. vom Rechte des Herrn von Schönau, seine Unterthanen mit Steuern
zu belegen. Auch diese Berechtigung spricht Kaiser Albert dem Ritter
Gerard zu. Ueber die Art, wie die Steuern veranlagt wurden, ist nichts
bekannt; wahrscheinlich geschah es aber wie im benachbarten Heiden durch
das Gericht. Die Erhebung der Steuern, die auch „Schatz" hiessen, erfolgte
durch den Rentmeister, der dieselben vor dem Herrn verrechnete. Aus
den wenigen vorhandenen Bruchstücken dieser Rechnungen lässt sich er-
sehen, dass der Schatz in den Jahren 1554 — 1560 im ganzen 2164 Gulden
14 Albus, und von 1609 — 1613 rund 1546 Gulden einbrachte; das macht
jährlich in runder Summe 310 Gulden.
Accisen^ wurden in Schönau hauptsächlich vom Bier erhoben. „Der
herr zu Schonaw**, sagt Kraft von Mylendunck, „hat von onvurdenklichen
Jahren seine kuirmeister gehabt wie noch, welche in dem schonawischen
gebiet hier und wein geprüft und auch die Übertreter und Verbrecher mit
gebürender emenda bestrafet haben." Die Herren zur Heiden bestritten
den Schönauern dieses Recht ebenfalls und erlaubten sich thatsächliche
EingriflFe in dasselbe. So forderte zur Zeit des Baltasar von Mylendunck
die Frau zur Heiden die Bieraccise von den Schönauer Brauern und liess
durch den Feldschütz einem Zapfer des herrschaftlichen Brauhauses an die
Kreuzer Geld mit Beschlag belegen, woraus derselbe 28 Aachener Gulden
wegen der geforderten Abgabe bezahlen musste. Der Brauer beschwerte
sich darüber bei seinem Herrn, indem er angab, das sei niemals geschehen,
die Schönauer Kürmeister hätten vielmehr „het hier nach die werdy auf-
und abgesetzt"*, und stets hätte „ein zeitlicher her zu Schonaw auf
schonawer grond die axis genossen und in gebrauch gehabt".
Es fehlte natürlich nicht an Brauern und Bierzapfern, welche sich
der Steuer zu entziehen suchten. Um diesen entgegenzutreten, erliess
Amandus von Mylendunck folgende Verordnung, aus der wir die Thätigkeit
der Kürmeister noch genauer kennen lernen: „Demnach berichtet werde,
ob solten die bierbrawers und zäpfern dieser meiner freiherrligkeit Schonaw
sich gelüsten lassen, der polizeiordnung zuwider, meiner angestellter kür-
meister unerfordert, das hier ungekürt und ungekerft ausfahren zu lassen
und zu verzapfen: damit aber hinfort solche Unordnung und verschlag der
accinsen verhütet werden möge, wird allen und jeden braweren bei pfeeii
2 goltgulden anbefohlen, kein hier ausführen zu lassen, es sei denn zu-
vorderst der angestellter kürmeister einer darzu gefordert, gekürt und
gekerft; den zäpferen aber so auswendig hier einlageren, dessen bei pfeen
eines goltguldene kein anzustechen, es sei dan dazu der kürmeister erfordert
und geküret. Diewelches der bot^ der gebühr^ anzukündigen um ihres
Schadens vor zu kommen. So geben Schonaw unter meiner handunterschrift
und pittschaft am 22. junii 1652. A. v. Mylendunck."
*) Assisiae, Abgaben von Lebensmittelu uud Waren, also indirekte Steuern.
') (1. h. je uacli dem Werte auf höhern oder geringern Preis gesetzt.
*) Gerichtsbote. *) wie es sich gebürt.
— 19 —
Brauereien gab es fünf ia der Herrschaft: das herrschaftliche Pann-
baus an die Kreuzer, zwei im Grünenthal, wovon eine zum Bär hiess, eine
an der Huff und eine am Hirtz.
Das Pannhaus „an die Kreuzer, prope cruces** lag „im vorgeburg des
Schlosses"; es gehörten dazu „haus, hof und 15 morgen land**. Dasselbe
brachte im Jahre 1567 dem Hen-n 65 Gulden 20 Albus ein; es wird aber
nicht gesagt, ob das Geld aus dem Pachte oder aus der Bieraccise herrührte.
Im Jahre 1611 verpachtete Baltasar von Mylendunck das „panhaus
zu Schonaw nebst anklebendem bongart und kohlhof" an die Eheleute von
der Bank, welche ihm in seinen „noeten und anliegen** 437^2 Thaler ä 26
Mark aix vorgestreckt hatten, für 70 Thaler auf so lange, bis das Dar-
lehen verwohnt wäre. Er behielt sich jedoch das Recht vor, durch gänz-
liche oder teilweise Abzahlung der Schuld die Pachtzeit zu kürzen oder
auch die Gläubiger anderweitig zu befriedigen. Dieser Fall trat aber nicht
ein, denn Baltasar verfügt erst 1618 wieder über das Brauhaus. Damals
heiratete seine Tochter Agnes den Johann von Kessel. Während der
Bräutigam alles in die Ehe brachte, was er von seiner ersten Frau Helene
von Spee ererbt, das, was er bereits von seinem Vater Mathias erhalten
„als nemlich under anderen den hof zu Loe under Kessel gelegen und den
hof zu Pütt**, sowie das, was er nach seines Vaters Tode noch zu erwarten
hatte, gelobte Baltasar „obgedachter juffer Agnes als seiner leiblichen
dochter** eine Mitgift von 4000 Gulden Venloer Währung und bis zur
Auszahlung dieser Summe sechsprozentige Zinsen. Auch gestattete er den
Eheleuten, dass sie zur Befreiung ihrer anderen Güter im ersten Jahre
tausend Gulden auf seine Besitzungen aufnehmen dürften; fünf Jahre nach
seinem Tode könnten sie sich den Rest auszahlen lassen. Als Zeugen unter-
schrieben Goedart von Beeck, G. Kipshoven, Herman Quadt. Zur Sicherung
der Zinsen räumte dann Baltasar dem Schwiegersohne das Pannhaus an
die Kreuzer ein, und Johann von Kessel sowohl wie dessen Sohn Baltasar
bezogen stets die Pachtgelder. Baltasar von Kessel war verheiratet mit
Margarethe von Broich. Nach seinem Tode ehelichte die Witwe den Herrn
Melchior von Dammerscheid. Beide verpachteten 1697 „das panhaus an
die kreuzer mit dazii gehörigem gehöcht, scheuer und stall** für jährlich
140 Thaler ä 26 Mark aix. Isaak Lambert von Blanche, der Isabella von
Kessel, eine Tochter der Witwe, geheiratet hatte, nnterschrieb als Zeuge.
Am 7. November 1703 schenkte dann Margarethe von Broich, Witwe
Kessel und Dammerscheid, zu Anrath ihrem Sohne Johann Wilhelm von
Kessel eine Gerechtigkeit am Hoenger Busch sowie die Forderung, wegen
welcher sie das Pannhaus an die Kreuzer in Pfandschaft hatte. Als
Johann Wilhelm hörte, dass seine beiden Schwäger von Blanche und
Hammes, der die Anna Maria von Kessel zur Frau hatte, die Schenkung
angreifen wollten, Hess er sich durch den Kurfürsten in Düsseldorf manu-
teniren. Aber das nutzte ihm nichts; 1712 beauftragte Hammes den Notar
Schmitz sich für ihn, seine Frau und seine Erben in den Besitz des Pann-
— 20 —
hauses zu setzen. Es geschah mit den üblichen Formalitäten. Nach dem
Tode des Harames wurde dessen Witwe von der Witwe Tornako zu Aachen
wegen Schulden vor dem Gerichte des Ländchens zur Heiden belangt. Die
beiden Frauen einigten sich dahin, dass die Hammes der Tornako das
Pannhaus einräume, und dej* Akt wurde 1721 von dem Heidener Gerichte
approbirt, realisirt und dem Protokolle einverleibt. Nun erhob aber Nikolaus
Paffen, der Schwiegersohn der Witwe Hammes, den die Heidener einen
Köhlerknecht nennen, Einspruch. Er wollte sein Recht auf das Pannliaus
vor dem Gerichte zu Schönau darthun, während die Tornako an der
Zuständigkeit der Heidener Bank festhielt. Schliesslich erkannte letztere
auf Räumung des Pannhauses und Übergabe desselben an die Witwe
Tornako. Der Gerichtsdiener Deutschen wurde mit der Ausführung des
Beschlusses beauftragt. Als derselbe sich mit Heidener Schützen am Pann-
haus befand, um die Immission vorzunehmen, erschien plötzlich der Herr
von Schönau, Johann Gottfried von Blanche, den Melchior Hammes, der
Sohn der Witwe „schier in allen wirtsheuseren der Stadt Aachen auf-
gesucht und herauszukommen gebeten hatte". Wegen dieser „Verletzung
der schönauischen Jurisdiktion** erschoss der junge Mensch den armen
Boten, der nur seine Schuldigkeit gethan. Als gerechte Strafe für die
scheussliche Ueberschreitung seines Rechts, die er freilich nachher als
einen Akt der Notwelir darzustellen suchte, traf den Blanche das Geschick,
dass er selber die ganze Schönauer Selbstherrlichkeit' begraben und sich
zum Vasallen des Kurfürsten schwören musste. Das Pannhaus blieb aber
im Besitze der Witwe Tornako.
Als von Blanche aus der Haft zu Jülich losgekommen war, nahm er
beim Freiherrn von Geyr, der im letzten Jahre der Gefangenschaft Schönau
verwaltet hatte, 1100 Reichsthaler auf, um das Pannhaus vom General-
feldzeugmeister Tornako, dem Sohne der Pfandinhaberin, einzulösen. Ob-
schon dieser die Kreuzer bereits seinem Schwiegersohne für dessen Ältesten
übertragen hatte, versprach er doch dem von Blanche dafür sorgen zu
wollen, dass ihm das Gut für 1000 Reichsthaler überlassen werde. So kam
das herrschaftliche Brauhaus nach fast löOjähriger Entfremdung wieder
an Schönau, blieb aber dem Herrn von Geyr zur Hypothek gestellt.
Von den beiden Brauereien im Grünenthal wurde die neben dem
Pannhause zum Bär liegende von den Brüdern Gabrielis am 19. März 1699
für 600 Aachener Thaler ä 26 Mark verkauft. Der Verzichtspfennig betrug
17 Reichsthaler ä 56 Mark. Das Haus lag einerseits neben dem Bär,
anderseits neben von Ottegraven.
Viel bedeutender war der Ertrag für die Brauerei am Hirtz. Man
verkaufte dieselbe mit Haus, Hof, angehöriger Braugerätschaft nebst zu-
gehörigem Garten und Graswachs im Jahre 1744 für 1400 Reichsthaler.
Das Protokoll verzeichnet ihre Lage „neben des aachischen wachtthurms
erbschaft** sowie den auf derselben lastenden Schönauer Erbpacht von
4^2 Fass Roggen, 1 Kapaun und 8 Mark.
- 21 -
Die Bieraccise wurde, wie wir oben schon hörten, von jedem Gebräu
gezahlt, denn der Kürmeister musste ja jedesmal gerufen werden um durch
Probe des Bieres den Wert festzustellen und zu „kerfen**, d. h. den
Betrag der Accise auf dem Kerbholz anzuzeichnen. 1596 hat „Jan in gen
Groenendal gebrowen 24 gebrowe, bis Andreae gerekent en betaelt; Gilles
in gen beer 23 gebrowe; Huprecht an gen hirtz 14 gebrowe. Dartegen
V, ton biers vor einen daler, der rest ist verriebt."
Die Biersteuer brachte ein in den Jahren 1554 bis 1560: 452 Gulden,
1567: 14 Gulden, 1568: 13 Gulden, 1569 und 1570: je 18 Gulden 12
Albus, 1571: 16 Gulden, 1584: 7 Gulden. In einer Rechnung ohne Datum
ist dieselbe mit 4 Thaler 10 Mark verzeichnet.
c. Dem Herrn von Schönau stand es auch zu, von den die Herr-
schaft Durchziehenden für die Benutzung der Wege eine Abgabe zu er-
heben. Dieses „Wegegeld" ergab in den Jahren 1554 — 1560 die Summe
von 240 Gulden. Der Schlagbaum hing an die Kreuzer und wurde „von
Schönau geschlossen und geöffnet**.
d. „Ein Herr von Schönau**, sagt Kraft von Mylendunck weiter, „hat
Juden unter seinem gebiet und herrschaft zu vergleiten gehabt, welche
jehrlichen tribut bezahlt und die erde zu ihrer begrebnuss von einem herrn
zu Schonaw kaufen müssen, wie solches mit brieflichem schein zu belegen.**
Das Recht Juden zu geleiten, d. h. ihnen den Aufenthalt in der
Herrschaft zu gestatten, lässt sich ebenfalls aus den Rechnungen nach-
weisen. In den Jahren 1554 — 1560 zahlten drei Juden für den Aufenthalt
in Richterich zusammen 257 Gulden; ein Jude Alexander gab für seinen
Aufenthalt im Weiler an der Hand 36 Gulden jährlich. In betreff dieses
letzteren wendete sich der Aachener Rat am 11. Januar 1553 an Herrn
Kraft von Mylendunck in einem Schreiben, welches klar zeigt, dass auch
Aachen Schönau als eine selbständige Herrschaft anerkannte. Der Jude
hatte nämlich von einem Frauenzimmer für ein Spottgeld Tuch gekauft,
das zwei armen Webern in der Christnacht vom Rahmen abgeschnitten
worden war. Der Rat forderte Herrn Kraft auf, da Alexander „unter
seinem Gerichtszwang und Gebiet gesessen** sei, den armen Leuten zu
ihrem Tuch oder zu ihrem Geld zu verhelfen. — Im Jahre 1666 erklärte
eine 80jährige Frau vor Notar und Zeugen, dass die Juden in Richterich
im Weinhaus auf Schönauer Gebiet wohnten, woher die Strasse den Namen
Judenstrasse führe, und dass dieselben in der Vorheide oder auch in
„Lysgens grab^** begraben würden.
e. Wir haben oben schon ein Zeugnis aus dem 17. Jahrhundert mit-
geteilt, wonach die Herren von Schönau stets die Jagd auf ihrem Gebiet
ausübten und auch die benachbarten Edelleute an derselben teilnehmen
Hessen. 1599 gestattete Baltasar von Mylendunck dem Junker Wilhelm
von Streithagen auf Ürsfeld ebenfalls die Mitjagd, aber nur auf Lebens-
') So hiess die Schönauer Richtstätte.
— 22 —
zeit und ohne Nachteil für die schönauische Hoheit. Isaak Lambert de
Blanche, der in kaiserlichen Diensten kreuzweis durch einen Fuss geschossen
worden war, liess in den Jahren 1709 und 1710, „da er selbst Ziemlicher-
massen impotent gewesen", die Jagd durch einen Aachener ausüben.
Mit grosser Strenge hielten die Herren darauf, dass ihr Jagdrecht
nicht verletzt werde. Es fehlt nicht an Verordnungen besonders gegen
die Hunde, die knüppellos im Felde umherschweiften; auch wird als Akt
der Landeshoheit angemerkt, wenn so ein armer Köter vom gestrengen
Herrn erschossen worden war. Natürlich verfuhr man auch gegen zwei-
beinige Jagdfrevler nicht gerade gnädig. 1607 wurde ein Schönauer „wegen
violirter schonawischer Jagdgerechtigkeit" auf dem Schlosse in Haft gebracht
und erst „auf vorpitt verschiedener benachbarten edelleuten nach aus-
geschworener Urfehde aus gnaden relaxirt". Ein Aachener wurde 1687
dieses Verbrechens wegen sogar in Eisen gelegt und musste seine Flinte
mit 3 Thaler auslösen. Und gerade wegen der Jagdgerechtigkeit führte
der Streit zwischen Heiden und Schönau zu Auftritten von unglaublicher
Roheit. Ein Herr von Leerode beorderte als Mitherr zur Heiden einen
Haufen Gesindel, darunter „einen salva venia Schweineschneider und einen,
der sich für einen Tiroler ausgibt", um den jagenden Herrn von Blanche
mit seinen Vettern und einem Landleutenant aus dem Amte Brüggen zu
überfallen. Die Herren Hessen sich wirklich von den Kerlen entwaffnen,
schlagen und verwunden. Dafür forderten sie aber auch als Schadenersatz
10000 bezw. 5000 und 4000 Dukaten und der Landleutenant, dem ein
Arm lahm geschlagen worden war, ausserdem eine jährliche Rente von
100 Dukaten. Das Gericht in Düsseldorf nahm freilich die Sache nicht
so hoch; es verurteilte Leerode zu 50 Thaler fiskalische Bruch t, 100 Thaler
Civilentschädigung für die vier Verwundeten, zur Tragung aller Kur- und
Prozesskosten, sowie zur Erstattung der Flinten und Jagdtaschen.
f. Das Münzrecht, welches Kaiser Albert dem Ritter Gerard verbriefte,
hat — soviel bekannt — nur einer der Herren von Schönau ausgeübt, nämlich
Dietrich von Mylendunck, welcher 1522 in den Besitz Schönaus gelangte.
Kräftig bemüht, alle seine Rechte wie auch sein Gebiet zu wahren und
gegen die Eingriffe der Heidener zu schützen, hat er wohl auch seine
Münzen nur zu dem Zweck schlagen lassen, damit dieses Recht nicht ver-
gessen werde. In den spätem Latenweistümern ist denn auch häufig Rede
von den durch Dieterich geprägten Geldstücken, welche ältere Laten gesehen
zu haben versichern. Ob Kraft von Mylendunck nicht wenigstens den
Versuch gemacht hat, Schönauer Münze anfertigen zu lassen? Das lässt
sich zwar nicht beweisen aber doch vermuten aus einem der vielen Klage-
punkte, welche Wilhelm von dem Bongart vor dem Herzog von Jülich
gegen ihn vorbrachte. Es heisst nämlich in der Beschwerdeschrift, Kraft
habe sich auch durch „vergleitung und aufhaltung von falschmünzern"
gegen seiner Fürstlichen Gnaden und des H. R. Reichs Ordnungen vergangen.
Der Mylenduncker weist freilicli diese Anschuldigung entschieden zurück
— 23 —
und sagt, er habe nur einigen Handwerksgesellen die Erlaubnis gegeben,
ihr Handwerk auszuüben und sich dadurch ehrlich zu ernähren.
Sicher aber ist, dass Johann Gottfried von Blanche allen Ernstes
daran dachte, das Schönauer Mtinzrecht wiederum zur Geltung zu bringen.
Er teilte dem Kurfürsten von Köln als einem der Direktoren des Nieder-
rheinisch Westphälischen Kreises unter dem 7. Januar 1756 mit, dass er
sich zur Aufrechthaltung des regalis cudendae monetae ' habe entschliessen
müssen, einige Münzsorten nach des H. R. Reichs Ordnung und der benach-
barten Mtinzherren Fuss prägen zu lassen. Aber bereits am 22. Januar
machte Herr von Reuschenberg, der diese Angelegenheit in Bonn betreiben
sollte, dem Herrn von Blanche die Mitteilung, einer der Bonner Herren
habe ihm gesagt: „es wäre für ewr. hochwohlgeboren zu wünschen, dass
sie solches ius monetandi ^ in jüngeren zeiten ausgeübt hätten, als dass sie
solches erst nach einem so langen zeitverlauf durch alte dokumenten sich
anmassen wollen; ich besorge allein, dass ewr. hochwohlgeboren dabei
contradiktion und verdruss leiden**. Herr von Blanche ging nun zwar
ungesäumt mit der Ausgabe der von ihm neugeprägten Vierhellerstücke
vor, aber sofort zeigte sich auch die „contradiktion**. Der Aachener Rat
verbot die „schonawische bauschen** unter Strafe von 3 Goldgulden toties
quoties'^ und liess das Verbot sowohl an den Stadtthoren anschlagen, als
auch durch die Pfortenwächter in den Häusern verkündigen. Damit war
der Versuch gescheitert.
4. Sonstige Rechte und Güter der Herren von Schönau.
a. Es versteht sich von selbst, dass Schönau als ehemaliger Haupthof
seinen Anteil an der Almende des pfalzgräflichen AUods Richterich hatte.
Die Lehenleute und Laten erklärten denn auch im Jahre 1491 auf die
Frage ihres Schultheissen, „ob sie einige gerechtigkeit auf dem walde*
hätten, wann echer^ wüchsen, und ob sie auch einige seh wein daraufschlagen
mögen P: dass sie von ihrem gedenken alle zeit, wann echer wüchsen, nach
gelegenheit ihre schweine aufm walde haben mögen schlagen ohne etwas
davon zu geben, und ihrer keinem ist kundig, dass sie jemals gehöret oder
von ihren eiteren vernomen noch in ihrem leben gesehen oder gehöret haben,
dass jemand von alsolchen Schweinen gelt oder Schätzung erfordert geheischen
oder gegeben hat, dan sie allezeit von menschen gedenken hcro die freiheit
besessen haben davon nichts zu geben; wiewohl nun in drei oder vier jähren
die juffer von der Heiden^ jedes schwein geschätzet und in gelt gesetzet
und die alte gute gewonheit herkomen und unverbrüchliche uralte gehabte
^) des Rechtes Geld zu schlagen.
*) Hecht der Münzpräge.
*) für jeden einzelnen Fall.
*) dem Gemeindcbusch.
*) Eicheln und Buchecker.
*) Maria von Merode.
— 24 —
freiheit der lehenleuten und laten von Schonaweu aufgehoben und gebüret^
hat.** Wie seine Lehenleute, so klagte auch Kraft von Mylendunck selbst
1508 gegen die Frau zur Heiden vor dem Herzog von Jülich, dass sie
„nach inne willen in den gemeinen busch handele wider recht ind alle
billigheit**. Der Sohn und Nachfolger der Maria, Werner von Schönrode,
scheint diese Klageu abgestellt zu haben; sein Schreiben vom Jahre 1524
sagt ja ausdrücklich, dass „die byde herlichkeiten Schonawen und Heiden
suUen ein wie die andere berechtigt syn inde bliven up den gemeinen busch** ^.
Dass insbesondere der Hof zu Schönau noch in späterer Zeit an der ganzen
Almende beteiligt war, zeigt eine Erklärung der Halbwinnerin vom Jahre
1567: Wilhelm von dem Bongart als Herr zur Heiden habe ihr geboten,
„so hoch der her zu gebeden^**, sich der Hofgüter mit samt der Gemeinde^
zu enthalten, bis sie ihm die Türkensteuer erlegt habe. Obwohl nun bisher
der Herr von Schönau diese Steuer immer erhoben „und in seinen ver-
ordneten legstellen gebürt** hatte, gab die Pächterin, „um aller bedrangung
auszuweichen", dem Vogte zu Horbach drei bescheidene Goldgulden, jedoch
unter der Erklärung, dass sie dadurch der Gerichtsbarkeit ihres Herrn
nichts vergeben wolle.
Die Schönauer hielten ihre Berechtigung an der Gemeinde stets auf-
recht. Noch im Jahre 1758 Hess von Blanche in das Begangprotokoll die
Bemerkung aufnehmen, „der gemeinsame busch sei von den Heidenern arg
devastirt, fast ruinirt**.
b. Inbezug auf den Zehnten, welcher im Ländchen von der Heiden
dem Aachener Münsterstifte gehörte, behauptete von Blanche, gestützt auf
die Aussage der Pächterin, dass ein Teil der Länderei im Schönauer Felde,
sowie zwei Stücke, „der Lahn** genannt, zehntfrei seien, dass von dem
übrigen Lande die elfte Garbe* gezehntet werde, dass 10 Garben Winter-
frucht und 10 Garben Hafer den Schönauer Bedienten überlassen, Zehnt-
stroh und Kave aber dem Hofe zurückgegeben werden müssten, während
von gelben und weissen Rüben, von Klee, Kappus, Hanf, Flachs, Heu,
sowie von andern grün abgeschnittenen und verfütterten Kräutern dem
Kapitel nicht der geringste Zehnte verabreicht werde.
c. Im Jahre 1737 vermass der Landmesser Spiertz folgende zum Hause
Schönau gehörige Stücke: 1. den Hausweier, der rings um das Schloss und
den Vorhof gelegen ist; 2. den Mevendrischweier (600 Ruten); 3. den
Leimweier (80 R.); 4. den Broichweier (400 R.); 5. den Baltusenweier
(17 R.), das Langweierchen (IIV2 RO1 das runde Pfühlchen (2 R.), das
Pfützweierchen (5 R. 4 Fuss), den Pfützpfuhl (12 R.); 6. das Feld, der
Lahn genannt, und die Wiese, Pesch genannt (16 Morgen 50 R.); 7. den
*) an sich gezogen.
2) Qu ix, Schönau S. 9.
^) bei der höchsten Strafe, die er verhängen konnte.
*) Almende.
*) Der Herrenhof des Grafen Hezelo gab dagegen sogar doppelten Zehnten.
— 25 —
Plattenbend (8V4 M.); 8. den Kahlingsbend (5 M. weniger 1 R.), das
Kesselsbendchen (177 R.); 9. den Jungenbusch vor dem Schlosse gelegen,
in dem Eichen und Buchen standen. Die Mylenduncker sollen die Bäume
abgehauen und verkauft haben; der alte Blanche Hess die letzten fällen
und für den Aufbau des Hauses Schönau zurechtmachen, jedoch wurde das
Holz von brandenburgischen Volontärs verbrannt. Darauf bepflanzte man
den Boden — 6 Morgen 61 Ruten — mit 961 Bäumen: es kam also auf
eine Rut^ ein Baum.
d. Der in der Vorburg gelegene Hof von Schönau war nach den
vorliegenden Nachrichten stets verpachtet und zwar lange Zeit an die
Rentmeister bezw. Schultheissen. Es wird nicht ohne Interesse sein, das
Urteil zu hören, welches ein Mylendunck, der Herr von Goer und Fronen-
broch, gelegentlich einer Erbteilung im Jahre 1579 über den Wert der
Besitzung fällte. „Item zu Schonawen ist kalk und stein ganz wolfeiP,
und hette mein broder herr zu Meiderich bei seinen lebzeiten mit 4000
daler an den zweien orteren so schone heuser bauwen kunnen, als ich zu
Goer und Fronenbroch mit 14000 daler. Item zo Schonawen kan man
um 4 daler so viel kalen * kaufen, als einer von uns zu seiner haushaltung
soll bedürfen. Item die 15 morgen lants, so mein broder seliger der
schultessinen zu Schonawen verkauft, jeder for 50 Daler, welches mir halb
zukomt. Zu gedenken, Schonawen hat ungeferlich anderthalb hondert
morgen lants und mag ein morgen von den besten 75 daler gelden: so
hoch kan das lant zu Fronenbroch nit angeschlagen werden, dan das ist
lehen, Schonawen aber allodial. Noch zu gedenken, die fischerei zu Schonawen
ist nit gerechnet. Item den bungart hinder des Schultessen haus, welchen
meine neflfen selbst 20 daler werden schetzen jarlichs. Item der acker
zu Schonawen mus auch angezogen werden**.
Die Rechnung von 1567 verzeichnet in den Einnahmen: „von dem
hove zu Schonawen au roggen 60 müd, 1 müd weiss, 6 müd haberen"; die
Rechnung von 1571 fügt noch hinzu: „. . . item an schrimpkorn 1 malter
roggen". Wahrscheinlich ist hiermit der damalige Pachtbetrag in Frucht
angegeben. Im Jahre 1584 heisst es: „Item gab ich von dem hof zu
Schonawen geltpacht 50 daler, jeden ad 52 albus facit 108 gülden 8 albus".
Im folgenden gebe ich die noch vorhandenen Pachtverträge der
Zeitfolge nach. — 1596 April 18. verpachteten die Brüder Kraft und
Baitasar von Mylendunck den Hof an Paulus Breera und Idgen, dessen
Hausfrau, auf 12 Jahre (mit beiderseitigem halbjährigen Kündigungsrecht
nach 6 Jahren) für 48 Müd Koggen oder 40 Müd Roggen und 16 Müd
Hafer 3, 4 Müd Weizen ^ 8 Müd Hafer, V2 Müd Erbsen; diese Frucht ist
') Ganz in der Nähe, auf dem Vetscheter Berge, wurden Steine gebrochen und Kalk
gebrannt.
*) Kohlen.
') Hafer galt also nur die Hälfte des Koggens.
*) Es wurde also viel weniger Weizen als Roggen und Hafer gezogen.
~ 26 —
in guter, reiner, trockener „marktgever" Ware in Aachen abzuliefern.
Ferner zahlen die Pächter 50 Thaler vom Graswachs und 20 Thaler „von
dem breiden, vor dem haus verlandten weier" und geben „vor lieffenis"
jährlich 6 Pfund Zucker, 1 Pfund Pfeffer, 1 Pfund „genffers" ^ 6 Kapaune,
2 gute fette Gänse, 2 Verken „ausser der stuppelen oder ein fettes dafür
zu der heiTen chuir"*, einen fetten Hammel, ein Lamm, „hondert markt-
oder grosse" Pfund Butter — die im Mai geliefert werden mussten — 30
gute harte getrocknete Käse, 10 Quart Rttböl, 100 Eier, auch Milch und
Rüben nach Bedarf der Küche. Ausserdem liefert der Pächter Häcksel
und Stroh für die Pferde der Herren, ßlhrt die nötigen Kohlen zu, wofür
er von jeder Fracht ein Fass Hafer für die Pferde erhält, und holt das
Heu aus dem Cardiansbend. Auf das gepachtete Land muss er jährlich
20 Wagen Mergel und 7 Karren Kalk fahren; das beaufsichtigen der Herren
Diener. „Item es soll der halfen schuldig sein, dero hern kalkuitschen
hönern^ die weide zu vergennen, noch keine douben der halfen zu halten
macht haben." Bei Hagelschlag und Misswaclis wird der Pächter gehalten
wie andere Halfen; geschieht Schade „durch hernkraft*", so wird das
abgeschätzt und trifft die Herren zu zwei, die Pächter zu einem Drittel.
Als Zeugen unterzeichneten Goddart von Keverberg genannt Meven und
Johan von Utwich.
Als Adolf von Hillensberg und seine Frau Anna Maria von Mylen-
dunck 1663 den Hof wiederum auf 12 Jahre verpachteten, gaben sie den-
selben auf Halbgewinn nicht bloss von den Fruchtarten, sondern auch von
den Kühen, Schweinen und Schafen. Ausserdem forderten sie 145 Thaler
„vihezugt", 40 Thaler als trockenen^ Weinkauf, für mefrau einen Rosenobel
und zu Neujahr 6 Pfund Zucker, 8 Pfund Zinn, 1 Pfund Pfeffer, 1 Pfund
„imber*^" und V2 Pfund NägeF. Vermutlich haben die Verpächter dem
Halbwinner eine Anzahl Vieh in die Wirtschaft gegeben, daher der Halb-
gewinn auch am Vieh.
Ein ähnlicher Vertrag wurde 1712 zwischen dem alten Herrn von
Blanche und dem Freiherrn von Reuschenberg zu Berensberg geschlossen,
aber da lauten die Bedingungen ganz anders. Reuschenberg sollte gegen
Vorgabe von drei Morgen die Schönauer Länderei bebauen und besäen und
dann mit Blanche die Frucht teilen. Weil Blanche bereits im folgenden
Jahre durch einen Mylendunck aus dem Besitze von Schönau gesetzt wurde,
konnte der Vertrag nicht gehalten werden, und Reuschenberg erlitt einen
Schaden von 160 Thaler. Zum Ersatz überliess man dem Sohne und Erben
Reuschenbergs die Gegenstände, welche Blanche beim Abzüge dem Berens-
berger übergeben hatte : Kalesche, Wagen, Karren, Gewehr und mehrere Geräte.
1726 August 7. verpachtete Johan Gottfried von Blanche „das kaiserlich
freie reichshaus Schönau samt gebucht, schewr und stallung wie auch die
') Ingwer. *) Wahl. ^) Truthühner. *) Krieg, Fehde. *) Dessen Betrag nicht
von den Parteien verzehrt, sondern vom Verpächter hezw. Verkäufer zum eigenen Nutzen
verwendet wird. •) Ingwer. ^) Gewürznelken.
— 27 —
weide, den pätzdriesch genant, den newen bend, den Jungenbusch, kalber>
weid and die halbscbeid der weide, den pesch genant, sodan den kalings-
weier mit umliegenden dämen, item das schönauer feld, jedoch die länderei,
so Carl ' und Johan Hecker hieraus oben negst der richtericher beiden jezo
einhaben ausgeschieden, und ungleichen drei theil des gartens vor Schonauer-
pforten gelegen und endlich die um den schönauer weiern liegende däme*
für 550 Thaler a 26 Mark aix. Blanche behielt sich vor den Sal, den
neuen Bau, den Platz samt daselbst stehendem Gefach, den hintersten
Keller, den vierten Teil des Gartens, das halbe Obst, die Ausfütterung
von jährlich drei Kühen und sechs Schafen, drei Kohlenfuhren nach Aachen
und drei nach Schönau.
§ 14 des Vertrages lautet: „Solle pfachter bei exemplarischer straf,
so sich der hen* zu Schönau vorbehaltet, keine fruchten in der heidnischen
mühl mahlen lassen, auch dem haus Heiden in keine wege gehorsam leisten/
Diese Bedingung fehlt selbstverständlich in der Verpachtung vom
13. März 1760, welche die beiden Brüder von Blanche während ihrer Haft zu
Jülich thätigten. Als Gegenstand der Verpachtung sind genannt: der Pfütz-
driesch (Punderichs), die Kälberwiese, der oberste und unterste Pesch, der
Kahlingsbend und Weier, der Plattebend, der Kessels-, Bischofs- und
Pflaumenbend zusammen etwa 50 V» Morgen; sodann das Schönauer Feld
und das Feld im Lahn. Der Pachtpreis betrug 350 Thaler ä 9 Gulden
aix. Wenn die Brüder wieder auf Schönau wohnen, muss der Pächter den
halben Garten, die neue Weide, den Morgen im Busch abtreten, das halbe
Obst geben, Mist und Brand fahren, zwei Kühe und ein Rind ausfüttern,
drei Fass Wintersamen, ein fettes Kalb, ein Lamm und ein Faselschwein
liefern, zahlt dann aber nur 310 Thaler. Am folgenden Tage übernahm
der Pächter noch 7 Morgen im Kaliugsbend, 7 Morgen im Richtericher
Feld an der Harburger Dell, 7 Morgen am Heiligenhäuschen (zwischen
Richterich und Horbach) und 7 Morgen im Hotzerfeld für einen jährlichen
Pacht von 133 Thaler ä 26 Mark aix oder 64 Reichsthaler und 2 Mark.
Diesen Vertrag unterschrieb auch der Vogtmajor Hauzeur, der in den
Jahren 1760 — 1762 kurfürstlicher Verwalter von Schönau war.
Der Pächter hat keine guten Geschäfte gemacht. 1768 war er den
Blanche 164 Thaler 28 Mark 2 Bauschen Pacht schuldig und musste dafür
dem Herrn vier Kühe im Gesamtwert von 80 Thaler, ein Pferd ad 31 Thaler,
einen Branntweinskessel ad 35 Thaler 28 Mark 2 Bauschen und eine Sau
ad 18 Thaler überlassen.
e. üeber den Hof Neulant, welcher ebenfalls zu Schönau gehörte,
muss ich mich wegen mangelnder Nachrichten kürzer fassen. Derselbe lag
in der Bank Kirch rath, Landes Herzogenrath, und war ein Lathof mit
einer Latenbank. Die Gerechtsame desselben bestanden in 12 Müd Roggen,
3 Müd Hafer, 17 Kapaunen, 12 Aachener Gulden, 4 Hühnern, 3 Zehnt-
') ('arl Hecker hatte ciuc von Blauche zur Frau.
— 28 —
hühnern, 3 Osterbroten und 8 Kurmeden. von Blanche berechnete den
Ertrag desselben auf 84 Thaler. Auch sagt er, es gehöre zu dem Hofe
noch ein Latdistrikt, „Schönauer gut" genannt, der zehntfrei sei und dessen
umliegende Güter mit 10 Schilling species vor dem Latherm bezw. Statt-
halter und zwei Latschöffen erhoben werden mtissten.
Im Jahre 1600 gaben die Brüder Kraft und Baltasar von Mylendunck
diesen Hof auf ewige Wiederlöse dem Leonard Kanen für 1200 Reichsthaler
und bevollmächtigten den Goedart von Keverberg genannt Meven auf Rath \
das Gut dem Kanen vor dem Manngerichte zu Herzogenrath zu übertragen.
Schon zwei Jahre nachher gab Baltasar Neulant an Andreas Vroen auf
ewige Wiederlöse für 1600 Reichsthaler, von welcher Summe ihm selbst 400,
dem Kamen aber 1200 Reichsthaler ausgezahlt wurden.
5. Die üebernahme der Herrschaft.
Die Besitzergreifung der Herrschaft Schönau durch einen neuen Herrn
erfolgte unter einer Reihe von sinnbildlichen Handlungen. Manche derselben
sind allgemein üblich gewesen und wurden auch beim Antreten bürgerlicher
Immobilien angewendet. Dahin gehören „aufnehmung der erd vom acker
die lahn genant, ausstechung der watzen in dem bungart der pützdriesch
genant, abbrechung der zweig im grossen garten der vorm haus gelegen,
Schöpfung des wassers aus dem hausweier, fassung des klöppeis der vordersten,
auch der ersten, zweiten, dritten pforte des vorhofs und des hauses Schönau
und stochung des feuers auf salert", wozu bei einer andern Gelegenheit
noch „aufschürzung und niederlasung des heels^in der küche" erwähnt wird.
Alle diese Handlungen sollten nur andeuten, dass der, welcher sie vornahm,
der wirkliche Herr des Hauses und Hofes war.
Einige andere Gebräuche, welche der neue Besitzer beobachtete, hatten
dagegen den Zweck, die Eigenschaft Schönaus als eines Sonnenlehens, als
einer ganz freien und unabhängigen Herrschaft darzuthun. Dazu gehört
das Auswerfen von Gold- und Silbermünzen gegen die Sonne, wobei die
linke Hand auf das Seitengewehr gelegt wurde.
Die Lehen, besonders auch die im Ländchen von der Heiden gelegenen,
wurden vor dem Lehenhofe mit Gold und Silber empfangen: wenn nun der
neue Herr von Schönau Gold und Silber gegen die Sonne wirft, so drückt
er durch diese Handlung den Gedanken aus, welchen das älteste Schönauer
Latenweistum mit den Worten ausspricht: „man en held die guede van
niemande, dan van onsen heren Gode ind siner liever moder**. Gott der
Herr hat ja nach den Worten des 18. Psalms „in der Sonne sein Zelt auf-
geschlagen" und die Gottesmutter Maria kannte das Mittelalter aus dem
12. Kapitel der Geheimen Offenbarung als das „mit der Sonne bekleidete
Weib". Und wenn der Besitzergreifende dabei die Hand in die linke Seite
*) Rahe in der Soers.
^) Kesselhaken über dem Herdfeuer.
- 29 -
legt, wo er seine WaflFe trug, so heisst das nichts anderes, als das« er
bereit sei, den ihm von Gott gewordenen Besitz gegen jeden Angriflf zu
verteidigen.
Sodann wurde den Unterthanen der Eid vorgelesen. „Ihr X. X. sollt
globen und schwören zu Gott, dem hoch wohlgebor neu herm X. N. als herm
hierselbst zu Schonaw trew holt und gewärtig zu sein, ärgstes zu warnen
uud bestes zu fordern.*' Der Schwörende erhob die Hand und sprach:
„Was mir anitzo ist vorgelesen worden und ich wohl verstanden habe,
solchem will ich also nachkommen, so wahr mir Gott helfe und sein
h. evangelium."
Die Feier fand gewöhnlich zu Schönau auf der grossen Brücke statt.
So befiehlt Dietrich von Mylendunck 1521 seinem Schultheissen, dem Gerichte
„zo gebeiden der huldonge ind eide na, sy mir als urem heren zu Schoenauen
gedain hont op die groise bruiche . . .".
Als Gothard von Mylendunck am 8. August 1574 die Huldigung ent-
gegennahm, gab er den Unterthanen ein Ohm Bier und „etlich brod und
keis darzo, kost zusamen 4^2 gülden **. Bier, Brot und Käse wai' das
Gericht, welches der Herr zu Schönau den Unterthanen geben musste, so
oft sie Frondienste für ihn leisteten. Das älteste Weistum sagt dartiber:
„Item of dat herrschaf zo Schonowen vyant hedde, so moisseu die loessen,
alle avents zween, zo Schonowen wachen, ein yegelich solde man geven
ein pott biers, ein par micken* ind ein stück kees darup. It^m wer't sach,
dat men ouch um vyenschaf dat ys* houwen muss, so soulde men ouch den
laessen kees brot ind hier geven.**
Die Rechnung von 1590/91 sagt: „Item bei Gillissen im beer verzert
worden als mynher zu Schönaw gehult worden ... 22 gülden.** Verglichen
mit der Huldigung von 1574, die nur 4^» Gulden kostete, muss das eine
grossartige Feier gewesen sein; man hat sie wohl im Bär gehalten, um
den Heidenem durch die That zu zeigen, dass Grünen thal, wo der Bär
lag, zum Schönauer Gebiet gehöre.
6. Das Schloss »Schönau. Kin Inventar.
Über die baulichen Verhältnisse des pfalzgrilHichen Herrenhofes wissen
wir aus Urkunden nichts, wir können nur vermuten, dass derselbe nach
den Vorschriften des Gesetzes über die Königshöle eingerichtet gewesen ist.
Gegen Ende des 13. Jahrhunderts gab es Hvluni eine Burg Schönau;
im Jahre 1280 wurde ja da.selbst der bekannte Friede zwischen der Gräfin
von Jülich und der Stadt Aachen abgeschlossen. Diese Burg haben wir
uns dann ähnlich vorzustellen, wie sich jetzt noch die in Trümmer liegenden
Burgen von Heiden, Wilhelmstein und Schöiifurst zeigen; auch können die
ältesten Teile des Soerserhauses zum V^irgleiche herangezogen werden.
Da war ein mächtiger Turm, der Bergfried oder Donjon, welcher als
*) Wcbabrole.
») Eb.
— 30 —
Wohnung für die herrschaftliche Familie diente und au den sich die
Wohnungen für die Diener und die Wirtschaftsräume anschlössen. Das
Ganze umgaben breite Wassergräben und hohe Mauern, an deren Ecken
runde oder eckige Türme die Verteidigungsfähigkeit erhöhten.
Im Jahre 1488 schloss Kraft von Mylendunck einen Vertrag mit dem
Ziramermeister Johan Poeghen, laut welchem letzterer auf den Turm von
Schönau eine neue, 60 Fuss holie Kappe setzen sollte nebst Erkern an den
Ecken mit drei oder vier Fenstern. Auch wurde die Scheune auf dem
Hofe wiederhergestellt. Kraft lieferte das Holz und die Geräte, gab dem
Meister und dessen Knechten die Kost beim Halbwinner und zahlte, wenn
alles fertig war, 80 rheinische Gulden ä 6 Aachener Mark, 3 Müd Roggen
und 3 Tonnen Bier. Beim Abschlüsse des Vertrages waren zugegen Wolter
von Bilsen, Kanonikus und Vizedom der Liebfrauenkirche zu Aachen';
^Tohan von Palant, Herr zu Wildenburg und Drost zu Herzogenrath und
Wilhelmstein; Johan von Hambach, Vogt von Wilhelmstein.
Die Wohnung im Donjon mit ihren in drei oder vier Stockwerken
liegenden Räumen, zu denen man nur auf engen und steilen Wendeltreppen
gelangen konnte, wurde den spätem Geschlechtern zu unbequem. Die
Schönauer des 16. Jahrhunderts erbauten sich ein neues Herrenhaus. Eine
Rentmeisterrechnung aus dem Jahre 1566 zeigt den Posten: „Zu Schonaw
auf das new haus ein dachdeck er gestuppt 2 dag. jeden dags VIII albus.*
Und im folgenden Jahre heisst es: „Item als sich das new haus zu Schonaw
ein wenig ersezt, hab ich ime zu steur legen lassen vier ankeren, jeden
XI albus."
Der Wachtturm des Hauses wurde von den Wächtern „Savels Jan
thurm" genannt; warum, ist nicht gesagt.
Aus einem Briefe des Baltasar von Mylendunck vom Jahre 1624 erhellt,
dass damals wieder Reparaturen am Hause nötig waren. Er schreibt seiner
Tochter, die Mutter solle auf dem Vetscher Berg drei Wagen Giundsteine
bestellen, um die Fundamente am Burghause auszubessern, und einen
Pliesterer nehmen, um den Saal zu pliesteren, „dan das stehet gar zu
schimpflich und zu hesslich" ; auch müsste seine Kammer wohl wieder geweisst
werden. Zuerst aber solle man den Schieferdecker das Dach nachsehen
lassen, sonst werde das Pliestern nicht viel nutzen. Das neue „gemechsgen**
solle man nicht eher weissen lassen, bis er da sei, weil noch ein neuer
Söller darüber müsse gemacht werden. Glänzend ist es demnach mit dem
Hause Schönau damals nicht bestellt gewesen.
Bei den vielen Streitigkeiten über den Besitz der Herrschaft, welche
mehrmals eine gewaltsame Einnahme des Hauses zur Folge hatten, mussten
auch die Gebäude viel leiden. Als Isaak Lambert von Blanche sich 1696
in den Besitz des Gutes setzte, fand er das Haus verwüstet, „fast zerbrochen,
und über einen häufen gerissen''. Kaum hatte er dasselbe durch Zimmerer
^) Es ist der oben in I. 1 erwähnte Walter de Blisia; davon, dass er Vizepropst
gewesen sei, findet sich bei Heasch nichts.
— 81 —
uod Dachdecker instand setzen lassen, so musste er wieder riumen und
konnte nachher mit den HersteUnngsarbeiten von neuem beginnen. Er hat
sich aber jedesmal auf das Xutwendigste beschrinkt. Deshalb be^iiunn sein
Sohn und Nachfolger im Jahre 1782 mit einem vollstiindigen Neubau, wie
er sich denn auch rühmt, das Haus von gmnd auf herrlich aufgebaut zu
haben. Sein Werk steht noch heute: der Baumeister hat mit dem alteu
Gemäuer gründlich aufgeräumt, den Donjon zum Treppenhaus umgewandelt
und die Wohnräume zu beiden Seiten desselben angelegt.
Es ist mir nur ein Vei-zeichnis Schönauer Mobilien zu Gesicht gekommen,
welches zudem aus einer Zeit stammt, in der es mit dem Hause am traurigsten
aussah« Das mag die übergrosse Dürftigkeit erklären. Bedauerlich ist,
dass der Notar über die vorgefundenen Urkunden und Bücher so kurz hinweg-
geht: jedenfalls hatten diese mehr ,uf sich*, als die Würste und allen
Lappen, die er gewissenhaft verzeichnet. Das Inventar lautet:
..Anno 1696 den 11. mai uf requisition herrn Goddart Kraft, ft\Mlienn
von Mylendunck, herrn zu Fronenbroch etc. hab ich endsunterschriebeuer
kais. offenbarer uotarius ... die ufin haus zu Schonaw nach ergriffener
possession gefundene mobilia et moventia folgender gestalt trewlich invenUag^i-
sirt und verzeichnet.
Nemlich. Zween füllen von ungefehr ein jähr, drei ackerpfent so
ziemlich alt und zwei fünf ad sechsjährige pferd ; 28 stück hornvieh, worunter
10 kühe klein und gross, das übrige aber rinder und erwachsene kälber,
wovon einige fremden leuten zugehörig sein sollen, nemlich 5 küh und
2 rinder, item 7 kälber klein und gross; 4 säw und 2 beren samt 14 kleine
verklein, 7 vaselverken, ein erwachsene und ein junge geiss und ein bock,
und einig federvieh von schrauten, hüner und tauben;
item 10 viertel speck, 10 haramen und hespen samt einigen bolster-
wurst ad 10 stück, 15 stück geräuchert rindfleisch;
an roggen 21 malder 5 vass, an hanfsamen 4 vaas, weizen 1 malder
5 vass, flachssam 1 vass, wickea 1 vass, rübsam ^/g vass;
Better und pullen. Ein gestreift federn bett, ein haubtpull, 2 küssen
und 2 decken.
Item ein bettstatt mit gelb behengsel; im saal ein bett mit haubtpull
und 2 küssen und 2 alte decken. Ein bettstatt mit alt grün bohengsol,
ein alt federn bett und ein korb mit federn; 8 altfränkische eontrefait
schildereien.
Gewehr. Vier gezogene bnxen, vorab 2 mit flintenschlössern, 10 flinten
und musquetten durcheinander, 2 alte stücker von flinten mit anhabenden
Schlösser, ein Jagdhorn und ein halb tönngen bnxcnpulver.
Ein tabaxdoes, dieses ist in einem taiellaken samt untcrscheidliciicn
briefschaften, so in einem pulpito gefunden, eingebunden und zupitschirt
worden mit mein notarii pitschaft. Ein klein rund mit eisen beschlagenes
kistgen, worin unterscheidliche briefen, so gleichfals zupitschirt worden.
— 32 —
Leinwat. 20 tafellaken gross und klein durcheinander, 12 feine
Servietten, 4 kleine servietten, 12 handtücher, 8 schlechte korbkleider, ein
klein stück bettzieg von 1^2 eilen, 3 stück grob ungebleicht servietten-
gebild, 3 stein flachs, 2 par grobe laken, noch 2 grosse gebilde tischtücher
und 2 gebilde handtücher; in einem mit rauhem kalbfeil überzogenem korb
2 hemden und ein kinderwindel, 40 stück klein leinwat, 5 lange hals-
tücher, 13 hemden, 12 bündel werken garn, eine quantiteit boddelen garn,
11 stein hanf. Noch 5 servietten und ein tischkleid in der küche gelegen.
Einige nicht viel werthe hölzerne dosen und item alte buicher, so
nit viel uf sich haben; item ein missiven buch von Mylendonkh.
Holzen werk. Ein altes pultbrett, 2 spinrader, einen vierkantigen
tisch, noch einen vierkantigen austreckenden tisch samt einer gelb und
roten tapet, 6 hülzene steul, ein Spiegel, 2 ledige kiste und eine so zu-
gesiegelt und hern von Blanche Schwester Antonetta zukommen soll ; noch"
ein klein kistgen so auch ledig.
Uf der capellkammer ein klein vierkantig tischgen, noch ein vier-
kantiger tisch, ein kantenküssen, ein mit eisen beschlagene kist, ein alte
kist mit allerhand alte brief uf dem söUer stehend." (Nun folgen Töpfe
und Fässer.)
„61 milchnäpf oder plateelen und ein milchfass und andere melkerei-
gereitschaft. Ein kochbank in der kuchen, ein sietzsiedel, ein vierkantiger
tisch, 2 bänk, 2 stuhl.** (Dann Tonnen und Melkzeug.)
„Noch eine alte bettstatt samt altem bett und schlechter decken für
die mägd. Ein holzene kornmühle.
Kleider. Ein brauner leibrock von pay mit henskot gefüttert, ein
greis graw kleid, nemlich rock und kamisol.
Eisenwerk. 6 eiserne kessel und topfe, 4 lange bratspiesse, löffel,
röster, pfannen und einen hengel.
Kupfer. Ein kleiner mörser mit eisernem stösser, 4 gegossene kupferne
leuchter, ein kleiner kupferner kessel und sieb.
Zinnenwerk. 6 englisch Zinnteller, 3 grosse und 3 kleine schüsselen,
13 churzinne teller.**
Auf einem Zimmer, die Stube genannt: „ein bett, haubtpull und 2
küssen samt 2 wullen und ein leinen decke, ein bettstatt ohne gardinen"
und einige Frauenkleider nebst Wäsche; „ein hoch schaff mit 2 thüren
und 2 Schlosser, worin ein weissen frawen sommerrock, ein alte fontange,
ein tabbert, 2 alte frawen tabberts, noch 2 zinne kümpgens, 10 ziuner
leffeln, ein kupfern lichtputz, ein ronde mit leder überzogene kist, ein klein
vierkantig tischgen mit bontem tischkleid.
In der oberkuchen: ein moult, ein stuhl, drei zeinen oder waschkübel.
Ein par alte pistolen, ein degen mit portep^e, noch drei schnaphanen und
ein feuerrohr, ein holzen wag mit schalen, ein alten rostigen degen mit
bajonett. Und ist dieses, was sich an mobilien uf besagtem haus zu
SchonaW gefunden." (Fortsetzung folgt.)
— 33 —
GhrisUiche Anslegong einer bösen Earlssage.
Von B. M. Leneh.
Die inhaltreiche Abhandlung von Ang. Pauls: ,Der Bing der Fastrada*^
mit ihrem gelehrten Apparate im 17. Bande der Zeitschrift des Aachener
Geschichis-Vereins S. 1 — 73 ist besonders deshalb beachtenswert, weil ae
den Kern der Sage, wie er sich in den 5 ältesten Formen dersdben ans
dem 13. and 14. Jahrhundert darstellt, von den spätem Zuthaten ksschält,
insbesondere auch von der Tor nicht langer Zeit aufg^ommenen Beziehung
zur Fastrada. Ohne Zweifel mit Recht wird ein Teil dieser Answüchse
anf abergläabische Vorstellungen zurückgeführt, deren Entstehen weit ror
der kandingisch^i Zeit liegt ; es sind dies namentlich die Tiden altso-Sagen
über einen Liebeszauber, der auch nach dem Tode der Geliebten nicht
erlischt. Interessant ist ferner die Herkunft eines Zaubersteines Ton der
Schlange, welcher der Kaiser, als sie mit der Kröte in Streit lag, Becht
gesprochen hatte, eine schon bei Theodosius Toricommende Sage, die dort
mit d^ Wiederkehr der Sehkraft des erblindeten Monarchen in Verbindung
gebracht wird, wogegen nach der aas Zürich stammenden Erzählung der
kostbare Stein, den ein grosser Wurm aus Dankbarkeit Karl überliess,
Ursache eines schlimmen Zaubers ward. So lange er nämlich im Besitze
einer Gemahlin des Königs war, erwies er sich als ein böses Philtrum, und
im Munde der Gestorbenen ruhend, fesselte er das Herz des Gemahls
derart, dass er die einbalsamierte Leiche IS Jahre mit sich herumführte,
bis ein Ritter den Stein aus dem Munde entfernte und zu Aachen in einen
Sumpf bei einer warmen Quelle warf: .in locum [quendam uligunosum ad
fontem calidum*, woraul dann die Liebe des Königs auf die Aachener Gegend
überging und Veraula5>uD? zur Gründung der Stadt und zur Erbauung
des Munsters wurde, wie der ähnliche Vorgang früher zur Erbauung einer
Kirche in Zürich.
Enelkens Weltbuch bringt die Sage, ohoe der Herkunft und der
Beschaffenheit des im Munde der Leiche vom Bisch*'fe gefundenen 21auber-
mittels zu eedenken: ebtfüs-»weüiir thut dies die Levdeaer Handschrift, nach
welcher Karl in eine Zauberin oder Nymphe, die nur bei Anwesoiheit
des Königs Leben zeigte, verliebt war, bis ein Sonnenstrahl ihm das der
Zunge angewachseoe Goldkorn, granom auri offenbarte, nach dessen Ent-
fernung sie nicht mehr erwachte '. Nach dem Gedichte Karl Meinet war
es aber ein im Haare verb«jrgenes Bin ^'eichen ivingeryn), was Karl nicht
von der Leiche weg^lies^. Ms es eLtfemt wurde: als dassell« in ein tiefes Broch
bei der einsamen G^anu^burg gewurten wcrJ-n war, gin^ seine Neigung auf
Aachen über, wu er dann das Münster zu U. L. Frauen Ehre baute.
Ahnlich lautet die Erzähluc^. welche Petrarca zu Aachen schrifllich ver-
M Amck ukdere Zaab^rrtcine £?i:^ea. n^x^r die Zos^ ^Icgt, ikre Kraft, ^jvemue
ex oealk hTa^nac;. si «rr^iiiL:;*. lir^Tiie hairii- sabiüu« ftticn pn«-lieer« dkaamr.* Plinii
Eist. SAt. 37. e. lo.
— 34 —
zeichnet fand; hier war es eine Gemme ^ in einem kleinen Ringelchen
unter der Zunge der einbalsamierten Leiche eines Weibsbildes, weches ein
Kölner Bischof entdeckte und in den Schlund eines naheliegenden Sumpfes
warf, inmitten dessen darauf der vom Liebeszauber befreite Herrscher auf
mächtigen Steinmassen mit grossen Kosten den Palast und den Tempel
erbaute, da Aachen jetzt der Lieblingssitz des Königs wurde. Auch die
Kölner Chronik weiss von dem „rinck mit eyme kostel gesteyn dair lach
in syne puyll", welchem Aachen sein Rathaus und sein Münster zu ver-
danken hat.
Wahrscheinlich hat eine ähnliche Sage schon zu Zeiten der Römer
bestanden. Ich will damit nicht sagen, dass der Römer, der zum ersten
Male Aquis granum ausrief, Kunde von einem dort ruhenden Zauberkorn
hatte; auch möchte ich nicht mit Klinkenberg (Zeitschr. des Aach. Geschieh ts-
Vereins, Bd. XIV, S. 1 u. ff.) in der Grana eine Erdgöttin Sirona wiederfinden,
da diese doch wohl den Mond vorstellte, oder mit Seybert im Edelstein einen
in Indien sprichwörtlichen Schlangenstein, den die Gewitterschlange im
Kopfe trägt und dann mit Pauls vom Donnergotte Thor und dessen Blitzen
die Sage ableiten, wobei der Edelstein, von dessen Glanz kein Wort spricht,
die nach dem Gewitter strahlende Sonne und zugleich das spärlich leuchtende
verborgene Goldkorn den goldenen Erntesegen bedeuten soll. Immerhin
deutet die Schlange auf römisch-heidnischen Ursprung der Sage. Die von
Epidauros herübergebrachte Schlange wurde, wie wir bei Plinius lesen, als
Haustier gepflegt, und eine im Süden vorkommende Schlange wurde an
rheinische Thermen verpflanzt*. Es ist zudem die Schlange nicht ohne
Beziehung zum Quellgotte Apollo, der sie mit seinen Pfeilen verfolgt ^
Selbst die Basilisken-Schlange der Pyrenäischen Provinz, in welcher der
Sonnenquell* war, könnte für diese Beziehung angeführt werden.
Wenn nun auch die heidnische Grundlage in unserer Sage nicht zu
verkennen ist, so liegt in derselben doch auch eine christliche Idee aus-
gesprochen. Zunächst kehi't in den schriftlichen Aufzeichnungen aus dem
13. und 14. Jahrhundert der Gedanke beständig wieder, dass vor der
Erbauung des Münsters ein unerklärlicher Zauber den Sinn des HeiTschers
gefangen hielt, der sich in der unsinnigsten Weise, ja in höchst sündhafter
Art der Liebesbeweise kund that. Die Legende von einer Sünde, die Karl
nicht beichten wollte, die ihm aber durch einen vom Himmel wunderbar
gekommenen Gnadenbrief erlassen wurde, hat man im Mittelalter selbst
in einem Relief des Karlsschreines zu verewigen nicht gescheut. Jeden-
falls war diese Sünde keine andere, als die von der Sage ausgesponnene,
für den Frommsinn Karls unbegreifliche und nach den wirklichen Ver-
^) Diese erinnert an die Sonueugemmen der Magier. (Plin. H. n. 37, c. 10.)
') Ehemals hatte man Öfters auch hier Gelegenheit, am Abflüsse des mit Thermal-
Wasser vermischten Warmbaches Schlangen zu sehen.
') Plinius, Hist. nat. 34, c. 8.
*) Plinius, Hist. nat. 8, c. 21.
— 35 —
hihiiksäcn miflMglkhe. Die Liebe K^ris galt eiBer Per^nüekkeiU oiiler
welciier man sich keine andere als Aachen TorzosteUen hat, das nur bei
sefBo* Anvesenheit Leben zeigrte, von ihoi Teiia;ssen« wie tot dalag^: sie galt
einer Xympbe, selbst nach ihrem Ti>de nnd trotz des Fäulnisgeruches, als
welche man nur die Nymphe der warmen Wasser nehmen Inuuu deren obschon
u^ngenehm riechende Dämpfe ihn ergötzten. Die Thermen lagen damals
Terödet, die Bäder in Ruinen. Wie zu Kpins Zeiten, hauste ein bOser
Dämon dario. Ton dessen Treiben auch noch eine Tiel spätere Nachricht
etwas zu «wählen weiss. Die ganze heidnische Anlage musste in den
Augen eines Christen, bevor sie in christicher Weise geweiht worden, nicht
unbedenklich sein. Wenn^nun aber Karl diese Bäder erneuerte und ihnen
seine ganze Neigung zuwandte^ so mochte ihm und Andern diese Anhäng-
lichkeit an die von Heiden rielgebrauchten Quellen zeitweise als ein Ver-
gehen, ja als grosse Sunde erscheinen, worüber dann eine himmlische
Erleuchtung (der Sonnenstrahl) Aufklärung und wovon der Bischof ihm
Befreiung brachte. In dieser Beziehung wird die Legende, die meist mit
der Nachricht von der Erbauung des Münsters, wodurch Aachen der Mutter-
gottes gewidmet wurde, schliesst, bedeutungsvoll. Es war dies ein Sühne- Akt,
aus dessen Grossartigkeit die Nachwelt auf eine vorhergegangene grosse
Sünde schloss.
Über das Zusammenleben (vita conmiunis) der Stiftsgeistlich-
keit zur Zeit der Karolinger.
Von H. Schnock.
Das Streben Einzelner nach einer höhern, als der unbedingt not-
wendigen christlichen Vollkommenheit reicht bis in die ersten Anfänge der
Kirche zurück. Es ist begründet in dem Wesen der christlichen Keligion,
die neben den strikten Geboten auch der Freiheit überlassene Räte ihren
Bekennern vorlegt. Unter den ersten, welche sich in Befolgung der
evangelischen Räte versuchten, nennt uns die Kirchengeschichte die Asceten,
deren Entstehung in das zweite Jahrhundert fällt. Mitten in der Familie
und bürgerlichen Gemeinde, ohne mit den Sitten und Gebräuchen des Alltags-
lebens zu brechen, übten sie ihre strenge, ascetische Lebensweise. Aus
jenen Christen sodann, die sich zur Zeit der blutigen Verfolgung imter
dem römischen Kaiser Decius (249 — 251) gezwungen siihen, in die Wüste
zu fliehen, gingen die sogenannten Anachoreten oder Einsiedler hervor;
denn auch als der Sturm der Verfolgung sich wieder gelegt, verblieben
sie in der einmal lieb gewonnenen Einsamkeit, in heroischer Weltentsagung
und treuer Befolgung der evangelischen Räte ihrem Gotte vollkommener als die
übrigen Menschen dienend. Der hl. Antonius (f 356) übernahm die geist-
— 36 —
liehe Leitung der in einzelnen Zellen oder Höhlen wohnenden Anachoreten
und schuf unter ihnen eine gewisse Verbrüderung. Einen Schritt weiter
ging um dieselbe Zeit Pachomius; er errichtete auf der Nilinsel Tabenna
ein Haus oder Kloster, in welches er eine Anzahl Anachoreten aufnahm,
die nunmehr zusammen wohnten und nach einer bestimmten Regel lebten.
Er ist also recht eigentlich der Gründer der nachmals so zahlreich gewordenen
Coenobiten, Um die Ausbreitung des Klosterlebens in Kleinasien und im
ganzen Oriente machte sich hoch verdient der gelehrte und beredte Kirchen-
fehrer Basilius der Grosse, Erzbischof von Cäsarea. Die von ihm her-
rührende Basilianerregel, welche 368 Satzungen enthält, von denen 55 die
grosse und 313 die kleine Regel bilden, gelangte gar bald zu hohem An-
sehen und wurde in fast allen Klöstern des Morgenlandes beobachtet. Als
Patriarch der abendländischen Mönche wird mit Recht der hl. Benedikt
von Nursia angesehen, dessen Klosterregel das Ideal und die Grundlage
fast aller nachfolgenden klösterlichen Satzungen im Occidente wurde. Die
seit dem vierten Jahrhundert in stetem Steigen begriffene Begeisterung
für das Klosterleben konnte ihre Rückwirkung auf den Weltklerus nicht
verfehlen. Sie machte sich selbstredend nur da geltend, wo an einer Kirche
mehrere Geistliche gleichzeitig wirkten. Das war nun aber in erster Linie
der Fall an den Bischofskirchen, wo eine mehr oder minder grosse Anzahl
von Presbytern unter dem Archipresbyter und die Diakonen — gewöhnlich
sieben — sowie die andern niederen Kirchendiener unter der Leitung des
Archidiakons ihre geistlichen Funktionen verrichteten. Der Begi*ünder des
Zusammenlebens solcher Geistlichen, welche in den Kanon (daher der Name
Kanoniker) oder in die Matrikel derselben Kathedralkirche eingetragen
waren, ist der hl. Augustinus, der, wie er schon früher mit einigen Freunden
zu Tagaste ein gemeinsames Leben geführt hatte, so nach seiner Erhebung zum
Bischof von Hippo mit seinem Klerus zusammenwohnte und lebte. Das
Beispiel des berühmten Bischofs fand bald allerwärts eifrige Nachahmung.
Im Frankenlande fand diese vita canonica, welche eine Ablegung der
Gelübde, wie es in den Klöstern zu geschehen pflegte, nicht bedingte, seit
dem achten Jahrhundert die weiteste Verbreitung. Bischof Chrodegang
von Metz schrieb um diese Zeit eine Regel, die zunächst für die Kanoniker
seiner Kathedrale bestimmt war, aber auch von Klerikern anderer Bischofs-
kirchen angenommen und beobachtet wurde. Zu allgemeiner Geltung ist
dieselbe aber nicht gelangt, sei es, weil sie für zu nahe verwandt galt mit
der Regel der Benediktiner, deren Mitglied der Metzer Bischof war, sei
es, weil sie überhaupt für ungenügend und nicht zweckentsprechend gehalten
wurde. Ein neues allen gerechten Anforderungen entsprechendes, einheit-
liches Normalstatut für die Kanoniker aufzustellen, war die Aufgabe der
von Ludwig dem Frommen im Jahre 816 in Verbindung mit dem Reichstag
nach Aachen berufenen Synode. Diese entledigte sich ihrer Aufgabe in
der Weise, dass sie das ganze vorliegende Material auf 2 Bücher verteilte,
v(m denen das erste „de institutione canonicorum** und das zweite „de insti-
— 37 —
tutione sanctimonialium" betitelt wurdet Das erste Buch umfasst 145
Kapitel, von denen 113 das Quellenmaterial aus den Konzilien, den päpst-
lichen Dekreten und aus den Schriften der Kirchenväter zusammenstellen.
Als deren Bearbeiter wird der gelehrte Metzer Diakon Amalarius angesehen.
Die übrigen 32 Kapitel stellen das unter Zugrundelegung des Werkes Chrode-
gangs gewonnene Ergebnis der synodalen Beratung dar. Das zweite Buch
hat 28 Kapitel; die sechs ersten sind Auszüge aus den Schriften einzelner
hl. Väter, die 22 folgenden Kapitel enthalten spezielle Regeln für die Kloster-
frauen. Dass übrigens nicht erst mit der Promulgierung dieser Synodalverord-
nungen die vita canonica eingeführt wurde, sondern in praxi bereits lange
vorher geübt worden war, geht klar und deutlich aus beifolgender Stelle
der Praefatio zur Synode hervor: „. . . . licet plerique, auxiliante Christo,
devote ac religiöse cum sibi subjectis canonicam servent institutionem, et
in plerisque locis idem ordo plenissime servetur ....*' Die Verordnungen
der Aachener Synode verpflichteten nicht nur die Geistlichen der Kathedral-,
sondern auch die der Kollegiatkirchen. Einige der Bestimmungen mögen
hier Erwähnung finden. Kapitel 117 ordnet das gemeinschaftliche Wohnen,
Schlafen und Essen der Kanoniker in einem von einer Art Befestigungs-
raauer umgebenen Hause an: „Necesse est tamen, ut claustra, in quibus
clero sibi commisso canonice vivendum est, firmis undique circumdent
munitionibus, ut nulli omnino intrandi aut exeundi, nisi per portam pateat
aditus. Sint etiam int^rius dormitoria, refectoria, cellaria et ceterae habi-
tationes, usibus fratrum in una societate viventium necessariae". Kapitel
115 gestattet den Kanonikern im Gegensatze zu den Mönchen Leinen zu
tragen. Fleisch zu essen, Eigentum zu besitzen, spricht letztern aber ein
grösseres Anrecht auf Unterstützung seitens der Kirche zu, als erstem,
welche neben den kirchlichen Einkünften auch ihr Privateigentum haben.
„. . . . Canonicis liceat linum induere, carnibus vesci, dare et accipere,
proprias res et ecclesiae cum humilitate et justitia habere . . . ." Während
in Kapitel 126 die Beobachtung des kanonischen Stundengebetes überhaupt
und in den folgenden Kapiteln die der einzelnen Hören eingeschärft wird,
warnt Kapitel 131 vor verschiedenen mitunter recht groben Verstössen
beim Gebet. Kapitel 134 erklärt im Eingange, dass nicht nur dem Bischöfe
das Strafrecht über die Domgeistlichkeit, sondern auch den Pröpsten über
die Stiftsgeistlichkeit zustehe, womit die oben bereits erwähnte Ausdehnung
der Verordnungen über die vita canonica auf die Kollegiatkirchen aus-
gesprochen ist: „Quamquam contemptores canonicarum institutionum epis-
copali praecipue judicio plectendi sint, qua poena, ut ait beatus Augustinus,
in ecclesia nuUa major esse potest, demonstrandum tamen est, qualem ceteri
praelati, qui illis dignitate inferiores esse noscuntur, in locis sibi
commissis, in quibus canonice vivitur, erga subjectos quosque delinquentes
. . . . adhibere debeant correptionis modum.** Wer sich gegen die Regel
vergangen hat, soll mehrere Male ermahnt und wenn das nicht hilft, öffent-
0 Hartzheim, Conc. Germ. tom. I, p. 430 ff.
— 38 —
lieh zurechtgewiesen werden. „Quod si et his renisus fuerit, ceteris ali-
mentis interdictis, pane tantum usque ad dignam satisfactionem utatur et
aqua." Macht auch dieses unfreiwillige Fasten auf den Delinquenten noch
keinen Eindruck, so muss er in der Kirche einen Strafplatz einnehmen.
„Dein si his modis correptus incorrigibilis extiterit et aetas permiserit, quia
juxta Salomonen! „Stultus verbis non corrigitur*' congrua ei verberum adhi-
beatur castigatio/ Wenn auch die körperliche Züchtigung keine bessernde
Einwirkung ausübt, so soll er wie ein räudiges Schaf von der übrigen
Herde getrennt und dem Bischöfe überwiesen werden, damit dieser das
Weitere veranlasse.
Das letzte Kapitel fasst die Tugenden noch einmal zusammen, deren
ein frommer Geistlicher sich befleissigen soll.
Das Schicksal fast jeder menschlichen Einrichtung teilte auch die
des gemeinschaftlichen Lebens der Weltgeistlichen. Bei ihrem ersten Ent-
stehen freudig begrüsst, entwickelte sie sich nach und nach unter dem
Schutze und Segen der Kirche zu hoher Blüte und grosser Ausdehnung,
um aber alsdann wieder ebenso allmählich, wie sie gekommen, infolge der Un-
gunst der Zeit und der Veränderlichkeit der Menschen, von der Bildfläche
zu verschwinden oder höchstens noch das eine oder andere Mal hie und
da vorübergehend aufzutauchen. — Der Kaiser hatte auf das Ergebnis der
grossen Aachener Synode, auch soweit es die Regelung der vita canonica
betraf, den allergrössten Wert gelegt. Das Original der Verhandlungen
liess er im Hofarchir hinterlegen und den Erzbischöfen, gleichviel ob sie
der Synode beigewohnt hatten oder nicht, je eine Abschrift durch seinen
Gesandten Notho zustellen. Doch nicht einmal ein halbes Jahrhundert war
seitdem verflossen, als auch schon und zwar — merkwürdig genug — von
bischöflicher Seite der erste Vorstoss gegen das Werk unternommen wurde.
Der Erzbischof Guntar von Köln, berüchtigt durch seine Auflehnung gegen den
päpstlichen Stuhl und durch seine perfide Mitwirkung in der Ehescheidungs-
angelegenheit Lothars, wollte sich, vom Papste exkommuniziert und vom
Kaiser im Stiche gelassen, wenigstens die Anhänglichkeit des Klerus seiner
Residenz sichern. Zu dem Ende machte er demselben weitgehende Zu-
geständnisse; er vereinbarte mit den Kanonikern der Domkirche und denen
der Stifte innerhalb und ausserhalb Kölns, nämlich St, Gereons, St. Severins,
St. Kuniberts, des Klosters zu den hl. Jungfrauen, des Klosters der Märtyrer
Cassius und Florentius, des Klosters St. Viktor, der Kirche St. Pantaleon
und des Spitals bei derselben, dass letztere alle fortan unabhängig von
Bischof und Domstift, die ihnen aus dem gemeinsamen Kirchenfond zuzu-
weisenden Güter selbständig verwalten sollten. Ferner wurde jedem Kanoniker
seine eigene Wohnung und Pfründe, über die er auch zu Gunsten seiner
Brüder testamentarisch verfügen konnte, zugeteilt. Desgleichen wurde
ihnen freie Wahl ihres Präpositus, dem im Verein mit einigen andern
besonders hierzu befähigten Brüdern die unbedingte Leitung aller Innern
und äussern Angelegenheiten obliegen sollte, bewilligt. Die Frage, ob
— 39 —
diese Vergünstigungen damals nur den Nebenstiften, nicht aber dem Dom-
stifte zuteil geworden sind, wird von den Einen bejaht, von den Andern
verneint. Diese erste Durchbrechung des Grundgedankens der vita canonica
wurde von der grossen Synode, welche im Jahre 873 zu Köln unter dem
Vorsitz des Kölner Erzbischofs Willibert abgehalten wurde, bestätigt.
Nachdem so einmal der Grund- und Eckstein aus dem Gebäude ausgebrochen,
war der völlige Zusammenbruch nur mehr eine Frage der Zeit. Dieser
vollzog sich freilich nicht über Nacht und auch nicht tiberall zu gleicher
Zeit. Während in dem einen Bistum oder an der einen Kirche die vita
communis schon bald der Vergessenheit anheimfiel, dauerte sie an andern
noch ungeschwächt fort; ja es kam sogar vor, dass sie in verhältnismässig
später Zeit noch in einzelnen Kirchen neu eingeführt wurde. Doch die
Geschichte des gemeinsamen Lebens in den Stiftern weiter zu verfolgen,
liegt ausserhalb des Rahmens unserer Aufgabe. Es sei hier nur noch der
Ausführungen Hüffers^ gedacht, in denen die Art und Weise, wie die in
Frage stehende Einrichtung allhiählich immer mehr verschwand, sehr treffend
dargelegt wird. „Zunächst richtete man für die Kanoniker eigene Wohnungen
ein, meistens in der Umgebung der Domkirche, dann beschränkte man auch
den gemeinschaftlichen Tisch auf die Festtage, hob ihn später ganz auf
und schied endlich sogar aus dem Stifts vermögen einzelne Anteile oder
Präbende für die Kanoniker aus. Der grösste Teil der Güter blieb jedoch
noch unter der Verwaltung des Propstes, der davon den Stiftsherren die
festgesetzten Einkünfte zahlen und gemeinschaftliche Ausgaben bestreiten
sollte. Aber nur zu oft wurde diese Verwaltung nachlässig, eigennützig
und willkürlich geführt, woraus dann heftige Streitigkeiten sich entwickeln,
bis man durch eine Teilung des Vermögens zwischen Propst und Kapitel
die entgegenstehenden Ansprüche auszugleichen sucht.**
Eine Frage, die sich im Anschluss an die vorangegangenen Er-
örterungen jedem Freunde der heimischen Geschichte von selbst aufdrängt,
ist die nach dem Stande der bezüglichen Einrichtung am Aachener Münster
in den Tagen der Karolinger. Da müssen wir gleich von vorneherein gestehen,
dass es» im grossen Ganzen nur spärliche Nachrichten sind, welche uns die
gedruckten Quellen hierüber vermitteln. Es ist zunächst selbstverständlich,
dass Karl der Grosse eine Anzahl Geistliche zur Abhaltung des Gottes-
dienstes an die Aachener Pfalzkapelle berufen hat. Ausserdem bezeugt
uns aber auch noch diese Thatsache eine von Karl dem Kahlen im Jahre
876 ausgestellte Urkunde, in welcher es heisst: Proinde quia .... avus
noster Carolus in palatio Aquisgrani capellam in honorem beatae dei geni-
tricis et Virginis Mariae construxisse, ac clericos inibi Domino ob suae
animae remedium atque peccaminura absolutionem pariterquo ob dignitatem
apicis imperialis deservisse constituisse .... dignoscitur^ Die Nachricht,
*) Hü ff er, Forschungen auf dem Gebiete des französischen und rheinischen Kirchen-
rechts S. 274.
— 40 —
dass Karl die Geistlichen, und zwar zwanzig an der Zahl, aus Sinzig am
Ehein nach Aachen verpflanzt habe, ist nicht verbürgt. Schon Quix, der
in seiner im Jahre 1829 erschienenen Schrift: „Historisch-topographische
Beschreibung der Stadt Aachen ^^ ebenfalls diese Mitteilung bringt, nennt
sie in seiner im Jahre 1840 erschienenen „Geschichte der Stadt Aachen^"
eine unhaltbare Sage. Gleichwohl begegnen wir in manchen nach dieser
Zeit herausgekommenen Schriften lokalgeschichtlichen Inhalts dieser Sage
noch als einer feststehenden historischen Thatsache. Ebenso unverbürgt
wie die Herkunft und die Zahl ist der Charakter der Geistlichkeit am
hiesigen Münster in der Zeit der Karolinger. Wir wissen nur, dass die-
selben eine vita communis in ihrem „claustrum** oder „monasteriura" führte;
(die noch heute gebräuchlichen Bezeichnungen Klosterplatz und Kloster-
gasse erinnern an jene Zeit) ob dabei aber die Regel des hl. Augustinus
oder die des Metzer Bischofs Chrodegang befolgt worden ist, steht nicht
fest. Wenn man erwägt, dass die Wirksamkeit Chrodegangs und die Er-
richtung des Aachener Münsters zeitlich nur etwa 50 Jahre auseinander
liegen, so liegt die Annahme nahe, dass man auch hier, wie an vielen andern
Kirchen jener Zeit, die Metzer Regel befolgt habe. Damit Hesse sich dann
auch leicht in Einklang bringen die Nachricht einzelner Lokalhistoriker,
dass die hiesigen Geistlichen dem Orden des hl. Benedikt von Nursia an-
gehört hätten. Chrodegang war nämlich selbst Benediktiner und seine
Regel ist der der Benediktiner nahe verwandt. Es wird uns ferner auch
nichts darüber berichtet, dass die Aachener Stiftsgeistlichen die von der
Aachener Synode im Jahre 816 beschlossenen Satzungen angenommen haben.
Und doch dürfte man nicht fehlgehen in der Annahme, dass dies in Wirklich-
keit geschehen ist. Denn es wäre gar zu sonderbar, dass diese Regel, auf
deren allgemeine Befolgung, wie wir früher auseinandergesetzt haben, der
Kaiser den grössten Wert legte, hier am Orte ihrer Entstehung nicht
recipiert worden sein sollte. Wie lange das Zusammenleben der Stifts-
geistlichkeit hierselbst gedauert hat, steht ebenfalls nicht unzweifelhaft
fest. Aus der urkundlich überlieferten Thatsache, das Otto I. im Jahre 966
den Kanonikern am hiesigen Münster das Recht einräumte, sich frei und
selbständig aus ihrer Mitte einen Abt zu wählen, der hinfüro den Namen
Propst führen sollte (qui modo praepositus dicitur)*, hat man geschlossen,
dass um diese Zeit die vita canonica an der Pfalzkapelle aufgehört habe.
Jedenfalls hat dieselbe in beschränktem Masse noch Jahrhunderte fort-
gedauert.
») D'Achery Spicileg, cd. Paris, tom. III, S. 352.
«) S. 30.
«) S. 7, Anm. 3.
*) Quix, Codex Diplomaticus, tom. I, pars I, p. 10.
— 41 —
Eleinere Mitteilungen.
1. Handschriftliche Aufzeichnungen (1753—1785)
im Stadtarchiv zu Aachen.
Die Urschrift der nachstehenden Aufzeichnungen über Ereignisse aus den Jahren
1753 bis 1785 war ursprünglich einer Ausgabe der Aacher Chronick des Noppius von 1774
am Schlüsse einverleibt, später wurde sie hiervon abgetrennt und beruht nunmehr im
hiesigen Stadtarchiv. Sie rührt von unbekannter Hand her und hat einen der Sprache
wenig kundigen Schreiber zum Verfasser. Nichtsdestoweniger erschien der Abdruck dieser
Aufzeichnungen wünschenswert, weil sie manches Unbekannte bringen und die in den-
selben enthaltenen Angaben, soweit sie auch sonst vorkommen, sich als durchaus zuverlässig
erwiesen haben.
„1755 auf Stephanustag, des Nachmittag zwischen 4 Uhren, haben wir hier ein
kleine Erdbebung erfahren, im Jahr 1756 aber den 18. Febr. haben wir eine starke und
entsehetzliche Erd-bebung gehabt ungefehr um 8 Uhren morgens, und hat den ganzen
Morgen die Erd nit still gestanden, und hat noch lange Zeit gedauret^
Die im Jahr ungefehr 1753 oder 54 da die heilige Tag seind abgesetzt worden mit
dem Beding, daß man eine heilige Meß hat hören müßen, seind den 27^*" Septembris 1778
auf denen Canzelen abgelesen worden, daß man keine Meß brauchet zu hören, sonderen
Ostermontag, Pfingstmontag und den Tag nach Christag als nemblich Stephanytag gebotten
zu iieren gleich den Sontag benebst auch die 4 Wochen in Advent zu fasten als Mit-
woch. Freytag und Sambstag, und das Fest des heiligen Lamberti zu feyren gleich den
Sontag *.
Anno 1770 den 9*"" Junij hat Gott uns mit eine starke Erdbebung heimgesucht
und den 11**" selbigen Monat mit einen grausamen Hagclschlag, daß die Früchten im
Feld zerschlagen. Von selbigen Zeit an hat die theure Zeit angefangen und hat sich so
und so verfolgt, das das Brod 14 Merk gekostet hat und die Butter 17 Merk, Rindfleisch
7 Merk per Pfund, und das hat gedauret mit das Brod bis anno 1771 den 1**"* August:
da ist es 1 Merk abgeschlagen und den b^*^ dito da ist es 3 Merk abgeschlagen und den
10. August wider 10 Bauschen aufgeschlagen.
Anno 1771 den 27**" August ist der kay serliche Coramissarius in Achen angelangt,
Lodowicy' war sein Nam, und den 8**" Septembris ist der prüßiche Gesante in Achen
angelangt Sein jNam war Immikhanßen ^, und den 12'"" Septembris soll der erste Sitz
gehalten worden, worauf Einhalt geschehen ist, so ist doch der erste Sitz gehalten worden
den 29. Octobrisjbey Herrn Longe' in CoUestraß im wilden Mann, den 13. Decembris hat ein
jeder Commissarius das Schild ihres Principales ausgestalt. 1773 den 15. Decembris ist
der kayserlichen Commissarius nach Haus marschirt.
1773 den 10*'° Septembris des Morgens umb halber 9 Uhr haben der WeihbischofF von
Lüttig und zwey Deputirten von Nuntius von Collen und Hr. Proffion Tewis denen Herrn
Jesuiten die ^ Bulla von ihre Heiligkeit vorgelesen worden, daß ihre GesäUschaft auff-
gehoben, und von die Zeit an die Kirch zugeblieben und müsten sich ein weltgeistlichen
>) Zur (Hsohichte der Erdbeben de« 17. und IH. Jahrhunderts in der Aachener Oegend a. den
Auftat« von E. Pauls in Hoa 56, 8. 91 if. der Annalen des historischen Vereins für den Niederrhein.
Die Erdbeben in den Jahren 1756 und 1756 waren die Veranlassung, dass in der Pfarrkirche St. Foillan
mit bischöflicher Genehmigung „unter dem Titel der allerseligsten vom Engel verkündigten Jungfrau
Maria und dos heiligen Karoli Magni als sonderbaren dieser Stadt Patronen zu Ehren" eine Bruder-
schaft errichtet wurde, die heute noch besteht.
«) Der fortschreitenden Entwiokelung des wirtschaftlichen Lebens standen die 87 Feiertage, wie
sie die Baths-Yerordnung vom 7. September 162H festgesetzt hatte, hindernd in dem Weg.
*) Ludovici d'Orley, Herzoglich Luxemburgisoher Bat.
*) Gemeint ist Heinrich Theodor Emminghaus, Direktorialrat und Gesandter beim nieder-
rhcinisch-westfUlischen Kreise.
*) Lognay.
— 42 —
Eleyder tragen, nemlich Sontag darauf hat Pater Sunder die Predig im Münster gehalten
als in weltgeistlich Eleyder und doch nicht ehender dorffen halten, bis von Bischoff von
Lüttig die Erlaubnüß gab'.
Die im Jahr 1773 den 10^'** Septembris die Bulla gegen dessen Geschellschaft Jesu
aufgehoben worden, hat so mit der Zelt langsam wider so hervorgethan, daß bald diese
Ablaß balde jene wider in die Kirch gehalten ist worden, bis entlich im Jahr 1778
haben die Herrn Burger Bruderschaft und Jungesellen Bruderschaft von Eom erhalten,
die Todangst Bruderschaft zu halten. Die erste ist gehalten worden den 1*"" Novembris
1778 und ist die Kirch von Zeit an offen geblieben, und haben auch die 10 freitagie
Andacht und die 6 sondige von h. Aloisij auch gehalten und die Bettäg in die 8 letzte
Tagen Weinachten, und den letzte Sontag von h. Aloisij ist eine Prosession gehalten worden
mit das höchste Gut über den Marck, und der Profion Dewis hat das höchste Gut getragen.
Und haben sich viele Fackclen bei der Procession befunden bey 500, wo nicht mehr*.
1774 den 25*«" Aprill ist der Hr. Werkmeister Dauven nach Wien gerist, um die
Streitsach von Churfaltz mit die Stadt Aachen auszumachen, und ist den 22. Aprill 1777
wider ein Achen angelangt und hat alles rechtschaffen vor der Stadt ausgemacht. Wie
er aber widerkam von Wien, war er schon rigerede Burgermeister ^
Den 24*"* Octobris selbigen Jahr ist der Herr Sindicus Denys nach Wetzlar gereiset,
umb die Eeichsvisitation beyzuwohnen.
1775 den 27. Aprill des Nachmittags umb halber zwey ist der großen und kleinen
Rath zusammen bescheiden worden um halber fünf selbigen Dags wegen den newen Weg
von Bortscheit auf den Forst zu, worauf ein ehrbarer Rath beschlossen, den Weg mit Gewalt
zu verdilliegcn. Des selbigen Nacht seind 70 Grenadier und ungefehr 30 Werkleut aus-
gerückt und haben den Weg wider verdorben, die Grenadier seind aber stehen blieben
bis in Septembris. Den 20'*" selbigen Monat des Morgens zwischen 4 ad 5 Uhren seind
80 Man Soldaten nach Bordscheit marschirt wegen das Yerbott, daß der ehrbarer Rath von
Aachen gothan, sich des Weggelds zu enthalten; wo nicht, so soll man sie mit Execution
belegen, welches auch gleich geschehen ist, ein Jeder Weggeld Man mit 2 Mann belegt
worden ist, die haben sie essen und drinken und der Mann ein Kopfstück per Tag, einer
heist Rumpen, der ander Beckers; die Schöffen seind hernachher auch mit Mann belegt-
1776 den 2Ö**'* August haben wir hier in Aachen dem primus von Löwen ingeführet.
— seinen Namen war Mathias Joseph us Wild, in aachener Sohn — mit allen Pom und
Pracht: erstens mit die fünf klein Schulen mit ihre Fahnen und grüne Palmen an ihre
Hut; zweitens viele Bürger zu Pferd und die sechste und siebente und neunte Schul! zu
Pferd; viertens schier alle Kaufleut zu Pferd, sowohl catholische als uncatholische, auch
etliche mit ihren Wagen; fünftens den ehrwürdigen Hr. Prelat von Closterath mit einen
') Bezüglich der Ausweisung der Jesuiten s. auch Janssen (bei von Fürth, Beitrüge und
Material zur Qeschiohte der Aachener Patrizier-Faniilien, Band III, S. 370); er beklagt sich, dass sie
gehen „wie fremden, die kein Heimath haben". Dann fHhrt er fort: „Der König von Preußen aber will
sie absolut schützen und in seinem reich hegen". Wir wissen, dass, wie E. Reimann, Neuere Ge-
schichte des Freussischen Staates vom Hubertsburgor Frieden bis zum Wiener Kongress, Band II
(Abschnitt Friedrichs Stellung zur katholischen Kirche) bemerkt, „Friedrichs allumspannender Geist
auch das Schulwesen nicht vemachlAssigto, obgleich hier der Mangel an Mitteln und der Widerstand
derer, welche grössere Aufwendungen daf^ machen sollten, durchgreifende Reformen schliesslich un-
möglich machten. So sehr er sonst praktischen Zwecken den Vorrang einräumte, von den höhereu
Schulen forderte er nicht allein die Überlieferung von Kenntnissen, sondern hauptsächlich Entwickelung
des Verstandes und Ausbildung der Urteilsfähigkeit. Eben weil es für alle Zweige des Unterrichts au
tüchtigen Lehrern fehlte, erhielt er in seinem Lande die Jesuiten. Die in Breslau wurden „Priester
des königlichen Schulinstituts", unmittelbar dem Stallte unterstellt."
') Die im Jahre 1767 gedruckte „Sammlung dreyer Andachten, welche in der Kirch der Sooietät
Jesu EU Aachen gehalten werden", zählt folgende auf: „die erste von der Tod-Angst unseres sterbenden
Heilands, die zweyte zu Ehren des heil. Franoisci Xaverii, die dritte zu Ehren des heil. Aloysii Gon-
zagtt, so alle von der katholischen Kirch mit Ablaß bestAttiget sind".
Die Versammlungen der Tod-Angst-Bruderschafl fanden monatlich, die zu Ehren des h. Franziskus
Xaverius an 10 Freitagen im Jahre und die Andachten zum h. Aloysius an 6 Sonntagen statt.
*) Der Bürgermeister Kahr starb plötzlich am 29. Juni 1776 auf Petri und Pauli Abend.
— 43 —
secbsspannige Wagen und schier alle Herrschaften mit ihren Wagens haben ihm mit-
eingeführet; sobald als sie mit ihm bald an die Stadt kamen, da wurden die Cammeren
abgefenrt, und sobald als sie mit ihm an die Stadtpfort waren, da wurden die Canons
gelöset; siebentens kam Alles voraus, was vorhin gemeld ist worden, und ftüirteu ihm
mit seine Lövonisten und Professoren nach dero Thumkirch hinein. Da wurde dem ambrosia-
nischen Lobgesang gesungen mit Pauken und Trompetten, mit Läuten alle Elocken in der
Stadt. Nach geendigtem Gesang wurd er aus die Kirch zum Rathhaus geftlhrt. Wie
er da anlanget, wurden die Canons wider gelöst unter Paucken und Trompetten und wurde
empfangen von zwey Sindicy von Rathhaus. Nemliche Abend habe sie mit die Hr. Bürger-
meister und Hr. Beambten das Suppe gehalten, und den Abend schier alle Häuser mit
Lampen und Kerzen beleuchtet worden. Den 26*^ ist das Mittagmahl gehalten worden
bey denen Exjesuiten. Er hat ein Präsent von Hr. Burgermeister bekomen, eine große
silberne Lampetschtlssel ^
1778 den 24**" Jnnij ist der Hr. Doctor Dauven als regierenden Burgermeister zum
Major von Burtscheit mit Mehrheit der Stimmen erwählet worden und ist den 6*'" Julij
von hier nach Burtscheit gefUhret, umb alda seinen Aid abzulegen mit alle Beambten und
Neun Männer und 3 Hrn. Secretarius und die Hrn., so die Cammer bedeinen, als Ardenaw und
Vanscheuren, und die Carlschützen mit ihre Fahn mit unten und oben Gewehr bekleydet,
und haben den Vorzug gehabt. Billig war es gewesen, daß die rot, alwo der Hr. Burger-
meister ingewohnt, daß die Bttrger ihm aus begleit betten. Es waren im allen 11
Wagen alwo 2 mit 4 Ferd, die 4 Burgermeister Deiner mit Stegens auf ihre Seit. Des
Nachmittag zwischen 6 und 7 Uhren ist er wider nach die Statt gebracht worden, und
ist große Unruh erstanden zwischen die Bürger auf einander geschossen etc. etc.
1779 den 11*'" August haben wir des Nachmittag zwischen 4 ad 5 Uhren einen
erschröcklichen Regen gehabt, daß die große Wasserath das Wasser nicht hat verschlingen
können, und in die Straße das Wasser so briet gelaufen von ein Haus bis an das andere
und hat ein die Straße die Bafaye aufgeworffen, und das hat auf ein Stund gedauret
und hat erschrecklich darbey gedonnert und gewetterleuchtet.
1781 den 17**^° Julij haben wir hier in dieser kayserliche freye Reichsstadt Aachen
die Ehre gehabt, unseren kayserliche Magistät abends ungefehr um U Uhr in unsere
Ringmauren inmarschiret und von alle anwesende Bürger und fremde Herrschaften die
Ehre gehabt, im zu sehen, und den 18**" dito nachmittag um halb fünf Uhren ist ihre
kayserliche Magistät Joseph der 2** römische Kayser wider unter viele Rufen deren Bürger:
Vivat Joseph unseren Kayser soll leben, abmarschiret nach Brüssel, um die Huldiung seyne
Schwester als Herzogin von Braband beizuwonnen. Gott bewahren ihm auf alle Wegen.
Amen*.
1783 anfangs Decembris hat es angefangen zu fristen und etliche Zeit darnach
fingt es an zu schneyen, und einen oder 2 Tag fing es an zu regnen, und darauf fing es
wider an zu fristen und es hat gefroren bis den 20**" Febr. 1784, dan fing es an etwas
lind zu werden, und ist so kalt gewesen, daß die alte Leut und auch aus Paris ge-
schrieben ist worden, daß es viel kalter gewesen wäre als anno 1709 et 1740, daß diese
Kalt viel hoher gesteigen als die vorige Jahrzahlen.
1784 den 25**" May war es wie Donnerwetter des Nachmittag und es fing an zu
hagelen, doch nicht gedonnert nnd es fiUen Hagelstcin so dick wie ein Mansdaum, und schlug
auf etliche Platz die Fenstern zu Stücken. Gott Lob es war noch keinen Wind darbey.
Etliche Stein sind gewigt worden, man sagt, 3 bis 4 Loth schwär.
1785 den 30. May ist zu Bortscheit Einen mit das Schwert hingereicht worden.
Sein Nam ist Wilhelm, sein Zunam weiß ich nicht. Er ist aus die Pfar Siubelfeld
gebürtig.
*) Übor dieseu Empfang berichtet aasflihrlioh Meyer, Aaobensche Geschichten S. 769; vgl.
femer Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins Bd. I, S. 2l(>.
*) Über ^Kaiser Joseph II. in Aachen 17bl" baudolt eingehend Pick, Aus Aachens Vergangen-
heit 8. 552 ff.
— 44 —
Von Jahr 1784 bis 1785 ist eine große Kälte gewesen, daß man sich bald (nicht) erhalten
hat können, und den darauf folgende Frühling und Sommerzeit hindurch mehr k< als
warm und nicht viel Regen gehabt, daß die Butter den Sommer ist eingestochen worden
vor 100 ^ 20 et 21 bis 22 Cronenstücker und auf den Marck gegolden hat per Pfand
22 Merk (und) 23 Merk, das Bindfleisch 7 Merk per ^ in so fort in allem, außerhalb das
liebe Brod hat 8 Merk und letzton July hat es 7 Merk 2 Bauschen gegolten. Gott gebe
uns, was uns selig ist. Amen.^
Aachen, M, SchoUefh
2. Theodor Zimmerst
In der Musikgeschichte Aachens wird der Domorganist Theodor Zimmers für immer
einen ehrenvollen Platz einnehmen. Theodor Nikolaus Zimmers wurde am 6. Dezember
1781 * in Aachen in dem jetzt mit Nr. 106 bezeichneten Hause der Alexanderstrasse geboren.
Die Eltern gehörten dem kleinen Bürgerstande an. Der Vater Balthasar Zimmers, ein aus
Ubagsberg im Limburgischen stammender Handelsmann, hatte sich in Aachen ansässig
gemacht und am 11. April 1774 mit Gertrud Maassen vermählt. So wuchs der Knabe in
bescheidenen bürgerlichen Verhältnissen heran, bald aber entwickelte sich in ihm die
Neigung und Liebe zur Musik. Mit dem musikalischen Unterrichte sah es zu jener Zeit
in Aachen nicht besonders aus; die stürmische, allem künstlerischen Streben abgeneigte
Zeit Hess weder Lehrer noch Lernende aufkommen. So war Zimmers für sein Fortkommen
in der musikalischen Kunst auf sich selbst angewiesen, und man kann ihn nicht mit
Unrecht, sowohl in Bezug auf Komposition als auf Klavierspiel, einen Autodidakten nennen.
Als er es dahin gebracht hatte, dass er am Klavier geläufig und mit Sicherheit den Gesang
begleiten konnte, zog ihn der damalige musikalische Mäcen Aachens, der auch iu weiteren
Kreisen bekannt gewordene Arzt und beigeordnete Bürgermeister Dr. Solders' zu seinen
häuslichen musikalischen Aufführungen heran, und hier war es, wo das aufstrebende Talent
des jungen Mannes Nahrung und Entwickeluug fand. Bei Solders wurde viele und gute
Musik gemacht; hier war der Zcntralpunkt, wo sich einheimische und fremde Künstler
versammelten, und so wie Zimmers hierdurch das Beste jener Zeit zu hören bekam und
selbst thätig mit eingriff, so bot ihm auf der anderen Seite die reichhaltige musikalische
Bibliothek seines Gönners Gelegenheit zu lernen, die Meisterwerke der bedeutendsten Zeit-
genossen zu studieren und seine Kenntnisse der musikalischen Komposition zu vermehren.
Der öffentlichen Aufführungen waren damals wenige. Das Vereinswesen war so gut wie gar
nicht ausgebildet; nur zuweilen versammelten sich die zerstreuten Kräfte zu einer musi-
kalischen Gesamt-Produktion. Solche Konzerte dirigierte damals Dr. Solders, und Zimmers
war am Klavier. Allein nicht immer blieb er am Klavier; in der Folge vertauschte er
diesen Platz mit dem Dirigentenpulte. So hat er vielfach Konzerte dirigiert, welche zu
wohlthätigen Zwecken stattfanden, wie er ein Freund der Armen bis an sein Lebensende
geblieben ist. Bei solchen Gelegenheiten gelangten dann auch wohl von ihm komponierte
Lieder zur Aufführung ; mehrere derselben hat er später veröffentlicht. Auch während
des Aachener Kongresses im lahre 1818 hatte Zimmers die Vorbereitung und Leitung der
Konzerte in Händen, die zu Ehren und in Gegenwart der anwesenden Fürstlichkeiten statt-
fanden. In den Konzerten, welche von der Sängerin Catalani, die aus Veranlassung des
Monarchen-Kongresses nach Aachen gekommen war, veranstaltet wurden, übernahm Zimmers
die Begleitung der berühmten Virtuosin*.
>) Dem nachfolgenden Artikel ist der von Chr. Felix Aokens verfasste Nekrolog (Echo der
Gegenwart vom 5. September 1861, Nr. 244) zu Grunde gelegt.
•) Nicht IT88, wie Ackens, wahracheinlich nach dem Toteuzottel, angibt.
*) Siehe ttber denselben Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins Bd. I, S. &2.
*) Über den Aufenthalt der Catalani in Aachen: Meyer. Aachen, der Monarchen-Kongress im
Jahr 1818, §§ 23, 29, 38, 99, 52. Der Kuriosität halber sei hier Meyers Urteil ttber die Sängerin bei-
gefügt: n^hwingt sich die Lerche trillernd aus des Frühlings Saaten zum Himmel hin, so ist das
freilich schön in der Natur; aber sie bleibt nur monoton; singt und steigt Catalani, so entzücken
— 45 —
Vergebens aber machte sie ihrem Accompagnisten glänzende Vorschläge, vergebens
versachte sie ihn mit nach Italien zu nehmen. Zinmiers blieb seiner Vaterstadt tren,
er hat sie nie verlassen, was er allerdings später, und vielleicht nicht mit Unrecht, als
ein Unglück für seine musikalische Entwickelung: bezeichnet hat. Auch mochte ihm das
unstäte, herumschweifende Xünstlerleben wenig zusagen; gegen das Theater hatte er eine
derartige Antipathie, dass er nie einen Fuss hinein gesetzt hat^
Inzwischen hatte Zimmers im Jahre 1802 die Stelle des Organisten an der St. Peters-
pfarrkirche hierselbst erhalten '. Dies veranlasste ihn, sich eingehender mit Kirchenmusik
zu beschäftigen, als es bis dahin der Fall gewesen war. Zunächst wurde ihm die neue
Stelle ein Anfenerungsmittel, sich mit den Kompositionen für die Orgel, wie die grossen
Meister seit Sebastian Bach sie für dieses Instrument aller Instrumente geschaffen haben,
näher bekannt zu machen. Dann veranlasste ihn aber auch sein Amt, die kirchlichen
Oesangwerke eifriger zu studieren. Denn er hatte von vornherein deu Plan gefasst, an
St Peter einen tüchtigen Gesangchor zu schaffen und heranzubilden. Diesen Plan hielt
er fest, wie er auch der Kirchenmusik bis an sein Ende treu blieb, ihr hat er fast alle
seine zahlreichen Kompositionen gewidmet.
Zunächst für seinen heranwachsenden, aus Damen und Herren zusammengesetzten
Kirehenchor schuf er eine Menge vom leichteren zum schwerereu fortschreitender drei- und
vierstimmiger Messen, Kautaten, Motetten, Te Deums u. s. w., die er nachher zum Teil im
Druck herausgab, und die vermöge ihrer im Ganzen leichten Ausführbarkeit, vermöge ihrer
schönen rhythmischen und melodischen Gestaltung bald Gemeingut aller hiesigen Kirchenchöre
wurden, auch weite Verbreitung in Belgien, Frankreich und England fanden. Diese Werke
schrieb er meist mit Orgelbegleitung, manche instrumentierte er jedoch sowohl zur Be-
nutzung in seiner Pfarrkirche, wo an den Festtagen das Hochamt unter Orchesterbegleitung
gesungen wurdet als auch zum Gebrauche in unserer Domkirche, wo bis in die sechsziger
Jahre hinein an allen Sonntagen eine musikalische Messe mit ganzem Orchester zum
Vortrag gelangte. In der Domkirche kam auch während des Monarchen-Kongresses ein
grosses, von Zimmers komponiertes Te Deum für gemischten Chor und Orchester zur
Aufführung*. „Alle diese Werke charakterisiert der Stempel inniger Frömmigkeit, starken
Glaubens und freudiger Hoffnung; sie sind der Spiegel eines anspruchslosen, opferfreudigen
und liebevollen Wesens. Vom Standpunkte der Kunst aber begegnen wir in denselben
einem frischen, produktiven Geiste, abgerundeten künstlerischen Formen, schönen, wenn
auch nicht immer neuen Melodien, vielem Fluss und Schwung und mitunter wertvollen
kontrapunk tischen Gestaltungen*.**
Zimmers beschäftigte indessen den Kirchenchor von St. Peter nicht blos mit
seinen Werken, er benutzte diese eigentlich nur als Übungsstufen zu den schwierigeren
Messen und Kantaten von Haydn, Mozart, Beethoven, Cherubini u. s. w., die später in
dem Eepertorium seines Chores vorherrschten. Der Chor wuchs nach und nach so an,
dass die Räumlichkeiten zu enge wurden. Die Übung, welche Sänger und Sängerinnen
hier genossen, kam anderen musikalischen Bestrebungen unserer Stadt, sowie auch den
damals entstehenden rheinischen Musikfesten zu gut.
Zu Anfang des Jahres 1826 ward in unserer Domkirche, an welcher am 28. Januar
das Ohr die lioblichston Töne der Natur und Kunst in tausendfachen unnennbaren Trillern. Sie
ist ein unttbersohbares Feld, auf welchem die Kunstliebhaber eine reiche Erndte des Anmuths, und
die Virtoosinn Tausende der Goldblüten einscheuem. " (§ JJB.) Über andere TonkUnstler, "welche der
Monarchon-Kongress nach Aachen führte, s. Meyer a. a. Ü., § 24.
*) Qefl. Mitteilung des Hrn. Prof. Potliast in Rolduc.
«) Flank er, Die Kirchen-Orgeln in St. Peter, Jahrgang VH, S. 20 u. 2t dieser Zeitschrift. Das
Jahresgehalt betrug damals 144 gl., dazu lUr Begleitung der deutschen Messe an Sonntagen 15 gl.
und ftlr das Hochamt am Donnerstag 20 gl.
») Siehe Planker a. a. O. S. 22.
*) Die einxige kirchliche Feier während des Kongresses, von welcher Meyer berichtet, war ein
Hochamt ftm 4. Oktober 1818, dem Namenstage des Kaisers Franz. A. a. O. § 22. Vermutlich war im
Anschlüsse an dieses Hochamt Te Deum.
^) So urteilt Aokeus a. a. O.
— 46 —
genauiiten Jabrcs an Stelle des Kathedralkapitels ein Stiftskapitel installiert worden war,
die Organistenstellc frei. In der ersten Sitzung des neuen Stiftskapitels vom 4. Februar
1826 wurde Zimmers zum Domorj^anisten gewählte Nicht leicht hätte aber auch ein
Würdigerer für diese Stelle gefunden werden können. Denn in der Behandlung der Orgel
war Zimmers Meister, und seine Improvisationen auf derselben waren derart interessant,
dass viele Musikfreunde die Domkirche vorzugsweise besuchten, um Zimmers prä- und inter-
ludiereu zu hören. Zimmers hat mehrere Folgen Versetten in Druck erscheinen lassen.
Dass Zimmers neben seinen amtlichen Funktionen die übrigen vaterstädtischen Musik-
unternehmungen nicht aus den Augen verlor, geht aus dem bereits Angeführten zur Q^nüge
hervor. Als man im Jahre 1819 zur Bildung eines städtischen Vereins für Gesangmusik
schritt, war er es, der die Übungen am Flügel zu leiten übernahm, und seinem Eifer ist
es zum Teil zu verdanken, dass Aachen mit seinen Nachbarstädten gleichen Schritt hielt und
gleich bei den ersten zu Aachen gegebenen rheinischen Musikfesten (1825, 1829 und 1834)
Beweise einer tüchtigen Vorbildung im Chor ablegen konnte.
Hervorragend sind Zimmers Verdienste als Musiklehrer. Als solcher war er viele
Jahre am früheren St. Leouhards-Institut hierselbst und später auch eine Zeit lang an
dem Pensionats-Institut zu Blumenthal bei VaeLs thätig, bis ihm endlich das Alter Ruhe
gebot. Zum Gebrauche für seine Musikschüler gab er Vorübungen für Klavierschüler und
mehrere Hefte Singübungen heraus '.
In der zweiten Hälfte seines Lebens wohnte Zimmers, der nicht verheiratet war,
bei seinem Schwager, dem Kratzenfabrikanten Classen in der Peterstrasse Nr. 64. Wohl
machten sich in den letzten Lebensjahren die Lasten des Alters bemerkbar, aber bis an
sein Lebensende bewahrte er seine geistige Frische und Schaffensfreudigkeit. Noch kurz
vor seinem Tode vollendete er eine grosse vierstimmige Messe. Am 24. August 1861 ver-
schied Theodor Zimmers, fast 80 Jahre alt, nach nur viertägigem Krankenlager an einem
Herzübel. Am 26. August fand die Beerdigung statt, bei welcher die Concordia, deren
Ehrenmitglied der Verstorbene gewesen, das musikalische Ehrengeleite gab.
„Aufrichtiges, anspruchsloses, sittenreines, opferfreudiges und liebevolles Wesen**
— rühmte Zimmers Freund, der Stadtdechant Dilschneider ' — „veredelt durch eine innige
christliche Herzensfrömmigkeit, zeichnete Zimmers während seines ganzen Lebens aus;
in seinem späten Alter aber war vor Allem stets das Gotteshaus sein liebster Aufenthaltsort,
der Tisch des Herrn seine vorzüglichste Erquickung und das Gebet seine Hauptbeschäftigung.
Und so ist er denn auch, der in Wahrheit und Gerechtigkeit seinen Pfarrgenossen und
Mitchristen zum Muster und zur Auferbauuug gelebt, den vom hl. Geist so überaus ge-
priesenen seligen Tod der Gerechten gestorben."
„Seine Wirksamkeit", schlicsst Ackens seinen Nekrolog, „bildet eine Epoche in der
Geschichte der musikalischen Zustände Aachens. Er war ein von Allen, die ihn kannten,
geachteter und geliebter Mann, dabei anspruchslos und bescheiden. Er war ein tüchtiger
Ktlnstler und ein edler Mensch.**
Die Kompositionen Zimmers werden heutzutage nicht mehr aufgeführt. Fast alles,
was er geschrieben, hat einem anderen Kunstgeschmacke den Platz räumen müssen und
ist vergessen. Nur seine Melodien zu Kirchenliedern leben auch heute noch im Munde des
Volkes, insbesondere die Melodie zu dem violgesungenen schönen Woihnacbtsliede „Menschen,
die ihr wart verloren". Möge der Refrain dieses Liedes noch lange Jahre in Aachens
Kirchen verkünden, was Zimmers bei all seinem Schaffen vorschwebte : „Ehre sei Gott in
der Höhe!"
Aachett, J. Fey,
») Goß. Mittoilung ilcs Hrn. StillsarchivArs Kanonikus Vitboff. Das Jahresgehalt betrug damals
löO Tlialer.
*) Die Zimmersschon Kompositionen erschienen bei Arnold in Elberfeld, bei N. Simrock in
Bonn, bei Henson in Aachen, teilweise Hucb im Selbstverluge. Von den verachiedenen „Te Deume" ist
keines zum Druck gelangt.
^) Auf dem Totenxettel.
— 47 —
3. Die Anweseuheit einer hanseatischen Gesandtschaft an König
Philipp nr. von Spanien in Aachen im Dezember 1606.
Das in dieser Zeitschrift veröffentlichte Tagebacb des Aachener Stadtsyndikus
Melchior Klocker, das die Jahre 1602—1608 umfasst, enthält zom 26. Dezember 1606
folgende Notiz: ^Ahm 26. Decembris seindt der Anzer (V) statt gesandten ufm rahthauss
gewesen und haben sich hochlich erbotten und einen zirablichen trunck gethain*.*
Unter „Anzer statt gesandten** sind die Gesandten der Hansastädte zu verstehen.
Infolge eines Beschlusses des Hansatages zu Lübeck vom 16. Juni 1606 ordneten die
Städte Hamburg, Lübeck und Danzig gemeinschaftlich eine Gesandtschaft an König Philipp IIL
von Spanien ab mit dem Auftrage, wegen der apanischen Handelsprivilegien, der Forderungen
hanseatischer Kaulleute an die dortige Regierung u. s. f. in Madrid Beschwerde zu führen.
Der lübeckische Gesandte, der Ratsmann Henrich Brockes hat in seinen Tagebüchern auch
über die Reise der Gesandten von Lübeck nach Madrid eingehende Mitteilungen gemacht,
die wegen des grossen Interesses, das sie erregen, schon 1 774 auszugsweise veröffentlicht
und späterhin von der Geschichtsforschung vielfach benutzt und verwertet worden sind*.
Es dürfte manchem Leser dieser Zeitschrift nicht unwillkommen sein, zu erfahren, was
die Aufzeichnungen Henrich Brockes' über den Aufenthalt der Gesandtschaft in Aachen
berichten.
Der Bedeutung und dem Wohlstande der Hansastädte entsprach die Ausrüstung
und die Bedienung eines jeden der Gesandten, abgesehen davon, dass die lange Dauer der
Reise und die mit ihr verbundenen mannigfachen Beschwerden grössere Zurüstungen
nötig machten. Brockes hatte 6 Personen zu seinem Dienste, zu deren Fortschaffung
eine Kutsche und vier schön braune Pferde sowie ein brauner Gaul (Not- und Reit-
pferd) dienten. Ausserdem befand sich in seiner Begleitung der Konsul zu Lissabon,
Hans Kempferbeck, mit einem berittenen Diener. Die anderen Gesandten, der „gemeine
Hansesche Syndikus", Johann Domann, der Hamburger Ratsmann Jeronymus Vogcler
und der Danziger Ratsmann Arnold von Holten waren ähnlich ausgerüstet. Die Reise
ging durch Westfalen nach Köln und von da über Aachen nach Brüssel, da die
Deputierten angewiesen waren, zunächst den Erzherzog Albrecht „Herrn der hispanischen
Niederlande" zu begrüssen. Wegen der kriegerischen Unruhen jener Zeiten, die das
Reisen unsicher und gefährlich machten, war es häufig nötig, dass sich die Gesandten von
einer Stadt zur andern durch eine militärische Bedeckung (convoy) begleiten Hessen.
So hatte auch der Kölner Rat „30 gute Soldaten** der Gesandtschaft beigegeben,
die von Aachen aus wieder zurückkehrten; am 13. Dezember (alten Stils) Mittags zogen
die Deputierten aus Köln, nahmen ihren Weg über Bergheim und Jülich und langten am
15. Dezember 2 Uhr in Aachen an.
Wir lassen nun folgen, was Brockes über die Aufnahme sagt, die er und seine
Kollegen in Aachen fanden. Waren die hanseatischen Abgeordneten überall in deutschen
Landen höchst ehrenvoll empfangen und freigebig beschenkt worden, so namentlich in
Aachen.
„Den 16. December blieben wir zu Aach stille, versuchten die warmen Bäder und
besahen die Thumkirchen darein viell Rcliquiae von Carolo magno, sahen caput, gladium,
Coronam, novum testamentum etc., wie auch sein sepulchrum, und den Kunniglichen Stuell,
davon sich die Stadt rhümet und schreibet. Die Bürgermeister und etliche des Raths
kamen zu uns in unse Losameuter, gratulirten und verehrten uns mit Weinen und hielten
uns auff dem Rathhause den anderen Tag in den Weinachten ein Banket, dabei sie sich
mit uns frölich machten bis in den späten Abcnt.
Den 17. December, wie wir das Frühstück assen und aus Aach ziehen wollten auf
>) Aus Aachens Vorzeit, Jahrg. IV, S. 126.
') S. besonders Pauli in der Zeitschrift des Vereins fUr LUbeckische Qescbiohte und Alter-
thumskunde, I. S. 79 ff., S. ITA ff., S. 2«1 ff.; auch Heibertz, Quellen dor WestlUliHchen aeschichte,
II, S. 421 ff.
— 48 —
Mastriebt, kam der älteste Bürgermeister in Stiefeln und Sporen zu uns und erbot sich
mit uns zu reiten nnd uns zu geleiten so weit der Stadt Jurisdiction sieb streckede. Wir
wollten solches nicht zulassen und bedankten uns der Ehre. Aber er wollte von seiner
Meinung nicht weichen. Also mussten wir es geschehen lassen, schiedeten um 8 Uhr aus
Aach mit einem guten Convoy von 30 Soldaten. Der Bürgermeister ritt mit drei Dienern
und anderen Bürgern durch die Stadt vor uuserm Wagen her. Aber sobald wir aus der
Stadt kamen, setzte ich mich auch zu Pferde, der von Danzig that solches auch, und
nahmen also den Herrn Bürgermeister zwischen uns, bis dass er wieder umkehrte, welches
geschah eine kleine Meile von der Stadt."
Aachen. F. Oppenhoff.
4. Ein merkwärdiger Fund.
(Briefe Davouts an Napoleon I.)
Im 1. Heft des vorigen Jahrganges unserer Zeitschrift, S. 14—15, berichtete ich
über einen seltenen in Aachen gemachten Fund, bestehend aus 5, zum teil chiffrierten
Briefen des Marschalls Davout an Napoleon I. Wenn ich damals nur vou einem Miss-
erfolg der zahlreichen Versuche, das Geheimnis der Briefe zu lichten, erzählen konnte,
so ist es mir jetzt vergönnt mitteilen zu können, dass sie entziffert sind. Es war ein
merkwürdiger Zufall, der die Lösung des BUtsels herbeigeführt hat. Herr Oberlehrer
Dr. Holzhausen in Bonn, ein mit dem hier gemachten Funde bekannter und mit der
Geschichte Napoleons und seiner Zeit sehr vertrauter Herr, traf auf einer Reise in Italien
einen französischen, in Stockholm thätigen Geistlichen und erzählte diesem von den in
Aachen gefundenen Briefen. Dieser Herr nun interessierte sich sehr für die Entzifferung
der Briefe und war so glücklich, bei seinen Nachforschungen im Kriegsarchiv zu Stock-
holm Briefe zu finden, die mit den unsrigea in den ausgeschriebenen Teilen fast gleich-
lautend waren, hingegen Chiffreschrift zeigten an einigen Stellen, die bei uusern Briefen
nicht chiffriert waren und umgekehrt. Das Verhältnis der Briefe zu einander war so,
dass ein gewandter D^chiffreur eine Lösung finden konnte. Ich sandte die Schriftstücke
an das Chiffrier-Bureau des Auswärtigen Amtes in Berlin. Dem Direktor jenes Bureaus,
Herrn Geh. Hofrath Willisch, gelang es nach und nach, alle Briefe zu entziffern.
Sie stehen inhaltlich natürlich zur Geschichte Aachens nicht in Beziehung und sind
deshalb von mir auch nicht in einer Aachener Zeitschrift, sondern im 1. Heft des laufenden
Jahrgangs der Historischen Zeitschrift der Görres-Gesellschaft veröffentlicht worden. Sie
geben einige nähere Nachrichten zur Geschichte des Krieges im Jahre 1813, soweit er
sich auf dem nördlichen Schau platze abspielte, und namentlich zur Geschichte Hamburgs
unter Davout. Manche Nachrichten sind sehr kleinlich und minderwertig. Im allgemeinen
steht der für die Geschichtsschreibung resultierende Gewinn kaum im Verhältnis zu den
um jene Briefe aufgewandten Mühen.
Aachen, C. Wacker,
Verlag der Cremer'sehen Bnehhandlnng in Aachen, Kleinmarsehierstr. 3.
P. Giemen, Die Porträtdarstelliingen Karls des Grossen. VIII,
234 S. ; mit siebzehn Abbildungen Mk. 6. —
Dr. 0. Dresemann, Die Jakobskirebe zu Aachen. Gescliiclitliche
Nachrichten und Urkunden. 124 S Mk. 2. —
C. Rhoen, Die ältere Topographie der Stadt Aachen. 11, 142 S.
mit 4 Plänen Mk. 2.—
DkUCK von HeIIMAKN KaATZKR Di AACUtilN.
Mmm J^m@&i3%s T@3?^ili
Jährlich 6 Nummera Kommission s -Verlag
A I Bogen Royal Oktav. ^"
Cremer"sRheii Bnehhnndliing
Preis des Jahrgangs ,5 („,„
4 Mark. in Anehen.
Mitteilungen des "Vereins für Kunde der Aachener Vorzeit.
Im Auftrage dca Vereiaa beraasgegeben von H. Schnook.
Nr. 4/8. Neunter Jahrgang. 1896.
Inhalt: H. J. Gross, Scbonna (Fortsetzung). — Kleinere Mitteilungen: 1. Aktenstücke
ans dem Aachener Stadtarchiv. - - 2. Veraostultung von Maskenbällen hei festlichen üclegcn-
heitän im vorigen Jahrhundert. — 3. Zur Geschichte des KretiEherren -Klosters. — 4. Ao-
ordnuDg einer ProKOBaion durch den Bat. — 5. Fleisch verkauf in der Fastenzeit.
Schönau.
Von H. J. Gross.
IL
Die Herren von Schönau.
1. Die Pfalzgrafeii.
Die ersten Besitzer Sfhönaus, von denen wir Nachrichten haben, gehören
zur Familie der Aachener Pfalzf^rafen. Sie beaasaen das ganze praediuin
Richterich als Allod. Was über dieselben zu sagen ist, wird in einer Ab-
handlung über das Ländclien zur Heiden zusammengestellt werden, darum
begnügen wir uns hier mit der Anführung der Namen.
a) Hezelo (um das Jahr 1000), zweiter Sohn des Pfalzgrafen Hcrman.
b) Heinrich der Wahnsinnige, Sohn Hezelos und Pfalzgraf seit
1045, in welchem Jahre der bisherige Pfalzgi'af, Heinrichs Bruder Ezzo,
das Herzogtum Alemannien erhielt.
c) Heinrichll., Pfalzpraf und Stifter der Abtei Laach, gestorben 1095.
d) Siegfried von Ballenstädt, Stiefsohn Heinrichs II. und Pfalzgraf,
fiel in der EmpÖning gegen Heinrich V. am 11. Febrnar 1113.
e) Wilhelm, Sohn Siegfrieds und Pfalzgraf, starb kinderlos 1140.
Nach dem Tode Wilhelms begann der rasche Wechsel im Besitze des
praedium Richterich, den wir schon im ersten Teile unserer Abhandlung
kurz berührt haben. Während wir nun über die Schicksale des praedium
— 50 —
ziemlich genau unterrichtet sind, lassen uns die geschiclitlichen Nachrichten
in bezug auf den Haupthof Schönau vollständig im Stiche. Erst von
Hemricourt vernehmen wir, dass derselbe sich beim Beginne des 13. Jahr-
hunderts im Besitze des Herrn Heineman von Aachen (d'Aix), genannt
Schön forst, befunden habe.
Wie schon anderwärts hervorgehoben wurdet beruht die Beifügung
des Titels von Schönforst zum Namen Heinemans auf einem Irrtum Hemri-
courts. Aber wie ist es mit dem Zunamen d'Aix? Wer waren diese Herren
von Aachen? Standen sie vielleicht in verwandtschaftlicher Beziehung zu
den Pfalzgrafen und sind sie dadurch in den Besitz von Schönau gekommen?
Bekannt ist, dass eine Familie gleichen Namens sich schon im ersten Viertel
des 12. Jahrhunderts in einflussreichen Stellungen am kaiserlichen Hofe
befand und fast 150 Jahre lang die Vogtei in Aachen bekleidetet Ob
aber die Schönauer diesem Geschlechte angehört haben ^, ist mir schon
deshalb zweifelhaft, weil sich bei letzterem meist der Vorname Wilhelm
findet, der bei den Schönauern gar nicht vorkommt. Übrigens schreibt
Hemricourt den Heineman der Familie Limburg-Haesdal zu.
Gegen Anfang des 13. Jahrhunderts, so erzählt derselbe im Mhx)ir
des nobles de Hasbaye, lebte Heineman von Aachen genannt Schönforst,
der ein tapferer Bannerherr aus dem Geschlechte derer von Limburg-Haesdal
war und auch das limburgische Wappen, nämlich einen roten mit drei
silbernen Ballen (besans) belegten Löwen, führte. Er heiratete eine Tochter
des Herrn von Warfüs^e, die Dame von Burtonbur, und hatte drei Söhne:
Heinrich von Fexhe, Raso* Mascharel^ und Arnold von Burtonbur
(Bretonbour). Aus Verdruss darüber, dass infolge der Schlacht von
Worringen (1288) das Herzogtum Limburg an Brabant kam, legten die
Brüder das Limburger Wappen ab und behielten blos die Kugeln (tortelets)
bei; Heinrich nahm ein rotes Feld mit silbernen, Raso ein silbernes Feld
mit roten und Arnold ein silbernes Feld mit blauen Ballen an. Letzterer
belegte ausserdem, weil er der jüngste war, sein Schild mit einem Turnier-
kragen. Danach ist klar, dass die Schönauer, welche Silber mit Rot im
Wappen führen, Rasos Nachkommen sind, während die Herren von Winands-
rade, die den Kragen zeigen, von Arnold abstammen.
Einstweilen ist es selbst für Fachmänner^, geschweige für mich,
unmöglich, eine Geschlechtsreihe der Herren von Schönau aus der Familie
d'Aix herzustellen, in welcher jedem Mitgliede die richtige Stelle angewiesen
wäre. Ich muss mich darum ebenfalls bescheiden, die Namen anzugeben,
^) Vgl. meine Abhandlung über Reinard von Schönau, „Aus Aachens Vorzeit"*
Jahrg. Vin, S. 19, Anm. 3.
*) Vgl. Loersch, Achener Rechtsdenkmäler S. 274 if.
®) Vgl. Hansen, Zeitschrift des Aachener Geschichts- Vereins IV, S. 93.
*) Erasmus.
*) Über diesen Namen vgl. Reinard von Schönau 1. c. Jahrg. VIII, S. 19, Anm. 4.
•) Vgl. Hansen, Zeitschrift dos Aachener Geschichts- Vereins VI, S. 92. von
Oidtman, das. VIII, S. 209.
— 51 —
wie 8ie in den Urkunden vorkommen, berichtete Thatsachen mitzuteilen
und diejenigen Persönlichkeiten hervorzuheben, welche nachweislich
„regierende Landesherren** waren, wie sich ein Mylendunck in seinen Prozess-
akten ausdrückt.
2. Die Herren von Schönau aus der Familie d'Aix.
Lange bevor die von Heniricourt berichtete Wappenänderung vor sich
gegangen ist und zwar in den Jahren 1252 und 1254 lebte Gerard von
Schönau ^ Er wird als Ritter bezeichnet, aber da die Urkunden ihn nur
als Zeugen anführen, lässt sich weiteres über ihn nicht angeben. Quix
betrachtet ihn als Herrn zu Schönau. (^Heichzeitig mit Gerard lebte
Ritter Simon von Schönau. Derselbe besass in Aachen zwei Häuser,
welche der Amtswohnung des Sängers Conrad vom Münsterstifte gegenüber
lagen, sowie eine Mühle auf der Pau. Diese Liegenschaften veräusserte
Simon vor dem Jahre 1261 an den genannten Sänger 2. Auch
Heineman d'Aix, den Hemricourt anführt, war ein Zeitgenosse
dieser beiden Schönauer, denn er lebte noch um 1240^. Heinemans Söhne
haben wir oben aus Hemricourt angeführt. Der zweite derselben
a) Raso Mascharel I, der bis 1290 nachgewiesen werden kann^,
war Herr zu Schönau. Den Namen Raso führte er wohl nach seinem Gross-
vater Raes von Warfüs6e, den Spitznamen Mascharel nach dem Wappen.
Im genannten Jahre unterzeichnete er mit seinem Sohne Johann und
besiegelte einen Vertrag zwischen dem Aachener Münsterstifte und Macharins
von Mühlenbach. Damals war Johann schon grossjährig aber noch nicht
Ritter; diesen Titel führt er in einer Urkunde von 1314 •\ Wir finden ihn
noch 1324 als Zeugen in der Erklärung des Cuno von Molenark über den
Verkauf der Güter in Obermerz an die Abtei in Burtscheid. In diesen
Urkunden nennt er sich Johann von Schönau; Besitzer der Herrschaft ist
er nicht gewesen. Johann scheint nur eine Tochter gehabt zu haben,
welche den Ritter von Brouck (Broich bei Aachen) heiratete, der aus dem
edlen Geschlechte der Gimmenich stammte. So Hemricourt. Nach Raso
Mascharel I erscheint als Herr zu Schönau
b) Gerard von Schönau, der sich, wie wir oben sahen, im Jahre
1302 die Herrschaft Schönau mit ihren Gerechtsamen von Kaiser Albert
bestätigen liess. Mit diesem Gerard beginnen zwei Schönauer „Deduktionen"
die Reihenfolge der Herren dieser Herrschaft. Aber wer war dieser GemvA?
Weder Hansen* noch von Oidtman^ noch de Chestret* erwähnen ihn in
ihren Geschlechtstafeln. Zwar führt letzterer — freilich mit Fragezeichen —
einen Gerard von Schönau als zweiten Sohn Rasos I an, der jedoch
bereits 1306 Kanonikus und seit 1319 Dochant des Servatiusstiftes in
Mastricht war: sollte dieser unser Gerard sein? Dann müsste man annehmen.
*) Qnix, Frankenburi? S. 128. Reichsabtoi IJnrtschcid H. 240. ») Quix, Scbönaa
S. 83 f. ») Hansen a. a. O. 8. 2r}. <) Qnix, ncrcuKbrrtf S. 108. *) Qnix, Hchftnau S. 41.
•)Han8enLc. Bd. VI,3. 9»J. »)Oi(ltman I.e. Bd. VIII, 8.212. •) Uenard de Scbönan S. 8, 9.
— 52 —
derselbe habe nach 1302 Waffen und Herrschaft abgelegt und sei in den
geistlichen Stand getreten. Doch erwähnt Heraricourt unter den Söhnen
Easos II einen Gerard, den er „on tres wailhans hommes d'anne"
einen sehr tapfern Kriegsmann nennt. Aber auch Rasos II Sohn Gerard
war Geistlicher, Sänger am Münsterstifte in Aachen sowie Kanonikus der
Stifter St. Paul und St. Lambert in Lüttich. Die Bezeichnung als tapferer
Kriegsmann passt dagegen trefflich auf unsern Gerard, den Herrn von
Schönau, den ja auch Kaiser Albert „vir strenuus** nennt. Sollte nun wohl
Hemricourt beide Grerarde verwechselt und dem Neffen zugeschrieben haben,
was dem Oheim zukam? Das halte ich für wahrscheinlich und nehme
darum an, unser Gerard sei der älteste Sohn Rasos I gewesen und kinder-
los gestorben, worauf dann Schönau auf den zweiten Sohn, Raso II überging.
Gegen diese Auffassung spricht allerdings der Umstand, dass dann
zwei Söhne Rasos I denselben Vornamen geführt hätten. Das kommt jedoch
auch bei Reinard I vor, von dessen Töchtern zwei Elisabeth hiessen, doch
war eine derselben ein uneheliches Kind]*; von Reinards Brüdern hiessen
ebenfalls zwei Johann.
Zur Zeit Gerards lebte auch ein Ritter Arnold von Schönau, der
nebst andern Edelleuten im Jahre 1301 mit dem Abte von Steinfeld einen
Vertrag über den Mönchsbusch abschloss'^; am 15. September 1307^ starb
Heinrich von Schönau, Sänger der Liebfrauenkirche in Aachen, welcher
dem Kapitel eine Mark, den Kirchendienern sechs Schillinge vermachte.
c)RasoMascharelII, der von Hemricourt als der älteste Sohn
Rasos I angeführt wird, war Herr zu Schönau und Ülpich*. 1319 unter-
zeichnet er als Herr Raso, Ritter von Schönau, die Urkunde, durch welche
Arnold von Gimmenich der Alte die Schenkung eines im Limburgischen
gelegenen Waldes an die Abtei Burtscheid verbrieft ^ Seiner Ehe mit der
Schwester Gerards von Bongart entsprossen sechs Söhne ^ und wenigstens
eine Tochter Adelheid, die wahrscheinlich Winand von Rode heiratetet
Die Söhne hiessen: Johann Mascharel, Herr von Ülpich, der nach Hemri-
court eine Tochter Thiebauts de la Vaux zur Ehe genommen haben soll;
Amelius, Abt von St. Trond; Gerard, der Sänger des Aachener Münster-
stiftes; Johann Hage, Kanonikus an derselben Kirche; Raso Mascharel,
Herr zu Schönau und Reinard von Schönforst. Für letztern, welcher der
bedeutendste Schönauer und Stifter der Linie Schönforst ist, verweise ich
auf meine mehrfach erwähnte Abhandlung, in der auch die Nachrichten
über seine Kinder und Brüder zusammengestellt sind. Wir beschäftigen
uns darum hier nur mit
d) Raso Mascharel III, Herrn zu Schönau. Er hatte aus seiner
ersten Ehe mit Adille von Esneux eine Tochter Elisabeth, welche den
*) Vgl. meine Abhandlung Rcinard von Schönau, „Ans Aachens Vorzeit •*, Jahrg. VIH,
S. 60. *) Quix, Schönau, S. 36 ff. ') üngedruckter Nekrolog der Münsterkirche. Vgl.
Hansen a. a. 0. S. 95. *) Hansen a. a. 0. S. 96; de Chestret a. a. 0. S. 8. *) Quix,
Keichsabtei Burtscheid S. 817. <) de Chestret a. a. 0. 8. 8, 9. ') y on Oidtman a. a.0. S. 212.
— 63 -
Winand von Rode heiratete, der nach Hemricuurt ein Sohn «Ion llorrn
von Argenteau und ^on bon Chevalier wailhans * ot hanly* war. Von
ihm führt Winandsrat den Namen.
In zweiter Ehe vermählte sich Raso mit AfjnoH von MIIihwoM, I)Io
Gatten stifteten 1344 den Katharinaaltar in der Kirrho m Klchlorlch iiimI
statteten denselben aus „mit gewissen Krb^ütorn und KlnkUnllcMi, wnli'hn
sie in stehender Ehe gekauft, erworben, boschaft't und hlnr/n boHllninit
hatten," wobei sich Raso das Patronat über don AlUr fllr nlch Howin fllr
den zeitlichen Herrn, Erben, Nutzniesser oder Vorwal((»r (nminbiu'niiiii) dt»M
Hauses und Schlosses Schönau vorbehielt*. Auh dorn WorMaut« y^^hl liorvor^
dass Raso und Agnes nur solche Grundstücke und Uontnti m dor Hlirtnni^
verwendeten, welche nicht zu Schönau gehörten Hondcun V(»n Ihnon H«*lbxt
erworben worden waren; hieraus lässt sich HchlioHHon, diiHH «lo nhlit
berechtigt waren schönauisches Gut zu veräUHHem,
Rasos Tochter, Elisabeth von WinandHrode, rnrnJite um 24. Nov^mmImm'
1359 ihr Testamente Sie ernannte zu VollHtrecki^n Ihrijn VuUt, I/hIh
Maschreil, Jobann von Schönau, Kanonikus an Ht, H^rvaHtm in Mii*<irl/'hl
und Johann den Mönch van den Vclde, ihre V(?rKrhw/Jp:*^rf^!M, jw^dann dii»
Frauen Adelheid von Schönau, Frau von Ii>vle, Ad*flh*'id von i'lifhU
beide ihre ,Möbnen* — und Oda von Hrurnlill^^n. Von Kindern ^rwhUui
sie nur ihre Tochter Adelheid, von and<;m V^frwandfirn ^Hrnd^ff ifoimutt
von Schönao*, ihr , Brüderchen* und Ad^dh^rid, ihr ^HtUw^MUrtfUf^u*^ *.
Die an erster Stelle genannte Ad^dli'rid war wohl (Uh 'l'tHhUt f^^^//
Maächerels L die Gr/r^^tante i\f.T YA\f\n^^<'yuh HUt UhUm tUu \U*tfu Arnold
von Jülem»üt 2'eh»;::^t^t *: \\^iW',('u^, var -\h in z^utnU-r y,hn tt ,1 ^'\hnu
Herrn von K'>le venr.'i:.]**, V.V.*^.'A'/h li'x ihr d»^, V/;jhI /xr;^/-.'/, 4,./,/,
^diamaot vhu'er^;:,* *,:. 1 r. '.►:'.'- ^v^/.y'i r,:,)c*\ d.j< yor* r. t r,;.';,* /f r. •/,
And^iken ^.»:e 'ile Fri* v ,r. i ,;,h (-:;.a\*^'.u. i/'^A*^fH i^f i\o 7// »^
ich «»a- «i--? Kj'^/T^^r: " -, *..;;. W< vr f.'-,//), ■- - - *.a ^//, , . -^
ahair^ -'ji-^^r^:
.'* V
«
^ ■
«
. '/ 'S
.^Af
'.' ' '
. 'A ;c^. 4-
^^
alUr i- i*r i'.
.' J.«^ ?:
>
**
•• /
1
•
B^i :^r '
. / •
1
•f.--
4
1 *f
( ',.-
j-
'f H.*. ,'.'' ^•
•' ;
hatte »fer H**r,.
'-•' * '**
♦ . ■
.#'• '
if
' t
f '
1
.*
.(^
i ' .- • *: \ *'.
' -1*
^M'Vaa*. 'j*r ?
•i i '
h
p
, • ' '
.
. '•/
•
t
/-■♦
, '* ;,^ ' ■
' .'.
LcGt*^ llf >*:
, •/ "' 1
, ' V '
•'.•
\
!•
* t>
1
:-
• >
■i- *», ,'
* 1.
tefi<:ä i-iii *^ -
'. *-'■'
^ ••
■
, *'..'
**
'..•'
« '
' '*,
•-'* /. • .' . .
j
••'.
aBierka;^!''*^ i »- <
a
1 . ■ i
/
f
* . »
>'
1.
^ *.'•• A-'y ^ '
f
-u*'... ',
' '^r'.U^ *• ■
* •
4
0
* »
«
1
•■
»
4
•
■
^ - - ' '
f
" - 1
r. " ■ • •
* ^- .
■
» 1
^
1
ß
■ . , ' ** .
'
JB S*MU4 U."r-
. '. 0^ .
■
* -
* p'
•
*
■ * *
«•
X -
f •• '
^ , » **•
'
" it * ; ' .
« «
•»
• « ■
*
f • ' '
k
•r
— 54 ~
dass weder er noch seine Angehörigen irgendwie mit den Gerichten, den
Lassen und den Lehenleuten auf diesen Gütern zu schaffen oder über die-
selben zu gebieten haben sollten. Von den Gütern in Richterich können
wir zwei nachweisen: den Hof, welchen Keinard I daselbst besass und
den er nach der Erklärung seiner Söhne zu Gottes Ehre verwenden wollte,
sodann den dortigen Zehuthof, der dem Raso gehörte und der später —
wahrscheinlich durch den gleich zu nennenden Godart von Rode — an das
Aachener Münsterstift verkauft wurde. Letztere Besitzung wurde immer
als zum Schönauer Gebiete gehörig aufgeführt.
Raso Mascharel III ist um 1370 und zwar vor seiner zweiten Frau
gestorben. In der aus diesem Jahre datirten Urkunde heisst es nämlich
im Vorbehalt zu gunsten der Schönauer Gerichtsbarkeit: „ind behalden
heren Reinarde . . . op deme goede van Schoenawe ind wilne heren
Meschriels sins broders ind der vrouwen van Ulpich ire moinen op irene
goede ..." Damals war also Raso schon tot. Dass seine Frau ihn über-
lebt hat, erhellt aus folgender Aufzeichnung eines ungedruckten Toten-
buches des Münsterstiftes: „IUI Id. (Decembris) obiit Agnes dfia. de Bylre-
velt ac relicta diii. Marchareyls de Schonawen. Com. (memoratio) dni.
Masschereyls de Schonawen militis^" Beide hatten dem Stifte je vier
Mark vermacht.
Nach dem Tode Raso Maschereis III hatten dessen beide Enkel, die
Söhne der Elisabeth von Rode, mit Namen Johann Mascherei und Godart
bis zur endgültigen Teilung Schönau in gemeinsamem Besitz. Beide be-
erbten auch die Mohne von Ulpich. Das erhellt aus der bereits erwähnten
Urkunde Godarts von der Heiden vom Jahre 1373, worin er den Genannten,
seinen „magen ind broderen", verspricht, „ihnen, ihren Leuten, Lassen,
Gerichten und Gütern von Schönau und Ulpich niemals Not, Hindernis und
Nachteil" zufügen zu wollen. Auch die „Deduktion" im Schönauer Archiv
bezeichnet die Brüder ausdrücklich als Erben Maschereis und der Frau
von Ulpich. Bei der Erbteilung erhielt dann Johann Winandsrode, Godart
Schönau.
3. Godart von Rode, Herr zu Schönau,
war ein streitbarer Ritter. Er beteiligte sich 1386 an der Ermordung
Johanns von Gronsfeld, worüber in „Reinard von Schönau" eingehend
berichtet worden ist. Wie es scheint, hat Godart selbst nicht zugeschlagen;
während Reinard II von Schönau und Statz von Bongart Sühnealtäre
errichten mussten, wurde ihm nur die Stiftung eines ewigen Lichtes auf-
erlegt. Er entledigte sich der Verpflichtung in der von seinem Grossonkel
Reinard I erbauten Schönforster Kapelle zu Aachen ^
*) „Am 10. Dezember starb Agnes, Frau von Bylrevelt und Witwe des Herrn
Marchareil von Schönau. Gedächtnis des Herrn Masschcreii von Schönau, Ritter.** Hiernach
ist de Chestret zu berichtigen, der (nach Lefort) den Tod der Agnes auf den 12. Dezember
1349 setzt. (Renard de Schönau, S. 9.)
=*) Hansen a. a. 0. S. 97, Aum. 3.
— 55 —
Dieser Mord, welcher durch die begleitenden Umstände jeden ritter-
lichen Sinn tief verletzen musste, erweckte den Schuldigen viele Feinde
und erzeugte eine wilde Fehde. Auf diese Verhältnisse spielt der Aachener
Rat in einem Schreiben vom 22. Mai 1389 an. Godart hatte die Stadt
aufgefordert ihm Schadenersatz und Genugthuung zu leisten, weil Aachener
Bürger in seinem Brauhause am Hirz Bier getrunken aber nicht bezahlt
und bei dieser Gelegenheit Fässer, Wimpel und selbst das Brauhaus ver-
brannt hätten; weil ein gewisser Stimpel oder dessen Knecht ihm einen
Hengst gestohlen; weil die Stadt ihm ihr Recht versagt habe. In der
Antwort wies der Rat darauf hin, es sei Sache Godarts die Schuldigen
ausfindig zu machen, für deren Bestrafung man dann schon sorgen werde;
es gehe die Stadt nichts an, wenn Godarts Feinde ihm das Brauhaus ver-
brannt oder sonstigen Schaden zugefügt hätten; man habe ihm auch
das Recht nicht versagt, sondern nur wegen der „Todfehde**, in der er
sich befinde, den Aufenthalt nicht gestattet. Das habe aber geschehen
müssen um die Aachener und andere Leute vor Schaden durch Totschlag,
Raub und Brand zu bewahren. Godart gab sich denn auch zufrieden und
erklärte sich mit der Stadt, ihren Bürgern und Untersassen „genzlich
gesaist und früntlich verglichen". (1389. Juli 6.0 Er starb am 20. September
1389 oder 1390^
Godart hatte aus seiner Ehe. mit der Tochter des Ritters Egidius
von dem Weier nur zwei Töchter, von denen die ältere, Elisabeth, den
Ritter Gerard von Vlodorp heiratete, dem sie Schönau zubrachtet
4. Gerard von Vlodorp, Herr zu Schönau,
Sohn Godarts, des Erbvogts von Roermond und der Sophie von Neustadt.
Im Heiratsvertrage vom 24. November 1391 erhielt er „Schloss und Herr-
lichkeit Schönau mit allem Zubehör an Land, Leuten, Höfen, Dörfern,
Gebuchtem, Häusern, Gütern, sowie die mit all ihren Rechten, Regalien,
Gerichten bei Aachen gelegen sind, ausgenommen den Zehnthof, der von
Schönau verkauft ist, darauf Gerard auch von seines Weibes wegen rechten
Verzicht leisten soll mit Vorbehalt seiner und seiner Erben Hoheit und
Rechts." Aus dieser Klausel geht hervor, dass der Verkauf erst kurze
Zeit vor der Heiratsverschreibung, also jedenfalls durch den Vater der
Braut erfolgt war. Ausserdem brachte Elisabeth in die Ehe: den Hof zu
Modersdorf mit dem halben Gericht in der Warden, den Hof von Neuland
mit dem Gute von Kalkhoven, das Burglehen von Moufart (Montfort) mit
Zinsen, Kurmeden und 36 Kapaunen, die zu Echt erhoben wurden. Auch
sollten die Eheleute den Wingart, welchen Godart von Schönau an Eustach
von dem Bongart versetzt hatte, für sich einlösen dürfen sowie die Forderung,
welche dem Herrn von Winandsrode (Johann Mascherei) und seinem Bruder
(Godart) gegen die Herzogin von Brabant zustand, allein erheben.
») Quix, Schönau S. 17 ff. *) Das. S. 16.
') Zeitschrift des Aachener Geschlchts -Vereins Bd. VIII, S. H4, 213.
— 56 —
Gerard seinerseits hatte den Hof von Assel mit dem Zehnten von
Graet, mit den Laten, Kurmeden, Fischereien, dem Zolle und dem Rechte
des „lynpertz^" in der Maas und auf dem Lande. Vom Eitrage des Zolles
waren jedoch 50 Gulden jährlich und ausserdem 15 Bunder Benden für
die Schwester Gerards, welche Nonne zu Heinsberg war, für deren Lebens-
zeit vorbehalten. Blieb die Ehe kinderlos, so sollte Elisabeth ihre „duarie"
imd Leibzucht an dem Hofe von Assel haben, der ein Freigut war.
Der Herr von Schönau wurde 1409 auch mit der Erbvogtei von Roerraond
belehnt und wird noch 1418 erwähnte Das älteste Latenweistum von
Schönau^ erzählt von ihm, dass er die Rechte der HeiTschaft gegen die
Eingriffe der Heidener entschieden gewahrt habe. „Noch is geleeft** ^ so
heisst es, „dat die van der Heiden einen zo dem Hirze gevangen hadden,
int wart zer Heiden gevoert. Do her Gerard von Ruermunde dat vernam,
hei underweis den her van der Heiden, dat der gevangen weder gelevert
wart zen Hirz losledich, in voegen: misdeden syne lüde of jemantz anders
op synen gude, dat seulde hei uisrichten als sich dat gebürde. Item noch
hat men geleeft, dat op dem hove, die nu joncher Wynants van Korten-
bach is, dry man gevangen worden op des hofs gueden ind worden ouch
zo der Heiden gevoert, ind der loes* doe zerzyt hilt dat, dat gein amtman
op den gueden vangen noch penden ^ en seulde, dan der bode zo Schonouwen.
Her Gerart underwies den her van der Heiden, dat die dry man wider
losledich op die stede gelevert worden, da sy gevangen worden sind; ind
die zween here worden des eins, dat des nit me geschien en soulde. Mis-
dede jemantz op die guede to Schonouwen, her Gerart soulde ein richter
darvan syn, ind den hof ' soulde man untfangen to Schonouwen ind nirgent
anders. Ind wart ouch do geuissert, of zween loessen van Schonouwen sich
sloegen op der straissen, her Gerart ind syne vurfaren hielten die darzo,
dat sy dat dem lanthern richten aver® des lanthern bode. Die en kroede
sich der loessen nit zo vangen um der stück (?) wille."
Gerards Kinder waren Wilhelm, der seinem Vater in der Erbvogtei
von Roermond folgte, und Odilia, die Erbin von Schönau. Sie brachte durch
ihre Heirat mit Johann von Mirlar die Herrschaft an das Geschlecht der
Herren von Mylendunck. Werfen wir einen Blick auf die Herrlichkeit
Mylendunck und ihre Besitzer, bevor wir die Erzählung der Geschichte
Schönaus unter diesen Herren weiterführen.
*) Das Recht, den Schilfern auf der Maas gQgen Entgelt die Pferde zu stcUen,
welche auf dem Leinpfade die Fahrzeuge stromaufwärts zogen.
*) Zeitschrift des Aachener Geschichts -Vereins VIII,- S. 129. *) Quix, Schönau
8. 3 ft'. *) erleht worden. *) Das Latcngericht. ^) pfänden.
^) Kortenbach. Später machten die Heidener ein Lehen daraus, was die Schönauer
aber nicht anerkannten.
•) statt avermitz, overmitz = mittels.
j
— 57 —
Mylendunck
war im 12. Jahrhundert eine bedeutende Herrschaft, welche jedoch durch
einen Vertrag Gerlachs I mit Engelbert II, Erzbischof von Köln, eine
grosse Einbusse erlitt. Im Jahre 1274 verkaufte nämlich Gerlach zwölf
Ortschaften mit ihren Einkünften, Dienstmannen und Lehnsleuten sowie
viele Lehen diesseits und jenseits des Kheins an den Erzbischof, verzichtete
auf alle Lehengüter, welche er von der Kölnischen Kirche in Händen
hatte und nahm selbst einen Teil von Mylendunck als Kölnisches Lehen an K
Nach einem „Syllabus defunctorum dominorum in Mylendonck** im
Archive daselbst* trennte Gerlach auch die Herrlichkeit Pesch-Weinsack
von der Herrschaft und trat dieselbe an Herman von Imelhausen für
geleistete treue Dienste ab.
Ein „Unvorgreiflicher Status über das haus und die reichsfreie herr-
schaft Mylendunck** im Schönauer Archiv, den ich wegen seiner inter-
essanten Einzelheiten hier vollständig folgen lasset gibt über Besitzungen
und Einkünfte eingehende Nachricht:
„Erstlich zu beobachten, dass im leichten geld Neusser wehrung die
geringste sort ein heller; deren 12 machen einen album oder weisspfenning,
24 albus einen gülden und 25 einen daler, alles Neusser wehnmg; ein
reichsthaler aber hat 100 albus.
Die früchtenmass ist besonder dieses orts, komt doch bald mit der
Neusser mass übereinander, ist doch etwas starker, gehet mit malderen.
Ein malder hat 8 fass oder^ 4 sümmeren, ein sümmcr 2 fass, das fass 2
viertel. Das viertel 2 pinten.
Der morgen lands hat 150 ruthen, jede nithe 16 fuss vierkantig.
Das schloss und herrschaft Mylendonck ist ein Geldrisch-Ztitphanisch Ichen,
gelegen auf des h. römischen reichs boden, zwischen das Gülische und
Kölnische land inclavirt, 3 stund von Neuss. Bestehet in drei unter-
schiedenen gebauten quartieren, im ober- mittel und Unterhaus oder bauhof.
Das Oberhaus samt dem mittelsten haben ihre dreifache, im haus einen
breiten sonsten zwei schmale wassor^rral^en, der unterste bau al)er allein
den breiten gralien umher. So ist auch auf etwa ungefelir 100 schritt
dabei ein weitläufiger schöner garten, so in allem bezirk samt dem banm-
garten und darum gehenden wasseri^rahen zu dreien selten dem ruf muh
8 morgen anhaltet \ mit lustparken, hecken und lusthäuseni durchher
gezieret. So seind aurh vor dem hans viele ftchöne und wollK'setzte,
') Lacomblet, rrknnd»mbu«h II, H. ;{s7.
*) Ich Tcnianke »inen Aüh/ah^ der Frcnmllirhkf'it. df^ Herrn }UxTon von Wftllen-
webcr auf Mjlendnnck.
*) In der Ab?*«*hrir*t ^ind dio fUMtrflrHrtitfcn Pfjpp^lkon^^onant^n im In- nnd An-Uat
weggelassen, die r und w dnrr h u, die y dnrrh i fT<fl7J.
*} oder fehlt in der Vorlas:«^
*) In der Vorlage; anhalU;nd.
— 58 —
bepflanzte dämmen und gemeinden^ und annebens um dem schloss eine
weide und bleichplatz. Für dem haus fliesset eine rivier, die Neers
genannt, zweimal vorüber. Item ist^ (dasselbe) neben dem baumgarten
(und dabeneben mit schönen weieren, welche mehrentheils alle mit fliesseu-
dem Wasser unterhalten werden), versehen mit einem hopfengarten.
Specificatio der jährlichen geföllen und reuten. Stätige geldrenten.
Erstlich zwei drittentheil eines fahrzins von 26 albus 4 heller und 4 hüner,
das stück ad 8 albus, facit 33 albus 5^3 heller.
Der erbschatz, erbrent und waggeld tragt aus nach abzug des
gerichts gerechtigkeit, so selbig jährlichs empfängt, und andere darauf
haftende reallasten, facit 164 daler 41 albus 3V2 heller ^
Das Schützengeld nach abzug des heblohns facit 181 rth. 99 albus ^
Item seind es elf schwäre fuhren, wovon jede bezahlt wird mit 5 rth.
facit 55 rth.
Folgen übrige jedoch unbeständige geldrenten.
1. Die Wasserschmitt gibt jährlichs mit dem zoll 50 rth., wan der
einwöhner aber am haus* arbeitet, gibt er 40 rth.
2. Die wein- bier- und brandeweinsaccise ist verpfachtet für 60 rth.
3. Das haus hat 36 lehn an und wan ein lehnman stirbt, bekomt der
herr bei Vorstellung des neuen vasallen 7 rheinische goldgulden oder species
reichsthaler dafür und einen sammeten beutel oder V2 species reichsthaler,
und werden auf jedes jähr durcheinander zwei gerechnet, facit 21 rth.
4. Wan ein erb verkauft wird, gebührt dem herrn davon der zehnte
Pfenning, so mit jähren auf 40 rth. verpfacht worden.
5. Der brüchten werden jährlichs durcheinander gesetzt 50 rth.
6. Das weinhaus hat gethan 60 rth.
7. Drei in der herrschaft gelegene herrhöfe an küchengeld'^ und
neujahr 43 rth.
8. Wan Juden, geben 8 rth. zum tribut; jetzo ist nur einer. Auch
gibt der jud alle zungen von geschlachten beesten und 2 feiste gänse.
9. Die oel- und lohemühle gibt 150 rth.
10. Die kornmühl 10 rth."
11. — 19. Acht Posten Land, Benden, Graserei in den Britchen, zu-
sammen 328 rth. 50 alb. ^
„20. Heiderhof küchengeld 20 rth.
21. Die abnutzung der garten und baumgarten, so dan 3 weieren
und auf den dämmen stehendes holzge wachs wird gesetzt ad 100 rtli.
») Vgl. imten 22.
^) In der Vorlage: hat. „dasselbe" fehlt.
^) Hier sind also Reichsthaler gemeint.
*) Am Herrenhaus.
*) Betrag der Lieferungen dieser Höfe für die Herrenkttchc an Gewürz u. s. w.
*) Hier sind also Reichsthaler gemeint.
— 59 —
22. Item das hans anhaltend einen husch 86' , morjron, wolohor nun-
mehro ziemlich verhauen vom herm mit eichen wiotler In^postot wenlcn
kan, sonsten der Heekbi-oicher und Harinjrsoppcr hinidschatt »u wussor
und wiede offen liegt. Noch ein stuck buschgens, so ^UMchfulls vti^huuon
und gleicher natur ist, 5^,4 morgen anhaltetul. Item hat es noch ein
klein eichenbüschlein vorm haus, 10 moi*gen gross, so mit grilblohi ringsum
versehen, worin die gemeinde kein la\ib und gras hat,
23. Item hat das haus an stockbnüchcr, wolcho einmal ullo \iouu
jähr umgehauen werden, 145 morgen; hieraus können jahrliehs ilureh-
gehends 16 morgen gehauen werden und setze jeden morgen, wie selbige
vorhin verpfachtet gewesen ad 12 rth., facit U)2 rth.
24. Das feld vorm haus, das hausfeld genant, hat an morgeu/aihl
67 morgen, ist verpfachtet ad 7 rth. Neusser wehning; hat vorhiu gethan
ein malder korns und ein malder ein sümmer haberen ad 24J1 rth.
25. Noch ein feld, das cranenfeld genant, ungefilhr 44 niiH'geii, der
morgen hat gethan ein malder korns und ein malder habereii, tliut Ji'lya» i\
Neusser daler, facit 135 rth. 28 albus.
26. Noch ein feld, das rührenfeld genant, hat an morgen/ahl 21 niorMeUi
der morgen hat gethan ein malder körn und ein malder haberen, thnt
jetzo 72 rth. ^
27. Noch einig land an der capellen genant, 20 morgen, der nuHgen
zu 6 Neusser daler ad 53 rth. 40 albus '.
28. Noch ein stück land haltend an der musH 1) morgen, der morgen
thut an pfacht 6 daler, facit 32 rth. 76 albus.
29. Die kommtihl ist eine zwangmülile'' und gebet in zwei lilnfen,
thut an kom 97^2 malder, das malder per 2 rth,, facit 105 rOi,
30. An weizen 4 malder per 3 rth. fa<:it 12 rth.
31. An malz 24 malder per I V^« rth, fueit 36 rth,
32. 300 U frisch schweinenfleihch, daw il a^l H albus, fiuM 24 rth,
33. Einen feilten hammel faeit 3 rth.
34. Hegerhof 24 malder körn per 2 rth, facit 48 rth,, 24 nmlder
haberen per 1 rth. fa<it 24 rth,
35. 50 a butter, da^ U H albuh, fnät 4 rth, Nb, 15 malder körn,
15 malder haber<^n, ein kalb,
36. Scliöjjraderh'^f 30 inaMer koio per 2 rth, fa<jt <M) rth,, 30 niabb^r
haberen jw^r 1 rth. fa' it 30 rth.
37. Hei-IttTlj'.f 2ii inald«-r körn . , , r>>- r\U,^ 2J^ üiuM^-r Ij^^lx-ren . , ,
29 rth, 250 ej^n (:\u k>Jh , . , fa^ j1 2 iWi.
3^. TriettenV'roir'iK.'r z« i'<^Ji'J h.it <-i.-t fiii'Ll/'rjptar'ljt ;/<'than. 1>A üun-
mehru verj^fa -ht'^t i'ur ]2*> rih.. \* i i;^hi'f)i\n>t yj-la-ufi t'nr JW rih.. Kjj;/-
brückerzeiiC'i'i vr 1:^'» r^i .. J<;.'1<m''»'-;< !■<•! /« h<'ji'l Uiy ]<*h ri!j.. Jj</ Js>'''r<>i«'lier
— 60 —
zehend für 110 rth., Pescher zehend ftir 90 rth. Diese zehenden seind
alle vorhin in fruchten jetzo aber in geld und also ohne nachlass ; mögten
doch noch wohl höher verpfachtet werdend
39. Der flachszehend bringt circiter jährlichs aus 200 stein flachs
ad 100 rth.
40. Am erbpfacht und holz, haber bei unterscheidlichen parteien 109
malder ... 109 rth.
41. Erbpfachtkorn 89 malder ... 178 rth.
42. An wachs 24 ?l ... ad 30 albus ... 7 rth. 20 albus.
43. An rtiböl 47 quart, jede ad 25 albus, facit 11 rth. 75 albus.
44. Erbpfachthüner 176 stück, mit den rauchhünern, deren 278 stück
seind, facit zusamen 454 stück ... 36 rth. 32 albus.
45. Capaunen 12 stück ad I2V3 albus, facit 1 rth. 50 albus.
46. Erbpfachtsgänse 24 stück ad 20 albus facit 4 rth. 80 albus.
47. Der truckner weinkauf wird von obigen drei höfen mit dem wein-
haus vor jedes jähr gesetzt 48 rth. 25 albus.
48. Hieneben dienet zu wissen, dass in der herrschaft 35 diensthöf
seind, welche wegen sicherer, davor inhabender herrschaft (?)* erblich
schuldig seind alles holz und heu für die herrschaft einzuführen, das heu
zu machen, das eis zu hauen.
49. Ferner seind die unterthanen obligirt alle nöthige band- und
Spanndiensten zu thun, so dan auch, wan selbige mit kriegs oder andern
lasten nicht beschwärt werden, können jährlichs dem herrn wol 1000 rth.
geben, setze also 1000 rth.
50. So hat der herr auch die ins patronatus über eine personal,
die pastorat, drei vikarien, über die capellonat aufm schloss.
51. Grobe und kleine jagd und fischerei, fort alle regalien, so einer
immediat freier reichsherrschaft gebühren, und wird die abnutzung davon
angeschlagen werth zu sein 100 rth.
Belauft sich also summa summarum alles aufs gelindeste angeschlagen,
ausserhalb dem schlossgarten, buschen, diensten und anderen posten 4820
rth. 57 albus 8V2 heller.*'
Bei Gelegenheit der Heirat Dieterichs (IV. 1549 — 1575) mit Theodora
von Bronckhorst erhalten wir über die andern Besitzungen der Mylenduncker,
welche sie teils erheiratet teils ererbt hatten, folgende Auskunft.
Dietrich erhielt „für sein Patrimonium und kindsgedeil" :
1. die Häuser Mylendunck und Drachenfels mit ihren anklebenden
Hoheiten, Herrlichkeiten, Mühlen, Pachten, Zinsen, Zehnten, Höfen, Gülten,
und Renten;
*) Dagegen lautet eine beigeschriebene Bemerkung; „ad dimidium reduci debet**
= muss um die Hälfte gekürzt werden.
*) Soll wohl heissen: erbschaft = Grundbesitz.
') „Personatus ist allmählig im Gegensatze zur dignitiis für jene Präbenden ge-
braucht worden, mit denen ein Ehren Vorrang ohne Jurisdiction .... verbunden ist.**
Schulte, Lehrbuch des katholischen Kirchenrechts S. 218.
— 61 —
2. den Hof zu Camphausen im Lande von Jülich mit den Kornren ton
zu Jüchen sowie die Geldrenten zu lasten der Stadt Neuss;
3. das halbe Haus und Herrschaft Kulant (Reuland) im Lande von
Luxemburg mit allen Renten und Nutzbarkeiten.
Die beiden andern Brüder Gothard und Craft hatten sieh damals über
die folgenden Besitzungen noch nicht verglichen; sie blieben also zu gleichen
Teilen daran berechtigt, den Vorteil ausgenommen, welcher gemäss dem
Lehenrechte Gothard als dem ältesten zukam. Die in Klammern beigefttgten
Bemerkungen sind teils emer Verhandlung von 1579 teils andern Akten-
stücken entnommen.
1. Das Haus Goer mit seinen Höfen, Renten, Zinsen, Pachten, Mühlen,
Büschen und Benden; mit der Latbank zu Neor samt der Mühle daselbst;
mit seinen Hoheiten und Herrlichkeiten zu Meiel, Poll und Panheil,
derer Mühlen- und andere einkommenden Renten, mit seinen Kirchen- und
Altargiften*, Schatz und Diensten. [„Auch forzugeben, wie ich grossen
abbruch van Goerer wert und Aldewater geleden, darvon wol 7 bonre*
ungeferlich abgetrieben". Vom Hause Goer existirt noch ein genaues
Inventar aus derselben Zeit, leider nur als Bruchstück. Die Güter zu
Goer, Meil, Hörstgen, Fronenbroch u. a. waren 1541 im Besitze der Frau
von Drachenfels-Mylendunck.]
2. Haus und Herrlichkeit zum Hörstgen mit seinen Mühlen, Zinsen,
Gülten, Pachten, Zehnten, Buschen, Benden und „liffgenis"*- Gütern
sowie mit dem Gut „in gen hoessen", gelegen im Land von (Heve; „die
plei" samt dem Gut zu „Kuilen beneden Toil" mit seiner „eltergift**. [„Die
plei . . . den abbruch auf den Rhein und Issel und die sandbesturzung
muss abschlag an pacht thun . . .** „Das haus Fronenbroich und herrlich-
keit Hörstgen ist dem h. röm. reich immediate unterworfen; jedoch ist erst-
genantes haus ein geldrisches lehen, so beim lehenhof zu Ruremonde
relevirt wird.** „Hörstgen ist ein fendum von Mors*.]
3. Die zwei Rubbmcker Höfe im Amt von Wachtendonk mit ihrem
Artlande, mit den Zehnten, Zinsen, Renten, Benden, Holzwuchs und Fiwihereien
auf der Nerschen. [„Die Rubbmcker hof mögen in der erbschaft nit so
hoch ästimirt werden, derweil es ein behandsgut ist, da die hand bald
ansterben und alsdan schwerlichen mus gewunneu werden.** Auch stehen
in nassen Sommern die Benden unter Wasser.]
4. Der Swalmer Hof zu Wanlo mit seinem Artlande und Zehnt<*n
und allen zustehenden Gerechtigkeit^'n. [„Von diesem hof mu» man meinen
gnedigen hem herz<^»gen zu Guilich mit pferd und hämisch zu deinst kome»,
gilt auch zehenden halber aus.*"]
5. Die Hoheit und Herrlichkeit Meiderich im T^ande von Cleve l>ei
Duisburg gelegen, mit ihren Mühlen. Zinsen, Gülten, Renten. Paschten,
»und handgewinnsgoederen*' *, mit dem Hofe vor dem Hause im „vurgebrucht** ^
M Pmtronate über Eirehea und Altäre. •) Buuder. *i Leibzudit.
*> Die XM Dieiu^tleitftaiiges Terpfliclitet siBd. <^) V<^ftNUX'
— 62 —
und dem Hofe ten Eiken mit Weiden, Büschen, Fischereien und Gerechtig-
keiten. [Im Jahre 1582 verglich sich Herzog Wilhelm von Jülich, Cleve
und Berg mit „ Johan hern to Milendunck etc. wegen der hoheit, Schätzung,
klockenschlag; diensten, huldigung, gericht, anfang, toll ver, glaidt (sic)^,
axeisen, flschereye in der herlicheit Meiderich*' ^]
7. Der Hof zu Hesingen im Stifte Werden gelegen mit seinen Zinsen
und Pachten, mit „scholtferken** und anderen „lefenis*', welche die „haus-
leute* geben; noch 125 Goldgulden „auf der grafschaft Moers fallend,
wilchs alles in Meiderich gebrucht wird".
8. Haus und Herrlichkeit Soron (Soiron) im Lande von Limburg mit
Höfen, Büschen, Schlagholz, Renten, Pachten, Zinsen, Zehnten, Benden,
„penninksgeld**, Kurmeden; ferner andere Latbanken und Güter zu Gross-
und Klein-Kechain, Clermont, Visinirs^, Herve und darum gelegen.
9. Haus und Herrlichkeit Schönau, mit den Höfen in der Vorburg
und zu Neuland, ferner Büschen, Schlagholz, Benden, Beuten, Gülten,
Kurmeden, Schatz. Darneben 87 Malter Roggen Jahrrenten zu Meersen,
Holzgewalten auf dem Welldorfer und Jülicher Busch sowie Benden „vur
der Stadt gelegen".
10. Die „halfherrlichkeit zu der Warden" mit ihren Renten, Zinsen,
Pachten, Kurmeden und den Gerechtigkeiten „uf Hoeniger bosch"; mit dem
Hofe zu Merz „darinnen gehörig mit seinem artlande und gerechtigkeit
up der pastoreien zu Aldenhoven". Noch 17 Malter jährliche Rente an dem
Hause auf HarflF. Noch 7 Malter an dem Hofe auf Hohenholz. [„Wardcn
ist eine im herzogthum Gülich zwischen Höngen und Kinzweiler gelegene
mit der Biauen anschiessende untcrherrschaft, welche von unerdenklichen
Jahren her zweiherrig gewesen und eine halbscheid von der Dahlen-
broichische, die andere von der Milledonckische familie besessen worden'*."
Die Berechtigung am Hoengener Busch kam durch die Heirat der Agnes
von Mylendunck mit Johann von Kessel an diese Familie.]
11. Der Hof „uf gen Schluffert" im Amte Montfort mit seinem Art-
lande, den gebrochenen Heiden und den zugehörigen Benden.
12. Die Forderung des Wagengeldes im Amte Montfort, „wilchs uf
ein goetlich verdrag steit".
Es folgen noch verschiedene Forderungen, deren bedeutendste sich
auf 3500 Karolusgulden beläuft, und zum Schlüsse heisst es: „Was ferner
von goederen sind, hat man in der il nit können bedenken."
Eines der vergessenen Güter war der Hof Hastenbaur, von dem
bemerkt wird, er müsse „zum höchsten inwendig sechs jaren gcmirgelt
sein: dazo schätz und zehenden gilt".
Der Syllabus verzeichnet folgende Herren von Mylendunck:
*) Es wird wohl vcrglaidt = Geleit zu losen sein.
') F. Schrocdcr, Die ChroDik des Johannes Turck, Annalen, Heft 58, S. 154.
») Vis^V
*) von Fürth, Beiträge II, 2, S. 93.
— 63 —
Theodor (Tidericus, Dieterich) I, (1168—1220) ist der erste urkund-
lich genannte ^
Theodor II (1220—1566), ein Verwandter Conrads von Hochstaden
und ein treuer Helfer dieses Erzbiscliofs in allen Fehden. Auch streckte
er demselben eine Summe Geldes im Betrage von 1000 Mark vor*. Im
Jahre 1222 übertrug er das Patronat der Kirche zu Elsen dem Regulier-
herrenkloster zu Neuss, verzichtete in demselben Jahre mit seiner Gemahlin
Hadewig im Namen ihrer Kinder auf Güter und Allode in Elsen zu
gunsten des Deutschordenshauses in Gürath (Judenrode), und überlässt
1266 demselben Hause seinen Zinsmann Gerard in Elsen. Die Söhne Gerlach,
Adolf und Walram bestätigen noch 1290 die Schenkung ihrer Eltern ^
Von Gerlach I ist bereits oben Rede gewesen. Vielleicht ist Adolf
jener Rudolf von Reifferscheid, Herr von Mylendonk, der 1310 die Güter,
welche das Kloster zu Grevenbroich in Allrath besass, von der Lehns-
pflicht entband und mit Friedrich von Malberg andere Besitzungen daselbst
demselben Kloster schenkte. 1311 befreite er den deutschen Orden in
Gürath von der Pflicht, auf den Gerichtstagen zu Hülchrath (Helkenrode)
zu erscheinen und verglich sich 1321 mit den Ordensrittern über seine
Ansprüche an den Grevenforst *.
Gerlach II (1308 — 1350) hinterliess vier Töchter, von denen die
älteste den Jacob von Mirlar heiratete und Mylendunck an dieses Geschlecht
übertrug. Der Sohn Johann I vermählte sich mit Sibille von Merode zu
Bornheim, aus welcher Ehe ein Sohn und vier Töchter hervorgingen.
5. Die Herren von Schönau aus der Familie Mirlar-Mylendunck.
a) Johann II, Sohn Johanns I und der Sibilla von Merode, kam
durch seine Heirat mit Odilie von Vlodorp in den Besitz von Schönau.
Wann die Ehe geschlossen wurde, kann ich nicht angeben; der Syllabus
sagt, Johann sei 1423 vermählt gewesen. Im Jahre 1455 stifteten die
Eheleute Messen zu Maria im Kapitol, zu St. Georg, bei den Karm eilten
und Augustinern in Köln^ Nach einer Abschrift im Schönauer Archiv
gaben sie in demselben Jahre 150 Morgen und 13V2 Morgen in Erbpacht,
jeden für IV2 Summer Roggen oder im Ganzen für 49 Malter, sodann
12 Morgen weniger ein Viertel Bend ä 5 Mark kölnisch, das machte zu-
sammen 59 Mark weniger 3 Stüber. Der P>bpacht verteilte sich auf sechs
Ehepaare; vom Roggenpacht wurden gleich 12 Malter „afgelacht, gelöst
und gequit". Das Land gehörte zur Aussteuer der Odilia, nämlich „zo
*) Ropertz, Quellen und Beiträge S. 195.
*) Eckertz-Noever, die Benedictiner- Abtei. M. -Gladbach S. 267.
') Giersberg, Dekanat Grevenbroich S. 74.
*) Giersberg a. a. 0. S. 186, 147.
^) Zeitschrift des Aachener Geschieh ts -Vereins Bd. VIII, S. 213.
— 64 —
dem guede ind aiiseel zu Moesdorp, dat uns (den Eheleuten) alda zu-
gehörende is". Odiliens Mutter, Elisabeth von Schönau, hatte die Besitzung
dem Gerard von Vlodorp zugebracht. Als Zeugen des Erbpachtvertrages
untersiegelten „her Arnold von Hürnen" und „Pitter, borchgref zu Oden-
kirchen".
Diese 175^2 Morgen Land bildeten das Areal des Hofes Moders- oder
Moesdorp. Die Gebäude, nämlich Haus, Hof und Ansiedel mit Graben,
Weiern und der anhaftenden Gerechtigkeit am Höngener Wald, gaben
Johann und Odilia ebenfalls 1455 dem Heinrich von Baesweiler und Heinrich
von Nothberg für sieben oberländische Gulden in Erbpacht, unter der Be-
dingung jedoch, dass sie abstehen müssten, wenn der Herr zur Warden
die zum Hofe gehörigen, in Erbpacht gegebenen Ländereien einlösen würde *.
Der Syllabus lässt Johann 1478 zu Köln sterben und bei den Domini-
kanern daselbst begraben werden. Sein ältester gleichnamiger Sohn war
schon früher aus dem Leben geschieden. Derselbe war zweimal verhei-
ratet. Seine erste Frau hiess Kunigunde von Birgel. Sie hatte die Güter
Opei, Mach, Macheren und Avenues in die Ehe gebracht, welche nach
Johanns Tode in den Besitz des Johann Hurt von Schöneck übergehen
sollten. So setzte der Schwiegervater Engelbert Nyt von Birgel am
12. Februar 1472 fest; damals waren also nicht bloss die beiden Kinder
aus dieser Ehe sondern auch die Mutter schon gestorben. Die zweite
Frau Johanns war Sibilla Steckt Mit dieser hatte er ebenfalls zwei
Söhne, die bei seinem Tode als Unmündige zurückblieben: Johann von
Mirlar, Herr zu Mylendunck und Graft von Mylendunck. Bis zur Mündig-
keitserkläning wurden die Besitzungen gemeinschaftlich verwaltet. Nach
der „Deduktion" nahmen die Brüder vom Stifte U. L. F. in Aachen ein
Kapital auf und verpfändeten bis zur Abtragung desselben „haus und herr-
schaft Schönau samt zugehörigen gutem und höfen zu Schönau und
Richterich, wie auch anklebenden land und leuten, hoheit und herrlich-
keiten*'. (1488.) In demselben Jahre wurde zur Teilung geschritten, bei
der Johann Mylendunck, Graft Schönau erhielt.
b) Graft von Mylendunck, Herr zu Meiderich und Schönau, Amtmann
zu Blankenstein, Drost zu Orsoy (1488 — 1519) ^ Er hiess Graft (Gratho)
nach seinem Grossvater Graft Stecke von Meiderich. Während seiner
Minderjährigkeit hatte die Mutter die Verwaltung in Schönau geführt, Vor-
mund war der Burggraf zu Odenkircheu gewesen. 1491 war die Mutter
tot. Das besagen folgende Stellen aus dem in letzterm Jahre aufgezeichneten
Schönauer Latenweistume.
„Item haben ferner diese vorgeschriebenen lehenleutcn und lassen
sämtlich gesprochen, wie dass ihnen kündig und wol indenklich ist, dass
die frau von Milendonck Wilhelmen OfFermans gut in der herrlichkeit
M von Fürth, Beiträge I, 2, S. 94.
') Beiträge zur Geschichte von Eschweiler I, S. 382.
^) Zeitschrift des Aachener Geschieh ts- Vereins VIII, S. 214.
— 65 —
Schönauen gelegen inner diesen nechst zehen jähren fürnahm um grossen
briichten willen, so erfallen waren, so dass die jouffer von der Heiden auch
darin griffe und meinte, solches solte der frauen von Milendonck seliger
nicht gebüren, und forderte auch dieselbigen brächten, vermeinend, dass
solche brüchten ihr zustehen und an sie gebessert werden solten; und da
ist der burggrave von Odekirchen als Vormünder der frauen von Milen-
donck kinder kommen und unterwiese Jolian von Schönraed, herru zur
Heiden, der Sachen halber, welcher Johan . . ihm darauf antwortete, was
darinnen geschehen, wäre ausser seinem wissen, man solt das wieder in
die statt stellen, da es aus genomen wäre, welches da zur band geschähe.
Und Johan von Himbach, Peter Nack schultheiss, Laurens von Richtergen,
Andries up den zehenhof und Palm von Richtergen oflfenbarlich bekent und
gesprochen haben, dass ihnen kundig und wissend wäre und darüber und
angewesen seien und ihre gewöhnliche Urkunde gebür und reclit empfangen
liaben. Und haben mitgesprochen dieselbige letztgenänte, dass Johan von
Schönraede seliger ein gelach geschenket hat diesen Johan von HimbacJi.
Peter Nack, Johan von Steinhausen und Dederich Kemmerlink, dass sie
ihrer frauen von Milendonck wollen anbringen, dass sie ihm die brüchten,
so da gefallen, wolle schenken; er wolt das an sie und ihre kinder ver-
dienen und sich so freundlich fort mit ihr halten, dass solcher zweitracht
nicht mehr not sein solle. Item diese sämtliche lehenleuten und lassen
haben auch bekant und, ermahnt, gesprochen: dass sie wissen kündig und
wahr sein und sie gesehen haben, dass einer genant Johan Mutzschen seine
brüchten gebessert hat an die frau zu Milendonck seliger, des herrn Graft
ihres herrn mutter. Item ist ihnen auch kundig, dass nach der vorgesetzten
zeit einer genant Nellis, der auch gebrüchtet hatte, seine brüchten abge-
tragen hat mit einem gelach an der frauen von Milendonck diener; welche
diese, Nellis und Johan Mutzschen, dieses wahr zu sein und also an die
frauen von Milendonck gethan, beide zusammen mündlich bekant und
gesprochen haben."
Nachdem Graft Herr zu Schönau geworden war, bemühte er sich
zunächst um die Instandsetzung des Hauses, dessen Turm er im Jahre
1488 herstellen und verzieren Hess. Dann suchte er seine Herrenrechte
festzustellen und gegen die Eingriffe der Heidener zu sichern. Zu diesem
Zwecke liess er 1491 die Herrschaft „begleiten**, d. h. die Grenzen der-
selben feststellen und zugleich die Laten über seine Rechte befragen. Er
hatte dazu auch die Frau zur Heiden, Maria von Merode, Witwe des eben
erwähnten Johann von Schönrat, einladen lassen, war jedoch abschlägig
beschieden worden. Das Weistum, aus dem auch die damals zwischen
Heiden und Schönau schwebenden Fragen sich ergeben, hat folgenden
Wortlaut \
*) leb gebe dasselbe unter Ausschluss der Stellen, welche frilher bereits verwertet
worden sind und füge die entsprechenden Aussagen des älteren, bei Qu ix, Schönuu S. 3 ff.
abgedruckten Weistums in Klammer bei.
— 66 —
„Im namen des Herrn. Amen. Übermitz dieses offenbaren Instruments
füge ... zu wissen, dass in dem . . 1491 . . auf samstag den 19. martii . .
in meines offenbaren notarii und hierunter beschriebener . . zeugen gegen-
wart und beiwesen der strenge und fromme herr Graft von Milendonck,
herr zu Meiderich etc. in seiner eigenen person erschienen und gestalten
in dem gewöhnlichen gerichtshaus zu Schönauen bei Aachen gelegen
Itttticher Stifts hat lassen rufen und durch seinen schultheiss von Schönauen
alle und jegliche seine lehenleuten und lassen zu der herrlichkeit von
Schönauen gehörend — diese untenbeschriebenen dingen zu vollbringen —
versamlen, und als sie versamlet und alsämtlich erschienen waren zwei
mit namen Johan Nack und Bartholomäs Heufts besonders lassen ab-
fragen und auf ihre eiden ermahnen die aufrichtige Wahrheit zu sagen,
wie sie ihre botschaft verrichtet, so ihn^ an die jouffer zur Heiden zu
thuen und deroselben ihre antwort zu bringen befohlen. Als haben
dieselbe letztgenänte zwei gesprochen und geantwortet: Wir sind zur
Heiden kommen und haben zu der jouffer von der Heiden aldo gesprochen
durch mund eines genant Everhard Düycker also: Liebe jouffer, unser herr
von Milendonck herr Graft hat uns zu euch gesant und lassen sagen, er
wolle morgen zwischen zwei und drei uhren nachmittag mit seinen lehen-
leuten und lassen die gerechtigkeit zu Schönauen begleiten, obs euch beliebt,
dass ihr alsdan dabei kommt oder jemanden schicket von euretwegen? So
hat dieselbe jouffer uns zur antwort geben: das beizukommen oder zu
schicken ist mir nit vonnöten; will herr Graft da ichtwas lassen begleiten,
das mag er thuen. Und dass wir also unsere botschaft gethan und der-
selben jouffer antwort gehört haben, behalten und nehmen wir bei unseren
eiden so wir gethan haben, und bezeugen das mit den ehrbai'en und frommen
männern Henrich van Schlickum und Meuter, die darüber und angewesen
sind und das gesehen und gehört haben. Welches dieselbige letztbenänte
zwei männer auf statt und in versamlung der lehenleuten und lassen . . .
bekänt und ausgesprochen . . . wahrhaftig, wie jetzt erzählt wird, geschehen
zu sein.
Und zuletzt hat derselb herr Graft, da er diese botschaft und antwort
änderst nicht vernomen, ferner begehret und geheischen, dieselbige lehen-
leuten und lassen alsämtlich durch seinen schultheiss befragt und ermahnt
zu werden auf ihren eiden ... die Wahrheit zu sagen und von allen . . .
punkten und geschichten der aufrichtigen Wahrheit zeugnus von sich
zu geben.
Item so hat derselb schultheiss . . . diese lehenleuten und lassen
besonders die ältesten als Servas Biermans, Gerhart Maergoitz, Laurens
van ßichtergen, Andries op den zehenhof, Gotard Nack, Palm van Richtergen,
Simon Schubbe und fort die sämtliche lehenleute . . . auf ihre eiden ermahnt
und gefragt, zu sagen und zeugnus zu geben, was ihnen kundig von dem
*) Lies: ihnen.
— 67 —
Grönendal: wozu lehengehörig sei und wer die zu strafen hat, welche
auf den lehengütem brüchten? Und alda haben diese . . . geantwortet,
dass der Grönendal von ihren gedenken her und auch so sie von ihren eiteren
haben sagen hören allezeit zu Schönauen lehengehörig gewesen, und ferner
ihnen änderst nicht kundig ist . . . dan dass der herr von Schönauen die
soll angreifen und strafen, welclie auf den lehengüteren von dem Grönendal
gebrüchtet hatten. Und haben auch gesprochen, dass ihnen nicht gedenkt
noch kundig ist, dass jemand anders einige, so alda mögten gebrüchtet
haben, hat angegriffen oder gestraft, noch auch nie haben sagen hören,
dass jemand anders dan der herr von Schönau alda einige gerechtigkeit
geübt hat. Und haben ferner gesagt, dass sie . . . gesehen und gehört
haben, dass Eeinard Büdden und Arnold Kücks offenbarlich gesprochen
haben, dass sie gesehen haben und wissen wahr zu sein, dass ein man
genant Godart Wolhart, so um schuld willen nirgens bleiben durfte, darum
dass er unbeschwert und unbekümmert bliebe', geführt ward auf den
Grönendal und blieb alda wohnen und starb alda.
Item hat auch dieser schultheiss dieselbige . . . gefragt . . . was
ihnen darob kundig sei: wan ein lehnman oder lass des herrn von Schönauen
oder sonsten jemand fremdes missethete binnen der herrlichkeit oder lehen-
gütem zu Schönauen gehörend, wem die besseren ^ solten und wer die
anzugreifen oder zu strafen hätte? Haben dieselbige . . . geantwortet . . .
dass sie von ihren eiteren nicht haben hören sagen noch ihnen in ihrem
gedenken fürkomen noch kundig ist, dan dass der herr von Schönauen
alsolche missetheter angreifen und strafen solle und die, welche verbrüchtet
hätten, dem herrn von Schönauen ihre brüchten bessern und demselben
die abtragen sollen und änderst nirgend.*'
[Das ältere Weistum weist die Bestrafung vcm Verbrechen dem
„lantheren**, d. i. dem Herzog von Jülich zu. „Item ouch helt men dat
toe Schonouwen ind is ouch geleeft, dat ein misdedich man zo den hirz
gevangen wart, hadde einen kelk gestoelen ind wart zo Schonouwen geleit,
die gebürde deme hogerichte zo; die dief wart dem lanthern van den
gueden zo ScJionouwen gelevert op des hern straess ind liess dem lanthern
mit ime vort gewerden.*']
Der folgende Abschnitt unseres Weistums erzählt die oben aus der
älteren Urkunde bereits mitgeteilte Geschichte von dem am Hirz durch
die Heidener abgefangenen aber auf das Verlangen Gerards von Roermond
wieder freigegebenen Manne mit dem Zusätze: „und darnacher derselb
herr Gerard den zeitlichen vogt zur Heiden, Otto von Vorst, ergriffen und
finge in der herrlichkeit von Schönauen und wolt ihn darum, dass er
diesen man aus der herrlichkeit von Schönauen zur Heiden geführt und
seine gerechtigkeit merklich geletzet ^ hatte, am leib gestrafet haben, wan
') d. b. damit weder seine Person noch seine Habe gericbtlich angegriffen werde.
•) genugthiien.
') verletzt
— 68 ~
er der freunde nicht genossen". Das kräftige Vorgehen Gerards hat auch
wohl zu dem im älteren Weistume erwähnten Vergleiche der beiden Herren
über die Gerechtsame des Schönauers geführt.
„Und dieselbige . . . haben ihr lebenlang nie gesehen noch vernommen
dass ein lehenman oder lass zu Schönauen von einigen^ herren von der
Heiden gefangen, noch von ihren eiteren gehört dass solches geschehen
sei; die von der Heiden haben solchen gefangenen frei los ledig müssen
erlassen und wiederum lieberen, da sie ihn gefangen hatten.**
Nun folgt die Erzählung von den drei Männern, welche die Heidener
auf dem Cortenbacher Hofe ergriffen hatten. Dann fährt das Weistum fort:
„Und hat ferner der schultheiss dieselbige . . . gefragt . . ., wie solches
von alters gehalten ist, als ob ein missetheter gefunden oder bekomen
würde auf den lehengüteren von Schönauen, wer die zu strafen gehabt hat
bis auf diese zeit zu? Haben diese lehenleute und lassen geantwortet und
gesprochen, wie dass sie von ihren voreiteren haben hören sagen und ihnen
auch kundig ist, wie dass ein missethetisch weib zu Schönauen im thorn
gefönglich gesessen hat und von dannen ist ausgeführt und gerichtet und
begraben worden auf statt und end, noch heutiges tags Leisgens ^ grab
genant. Und in ihrem gedenken gesehen haben . . ., wie dass einer genant
Nikolas von dem Hirsch feur angestochen und das haus zum hirsch ein-
gebrant, ward darum gefangen und in den thorn zu Schönauen geworfen,
und starb daselbst und ward von dannen ausgeführt und in einer seeg-
kuhlen^ begraben; und davon wurde niemalen betröhung klag noch wider-
sprechung gehört noch vernomen; mithin haben dieselbigen . . . gesprochen,
dass ihnen nicht kundig ist, dass solche missethetern zu bestrafen anderen
gehört hat oder haben soll." [Das ältere Weistum sagt: „Item wer't ouch
Sache, dat ein misdedich man of wyf gevangen wurde op die guede zo
Schonouen, die under die erde geburde zo richten, die sal der her van
Schonouen op syne erde doin graven ind richten."]
Es folgen die drei auf die Frau von Mylendunck sich beziehenden,
oben bereits abgedruckten Abschnitte. Danach heisst es:
„Ferner haben auch . . . Servas Biermans und eine sichere frau
genant Catharina Leisten, darum berufen, gefragt und ermahnt, gesprochen
und ihnen kundig und wahr zu sein gezeigt, wie dass auf eine zeit ungefehr
vier, fünf oder sechs und vierzig jähre* dieser vorgeschriebenen frauen
mutter, auch Catharina Leisten genant, für den alten Godart Nack zur
selbiger zeit schultheiss zu Schönauen gesetzt, vom junker von Mylendonck
. . . beklagt und mit recht '^ angesprochen ward, um willen sie ihrem
bruder genant Schuive etliche Sachen enttragen hatte, und an selbigen
^) irgend einem.
*) Lieschen.
^ Sägegrube.
*) Also zur Zeit Jobanns von Scbönau.
*) vor Gericht.
— 69 —
schultheiss solches abtragen und besseren musste mit 15 marken, da dieser
Servas Biermans über und an war von gerichts wegen."
Der nächste Absatz handelt von der uns schon bekannten Berechtigung
der Schönauer zur Schweinemast im Gemeindebusch. Daran schliesst sich
die Frage über die Zwangmühle.
„Item Servas Biermans, Laurens van Richtergen und Andries up dem
zehenhof haben auch bekant und gesprochen, dass sie gehört haben, dass
Johan Vrösch, auch lehenman und lass zu Schönauen offenbarlich gesprochen
hat . . . dass er gesehen hat und weiss wahr zu sein, wie dass einem
lehenman und lass von Schönauen auf eine zeit^ ein pferd ist genomen
gewesen vom müUer von der Heiden um des gemahls willen, und doch
derselbe müller das pferd hat müssen dem lass wieder lieberen und besseren.
Item diese lehenleuten und lassen . . . darüber . . . ermahnt und befragt,
haben geantwortet und gesprochen, dass sie nicht getrungen sind mit dem
gemahl zu einer besonderen mühl; dann sie ihr körn mögen mahlen lassen,
wo ihnen das am allerbest gelegen ist; doch haben sie gesagt, wie dass
sie gehört haben von dem junker von Mylendonck seliger, dass er sprach:
Es wäre wohl freundlich und gefueglich, dass sie bei den nach baren ^ zur
mühle führen, sofern man ihnen da thete als auf anderen enden, denn sie
wären sonst nirgends verbündet^ noch schuldig zu mahlen. ** [Das ältere
Weistum sagt: „Item ouch en plag der loess vurzyden nit zo der Heiden
zo malen um einche gedwange wille van den lanthern, dan hei selfs doin
wolde*, wen dar gein mullener der loessen nialderen holen of der heren
stroess* ind werden gedrongen zo der Heiden.**]
„Ferner hat dieser schultheiss alle diese lehenleuten . . . ermahnt und
. . . gefragt, wenn und ob sie jemands schätz gegeben oder sonsten dienst-
pflichtig jemals gewesen oder zu gebot oder verbot ermahnt, ersucht oder
gefolgt oder gestanden seien? Haben dieselbe . . . geantwortet und gesprochen,
dass sie von ihren voreiteren niemalen vernomen noch sie selbsten in ihrem
leben gesehen noch gehört haben, dass sie der" lanther jemals getrungen
habe mit dienst, wachen oder andersten als ^ mit anderen desselbigen herrn
untersassen, oder sonsten jemand anders dan ihr herr von Schönauen sie
zu dienst gebot verbot oder von alsolchen lehengüteren zu Schönauen
gehörend schätz zu geben getrungen hat, wie ihnen das von ihren voreiteren
gelehrt ist und sie dessen unterrichtet gesprochen haben, und nicht änderst
seie bis zu diesen tag zu, ausgenomen das gesprochene, davon nun Zwie-
tracht ist entstanden, antreffend das gelt von den seh weinen wie obgemelt."
[Das ältere Weistum klagt jedoch über Dienstforderungen seitens des Herrn
*) einmal.
*) Den Pfarrgenossen. Heiden sowohl wie Schönau gehörten zum Kirchspiel Kiehtericb.
') verbunden, verpflichtet.
*) Der Landherr zwang ihn nicht, wenn der Latc es nicht freiwülig that.
^) So Qnix. Ich möchte lesen: nu darf . . . op der heren stroess.
*) wie.
— 70 —
von der Heiden. „Item noch hat der lanther die loessen zo Schonouen in
der breden (?) doin gebyden zo Horbach zo wachen ob lyf ind guet, dat
nit me geleeft en wart. Item oiich hat der lanther die loessen gedrongen
zo graven gelich synen verbonden lüden, ind die van deine gebode nit
gehalden en hedden, die hedde hei willen penden ind un^ verbieden, dat
sie der gemeinden nit gemessen en sulden, des en is den loessen nit me
vurgelacht, ind hat an Godart* gesonnen, dat hei ime penden geve van
den, die des gebots nit gehorsam geweist en waren; of ime das nit en
geschege^, he solde die op die stons* doin penden.**]
Die beiden folgenden Abschnitte handeln von den Frondiensten auf
Schönau. Der erste ist fast wörtlich dem älteren Weistume entnommen
und bereits oben mitgeteilt; der andere lautet: „Ferner auch schuldig sind,
die ausbenänte benden zu mähen, wan ihre herrschaft selbe gemähet will
haben, und ihnen von jedem morgen nicht mehr dan eine halbe mark
aachisch gelts gebühret und den frauen die kost; wan die herrschaft das
nicht geben wolte, so soll jede arbeiterin oder Wärterin nicht mehr haben,
dan 2 buschen vorgeschriebenen gelts.** Das ältere Weistum setzt — nach
Quix — eine ganze Mark Mähelohn für den Morgen fest und macht das
Verabreichen der Kost davon abhängig, ob die Heri'schaft auf Schönau
wohnt, sonst bekommt jede „wirkersse** ^ IV2 Schilling.
„Und wan ihrer — lehenleuten oder lassen — einige verunrechtet würde
ist er's schuldig an seine herrschaft zu Schönauen zu bringen, die ihn als-
dan verantworten durch schrift oder änderst.** [„Item ouch en haven die
lassen nie gesien, of ire einich verunrecht wurde, das soulden sy an ire
herschaf bringen, ind ire herschaf S(mlde sy verantwerden ind darom schriven
ind iren properen^ bode Ionen ind darom senden; so haven die vurfaren
allewege gedain, ind of men das nit en dede, dat wer unrecht.*']
Folgende Vroegen des älteren Weistums (aus dem Anfange des 15. Jahr-
hunderts) finden sich in dem von 1491 nicht mehr.
1. „In dem irsten haven zween knecht zo Schonouen op dem hove
sich geslagen ; so hat joncher Werner ' synen bode dar gesant op den
hof ind die knecht haven joncher Werner dat moissen richten, das nie me
da geschiet^ en is.**
6. „Item ouch of Schonouen verkocht^ wüi'de, des of Got will nit en
*) ihnen.
') Wahrscheinlich Godart von Rode, Herr von Schönau.
^) wenn das nicht geschehe.
*) von stund an = sofort.
*) Quix liest offenbar unrichtig „wyrdersse".
®) eigenen. Die Stelle besagt, dass die Verteidigung des Hörigen ganz auf kosten
des Herrn erfolgt und gründet auf dem uralten deutschen Rechtsgruudsatz, dass der
Herr seines Dieners „Mundwart" sein soll.
') von Schönrade zur Heiden.
•) geschehen.
®) verkauft.
— 71 —
sali, ind als man dat goet guedinge ind genoech doiii soulde, dat soiildc
meii tegen die heilige soone doin, ind nien Iielt die guede van niemandc,
dan van onsen herrn Gode ind syner liever moder."
8. Aassage des alten SOjfthrigen Mewe, dass der Meveiidrisch zu
Scliönau empfangen werden müsse. Amtmann war Gerard der Schmied,
einer der Laten war Godart Nacken. Die Kinder des Mewe verkauften
ihr Erbe an Thys Unbescheiden und an Hermaii Suyre. Letzterer übertrug
seinen Anteil an seinen Bruder Rosa, ßoss Hess sich nun nicht vor dem
Latenhofe in Schönau sondern in Wilhelmstein mit dem Grundstöcke belehnen,
vielleicht weil Retnard II von Schönau, der älteste Sohn Reinards I, dort Amt-
mann war. Nachher verkaufte Ross das Land an seinen Schwager Mathias,
den Snhn des Schmieds. Da aber meldete sich der erste Verkäufer Herman
Suyre und forderte das Gnindstück zurück, weil Ross dasselbe nicht in Scliönau
empfangen habe, und es „wart yme mit recht zo gewiesen ind der This, Smids
son die moiss dat guet noch eins gelden vor XXXIIII gülden".
9. „Ouch des Vantz beind hat men over hondert ind hundert jair
gehalden van den heirschaf van Sctiononen zo Schonouen zo guede zo
untgueden, zo dienst zo geboede, zo wachen zo brachen gelich eimchen
loesguet zo Schonouen, ind die alderen dat gelert haven, dat op dat guet
gein boede en seulde gain dan der boede van Schonouen'."
10. „Item ouch des Rouwen guet, dat Johan van Roede nu hat, dat
gebeert ouch zo Schonouen zo gueden zo untgueden, zo wachen zo brachen,
zo geboede ind zo dienst, ind ouch plach der aide Rouwe, woenden zo
Aiche, zo Schonouen moissen komen als da gedinge was; des* en wilt dis^
Jannis des dienst vUrschreven egein doin, mer hei hat dat guet unt-
fangen zo Schonouen; als die stat van Aiche vyant hadde, die op die
guede woenden waren vry vür die vyant^."
14. „Jtem ouch die beide vür den Hirz* hat allezyt over hondert
jair ein alt herkomen geweist, dat der hof zo Schonouen ind die laessen
zer Heiden mit^ haben gebruicht und sy' uns gemeinden weder um, ind
um des wille dat iren graven zo is gegraven", so halden sy uns us der
beiden ind Gruwell sint sync schafe darbiunen genumen."
15. „Item noch haven die alderen ons jongeii gelert, dat in Ixi
jaren nie vemomen is en wart, dat men vür ein par capuine ine bezailt
hat gebät dan IX Schillinge, ind wat sy nu me geven, dat en soulde uit
syn ind werden darby veninrecht."
■) d, h. uar der Herr vod Scbönan hat Gerichtsbarkeit Über dieses GuL
') indeasen.
') dieser f
') Wohl weil der Herr von Scbünuu sich ncntral verhielt oder iiuf selten jener
Feinde der Stadt stand.
'') die Bcrgcrhelde im Aachener Bcich.
*) Quis bat onrichtig: njt.
') die Bewohner der Bei^erbeide.
') noch Anlage dea Landgrabensf
— 72 —
17. ^Item ouch vroegt der lantscheffeo, dat egein herschafsguede
kümmeren aoch gedinge haven en süllea dau um des herschafs zins ind
pecht. Der aide loess hat den jongen gelert, dat men op den guede zo
Schonouen kümmeren vastinnen ordel wyseir solen, dat hat van alts alle
wege gedan, wil't dat herschaf over lassen gan, so en kan's der laes nit
gekennen.**
Als Zeugen bei der Aufnahme des Weistums von 1491 dienten
„Arnold Leyendecker capellan ü. L. P. kirchen, priester zu Achen ;
Theis von Limburg, Johan Hessbach, Everard Duycker von Werden." Die
ganze Verhandlung ist oifenbar nur zu dem Zwecke vorgenommen worden,
um dem Graft als Grundlage bei der Beweisführung gegen die Eiugriflfe
der Heidener zu dienen.
1508 reichte Graft bei den Räten des Herzogs von Jülich eine
Klage gegen die Frau von der Heiden ein, worin er dieselbe beschuldigte,
dass sie Brüchten von seinen Untertanen nehme, dieselben gefangen halt«,
mit dem Gemeindebusche nach ihrem Belieben verfahre: was alles gegen
seine von den Voreltern ererbten Gerechtsame in der reichsfreien Herrschaft
Schönau Verstösse, zu welcher Huflf, Grünenthal, Hand, Hirz, Richterich,
Mevenheide und die Einwohner dieser Ortschaften gehörten. Die Klage lautet:
„Veste ind froeme rede ind frunde etc. Dit sint alsulche clage ich
Graft van Myllendonck ritter doin ind legen an juffrauen Marien vamme
Roide, nagelassen widewen wilne Johans van Schoenroide heren zo der
Heiden. Dat dieselve juflfrau Marie in myne hierlicheit Schönawe gedragen
hat mit brüchen van mynen undersaissen zo nemen ind dieselve gefenklich
zo der Heiden zo fueren ind na irme willen in den gemeinen busch zo
handeln wider recht ind alle billigheit. Want ich myne alderen ind furvaderen,
so lange als minschen gedenken is ind langer alzyt alle regalien laissen
und gerichten in der hierlicheit Schönawe, Gott almechtich ind heiligen
ryche underworfen, ind in zobehoeren zo Schönawe up gen Hoiflf, den Gronen-
dal, Hand, Hirtz, Richtergen, Mewenheide ind over die undersaissen darinnen
gehat ind gebruicht haven. Ich hoffen darum ganz ungezwyfelt, myn
gnediger herre ind synre gnaden rede euer liebden willen die juffrauen
Marien um sulchen yre unbillige onerbarenheit darzo halden, dat sy mich
by mynen regalien laissen ind gerichten zo Schonawen wie vursclireven
unverhindert laisse, mit erdeilungen kosten ind schaden, wie billig ind
reicht is, Gegeven den 29. dach januari 1508."
Genau zwei Jahre nachher erhob Graft Klage, dass dieselbe Frau
zur Heiden sich die Gerichtsbarkeit über Grünenthal anmasse und in der
ganzen Herrlichkeit Schönau Brüchten einziehe. Maria von Merode berief
sich für ihr Recht auf das Zeugnis des Heidener Gerichts und suchte die
Erklärungen der Schönauer Lateu durch Berufung auf anders lautende
Aussagen derselben zu entkräften. So Hess sie Geständnisse gerichtlich
bezeugen, welche Schönauer Laten, deren Namen jedoch nicht genannt
werden, vor dem Gerichte zur Bank gemacht haben sollten. Eine Auf-
— 73 —
Zeichnung dieser Aussagen befindet sich im Richtericher Gemeinde- Archiv.
Dieselbe lautet:
„Dit hy na beschreven is alsulche vroege, als wir scheffen ind gericht
von der Bank halden hueden ind van unsen vurvaren alzyt gehoirt haven,
dat sy se ouch also gelialden haven als hy na beschreven volgt.
Item halden wir in unser vroegen, dat die vroege aven lands ind
den Gronendal geit ind dat der Groenendal binnen unser vroegen licht.
Item haven gezuigt die laissen von Schoenauen, dat sy mynen heren
van Guilich als eren lantheren ind ere juffrauen van der Heiden ind
ere erven als pantheren hulde ind eide gedain haven, als undersaissen eren
lantheren schuldig sint zo doin.
Item die laissen van Schoenauen haven gezuigt, dat sy heren Graft
van Mylendonck hulde ind eide gedain haven, syn ärgst zo warnen ind
best vurkeren, als gude leenluide ind laissen schuldich syn zo doin.
Item desselven geliehen haven sy ouch gezuigt, dat sy den vaegt
van Valkenburg ^ ouch also gedain ind geloft haut, den einen als den anderen.
Item noch haven die^elven gezuigt, dat sy neit gesyn en haven in
hoire leiven dagen noch ouch neit en haven hoeren sagen van hoiren
vurfaren, dat einig minsch, fraue of man, van leiven zo doit gewyst sy
zo Schoenauen mit ordel. Dit hat der vaegt vur gericht mit . . .^
verbonden.
Item haven die laissen vurschreven gezuigt, dat sy haven hoeren
sagen, dat ein mau zo Schoenauen sich doit gefallen hat ind dat der halfen
den up die straisse le verde ind laicht eme synen loin op syn lyf, ind dat
do dat gericht van der Bank dar quam ind besach den man, ind do gaf
der her orlof, dat men den man do begroef.
Item Nelis van den Hirz hat gezuigt dat syn vader eins gebruicht
hat ind dat he den heren van der Heiden vur die bruiche gaf 13 Schillinge;
ind zuigten vort, dat der her van Mylendonck den heren van der Heiden
darum schreif, ind dat he den brief in dat fuir warp.
Item hat die aide Kathryn van Schoenauen, Lenart Vroesch ind syn
raoder in desen jaren noch begert ein gebot van des lantheren boede in
der kuchen' zo doin, um schaden wille hon^ geschah van den näheren
an honen "^ leingrunde."
Indessen fruchtete das alles der Frau von Heiden nichts; Graft
erlangte im Jahre 1510 ein obsiegendes Urteil.
^) Wie der Vogt von Falkenburg in diese Vroege kommt, ist mir unklar. Vielleicht
ist einmal ein Mitherr von Schönau Vogt von Falkcnburg gewesen, das sich eine Zeitlang
im Besitze Iteinards I bcfimden hatte.
2) Ein Wort unleserlich.
') So im Original, es wird aber wohl „kirchen" zu lesen sein.
*) ihnen.
*) ihrem.
— 74 —
Dieser Herr von Scliönau nahm am Hofe des Herzogs von Jülich
eine angesehene Stellung ein. Er war herzoglicher Rat und gehörte 1510
zu denjenigen, die den Abten von Deutz und Brauweiler, welche die Burs-
felder Reformation in den Benediktinerklöstern des Herzogtums einführen
sollten, von Seiten des Herzogs beigegeben waren ^
Graft starb unverehelicht. Die Besitzungen kamen an die Söhne
seines Bruders Johann, von denen der älteste, ebenfalls Johann genannt,
bereits 1514 gestorben war. Dadurch kam die Herrschaft Mylendunck an
den ZAveiten, Dieterich, der bei der Teilung des Nachlasses seines Oheims
Craft auch in den Besitz von Schönau gelangte, während Meiderich an den
dritten Bnider, Heinrich fiel. Als auch dieser 1525 kinderlos starb, vereinigte
Dieterich die drei Herrschaften in seiner Hand. Ausserdem war er Amt-
mann von Orsoy, Herr von Pley^ und durch die Heirat mit Agnes (1526)
Burggraf von Drachenfels.
c) Dieterich von Mirlar, Herr zu Schönau (1521 — 1553), hielt
am 13. Januar 1522 feierlichen Gerichtstag daselbst. Er „verurkundete
und verband sich mit goldenen und silbernen Pfenningen an dem gerichte
und sämtlichen umstehenden laessen, lehenleuten und untersassen in gegen-
wart des würdigen und hochgelehrten doctor und herrn Johan Suderman
canonicus und oantor^, herrn Dieterieh von der Reck, canonicus und
proffian U. L. F. kirchen zu Achen*; dan ouch noch her Dieterich
von Segerode, her Wolter von Wylre und her Johan von Edelborn* alle
drei scheffen des königlichen stuls und Stadt Aohen**, endlich Peter
Schrivert, der zu Gladbach Schultheiss war.
Hier Hess Dieterich die Gerechtsame der Herren von Schönau fest-
stellen. Der Eingang des Aktenstückes lautet: ^Kund und offenbar sei
allen . . . wie dass heut . . . in| selbsteigener person komen und erschienen
seie binnen Schönau der ehrenfest und fromme Dieterich von Mirlair, Herr
zu Milendunck als nun der rechte herr alda zu Schönauen vor dem gehegten
gericht und gespannener bank, besitzende von seiner liebden wegen das
gericht der ehrbar Wilhelm von Richtergen als der schultheiss und richter,
foi't die ehrsame und fromme Peter von Schönau, Arnold Koicks, Johan
Naggen, Johan auf dem zehenhof, Peter Schmit vom Hirsch, Simon Palmen,
Gerard Kockelkorn und Heinrich Engels als die geschworen und verord-
*)Ropertz, QueUen und Beiträge S. 294.
*) Zeitschrift des Aachener Geschichts-Vereins Bd. VIII, S. 214.
^ Johann Suderman erhielt am 7. April 1496 durch das Kapitel das Kanonikat Reinaids
von Schönrat; am 7. Dezember 1537 wurde Heinrich von 3Iilendonk sein Nachfolger.
Als Sänger war Suderman der Nachfolger des uns bereits bekannten Walters von Blisia,
der 1512 starb. Craft I verpachtete dem Kanonikus Suderman die Schönauer Weior
1502 auf 6 Jahre für 45 Gulden ä 6 Mark aix jährlich.
»
*) Theodoricns de Reck wurde Kanonikus am 19. October 1512 an Stelle des ver-
storbenen Theodorich von Milendonk, Erzpriester am 4. Juli 1521. Heu seh a. a. 0.
S. 14, 13 '- »•
*) Eilerborn.
— 75 —
nete lassen desselben gerichts um jederman recht und urtel zu geben
wie vor alters. Und hat sofort der Herr von Milendunck als herr von
Schönau durch denselben seinen schultheiss Wilhelm das gericht zusamen
und besonders lassen fragen und niainen auf ihren hulden und eiden, so
sie ihm gethan haben, auch in gleicher weise die lehenleute mit denen
untersassen um von aller hoheit herrliclikeit und gerechtigkeit des herrn
und hauses Schönau, daran in- und zubehörungen, wie sie solches von ihren
eiteren behalten, gesehen und gehöret haben, niemand zu lieb oder zu leid
deswegen anzusehen, die rechte Wahrheit allenthalben zu offenbaren und
solches von sich zu geben. Und begehre te dieses in dieser massen so zu
geschehen, weilen er, der herr vim Milendunck, mit seinem bruder Heudricheu
herren zu Meiderich nun kürzlich geschieden und sie sich zusamen darüber
vertragen hätten, dass er . . . das haus und herrlichkeit Schönau mit allen zuge-
hörigen gerechtigkeiten für sich und seine nachkömlingen erblich behalten
solle. Dahero dass er als der herr nun wüste und mit allem unterschied
als recht belehret würde, wie er und seine nachkomelingen jederman,
grossen kleinen reichen und armen nach altem herkomen thun solte oder
auch zu recht thun schuldig wäre, wie imgleichen auch das gericht,
lassen, lehenleute und untersassen alda ihm und seinen erben hinwiderum
von rechts- und alten herkomens wegen zu thun ptlichtig und schuldig seind,
dabei niemand in seiner zeit oder nach ihm durch seine erben in einigen
theil verkürzet oder über manier deren rechten vor genomen werden
mögte: und darum dessen nichts verhalten bei denen eiden, so sie ihm
als ihrem herrn gethan hätten und er hinwiderum ihnen als seinen unter-
sassen, sie dabei zu beschirmen und hanthaben."
Nun fragte und mahnte der Schultheiss „in statt des herrn als
richter" die Laten als Gerichtsbeisitzer zuerst, dann die Lehenleute und
sämtliche Untersassen ^ Dieselben baten um eine gemeinschaftliche Beratung,
traten ab und erklärten nach ihrem Wiedereintreten: Der selige Graft
habe in vergangenen Jahren ein Instrument über die Schönauer Gerecht-
same anfertigen lassen ; man möge ihnen dieses vorlesen : was sie dann
noch wüssten, würden sie sagen. Als Grundlage diente demnach das
Weistum von 1491 ; dasselbe wurde von Artikel zu Artikel verlesen und
anerkannt, dann das Folgende hinzugesetzt.
Peter von Schönau erklärte, zur Zeit wo er Schultheiss gewesen,
habe der Herr den Jakob Büschgen ergriffen „weilen er getrohet habe
und auch von anderer böser fama war". Derselbe wurde zu Schönau
in den Stock gelegt und blieb darin „wol 28 wochen lang und solte darum
alda gerichtet worden sein, dan durch bitt sein Peters und anderer freunde
wurde er begnadigt und gukle sich ab und thätigte die briichten an der
trauen von Mylendunck und diente ihr darzu eine Zeitlang dafür".
*) Die Fragen waren natürlich vorher entworfen und festgestellt „Pro memoria
actum uf mandach octava cpiphanie 1522.**
— 76 --
Ferner berichtete Peter über zwei Frauen, die sich geschlagen hatten.
Er führte sie vor „seine frau von Mylendunck seliger" und beide bezahlten
ihre Bussen „als der herr von Schönau da war". In diese Sache mischte
sich die Frau von der Heiden; sie liets den Mann des einen Weibes greifen,
ins Gefängnis werfen und forderte von ihm 15 Gulden „solte er loskomen,
ausser die gelacher" \
Endlich erklärte Peter, er und sechs seiner „Stuhlbiüder" ^ hätten
den Inhalt des Dokuments von 1491 vor dem Hauptgerichte zu Jülich —
in dem Prozesse Grafts gegen Maria von Merode — jn allen Artikeln
wahrgehalten; der Herr möge dasselbe nur gut verwahren.
„Danacher hat der schultheiss die lassen gemahnt, wannehe jemand
inländisch oder ausländisch, zu Schönauen an rechten zu thuen hatte, wie
der das eusseren und wie demselben da zu recht geholfen werden solle?
Nach bedenken der lassen haben sie geantwortet: dieselben sollen dem
alten herkomen nach mit recht bei ihnen verfahren; was das gericht weis
ist, mögen sie lehren, was sie nicht weis sind, sollen sie derer parteien
ansprachen und antworten scliriftlich mit zugehörenden rechten annehmen,
sodan selbige in des herren kamer zu Schönauen fortbringen, darauf recht
und urtel da gesinnen, die urtel da einholen und solche dan den parteien
auf deren begehren auf einem gerichtlichen tag bei ihrem gericht eröffnen
lassen, also dass ihnen sofort von dem herrn zu rechten geholfen werde."
Die Laten beriefen sich darauf, dass sie eben am selben Tage noch zwei
Urteile vom Herrn „vorgeholt" und den Parteien eröffnet hätten.
Für die Laten und das Gericht, die kein eigenes Siegel hatten, siegelte
der Vogt zu Mylendunck, Laurenz Beik, zur ferneren Bekräftigung noch
der Sänger und der ProflBan^ „auf bitten und begehren unseres lieben
besonderen und verwanten, des herren von Mylendunck".
Im folgenden Jahre schloss Dieterich den oben mitgeteilten Vertrag
über die Grenzen der Herrschaft und die Gerechtsame der Herren von
Schönau mit Werner von Schönrat zur Heiden.
Dieterich hatte jedoch schon vor dem 13. Januar 1522 seine Joyeuse
entree in Schönau gehalten und den Eid der Unterthanen entgegengenommen.
Im Schönauer Archive findet sich die gleichzeitige Abschrift eines Briefes
aus dem Jahre 1521 vom Tage nach Judica, d. i. Palmsonntag, in welchem
Dieterich das Gericht bei dem „op die groise bruiche" geleisteten Eide
zum genauen Gehorsam gegen seine Befehle mahnt. Das Schreiben gibt uns
auch wünschenswerten Aufschluss über die Weise der Gerichtsverhandlungen,
denn es handelt von einer sogenannten Hauptfahrt, d. i. von einer Befragung
des Jülicher Hauptgerichts zum Zwecke der Belehrung der Schönauer
Laten, welche der Herr zur Heiden verboten hatte. Dieterich schreibt:
^) Gerichtsgebührcn.
*) Die Gerichtsschöffen.
') Erzpriester, der Pfarrer vou Öt. Foilan in Aachen.
— 77 —
^Myne groiss, lief schoultis ind getruwe. So ir mir geschriven hat,
wie etzliche parthien an mynen rechten zo Schönauen zo doin hont etzlichen
gebrechen halven, des denn myn gerichte alda by sich selfs davannen recht
ind oirdel zo geven niet wis en sye, darum sie nae uitgewisdom des gerichts
ind herkomst sich beroefen hant um vurder geleert zo werden, daby den
parthien alles diels recht wederfaren moicht. Da ouch beide parthien um
recht zo erlangen bylage gedain hont, darop ir ind dat gerichte neist
zokomende donersdach zo Guilich erschynen sould, so ich ouch alsdan op
vurgerorte zyt da syn werde, daby ir geleert moicht werden um den
parthien zo rechte zo helfen: So verstau ich, wie der van der Heiden
durch synen vaet ind gerichte raynem gerichte hat lassen bevelen gein
houft oirdel lassen zo holen. Wilch mich ganz ser befremt, so ich dem-
selven heren van der Heiden naberschaft halven alda ändert niet geneicht
sye dan mit fruntschaft ind ouch demselven (in) geinerlei manier onder-
worfen bin." Dieterich befiehlt dann dem Gerichte und den Parteien am
bezeichneten Tage in Jülich zu erscheinen, damit er sie nicht wegen Un-
gehorsams zu bestrafen brauche. Gemäss seinem Eide werde er ihnen
allen Schaden ersetzen, den der Herr von Heiden ihnen deswegen zufügen
möchte.
Nach dem Weistum von 1522 gingen diese Hauptfahrten nicht mehr
wie früher nach Jülich ans Hauptgericht sondern an den Herrn von Schönau.
So schrieben die „gemein laten des gereicht zo Schönau" 1523 an Dieterich:
„Wisset leve jonker, so euer liebden am lesten ein ordel zo Schönauen
mit den vait geschit hat, antreffende Dederich van Reichtergen ^ und syne
mitgedelingen eindeils und Arnold Duitsen anderteils, so dan Dierich van
Reichtergen und syne mitgedelingen in den verluss sind vonden und na
ansprach ordel erkant is worden, so haven Dederich . . . up dat ordel
appellirt in kamergericht^ und hoffen, sie sullen da ein geneitlichcs und
besser ordel erlangen unde begeren von uns gerichten, der halfen besonder,
eine afschrift des ordel zo haven." Das Gericht glaubte jedoch dazu erst
verpflichtet zu sein „wenn gebeidong us deme kamergericht komen over-
mitz des kamerrichters boeden mit dem roden segel"^ Die Appellanten
klagten dagegen über Verzögerung und machten die Schöffen verantwort-
lich für allen Schaden, der ihnen hieraus erwüchse. Darum wendeten sich
die Laten an den Herrn. „Und begeren wir fruntlich von euer liebden
as uns heuft underrichtung zo haven und geleirt zo sein, wat wir hierin
schuldig zo doin weren, of wir in* die afschrift zo eren gesinnen leveren
sulden of wir sie langer an uns behalten sullen."
*) Die von Richterich waren im 16. Jahrhundert Halfen des Zehenthofs und lilngere
Zeit Schnltheissen und Reutmeister von Schönau. Sie beaassen in der Kirche zu Richterich
ein Erbbegräbnis, woran ihre Nachkommen noch im 18. Jahrhundert berechtigt waren.
*) Die Berufungen gingen vom Gericht an den Herrn, von diesem an das Reichs-
kammergericht.
*) Siegel *) ihnen.
— 78 —
Die „Deduktion" nennt unsern Dieterich als denjenigen, deni Karl V.
in der jüliclischen Fehde die Regalien und die Gerichtsbarkeit Schönaus
bestätigt habe. Infolge dieser Bestätigung hat Dieterich auch wohl das
Münzrecht ausgeübt. Quix^ beschreibt eine dieser Münzen. Sie war von
Silber, 2^2 Lot scliwer und zeigte auf der Vorderseite Dieterichs Brust-
bild mit der lateinischen Umschrift: Theoderich, Herr zu Mylendunck und
Schönau, auf der Kehrseite sein Wappen und die Worte: Neue Münze der
Herrschaft Schönau 1542.
Aber die neue Münze verhinderte nicht, dass Geldnot sich auch im
Hause Dieterichs einstellte. Am 2. des Brachmonats 1553 schrieb der
Schultheiss Wilhelm von Richtergen an die Frau von Mylendunck-Drachen-
fels: er könne kein Geld schicken, weil ihm weder der Hälfe Winand noch
der Wirt im Pannhaus ihre Schuld entrichtet hätten „dan sie beklagen
sich alle der theuren zeit und dass keine nahrung ist**. Wenn die Frau
keinen Ausstand geben sondern Pfandschaft für die Beträge oder Umschlag
gethan haben wolle, dann möge sie schreiben. Er mahnt sie selbst aber
auch. „Ferner liebe juflfer, ich schicke euer liebden von dem singer von
Aachen* und noch eine hantschrift von seiner wirden diener, fordert die
renten des altars hart und sehr und lasst den dienst des altars ungethan,
nemlich die sontagsmess, die vor 80 jähren geschehen ist in Zeiten herreu
Wolters von Bilsen sei. und in zeiten D. Sudermans sei., die den altar beide
gehabt haben und allezeit der dienst geschehen und vollbracht ist.**
Dieterich war um diese Zeit schon tot; im genannten Jahre folgte
ihm seine Frau. Ihre Kinder waren: Dieterich II, Herr zu Mylendunck,
Drachenfels und Reuland. Er heiratete 1548 Theodora von Bronckhorst-
Batenburg, Witwe des Franz von Schönrath, Herrn zur Heiden. Infolge
dieser Heirat nahm Dieterich auch letzteren Titel an. 1557, Januar 28.
wird er als Mitglied der Aachener Sternzunft angeführte Als Theodora
1564 starb, suchte Dieterich sich im Besitze der Herrschaft Heiden zu
erhalten. Das gelang ihm aber nicht, der Herzog von Jülich belehnte
vielmehr am 8. Mai genannten Jahres die Brüder Werner und Wilhelm
von dem Bongart mit derselben. Dieterich Hess sich dadurch nicht ab-
schrecken; er brachte die Sache an das Reichskammergericht. Das ergibt
sich aus einem Proteste, den er am 19. Juni 1567 gegen ein Edikt des
Aachener Schöffenstuhles einlegte. Wilhelm von dem Bongart hatte ihn dort
wegen eines in der Stadt gelegenen „aber in alle weg ohne einig mittel
zu und an das haus und herrlichkeit zur Heiden zugeeignet und gehörigen
hauses*** verklagt und das Gericht sich auf die Klage eingelassen. Dieterich
') Schönau S. 20.
*) Damals war Kantor am Münster Johann von Cortenbach, der anfangs September
1655 starb. Hcusch a. a. 0. S. 18 *.
^) Zeitschrift des Aachener Geschichts-Vercins XV, S. 292.
*) Es handelte sich um das in der Bendelstrasse j^elejjene „Haus zur Heiden'*. Das-
selbe befand sich noch 1571 im Besitze der Mylendunck, wie aus folgendem Posten der
— 79 —
erklärte „diese causa emergens sei eine pertinenz und zugehörig stück der
hauptsachen, so an dem hochlöbl. kaiserl. kammergericht noch unerörtert
rechthengig schwebt**.
Der zweite Sohn Dieterichs I war Gothard von Mylendunck, Herr zu
Goer, Fronenbroich und Meil, gestorben 1576. Seine Frau hiess Maria
von Brederode. Er ist mit Dieterich II nach dem Tode des dritten Bruders,
Craft II, Herr zu Schönau gewesen. Von den beiden Töchtern Dieterichs I
heiratete Aluert den Philipp Dieterich von Braunsberg, Herrn zu Burgbrol,
Merxheim und Alken; Elisabeth den Adolf von Wilich, Herrn zu Disfort.
d) Craft II von Mylendunck, Herr zu Meiderich, Soron, Schönau
und Warden (1552 — 1574). Seine Ehe mit Margarethe von Merode zu
Petersheim, welche am 25. Oktober 1575 ihr Testament machte, war
kinderlos; doch hatte Craft zwei uneheliche Kinder: eine Tochter, deren
Aussteuer „heiligspfenningen*' die Neffen Craft III und Baltasar laut dem
Teilungs vertrage von 1591 übernehmen sollten, und einen Sohn, ebenfalls
Graft genannt, dem Margarethe in ihrem letzten Willen eine neue Kleidung
und 25 Thaler vermachte und dessen Kostgeld der Schultheiss zur Warden
halbjährlich mit 8 Philippsthalern bezahlte ^
Am 11. Januar 1553 bezeichnet der Aachener Rat den Craft und
dessen Mutter als Herren zu Schönau, indem er von ihnen fordert, sie
sollten den durch den Juden Alexander geschädigten Webern zu ihrem
Rechte verhelfen. Damals war demnach die Erbteilung zwischen den Brüdern
bereits vollzogen, aber die Mutter führte in Schönau noch die Verwaltung.
1558 am 13. März stellte Craft von Duisburg aus den ehrbaren Clemens
Schmal aus Langenberg als Schulmeister in Richterich an und befahl den
Unterthanen in der ganzen Herrschaft, denselben als solchen anzuerkennen.
Die Berechtigung hierzu hat Craft jedenfalls in dem Umstände gefunden,
dass die Schule im schönauischen Teile Richterichs lag. Leider enthält
die Bestallungsurkunde keinen Hinweis auf die Konfession des Schmal;
mutmasslich gehörte derselbe der calvinischen Richtung an wie die Mylen-
dunck. Wann letztere vom katholischen Glauben abgefallen sind, kann ich
nicht feststellen, wahrscheinlich schon früh. Denn da die Gemeinde zu
Duisburg, wo die Familie wohnte, bereits 1538 sich dem Calvinismus zu-
wandte, darf man annehmen, dass auch die Mylendunck um jene Zeit dem
Glauben ihrer Väter untreu geworden sind. Jedenfalls ist der Abfall der
Gemeinde zu Meiderich im Jahre 1547 nicht ohne Zuthuen der Mylen-
dunck als Herren daselbst erfolgte Dass Crafts Witwe calvinisch war,
Schünancr Rcclmung aus jenem Jahre hervorgeht: „Item hab ich einigemal von meinem
gnädigen herm Schreibens ontfangon, um das kom zu Schönauen zu verkaufen und das einen
kaufman zo verlassen. Hab ich sulch nit zu wegen können brengen, und obgemelte kom
in das kaufhaus gefort und in die 3 wochon alda gelegen. Hab ich das körn nemlich
39 mttd wider uf sacken und in das haus zu dor Heiden ausscbüdden lassen." Das Lager-
geld betrug pro Müd 8 Heller.
0 Rechnung von 1579/80.
*) Ennen, Gesch. der Reformation u. s. w. S. 104.
— 80 —
steht fest; denn nacli ihrem Testamente sollte „herr Johan, der prädikant,
eine ehrliche belohnung" erhalten. Und da sie zu Duisburg an der Seite
ihres Mannes begraben sein wollte^, so ist zu vermuten, dass Graft dem-
selben Bekenntnisse angehörte.
Mit seinen Vermögensverhältnissen hat es nicht gut gestanden. Vom
Kloster St. Maximin in Köln hatte Graft 600 Goldgulden geliehen und da-
gegen 28 Goldgulden sowie 28 Thaler jährliche Rente auf sein Gut Münster-
hausen verschrieben. Er blieb aber die Zinsen schuldig, sodass das Kloster
sich in den Besitz des Pfandes setzen wollte, welches ein Lehen der Abtei
Essen war. Von einem andern Gläubiger hatte er 300 Goldgulden, die nach
seinem Tode auf Anweisung Dieterichs durch den Schultheissen in drei
Jahren bezahlt werden sollten. 1559 „hat Gracht von Milledonk . . . Petro
Brewer zu Sierstorf 12 malter roggen ausm wardenischen erbpfacht auf
ewige widerlös für 200 goltgulden" und „anno 1566 hat selbiger Gracht
.... dem Franken Severins zu Lürrenzich abermalen aus seinen erb-
renten zur Warden auf ewige widerlöse verkauft für 200 Joachimsthaler
5 malter roggen und 5 Joachims-Thaler^*'.
1560 April 1. kauften die Testamentsvollstrecker des Dechanten
ü. L. F. Kirche zu Aachen, Johan PoUart^, für ein Legat desselben zu
gunsten der Hausarmen, welches 392 Goldgulden und 400 Joachimsthaler
betrug, von Graft einen Erbpacht von 14 Aachener Müd Roggen und eine
Erbrente von 20 Thaler. Graft legte Pacht und Rente auf Hof und Gut
zu Schönau mit der Weisung an den Pächter, beides vor allem anderen aus
den Erträgen zu berichtigen. Die Ablösung war vorbehalten.
1563, Mai 3. gestattete Graft „aus sonderlicher gunst und freund-
schaft** seinem Schultheissen Wilhelm von Richtergen, „eine löse und wider-
kauf** der genannten Renten, wobei er sich wiederum die Einlösung vor-
behielt. Das führte später unter Baltasar zum Prozess.
1572 am 12. Juli beorderte Graft den Rentmeister Keinen nach
Petersheim — und zwar sollte er gleich gehen, bevor das Kriegsvolk die
Wege dorthin verlegt habe — um die Rückstände zu erheben, deren er
jetzt „aus ehehaften gründen" bedürfe, und ihm das Geld nach Duisburg
zu schicken. Über die Einkünfte aus Schönau berichtet eine Rechnung
des Rentmeisters Wilhelm von Richtergen. Graft hatte in den Jahren
1554—1560 von Schatz 2164 Gulden 14 Albus, von Geleitgeld der Juden
in Richterich 257 Gulden, vom Juden Alexander 36 Gulden, von Weggeld
240 Gulden und von Accisen 452 Gulden erhalten. Die Ausgabe des
Jahres 1566 betrug 472 Gulden 18 Albus 9 Heller; die Einnahme von
1568: 415 Gulden 10 Heller; im Jahre 1569 belief sich die Einnahme auf
*) Richardson, Gesch. der Merode I, S. 158.
«) von Fürth, Beiträge u. s. w. II, 2, S. 94.
^) Johan PüUart der Jüngere wurde Kanonikus am 3. Oktober 1527, Gehülfe des
Dechanten mit dem Rechte der Nachfolge am 29. März 1537 und Dechant am 6. Mai 1541.
Er starb 1554. Heusch a. a. 0. 15*, 17*.
— Sl —
584 Oiüden II Albus, die Aasgabe dtgef^ii naf tlKl ihildnii 'J'i ADhih
2 Heller. Ans der Rechnung des letztgenannten .TAlirt'N liolm icli fiilKomlo
Posten ans. welche von allgemeinerem Tntvrosfo soin ilflrUiMi,
„Folgents tags ist mein g. hon- auf Schnnanon gi^Htlcn inul >l<>n
abent nncb zu Aich gangen, (laaelb»t in die 4 ditg M dein oiiKllH>'lii>n
heim verblieben, niitlerweil verzert 80 guldon I iilb.
Item bat dasmal mein g. berr eine nnclit in Kriiiolmd ' h-kwomkii mitl
zweimal gebad, vor das bad auf befetcb im gnaden K(<tivbi>n 1 iliilt'i-
2 gülden 4 alb.
Item an wein und Unkosten ins bad IH alb.
Item den badknechten und megdon 12 alb.
Item ist mein g. herr mit dem cngÜHchon xo Hortiirlinl. dio lijid»t'
zo besehen verritten und im CJlntz aliffostamlcn und i'uthlMiiriri* iirnl vnit
dannen 1 äesch weins mit auf Aich genoinon'. Davor lii>/iihll: II (>ii1ilt'ii
20 alb."
Wie wenig hanshälteriRch man verfuhr, i>rt(\\it. Dich aim riilc»iii|i>rii
Zuge. Der Bote Kirdekatz wnrdo cigtiiiM von McIiOmiiii iiitt'li DiiIhIjhk*
geschickt, um dem Herrn zwei Pfujul hlii^lihi'ii|iiilvt<r niid „irii<liii>r (r>"«llt{"ii
frau VII loth klein» gamK" zu briiigitiil
Graft hielt sich zwar me'rüt in DuiHlmrg nut, t\\u>r <>r vi>rtini'UUinHi\rU'
Schdnau nicht. Um 1566 baute er datf'llml «In nniKiit IfniH; aii<')i lltili- i-r
seine Herrenrechte. 1572 ßllte er ei» Urteil /weiter liiRtiiii/ In Hm-itfii
Peter Haupts gegen Peter von Mnulnu^h, woj^'-irn» der l^l/li'n' im' h "■'■iinii-r
appellierte. Eine andere IMhätiirung tu-.'iiu-.r Hi;T\i:hiH\thrV*'U. \ninUti Hm iti
einen Prozess mit Wilhelm v^n Ii'((i;f.irl., Murr» mr II<'i'l''(i,
Craft hatte ein'rn nui!'').'ir-nui':u H'li'irouJ'T ihinU miii-u tiiih't, ilniut
Hattingen. gr*ilen nnd a'if di" '-<i'f/j'lj'ri * flilir'-ti In-"»», Wdt»' Im 'f/nff
seinenwils den David, v^rt Um »'it ili-m itmif. Hi ni'ii i<i in !-■/-.' n*
Turm, hielt si.n xr:J7.\.^.-' :. l'-u M-wi.iU „],»•■/'■ v {■■<■'.'• i' ,• t\.:i.i,*> m. .
an einem S-rr.v.'i; ?--,•:. :, .:. I-r Vi.r- fn- \i'.r* thit /.'in, ■•■y>'if u i.u- ttiw ■
and zrn:^ i\: •-.:. }'. :■■ .- '/■;,',',• cm KI.i;/' ■/'/'■• '•• •> iUtt: r,-,
.■^r-hrtrau »■-' !'■»> *"?,.,/, .■•. -- M',- -,' ;.'..tz p-v
einzolej^ii. I'i- ■"i* '. -• .■' ! i'. ■■ ■ / /■ *. ' t,.f •'.-■
verBpn^ ■■---. ii'"*- '-.r *".- * ■ •'-.., ■" .-. •/ . »'
t%
— 82 —
Jülich. Graft, sagt er, habe nui* einen Lathof oder eine Latengerichtsbarkeit,
er werde auf dem (Seidener) Vogtgediiig von seinen eigenen Leuten gevrogt,
dass ihm weiter nichts gebüre, als für seine Latgüter Erbung und Gütung
zu thuen, für Ausgang und Eingang, Erbzinsen und Erbpächte mit seinen
Leuten zu dingen, und nun schädige er die Heidener Gerichtsbarkeit, indem
er deren Untergebene greife und in Eisen schlage, Juden und andere
Sektirer geleite, die Schönauer verhetze, dass sie nicht auf der Heidener
Zwangmühle mahlen liessen, ja selbst Falschmünzern Aufenthalt gewähre.
Der Herzog forderte Graft zur Verantwortung auf, der Schönauer
antwortete jedoch nicht sofort und entschuldigte nachher die Verzögerung
damit, dass er sich in ehehaften Geschäften auf Reisen befunden, auch
mit seinen Brüdern die Sache habe besprechen müssen. Dann erklärte er
die Anschuldigung wegen der Bedrückung der Heidener, die Aufhaltung
der Sektirer und Falschmünzer sowie die Behauptung von der Aussage
seiner Laten für unwahr, die Geleitung der Juden und den Schutz der
Schönauer gegen den Heidener Mühlenzwang für sein gutes Eecht. Und
indem er den Spiess umdrehte, warf er seinerseits dem Herrn von Bongart
Bedrückung der Schönauer und Verletzung der schönauischen Gerechtsame vor.
Der Herzog sandte eine Untersuchungskommission, deren Kosten für
Graft der Rentmeister in folgenden Posten verzeichnet:
„Item in februario mein g. herr mit den commissarien und iren dienern
IX tag alhie stille gelegen, gehalten 154 malzeiten, jede ad 4 alb. facit
31 gülden 4 alb.
Item 46 soppen jede ad 2 alb. facit 3 gl. 20 alb.
Item als die commissarien von hinnen geritten, bin ich mit denselben
uf Gtilich geritten und inen daselbst ir geld uberliebert; haben M. Martin
und ich dasmal verzert 11 gl. 10 alb.
Item M. Martin von mir dasmal vor zergelt gefordert 2 gl. 18 alb.
Item dasmal in der commission sach an wein gehabt 35 flaschen,
jeder quart 6 alb., facit 35 gl.
Item dem commissario Reutlin und secretario Pottgiesser vor ire
belonung gegeben 36 goltgulden facit 90 gülden.
Item dem licentiato Reutlin vor Verehrung 20 thaler, facit 43 gl. 8 alb.
Item dem secretario Pottgiesser 10 thaler, facit 21 gl. 13 alb.
Item haben dieselbigen, ehe sie zu Richtergen kamen, auf der reisen
verzert ... 17 thaler 7 alb., facit 38 gl. 8 alb.
Item Kumpstoff gegeben 5 thaler, facit 10 gl. 20 alb."
Aber in Jülich wehte für Graft kein günstiger Wind. Darum reichte
derselbe im Juni 1566 eine Klage gegen von Bongart beim Reichskammer-
gericht ein und verwickelte in dieselbe auch den Herzog, indem er behauptete.
Bongart habe sowohl für sich „als auch von wegen austrücklicher ratifikatiou
und befelch des hochgebornen Wilhelmen, herzog zu Gülch neulicher zeit**
angefangen, sowohl in der Herrschaft Schönau wie auf den umligenden
Gütern „neue unerhörte gebot und verbot zu thun, arresta anzulegen, die
— 83 — '
aDterthanen von seinen, Gräften ires angebomen herrn gehorsam abzutringen,
auch abtrag zu heischen** u. s. w. Unterm 7. Juni bestellte er von Duisburg
aus zu seinen Anwälten in Speier die Advokaten und Prokuratoren Georg
Berlingen und Ludwig Stahel. Wegen dieses Prozesses liess sich Kraft
im Jahre 1569 mehrere Zeugnisse über die Rechte eines Herni von Schönau
durch das Gericht ausstellen, die aber nichts enthalten, was nicht schon
aus den früher besprochenen Weistümem bekannt wäre.
Interessanter ist ein Brief des Schultheissen vom 7. Oktober 1568.
Derselbe berichtet über die Brandschatzung der Stadt Aachen durch den
Prinzen von Uranien und gibt Einzelheiten an, von denen sich sonst nichts
findet; auch spricht er von den Verlusten, die Schönau bei dieser Gelegen-
heit erlitt. Er teilt Graft mit „wie die underthanen zu Schönauen grossen
schaden von dem kriegsfolgh erleden haben, aber die halfwinnersch hat
oberaus grossen schaden erleden an ire beisten *, und alles, was sie im
haus gehat iss ir abgenommen worden . . . Vergangen sondag haben vor
der stat Aichen gehalten tussen * zwei und drei dusent von meines g. f. 1.
reuteren und die geistliche geflode* goder daraus gefordert oder
die perschonen . . . . Iro f. g. haben sich sedigen* lassen mit 40000
goltgulden und darzu weiten sie* iro f. g. geschenkt haben 300 müd roggen/
Nach der Niedei'werfung der niederländischen Aufrührer durch Alba
waren viele derselben in die Aachener Gegend geflohen. Einer, Jacob
Kalf von Mastricht, Bürger von Antwerpen, hatte sich im Grünen thal
niedergelassen und dort länger als ein Jahr bei Dieterich dem Wirten zur
Herberge gelegen, als er am 26. Februar 1571 morgens um 4 Uhr durch
die Befehlshaber des Herrn von der Heiden: Vogt, Gerichtsbote und Burg-
graf aufgehoben und nach Heiden geführt wurde. Bei dieser Gelegenheit
wurden etliche seiner Kisten geplündert, der Stall erbrochen, zwei gute
Hengste mit Sattel und Zeug sowie fünf gute Büchsen weggenommen. Der
Bruder des Schultheissen, Edmund von Kichterich, setzte Graft sofort von
dieser „unerhörten und schädlichen handlung** in Kenntnis. Der Gefangene,
berichtet er, solle durch einige, welche in jüngster Zeit justizirt und hin-
gerichtet worden, wegen verübter unredlicher Stücke verklagt sein. Da
beide, der Mann wie die Frau, guten Geschlechts und wohlbefreundet seien,
werde letztere wohl alle Mittel aufbieten, um ihren Mann zu befreien. „Darauf
sie vielleicht auch wol alsbald (dan Bungart sich allerlei indmcht von euer
gnaden befurchten wird) solle gehört werden. Dan so gelt vorhanden, mocht
er wol, ob er schon anders verdient, im beutel gehenkt werden.*' Eine
böse Bemerkung aus der Feder eines Mannes, dessen Bruder Schultheiss
war! Zum Schlüsse fordert Edmund den Graft auf, diesem Eingriffe des
') Vieh.
•) zwischen.
«) geflüchtete.
*) sättigen = befriodicrcn.
•) Der Aachener Rat.
— 84 —
Heideners entgegenzutreten: „want so ime dis nachgelassen und zu gut bleiben
würde, wird unser* und aller euer gnaden armer underthanen alhie, so
sich ime jemals im geringsten widersetzet haben, ubele gew . . .* werden,**
Am 1. Februar 1572 ernannte Graft von Duisburg aus den Stefan
von Richterich, der ihm ebenso wie sein Vater und Ahnherr treu gedient,
zum Schultheissen in Schönau mit 50 Thaler Gehalt, den Qerichtseinkünften,
den Erträgen des Schultheissenamtes und dem zehnten Pfennig aus den
fallenden Brüchten.
Nach dem Tode Craft's gingen die beiden überlebenden Brüder mit
dessen Witwe einen Vertrag ein. Sie hielten denselben jedocli nicht, noch
zahlten sie das festgesetzte Wittum. Dafür schloss Margarethe beide von
ihrem Testamente aus, gab aber den Kindern derselben wie auch denen
ihrer Schwägerin Elisabeth von Wylich je einen goldenen Ring mit einem
Totenkopf als Andenken ^.
e) Dieterich von Mylendunck, Herr zu Mylendunck, Drachenfels,
Reuland, und Gothard von Mylendunck, Herr zu Goer, Fronenbroich
und Meil werden als die Erben der „Meidericher Güter", d. h. der Besitzungen
Grafts II bezeichnet. Am 8. August 1574 empfing Gothard den Eid der
Schönauer, jedenfalls auch für seinen Bruder, denn in den folgenden Jahren
treten beide als Herren von Schönau auf. Eine Rechnung verzeichnet die
Kosten der Huldigungsfeier: 4^» Gulden! Dafür erhielten die Unterthanen
ein Ohm Bier „und etlich brot und keis darzo**.
Während der Monate Juni, Juli und September war Gothard im Gornelius-
bade zu Aachen mit der „ Taghaltung ** seiner Schwägerin von Meiderich
beschäftigt; die Kosten bezahlte der Schultheiss mit 60 Thaler ad 52 alb.
und 6 alb. So viel kostete ein Vertrag, der wie die Witwe klagt, doch
nicht gehalten wurde.
In demselben Jahre beauftragte Dieterich den Richter zu Meiderich,
Herman Krain, von den Stiftern Essen und Werden die Höfe Münster-
hausen und Hesingen zu erheben, so wie „bruder Graft und weiland her
vater Dieterich sie inne gehabt**. Zur Erhebung Münsterhausens ist es
damals noch nicht gekommen, denn am 3. Dezember 1575 forderte die
erwählte Äbtissin von Essen, Elisabeth Gräfin von Manderscheid-Blanken-
heim Dieterich auf, das Gut durch Rückzahlung des Kapitals nebst Zinsen
zu befreien und es in gehöriger Form durch Empfang des Lehenbriefs und
Ausstellung der Reversale zu Lehen zu nehmen, damit sie nicht genötigt
werde, auf grund des Lehnrechts gegen ihn vorzugehen. Das Reversal
Dieterichs datirt denn auch von 1575. Nachdem er gestorben war, richtete
dieselbe eine gleiche Aufforderung am 22. Mai 1576 an seinen Sohn Johann.
Die Brüder leisteten auch Zahlungen an das Kloster St. Maxirain
„uf die resterende Pensionen**. Eine solche von hundert Thaler findet sich
in der Schultheissenrechnung von Warden.
*) Der Richterich. *) Das Wort ist zerstört. •) Richardson, Geschichte der
Merode I, S. 158.
— 85 —
Der Streit mit dem Herrn von Heiden, den die Brüder von Graft
geerbt hatten, wurde unter ihnen nicht nur nicht beigelegt, sondern ent-
brannte noch ärger. Die Heftigkeit, mit welcher Wilhelm von Bongart
gegen die Mylendunck vorging, ist gewiss grösstenteils hervorgerufen
worden durch die Bemühungen Dieterichs die Herrschaft Heiden an sich
zu reissen; Bemühungen, die Wilhelm trotz seinem unbestreitbaren Recht
einen Prozess am Reichskammergericht aufhalsten. Doch ist es sehr zu
bedauern, dass er sich durch Bestreben, auch seinerseits Thatsachen für
seine Gerichtsbarkeit in Schönau aufweisen zu können, zu Grausamkeiten
gegen die wirklich „armen** Unterthanen hinreissen liess, die doch am
Streite der Herren keine Schuld trugen. Es war eben die alte Geschichte:
plectuntur Achivi! Ein Beispiel zur Erläuterung der damaligen Zustände.
Zwei Weiber gerieten in Streit und zerzausten sich „tapfer**. Als einige
Zeit nachher der Mann der einen im Wirtshause sitzt, tritt die andere
herein, beschimpft ihn und sticht dann den auf sie eindringenden mit einem
Messer in Brust und Beine. Die Messerheldin war übrigens schon wegen
ihrer Frevelthaten aus dem Reich Aachen verkürt, d. h. verbannt. Der
Schultheiss verhaftete sie und brachte sie auf das Haus Schönau, wo sie
gefangen blieb, obwohl ihr Bruder sich zur Stellung einer Sicherheit erbot
und die Jüiicher Räte die Brüder Mylendunck mehrfach aufforderten, sie
gegen eine solche zu entlassen. Nun liess Wilhelm den Halfen von Schönau,
der mit der Sache gar nichts zu thun hatte, eines Sonntags nach der
Messe festnehmen und hielt ihn in Heiden gefangen. Dieterich schickte
den Edmund von Richterich, der ihm die Kunde brachte, nach Köln zum
Licentiaten Salzfas, um sich dort Rat zu holen. Dann gab es ein endloses
Hin- und Herschreiben zwischen Jülich, Schönau und Heiden, Befehle der
Jülicher Räte, ja des Herzogs selbst zu gunsten der Gefangenen, aber die
Herren kümmerten sich nicht darum. Bongart liess dem Notar, der ihm
ein solches herzogliches Edikt überbrachte, durch den Burggrafen sagen,
er werde es mit dem Halfen genau so machen wie die Mylendunck mit der
Nes^; komme diese los, sei es mit oder ohne Sicherheit, dann auch jener.
Am 25. August 1575 beauftragte der Herzog seinen Vogt in Eschweiler,
die Cautionen in Empfang zu nehmen, welche Wilhelm von Bongart einer-
seits, die Brüder von Mylendunck andrerseits wegen der Gefangenen „ausser-
halb irem gebeide^ zu thun geneigt**. Aber die Freilassung erfolgte
trotzdem nicht. Noch im folgenden Jahre erging ein neuer Befehl des
Herzogs an Dieterich, und weil derselbe „dem ungeachtet bei seinem unbilligen
furnemen** beharrte, die Aufforderung an Bougart „des Mylendunck auf-
kümsten, gulten, zins, pensioneu, renten, pechten und andere guter**, soweit
er daran kommen könne, mit Beschlag zu belegen.
Bald darauf ist Dieterich gestorben, und Gothard war alleiniger Herr
zu Schönau. Es finden sich noch einige Briefe von ihm vor, die nicht ohne
*) Agnes.
«) Gebiet.
— 86 —
Interesse sind. Am 2. Juli 1570 verbürgte er sich dem Erzbischofe
Salentin von Köln fiir eine Summe von tausend Goldgulden zu gunsten des
aus der Haft entlassenen Mtinzmeisters Peter Bossenhofen. „Nachdem der
hochwirdig fürst und her, her Salentin erweite zu erzbischofen zu Coeln
und churfürsten, herzogen zu Westphalen und Engeren, myn gnedigster her,
Peteren Bossenhofen raünzmeisteren zu Thoirn seiner eingezogener haftong
alhie zom Bruel on einige verletzong seiner ehren und guten leumden
gnedigst erledigt, so haben dessen fruntschaft^ aus eigener freimuetiger
beweguug zu underthenigster dankperlicher erkentlichkeit irer churfürstUchen
gnaden tausend goltgulden oder der wert darvon zu schenken zugesagt
und verheischen, welche obberürte summe gelts ich Goedthart, her von
Millendunck und zu Goer als rechter und warer selbstprinzipal uf und
über mich genomen gleich meine eigene erkentliche schult uf von heut
dri gahr ihrer cf. g. on einige exception, hinderung oder mangel onfelbarlich
zu erlegen . . . Geben zom Bruel den zweiten tag julii anno 1570/
1572, April 9. meldet er von Fronenbroch aus der „durchlauchtigsten
hochgeporenen fürstin und frauen Amelia, pfalzgräfin bei Bhein und chur-
fürstin herzogin in Bayern, geb. gräfln zu Neuenahr und Lymburg", er
habe von ihrem Abgesandten, Herrn Wilhelm von Schonnenperg die Briefe,
ein „vessgen gesalzten wilbräts** und die Anweisung auf 200 Thaler für
den Schönenberg empfangen. Der Herr erhielt das Geld aber nicht; in
spätem Briefen klagt er, er habe die 200 Thaler sehr gut zum Ankauf
von Zeltern für seine gnädige Frau vei-wonden können, wenn er sie gehabt
hätte. Auch beschwert er sich darüber, dass Gothard im Trunk ihn mit aller-
lei Schmähreden übel angefahren habe. Gegen diese Anschuldigung verteidigt
sich Mylendunck mit der boshaften Bemerkung, er habe dem Herrn nur aus
Freundschaft die Wahrheit gesagt.
Einen Blick in sein Familienleben gewährt ein Brief an seine Frau
in Fronenbroch ohne Datum, aber jedenfalls nach dem Tode Grafts n
geschrieben, da es sich um dessen Gut Soiron handelt. „Ich mag eur liebden
gute zeitong nit unangezeigt lassen, wie unser Hergot mir einen bequemen*
man zugeschickt hat, alle dinge zu Soron glimpflich zu erforschen. Er
ist erwünscht herzo und ein man, der dem evangelio ganz ergeben.
Er hat schon vernomen, wie der zehend zo Soron dem hern halb zukumt
und zom geringsten sexich malter spelzen ausbringt, davon nit ein körn
in den rechen Schäften befunden. Ob nun mein swager von Willich mitler-
weil zu euer liebden queme, so wult ime hie von nichts sagen.** Das Ver-
hältnis zu seiner Frau scheint recht gut gewesen zu sein. Er spricht
mehrere Male sein Verlangen nach ihr aus und beteuert, er wäre gern herüber-
gekommen um sie zu begrüssen, wenn er auch gleich wieder aus folgender
Ursache nach Meil hätte gehen müssen. „Dan der pastor daselbsten dem
cüster ein kind nach altem herkomen getauft und unbedechtlich on einigen
*) Freunde.
*) tüchtig, brauchbar.
— 87 —
argwon, wie mir angelangt', gesprochen: ich teufe das kind in nomine
pater et Alias et spiritus sanctus, wuchs nit am sinn und Wirklichkeit
sonder in der latinischer Ordnung gefeit, wilch versprechong * der pastor
nit gestendig. Also ist das lam peflfgen her Lambert zo dem cüster komen
und gesagt: euer kind ist ein heid in der kirchen gebracht und widerom
herausgetragen, dan der pastor hat es nit getauft. Do hat der cüster
begert, deweil es noch heidnisch und nit christisch were, das er her
Lambeit es taufen wul, wuchs dat peflfgen ungiltig gethon, dan es ime
gezimt het, den cüster in dem zo ermanen und abzohalten, ich gesweige,
das er die widertaufung getan haben sol. Wilchs ein sulch geschrei
allenthalben gemacht, das ich ein mirkliches darum geben wul, das es nit
geschehen were, dan ich in sulchen feilen alzeit mer ... ^ als ein anderer
sal leiden müssen.** Gothard sendete mit dem Briefe seiner Frau eine
Dose Ingwer und „appelen von arany enschalen " ^, gegen Pfingstabend wrd
Vestgen nach Fronenbroch kommen und ein Kalb, einen Hammel und ein
Lamm bringen. „Ich werde alle möglichkeit thun um jonge hoener zo
bekomen**. Auch bittet er die Gräfin Isenburg und seine Schwägerin gut
zu bewirten. „Ich hab dem jeger zwelf daler gethon um euer liebden zo
befriedigen**, doch mit dem Bedeuten, er habe dero geschrieben „wohin
sie dieselben von meinetwegen keren sol**.
Gothard ist vor 1579 gestorben, denn in diesem Jahre findet eine
erste Erbteilung unter seinen Kindern statt. Diese hiessen : Agnes, Elisabeth,
Herman Dieterich, Gothard, Graft, Baltasar.
Agnes heiratete am 15. Juni 1590* den Grafen von Hörn. Sie erhielt
zur Aussteuer u. a. auch den „An wachs zu Poll**, worauf später die von
Blanche Anspruch erhoben. Im Jahre 1592 schreibt sie an den Bruder
Herman Dietrich, ihr Mann wünsche, Dierich solle so lange bei Meister
Philips bleiben, bis er (Herman) wieder ins Feld rücke; sie wolle, dass
der Magister den Dierich alles lehre, was er kann, und 1596 teilt sie dem-
selben mit, sie habe schwer an Stein gelitten und werde mit Hermans Frau
nach Spa gehen. Es sei nicht wahr, dass sie ihrßn Schwager mit Hermans
Gütern bereichern wolle, sie und ihr Mann dächten nicht daran. Man rede
davon, dass der Gouverneur von Limburg Viliar (eine Besitzung des
Herman) kaufen wolle.
Gothard erhielt bei der Teilung von 1579 die Herrschaft Soiron; er
starb ohne Erben. Ob der eben genannte Dierich sein unehelicher Sohn
war? Am 13. Juni 1587 dankt Herman Dieterich seiner Mohn von Goer
für ihr Beileid beim Tode des Bruders Gothard. Der mehrfach erwähnte
^) mitgeteilt.
*) Irrtum, lapsus linguae.
^) Die Stelle ist unleserlich. Die Verantwortung für den unwissenden Pfarrer fiel
auf den Patron zurück, der als Calviner in besonders unangenehmer Lage war.
*) Orangenschalen.
*) Datum der Heiratsverschreibung.
/
— 88 —
Erbvergleich wurde am 6. Juli 1579 geschlossen. Derselbe ist unterzeichnet
von Herraan Dieterich, Wilhelm von Braunsberg, Dieterich von Wylich
und Dieterich von Mylendunck^, dann noch von Agnes und Elisabeth von
Mylendunck. Nach einem notariellen Auszug vom 11. August 1611 bestimmte
der Vertrag: Da genannte Herren als nächste Verwandte und Freunde
aus erheblichen Ursachen nicht für ratsam befinden, dass die Brüder in
gemeinsamem Besitze der elterlichen Güter bleiben, so haben sie mit Ein-
willigung des ältesten Sohnes Herman Dieterich zwischen ihm und seinen
Brüdern also geteilt.
Herman Dieterich erhält das Haus Goer mit der hohen und niedern
Gerichtsbarkeit, mit Büschen, Wäldern, Feldern, Heiden, Fischteichen,
Mühlen, Ackerland, Höfen, Benden, Weiden, Baumgärten, Zinsen, Pachten;
sodann Neer, Eoggel, Buggenheim; die Herrlichkeit PoU und Panhedell
mit Mühlen und allen Gütern; den Hof Hastenbaur im Amt Montfort
gelegen; die Hoheit und Herrschaft Meil samt der Pleien und das Gut zu
Suillen mit allen Einkünften, Abnutzungen und Pertinentien.
Dagegen erhalten die drei anderen Brüder Gothard, Graft und Baltasar
die vier Herrschaften Fronenbroch, Soiron, Schönau und die halbe Ward
mit dem Hofe Niedermerz, die Rupperger Höfe mit allem Ackerland unter
Wachtendunk gelegen, die Schwalmer Höfe zu Wanlo, alle den Herrlich-
keiten und Gütern anklebende Gerechtigkeiten, Holzwachs, Wälder, Felder
Heiden, Ackerländereien, Baumgärten, Weiden, Benden und alle anderen
Pertinentien.
Gothard starb 1587 und Baltasar, der jüngste der Brüder, wurde
1590 münüg. Nun schlössen die drei überlebenden einen neuen Vertrag
über des Verstorbenen Erbschaft, aus dem wir noch einige Punkte des
früheren Vergleiches kennen lernen, die im vorstehenden Auszuge nicht
enthalten sind.
„Als und nachdem vor etlichen verflossenen jaren zwischen denen
edlen und wolgeporen herren Wilhelmen von Braunsperg, hern zu Borg-
brol . . ., Dederichen hern zu Milenduuck und Drachenfels gotsieliger gedacht
und Dederich von Wylich, hern zu Dysfort als negst gesipten angeporn
verwanten und vormundern dero auch edlen und wolgeporen hern Gräften,
Godharten gotsaliger und Baltazam geprüderen heren von Mylendunck,
herrn zo Fronenbroch, Zouron, Schonawen und zur Warden eines- und des-
gleichen edlen und wolgeporen herrn Herman Diederichen hern von Mylen-
dunck, hern zu Goer und *Meil anderteils eine erbliche immerwerende
fruntliche bruderliche erbscheidung und vergleichung dero elterlicher nach-
verlassenschaft halber beramt aufgericht inge williget auf- und angenomen
worden, darinnen under anderen deutlich begrifl'en und vermeldet, dass
obgemelter her zu Goer und seine erben gesagten dreien hern geprüderen
^) Ältester des oben besprochenen Dieterich von Mylendunck-Drachenfels. Er starb
1584; sein Bruder Jobann folgte ihm in der Herrschaft Mylendunck. (Syllabus.)
— 89 —
zu Fronenbroch, Zooron und Schonauen und ire erben alle und jeglichs
jars aus seinem zugeteilten erbpatrimonial kindsgeteils eine namhaftige
somma von pfennongen erstatten und zalbar machen solle: und dan volgents
darnacher angedeuter Goddart her zu Zouron, der zweiten broder, in den
Hern mit dot abgescheiden, dohin sein anererbet erbpatrimonial kindgeteils
auf seine vurschreven . , . drei geprüdern ... in der proprietet ererbet
und gleichwol er, Herman Diederich, vorgesetzte somma von pfennongen
... zu verrichten schuldig geplieben ... so haben sich desfals heute
oftgemelte drei hern fruntlich lieblich und bruderlich under einanderen
vereinbaret vergleichen und verdragen, dass vorbestimte . . . somma von
pfennongen . . . soll vor zalbar gemacht abgeschaft und hiemit gedodet
und gedempt sein und pleiben. Dagegen sich dickgemelter her von Goer
vor sich, seine erben und nachkomen . . . aller und jeglicher zum dritten
teil an der herschaft Zouron anererbter und zugefalner gerechtigkeit ganz
und zumal hiemit begeben und entschlagen und dieselbe auf beide seine
geliepten brodern transportirt übergeben und uberdragen hat . . . Was
aber durch die drei vorbenente hern . . . allenthalben beiderseits bis anhero
genossen und empfangen, soll imgleichen hiemit abgeschaft gedodet und
gedempt sein und pleiben. Des sollen mehrgedachte zwei hern Graft und
Baltazar gehalten und verbonden sein, die naturliche dochter des abgestorben
hern oheimen Gräften heren zo Meiderich . . . ires zugedingten und ver-
sprochen heiligs pfennong halber allein zu contentiren und zu befredigen;
dagegen soll denen vurschreven zweien hern geprüderen auch allein die
bis anhero in der herschaft Zouron erfallen . . . gülden, Zinsen, renten,
pachten . . allein competiren . . . Actum auf dem schlos Milendunck am
26 julii stilo reformato . . . 1591.
H' Dether von Milendonck h. z. G. mpp. Krafft her von Milendonck.
Balthasar her von Milendonck. Johans her zo Milendonck.**
Die „somma von pfennongen**, welche Herman Dieterich seinen Brüdern
hätte auszahlen sollen, bestand aus 262 Thaler 18 Stüber jährliche Zinsen
oder 5252 Thaler Kapital; aus einer jährlichen Rente von 100 Goldgulden
wegen dt^r Pleyen, und aus einer einmaligen Zahlung von 400 Thaler wegen
der Mobilien des Hauses Goer. Weil Herman seinen beiden Brüdern die
Herrschaft Soiron ganz überliess, verzichteten diese auf das bare Geld und
übernahmen noch die Aussteuer ihrer unehelichen Base.
Die Vormundschaft hatten die Herren von Braunsborg und von Wylich
geführt. Letzterer lag im Oktober 1584 acht Tage im Aachener Gornelius-
bade zur Herberge um mit dem Maier von Soiron sowie den Schultheissen
von Schönau und zur W'arden Rechnung zu halten. Er „verzehrte** 25
Aachener Thaler ad 26 Mark und 10 Albus und „vertrank** 19 Gulden
10 Albus. Für die Pferde, die in der Herberge zum Klotz standen, wurden
3 Gulden 12 Albus bezahlt. Den ganzen Betrag sollte der Schultheiss
von Schönau in die nächste Rechnung bringen.
— 90 —
Im August desselben Jahres hatte Gothard bei Paulus Garzweiler in
Aachen 31 Aachener Thaler 12 Albus verzehrt, die ebenfalls aus den
Schönauer Einkünften bezahlt werden mussten.
Der Herr von Braunsberg bezog aus Meiderich Jahrgelder, wahr-
scheinlich als Mitgift seiner Frau. In den Rechnungen des Wardener Schult-
heissen, Simon Nobis von Linnich, aus den TO®*" und 80®*" Jahren, welche
teilweise noch von Gothard unterschrieben sind, findet sich der Posten:
„Zu zalung der Pensionen, so dem hern zu Burgbroel zu maii aus den ver-
lassenen güteren des hern zo Meiderich selig gefallen, laut der quitanz
geliebert 100 bescheiden goltgulden ad 9 gl. 2 alb. Noch 20 aide engeletten
ad 6 gl. 4 alb., darzu 8 aide richsdaler ad 11 m." Herman Dieterich,
gewöhnlich Herman Dieter genannt, Herr zu Goer, Pesch, Meil, Poll,
Panhedel, Viliar, Andrimont und Brunau hat zwar mit Schönau weiter
nichts zu thun, aber seine Geschicke sind der Aufzeichnung wohl wert.
Um jedoch die Geschichte Schönaus nicht zu lange zu unterbrechen, ver-
Aveisen wir die Darstellung seines bewegten Lebens in den Anhang. Bei
der Erbteilung zwischen seinen beiden jungem Brüdern wurde
f) Baltasar von Mylendunck Herr zu Hüls, Warden und Schönau
(1590 — 1629). Er empfing die Huldigung in letzterer Herrschaft „ad instar
maiorum" im Jahre 1590. Die Rentraeisterrechnung sagt: Item bei Gillissen
im beer verzert worden, als min her zu Schönau gehult worden: 22 gl.**
Sein Bruder Graft, der 1617 starb, ist jedoch Mitherr gewesen, wie aus
manchen Thatsachen hervorgeht.
1589 befand sich Baltasar im Corneliusbade zu Aachen. Die Rechnung
bietet einiges Interessante. „Den 4. februarii iss mein her Baltasar von
Milendonk sein edel leifden heir ankomen des soterdach zo morgen und
strack gebat und in't bat ein kan wins und ein pot beers. Noch 1 molzit
vor min her und 2 molzit vor die knecht. Des noemidachs, do der Schröder *
hei was, des heren van Fronenbroch sein koller zo schneiden 5 pot beers.
In't bat vor mein her 3 pot beers, in't bat vor Hansen und die zwei anderen
9 pot beers. Des sondachs zo midach 2 molziten vor menher und 1 molzit
vor Hansen. Dinstach als mein her van Sorron quam, strack gebat und
2 pot beers gehat. In't bat 2 pot beers und Hansen 3 pot beers. Goes-
tach zo morgen 1 kann wins in't bat vor mein her und die zop vor
Hansen 4 stüber. Noch des nomidachs 3 pot beers. Des ofens * 2 molziten
vor mein her und 2 kannen wins die kann 7V2 nierk." Mit Ausschluss des
Hafers für die Pferde, den der Schönauer Schultheiss lieferte, betrug die
Wochenzeche 13 Thaler IV2 M.
1594 hatte Baltasar mit seinem Bruder Craft das „putzbat** bei dem-
selben Wirte 80 Tage lang inne; das kostete täglich einen Thaler. In
dieser Zeit nahmen die Brüder mit ihrem Rentmeister Vietwigh und mehreren
*) Schneider.
') abends.
— 91 —
adligen Herren 341 Herrenmalzeiten 4 10, die Knechte 230 Dienennahlzeiten
i 6 Buschen ein. Auch ein Soldat, Derich van Ham, badete daselbst auf
Kosten Baltasars.
Der in der ersten Rechnung genannte Herr von Soiron war Graft III.
Die Herrschaft wai- ihm nach dem Tode des älteren Bruders Gothard
zugefallen; er verkaufte dieselbe bereits im Jahre 1591 an den kölnischen
Hofrat Carl Billeus und bevollmächtigte Baltasar, das Gut dem Käufer
vor dem Limburger Lehenhofe zu übertragen.
Beide Brüder waren stetig in Geldnot. 1591 lieh Baltasar von dem
Wirte im Comeliusbad, Simon Hausen, 100 Thaler; bis zum Jahre 1604
war er demselben an geliehenem Gelde, Logis, Kost, Wein und Badegeld
988 Thaler 24 Mark 8 Buschen schuldig; 1605 versetzte er der Witwe
desselben, der er noch 483 Thaler schuldete, eine Jahrrente von 19 Fass
oder Summer Roggen, 7 Kapaunen und 7 Schillingen, wodurch die Zinsen
von 250 Thaler gedeckt werden sollten. Den Rest versprach er zu zahlen
oder in ähnlicher Weise zu sichern.
1612 hatte Baltasar dem Peter Startz, Wirt in der Windmühle früher
Zum Goldenen Verken in Aachen 2 Morgen Ackerland ^von den elf morgen
in der delle im Richterger feld" für 145 Aachener Thaler k 26 Mark ver-
setzt; aber schon 1615 war er demselben 1027« Thaler für Fleisch und
122 Taler für 348 Quart Wein schuldig, den Graft für sich und eine Juffer
Peil hatte holen lassen. Der Wein von dem das Quart 9 Mark kostete,
war in fünf Monaten verbraucht worden. Folgen dieser Misswirtschaft waren
fortwährende Verpfändungen und Verkäufe von Renten und Ländereien,
deren sich aus dem Schönauer Archive allein fast ein Dutzend für die
Jahre 1605 — 1619 nachweisen lassen. Auch die Schwalmer Höfe sind
damals an einen Junker Bruin verkauft worden.
Das edle Haus Mylendunck war in argem Niedergange. Darunter
litten auch die armen Unterthanen. Um die drängenden Gläubiger zu
befriedigen und an Geld zu kommen, missbrauchte Baltasar seine Gewalt
selbst in unmenschlicher Weise. Einige Beispiele:
1593 schlugen sich im Wirtshause an die Kreuzer Erk Nacken und
Clas von der Wehe aus dem Aachener Reich. Dabei nannte des Nacken
Weib den Clas einen Dieb, der ihr eine Kuh gestohlen habe, worauf Clas
mit einer gemeinen Beschimpfung antwortete. Der anwesende Schultheiss
Hess „um seines gepietenden herrn interesse willen** die Sreitenden bis zum
Austrag der Sache in Eisen legen. Er fand, dass der Vorwurf des Dieb-
stahls unbegründet sei, und da beide Parteien für ihr Erscheinen vor
Gericht Bürgen stellten, entliess er die Gefangenen. Drei Monate nachher
erschien Dries Ortmans, der Wirt an die Kreuzer, vor den Schöffen und
erklärte, es seien bei Verhandlung dieser Sache in seinem Hause vor und nach
33 Thaler 21 Albus verzehrt worden, wovon die Compromissarien dem Clas
ein Drittel, der Ehefrau Nacken zwei Drittel auferlegt hätten. Weil aber
— 92 —
Nacken nur 10 Thaler bezahlt habe, fordere er Exekution für den Rest.
Das Gericlit sprach dieselbe zugleich für die entstehenden Kosten aus.
Man pfändete darauf dem Nacken acht alte Tonnen, zwei Brandröster,
einen hölzernen Trichter, ein Spannbrett, eine Braugaflfel, eine Pinte Heu
„die doch gemessen werden soll** und dergleichen mehr; alles zusammen
wurde auf 26^2 Thaler angeschlagen. „Darauf die exekution beschehen.
Und seind dieses tages uncösten mit den gerichtskösten gerechnet ad
8 thaler 20^4 mark**. Die Ohrfeige kostete demnach dem Nacken fast
45 Thaler. Man denke sich diese Summe bei dem damaligen Geldwerte:
das war nicht mehr Justiz sondern Schinderei. (Forteeteang folgt.)
Kleinere Mitteilungen.
1. Aktenstücke ans dem Aachener Stadtarchiv.
(1795—1805.)
Im 3. Jahrgang S. 65 ff. dieser MitteiluDgen hat 0. Wacker eme Abhandlong
über „Die Bevölkerung Aachens seit dem Ausgange des vorigen Jahrhunderts*^ veröffent-
licht. Er hat darin durch Feststellung des Verhältnisses der Gesamtbevölkerung zur Geburten-
zahl, die uns überliefert ist, erstere für das Jahr 1781 auf 21 000 Einwohner berechnet.
Die erste amtliche Volkszählung bringt er für das Jahr 1799. Sie wurde von der fran-
zösischen Zentralverwaltung vorgenommen und ergab 28 699 Einwohner. Nachfolgende
Statistik, die nicht nur über die Bevölkerung der Stadt, sondern auch des Reiches Aachen,
sowie über den Viehbestand in beiden, Aufschluss giebt, stammt aus dem März des Jahres
1 795 und liefert einen schätzenswerten Beitrag zur Bevölkerungs- und Wirtschaftsgeschichte
dieser Stadt und ihres ehemaligen Gebietes.
Stadt Aachen . .
Würseler Quartier
Weidener „
Haarener „
Berger „
Sörser „
Vaolscr „
Orsbachcr „
Glockenklang „
AachenerHeide -
Menschen
23418
2684
1719
1203
}
913
474
303
393
402
31504
Pferde
Kühe
152
372
192
397
82
349
86
290
171
513
91
202
58
123
74
280
68
195
974
2 721
Rinder
6
46
89
66
193
32
23
15
54
524
Nicht uninteressant dürfte vielleicht nachfolgende Probe des amtlichen Schrift-
wechsels aus der Zeit der Fremdherrschaft sein. In der Heftigkeit und Schärfe ihrer
Ausdrucksweise spiegelt sie so recht den erregten Charakter der damaligen, durch
Tbikanen aller Art gequälten und durch beständige Anspannung aller Kräfte bis zur
Erschöpfung in Anspruch genommenen Beamtenwelt wieder.
Freiheit. Gleichheit. Verbrüderung.
Aachen, den 11. Prairial 3. Jahr der Republik. (30. Mai 1795.)
Die Gülich-Aachensche Bezirksverwaltung an die Munizipalität zu Aachen.
Mitbürger!
Unterm 7. dieses ist euch eine Requisition zugegangen, vermög welcher ihr auf
der Stelle acht doppelspännige Karrigen aufl>ieten und unfehlbar unter Straf militärischer
— 93 —
Exekution bieher einschicken solltet; dieser unserer Aufforderung seid ihr mit sträflicher
Verachtung begegnet, massen bis heute nur eine erschienen ist. — Wenn wir nun der-
gleichen Saumseligkeit, wodurch der Dienst der Bepublik nicht allein, sondern auch alle
gute Einwohner, die noch etwas Fourage haben, leiden müssen, nicht zusehen wollen
noch können, so fordern wir euch nochmals, und zwar zum letzten Mal hiemit auf, die
annoch rückständige Karrigen inner 24 Stunden nach Erhalt dieses um so gewisser bic-
hin zu stellen, als gar keine Entschuldigungen angenommen, und ihr im Ausbleibungsfalle
gefänglich eingezogen und auf Wasser und Brod, bis dahin diese Bequisition befolget
sein wird, eingefordert werden sollet.
Heil und Verbrüderung.
Jungbluth, Präsident.
Merckelbach, Secretarius.
Darauf erfolgte nachstehende, abschriftlich erhaltene Antwort:
Aachen, den IS. Prairial 3. Jahr der französischen Bepublik. (1. Juni 1795.)
Da wir den Ausdruck oder vielmehr die Drohung von Einkerkerung auf Wasser
und Brod ersahen, glaubten wir uns auf einen Augenblick in den Zeiten des Despotismus
zurück, wo zufolg Erzählung unserer Nachbaren im Julicher Lande der despostische
Vogt seine Unterthanen nach seinen Gefallen, wenn sie seine Küche nicht sattsam spickten,
drohete und drückte, denn wir als freie Bürger kannten und ertrugen solches nicht und
wollen es auch jetzt nicht ertragen. Kerker auf Wasser und Brot ist Dieben und fraude-
leusen Banqueroutieren, nicht aber Munizipalen, die ihre Pflichten erfüllen, geeignet.
Übrigens scheint Eure Drohung nicht aus dem schätzbaren Werke les droits de Thomme,
noch aus den Qesäzen der französischen Bepublik, sondern aus der Geschichte eines
türkischen Bassa, oder welches auch der Fall sein dörfte, eines Bobespierres en mignature
hergeleitet zu sein«
Da nun das Begimeut Bobespierres en grand ein Ende genomen, so leben wir der
Hoffnung, auch jenes des Bobespierres en mignature erlöschen und nur das Gesäz einer
aufgeklärten und Despotism verabscheuenden Nation herschen zu sehen. Auf dieses
Gesäz berufen wir uns, nach diesem wollen wir behandelt und gestraft sein, wenn wir
nota bene gefehlt haben und mutwilliger Saumseligkeit oder Nichtbefolgung Eurer uns
im Namen des Gesäzes aufgetragenen Bequisitionen überführt sein werden; weilen wir
aber überzeugt sind, in betref der zu stellenden fraglichen Karren mehr als unsere
Schuldigkeit . . . gethan zu haben ... so werden wir nicht ermangeln, uns über diese
niederträchtige Behandlung gehörigen Orts zu beklagen. Wir wollen uns indessen der-
gleichen Drohungen wohl ausdrücklich verbeten und glauben, dass sich jede konstituirte
Gewalt durch arbitraire und despotische Behandlung selbst entehrt, ebenso steht selbige
unter der Zentralverwaltung. Wir vermuten aber, dass solche sich deswegen nicht von
dieser als Schlaven behandeln und bedrohen lassen wird, besonders wenn sie ihrer Pflicht
Genüge geleistet zu haben glaubt, und wir als Munizipalität von Aachen sind in Bück-
sicht der Distriktsverwaltung völlig gleicher Meinung.
Heil und Verbrüderung.
J. C. Bock, Präsident. Startz, Mpal. Vietoris, Mpal.
J. P. Kolb, Mpal. (Munizipal). Pelser, Mpal. Houbben, Mpal.
Dauzenberg, Commissaire de Baumhauer, Mpal.
Police et Mpal. Burenkoven, Mpal.
Decker, Mpal. Pcuschgens, Mpal.
Das von Quix herausgegebene „Wochenblatt für Aachen und Umgegend** berichtet
nach den Notizen eines Augenzeugen in Nr. 137 vom 12. Dezember 1837: „Am 80. Dezem-
ber (1794) fand hier das Fest über die Eroberung Hollands statt . . . (Folgt Beschrei-
bung.) Als die Musik zur Strophe kam Porissent les tyrans, perisse leor memoire stieg
— 94 —
der Präsident (der Zentralverwaltung) von dem Altar mit einer brennenden Fackel in
der Rechten und zündete einen von der Munizipalität angerichteten Scheiterhaufen von
aus den öffentlichen Gebäuden und den Hänsern der Emigrirteu genommenen Feudalzeichen,
pergamentnen Denkmälern, Adelsdiplomen und Urkunden an . . .*'^)
In Nr. 22 vom 20. Februar 1839 desselben Wochenblattes lesen wir: „Am 28. Februar
1795 wurde hier ein grosses Btirgerfest gefeiert über die Fortschritte der französischen
Armee, bei welcher Feierlichkeit wieder ein Scheiterhaufen angezündet wurde, auf welchem
Zeichen der vormaligen Feodalität, Pergaraente-Adelsurkunden und dergl. gehäuft lagen,
die mitverbrannten . . .*'^ Nach diesen dem Geist der Revolution dargebrachten Brand-
opfem beschloss die Zentralverwaltung der Länder zwischen Maas und Rhein, die in Aachen
ihren Sitz hatte, am 5. April 1795 die Aufhebung aller Vorrechte des Adels und der
Geistlichkeit; diese beiden Stände sollten fortan alle Staatslasten tragen wie der dritte
Stand. Über die Art und Weise, wie man der Adels- und Lehnbriefe habhaft geworden
war, belehrt uns folgendes Aktenstück vom 9. Februar 1795.
Liberty, £lgalitd, Fratemitä.
Administration-centrale du pays d'entre Meuse et Rhin. Extrait du procös- verbal
des deliberations de l'administration-centrale du pays d^entre la Meuse et le Rhin, cn la
seance publique du 21 pluviose 8. ann6e republicaine, ä laquelle ont assist^s les citoyens
Simeon vice-president, Goldbek, Vossen, Petitbois, Schmit, Kempis, Jacobi, Clermont, Huberty
et Decamp, Substitut de Tagent national.
L^administration-centrale sur la proposition d*uu de ses membres oui le Substitut
de Tagent national a arret^ et arrete.
Art. 1.
La mnnicipalit^ d^Aix fera faire des visites domiciliares receuillir tous les signes
feodeaux ou parchemins et letres de noblesse qui pourraient encore exister dans la
commune d'Aix et les fera trausporter au comit^ de surveillance.
Art. 2.
A ce sujet eile s'ajoindra 2 membres du comitö de surveillance.
Art. 8.
Elle rendra compte sous trois jours a Padministration-centrale du resultat de ses
recherches.
Art. 4.
Copic de la presente sera envoy('*e a la municipaliU^ d*Aix et au comitö de sur-
veillance.
Sign6 au registre Simeon vice-president etc. et scell<5 du scelle de Padministration-
centrale.
,a' I . o u j 1 ^ Sinsteden, secretaire,
(Siegel in Schwarzdruck.) ^ . ,. .
General-adjomt.
*) Clemens Theodor Porthoa, Politiacho Zustünde and Personen in Dontachland zur Zeit
der französischen Ilorrschafb S. 142.
*) Vergl. 3. Jahrgiuifi; S. ßl ff. dieser Mitteilungen: ^Eln ropublikanisohes Siegesfest in Aachen."
(C. Wacker.) — Eine handschriftliche Chronik des hiesigen Archivs, die die Jahre 1776—17^7 umfasst,
aber leider nur lückenhaft erhalten ist, bringt tiber die Vorgüng« am 2H. Februar 1795 folgende Xotie:
„Februar 28, ist in den eroberten Län<ler zwisohen Maas und Rhein ein BUrgerfest gehalten worden,
welches hier auf folgende Art gehalten wurde. Morgens 1> Ubr begaben sich alle flewalt*»n mit ihren
Fahnen nach dem RtMlontcnsaal, der Sitz der Zentralverwaltung, allwo von dem Präsident eine Rede
von den Fortachritten der republikanischen Wnlfen, von den Siegen in Holland, von den Nutzen und
Vorteil, den wir davon hoffen könnton, gehalten worden; alsdann ging der Zug unter Lautung aller
Glocken über den Kapuzinergraben, durch Kleinmarschierstrass nach dem Markt, wo der Vaterlands-
altar errichtet war. Die Knaben von 8 bis 12 Jahren trugen eine Fahne mit der Inschrift „Hoffnung
des Vaterlandes", die Jünglinge eine Fahne mit der Inschrift „Stütze der Freiheit", die Ackerslente
mit der Inschritt. „NUhrvater des Staates", die Bürger und Burtscheider mit der Inschrift „alle Menschen
sind frei gelmren." Damach folgten die Stadt musikanten, verschiedene Departements, die militairiBohe
Musik, di«' Zentral Verwaltung und dor Stnb. .\ls der Zug allda ankamon, erstieg Bürger Vossen die
Bühne, hielt eine lange Rede von Vertilgung der Tyrannen, von Süssigkeit der Freilieit, von Nach-
— 95 —
Durch Dekret rom 5. Oktober 1793 fahrte der franzSsische NationalkonTent den
Beyolntioiis-Kalender ein, der wohl deshalb, weil er auf , philosophischen Prinxipien*
beruhte, so Tortrefflich ereeignet war, in Tielen Köpfen eine gründliche Verwiming anzu-
richten, flin Ton Napoleon erwirktes Senatsdekret vom 9. September 1805 schaffte die.$es
Monstrum Ton Zeitrechnung aus der Welt. Er verdiente sich dadurch besonders den
Dank aller Historiker, die auf dem Gebiet der Chronologie durch ganz merkwürdige
Leistungen des menschlichen Scharfsinns ohnehin mehr als nötig geplagt werden. Das
freudige Ereignis der Wiedereinführung des altgewohnten Gregorianischen Kalenders
wurde den Aachenern am 19. Dezember 1805 durch folgendes ^AtIs* bekannt gegeben.
Pour r^gulariser le passage du calendrier actuel a celui gr§gorien, qui doit ^tre
suiTi k dater du premier janrier 1806, correspondant au 11 niTöse an 14, les registres,
jotumaux, sommiers, livres de recette et de depense, au lieu d'^tre arr^t<^s le 30 de co
mois, ne le seront qu'au 10 nivöse; de mani^re que les ^tats du mois de frimaire courant
eomprendront 40 jours d*exercice. Tous les bordercaux et objets de eomptabilit^ seront
6ta.blis d*apr^ cette base.
Aix-Ia-Chapelle, le 28 frimaire an 14.
Le conseiller dVut, p«^fet du d<^partement de la Roor.
Laumond.
Aachen, W, BntmM^.
2. Veranstaltiuig von Maskenbällen bei festlichen (xelegenheiten
im vorigen Jahrhundert
unter den festlichen Veranstaltungen im Jahre 1748 zu Ehren der aus Anlass des
Friedenskongresses versammelten Gesandten erw&hnt der Chronist Janssen (bei von Fürth,
Beiträge und Material zur Geschichte der Aachener Patrizier-Familien Band III, S. 161)
auch eines Maskenballes mit den Worten ,Am 16^"" 7^^ wirdt aufin Stadthaus ball masqu6
gehalten**. Es scheint hiemach, dass Maskenbälle bei ausserge wohnlichen Gelegenheiten
einen Teil der festlichen Veranstaltungen bildeten, denn auch bei Anwesenheit des Prinzen
und der Prinzessin von Oranien hierselbst im Jahre 1776 wurde dem Robert Brammertz
erlaubt, seinen Saal zu diesem Zwecke herzugeben. Es ergiebt sich dieses aus einer
Niederschrift in dem auf dem Stadtarchiv beruhenden „ProtokoUum Maioriae extraordi-
narium 1748—1785", die also lautet: Jovis, 27. Junii 1776. Referirte wohlregierender
herr burgermeister freyherr von Wylre, daß gestern gegen abend der majoriae secretarius
Schultz von wegen hcrm vogtmajom freyhcrm von Geyr zu ihm gekommen und, nach
geschehener vertragmäßiger Verkündigung, daß auf heut zum ehrengeleit der dahior
eintreffenden prinz und prinzessin von Oranien durchlauchten eine pfälzische corapagnie
grenadier zur Stadt einrücken würde, das ansuchen getban hatte, daß die herren burger-
meister dem Robert Brammertz dahier erlauben möchten, wegen solcher eintreffung morgen
den 28. dieses abends auf seinem saal einen bal masqu^ zu halten: worauf dann
folgende erlaubniß ertbeilet worden : Auf durch den majoriae sceretarium Schultz nahmena
des herm vogtmajom freyherm von Geyr bey woblregicreuden hcrm burgcnneistcrn
geschehenes belangen, gestalten morgen den 28. dieses am abend auf des Robert Brammertz
saal einen masquirten bal zu halten, als wird dem besagten Brammertz hiemit erlaubt,
darzu seinen saal herzuleihen.
Signatunu Ex mandato
J. Couven, secrotarius.
lasa ein Teil der Kontribution, und darnach warde vom Präsident der Zentralverwaltung ein Sobeiter-
hänfen angezündet, worauf etliche Adols-Urkundeu verbrandt wnnlen, und so wurden diese Narrheiten
beschloiiseu. Die umliogüuden Ortoru mussten hieher boriohteu, aufweiche Art sie dieses gehalten htttten."
— 96 —
3. Zur Geschichte des Kreuzherren-Klosters.
In der Zeitschrift „De Maasgouw'' finden wir in Nr. 3, Jahrg. XVIII, in einem
Aufsatze von Dr. Doppler über das vormalige Krenzherreu- Kloster zu Maastricht auf
zwei Mitglieder der hiesigen Kreuzherren bezügliche Notizen, die hier folgen, weil die
Zeitschrift weniger bekannt sein dürfte und unsere Kenntnis bezüglich der hiesigen
Kanonie der Kreuzherren eine geringe ist. „Michael van Testelt (van Thestel) was de
eerste prior van het klooster; zijn eerste medehelpers waren: Servatius van Hasselt,
Martinus van Leyden, Hendrik van Alost; deze laatste ging later uaar het klooster te Aken.
Johannes Clocker, geboren te Aken, trad aldaar in het klooster zijner orde; hij
werd prior te Maastricht; deze waardlgheid legde hlj na eenige jaren neder, verstigde
zieh daarua wederom in het klooster te Aken, alwaar hij nog lange jaren supprior was.
4. Anordnung einer Prozession durch den Rat.
Die nachstehende „Verkundung einer gemeiner proceßion nfif st. Bochi * tagh anno
löaS*^, die „am sondach den 7 dag Augusti** erfolgte, und deren Urschrift sich im hiesigen
Stadtarchiv in den Akten „Prozessionen" befindet, ist von besonderem Interesse um des-
willen, als die weltliche Behörde, der Rat, die Veranlassung zu derselben gab.
Her pastoir wilt dem gemeinen folk verkundigen und ansagen, wie ein ersam rath
dieser stat zu Ehren des Almechtigen, auch zu aifwendung Gottes zoms für rathsam und
gut bedacht, dat mau nechst künftig dinxtag oever acht dag, nemlich uff sanct Rochi
dag eine gemeine prozession mit innerlichen treuweu hertzen und demuttiger furbit mit
der gantzer cleriseien halten sali, dar zo einen jgligen fleissig ermanen, gegen gemelt«n
dag mit bichten und untfangung des hogwerttigen heiligen sacramentz sich zu bereitten
und innichen für zu nemmen und zu dein.
•) Vgl. auch über die Prozession am St. Rochi Tag, Nopp, Aacher Chronick, Ausg. von 1Ö43, S. 8b.
5. Fleischverkauf in der Fastenzeit
Die „Revidirte Ordnung über Haltung der Sonn- und reyer-Tägen** vom 18. Juni
1731 bestimmte in Nr. 6 bezüglich des Fleischverkaufs: Die fleischheuer, wie imgleichen
die tripiers oder penserien verkäuffer, sollen auff allen geraeinen sonn- und feyer-tägen
allein biß 8 uhreu vormittags, absolute aber länger nicht in denen öffentlichen fleisch-
hallen feyl haben mögen, in ihren privat häußeren jedoch das fleisch zu vcrdebitircn, solle
ihnen nicht benommen seyn, sondern freystehen; als viel aber die hohe festtägen und vor-
nembste festivitäten betrifft, als nemblich Ostern, Pfingsten, Heilig-Sacraments-Dag, Mariä-
Himmelfahrts-Dag, Allerheiligen, Christag und Liechtmeß-Tag sollen die fleischheuere und
tripiers auff diesen tagen ganz und gar nicht, sondern nur allein auff dieser festivitäten
abeuden oder vigilien öffentlich feyl haben und verkauffen mögen; inmassen dan auch
auff denen fasttägen und wan man sich deß fleischspeisens enthaltet, wie weniger nicht
in der viertzig tägiger fastenzeit, ihnen ein solches allerdings verbotten seyn solle. Diese,
das Gewerbe der Fleischer schwer schädigende Bestimmung veranlasste die Greven und Vor-
steher ihrer Zunft dieserhalb vorstellig zu werden, worauf die Herren Beamten am
11. Februar 1750 (Beamten-Protokolle Bd. L) beschl(>ssen : Auf anstehung hiesiger Griefen
und Vorstehern der fleischheuerzunft haben herren Burgermeistern und Beambten zu-
gestanden, daß wehrender dieser faste nszeit die beyde fleischhallen des Montags, Diens-
tags, Donnerstags und Samstags morgens bis 11 Uhren sollen eröffnet und das fleisch
öffentlich verkauft werden mögen, übrigen tagen aber nicht.
Aachen. M, Schollen,
Dbixk von Hkumann Kaatxek in Aachek.
Jährlich 8 Nnminern Ko mm issiona -Verlag
i. 1 Bogeu Royal Oktav. ^"
„ . , , , Cremer'schen Buchhftndlnntr
Preis des Jahrgangs ^^ ,„1,^
4 Hark. in Aachen.
Mitteilungen des Vereins für Kunde der Aachener Vorzeit.
Im Auftrage des Vereins herausgegeben von H. SobSOOk.
Nr. 7/8. Neunter Jahrgang. 1896.
Inhalt; H. J. Gross, Sehänan (Fortsetzung). — J. Fey, Der Maler Johann Adam Ebcrle. --
Bericht über das Vereinsjabr 1895—1896.
Schönau.
Von H. J. Gross. (Fortsetzung,)
Die „gepietenden herren" entblödeten sich nicht grade heraus zu sagen,
wozQ ihr ^Interesse" verwendet werde. Man lese folgenden Fall, Dam
von Souren aus Laurensberg im Aachener Reich heiratete ein Heidener
Mädchen und Hess sich in Kichterich nieder. Unter dem Vorgeben, er
habe seine Schwägerin geschlagen, einen Schöffen gestochen und Klagen,
die nach Scliönau geliörten, vor das Heidener Oericht gebracht, Hess
Baltasar den Dam am 20. April 1598 „abends zwischen tag und nacht"
durch drei Diener „Conrad der ein röhr, Tilman der einen halben spiess
und Apfeldorn der ein röhr und einen dolch trug", in seinem Hause greifen,
nach Schönau bringen und dort in den Turm werfen. Als der Verhaftete
nach Zeugen rief, wurde er mit Schlägen bedroht. Andern Tags ging die
Frau mit einigen Verwandten aufs Schloss um die Ursache zu erfragen.
Baltasar brachte die obigen Anklagen mit der Erklärung vor, sein Gericht
werde sich mit der Sache befassen. Für die sofortige Freilassung forderte
er 126 Goldgulden, eine Summe, welche die Familie weder aufbringen
konnte noch wollte. Nun liess Baltasar den Dam in den Stock legen und
zwar, obwohl derselbe auf die Arme gestellt war, mit den Beinen, so dass
der Unglückliche mit dem Haupte zur Erde hing und wegen der Enge
der Löcher vor Schmerzen jämmerlich schrie. Das vermochte die Frau
nicht anzuhören, sie unterhandelte mit dem edlen Herrn bis auf 64 Thaler,
welche nächsten August an den yimon im Corneliusbad gezahlt werden
— 98 —
mussten! Mit dem, was sie den „armen Unterthanen*' höchst unedlerweise
auspressten, berichtigten diese edle Herren ihre Wirtshausschulden! Dam
erhielt jedoch die Freiheit nicht eher, bis sein Bruder sich für die 64 Thaler
vor dem Aachener Schöffengerichte verbürgt hatte. Bezeichnend für die
Stimmung des Volkes ist folgender Zwischenfall. Die Schönauer Laten
weigerten sich über die Angelegenheit des Dam zu erkennen, weil es sich
um die Rechte des Herrn zur Heiden handle. Wenn sie dem an seine
Gerechtigkeit tasteten, sagten sie, so werde er sie verderben. Baltasar
liess sie durch seinen Fiskal Stückger fragen, ob er sie denn nicht auch
verderben könne? Auf die frivole Frage gaben die Laten die verzweifelte
Antwort: wenn sie durchaus zu gründe gerichtet werden sollten, wäre es
gleichgültig, durch wen.
Das Verhältnis zwischen dem Herrn zur Heiden und den Mylendunck
war demnach noch immer sehr gespannt. Bongart fand bald Gelegenheit
gegen die Brüder aufzutreten. Wir wissen, dass Graft 11 eine Rente von
14 Müdd Roggen und 20 Joachimsthaler auf das Schönauer Hofgut gelegt,
dann aber dem Schultheissen Wilhelm von Richterich gestattet hatte, die-
selbe zu eigenen gunsten anzukaufen. Vom Jahre 1586 würde nun die
Geld- und vom Jahre 1589 ab auch die Kornrente nicht mehr gezahlt,
weil Richterich so viel eingenommen habej dass damit das Kapital bereits
abgetragen sei. Edmund von Richterich, der Rechtsnachfolger des Wilhelm,
schloss mit Baltasar über die Zahlung einen Vertrag ab, den jedoch Graft III
als Mitherr nicht anerkannte, und nun belangte Edmund die Brüder vor
dem Schönauer Gericht. Dieses schloss sich der Auffassung seiner Herren
an, dass die Erben Richterich nach der Reichsordnung „über haben
und also hauptsomma und pension sich selber quitirt habend" Edmund
brachte nun die Sache vor das Hauptgericht zu Jülich. Hier mischte sich
Bongart ein. Er bezeichnete den Baltasar als einen Anstifter von Neuerungen
und Turbirungen, gegen welche selbst dessen eigener Schultheiss mit den
Schöffen protestire. Baltasar erkenne des Herzogs von Jülich Oberhoheit
nicht an, er bedrohe Vogt und Gericht des Ländchens zur Heiden u. s. w.
Dagegen erklärte Mylendunck, er handle nur wie seine Vorfahren, er habe
Schönau von der Sonne empfangen, die Schöffen nicht eingesetzt sondern
vorgefunden „als aus ihren scheffencompen und kisten erhellt" ; des Fürsten
zu Jülich Steuer lasse er fleissig einsammeln und an ihren Ort abführen;
er betrachte sich auch als Unterthan des Fürsten „in erwegung bei mir
Selbsten, ich nit unerweislich verschiedene guter in fürstlicher gnaden
fürstentum Jülich liegen habe, deren ich mich um Schönaus willen ungerne
entblösen solte". Das Gericht zu Jülich hat jedoch den Herrn von Schönau
am 27. Oktober 1604 „ad barbam condemnirt", und als Baltasar nach
Düsseldorf appellirte, geschah ihm dasselbe. Nun ging die Sache an das
Reichskammergericht und dort erkannte man die Reichsunmittelbarkeit
*) Die Reichsordnung: g^estattete nur 5®/o Zinsen ; was darüber hinaus eingenommen
wurde, sollte als Amortisation des Kapitals gelten.
— 99 —
Scbönaus trotz allen Einreden des Herrn von Bongart und des Heraogs
an (1609). Die Folge war, dass Riehterich im folgenden Jahre seine
Klage gegen Baltasar in Speier erhob. 1596 hatten Oaft und Baltasar
gemeinschaftlieh den Hof zu SchöDan verpachtet. Der Prozess mit Kiehterich,
den Graft veranlasste weil er dem Vertrage seines Bruders mit Edmund
nicht beistimmte und der durch die Wendung, welche er in folge der Ein-
mischung Bongarts und des Herzogs nahm, sich zu einer Lebensfrage ffir
den Besitzer von Schönau gestaltete, scheint Baltasar auf den Gedanken
gebracht zu haben es sei billig, dass Graft die Suppe, die er eingebrockt,
allein ausesse. Es ist ein Vertrag zwischen den Brüdern aus dem Jahre
1606 vorhanden, wonach Baltasar Fronenbroch und Graft Schönau haben
solle mit Ausnahme jedoch der Krimioalgerichtsbarkeit, welche sich jeder
in seiner frühem Herrschaft vorbehielt. Dieses Abkommen ist jedoch nicht
zur Ausfuhrung gelangt.
Ahnlich wie in Schönau erging es dem Baltasar in seiner Halbherr-
schaft zur Warden. Hier hatte sein Oheim Graft II dem Wilhelm Keinen
die Rentmeisterstelle auf so lange zugesagt, bis dieser oder seine Erben
wegen aller ihnen zustehenden Forderungen befriedigt seien. Infolge dessen
wurde der Schwiegersohn des Keinen, Simon Nobis, danach dessen Sohn
Wilhelm mit seinem Schwager Lersmacher Rentmeister. Wahrscheinlich ist
auch in diesem Falle Baltasar der Ansicht gewesen, die Erben , hätten
über, demnach hauptsomma und pension sich selber quitirt**, denn er ent-
setzte 1609 den Nobis der Rentraeisterei. Darauf klagten die Erben Keinen
in Jülich ^weil ihnen in administration des schultheissenamtes zur Warden
ohne befugte ursach und bevor ihnen ihrer schadloshaltung halber genüg-
same Satisfaktion beschehen indracht gethan werden wolle**. Die jülichschen
Kommissare verfugten, dass Kläger in dem Stande, in dem sie vor diesem
gewesen, zu lassen und zu handhaben seien, und das Gericht entschied in
erster und zweiter Instanz zu gunsten der Nobis (1614). Baltasar appellirte
zwar nach Speier, die Nobis störten sich nicht daran und Hessen die ErbpÄchte
zu Warden und Höngen mit Gewalt abführen. Noch einige Jahre später
schrieb der Verwalter an Baltasar, die Nobis Erben spielten den Meister,
weil sie den Schultheissen hinter sich hätten; wenn Mylendunck und Graf
Schwarzenberg — der andere Halbherr — nichts dagegen thäten, würde
die Jurisdiktion hoch geschmälert werden.
Derselbe Brief enthält die Hinweisung auf eine Exekution, die von
Jülich aus in der Warden zu gunsten eines Lambert von Volkershoven
befohlen worden war. Zur Zeit des jülichschen Erbfolgekrieges hatte eine
der streitenden Parteien den Wardenern eine Brandschatzung auferlegt.
Lambert war damals Statthalter der Herrlichkeit Berg^ Er hatte den
Hausleuten den Brandbrief erst einen Tag vor Ablauf der festgesetzten
Frist vorgelegt. Während nun der Bote nach Jülich ging um die Schätzung
zu erlegen, geschah der Brand, der gerade die Besitzung des nachlässigen
*) Laurenzberg bei Aldenhoven.
— 100 —
Statthalters traf. Weil Lambert demnach durch eigene Schuld ins Unglück
gekommen war, wollten die Einwohner ihn nicht entschädigen und protestierten
gegen die angedrohte Exekution. Auch wendeten sie ein, Volkershoven
sei exemt, wenn ein anderes Hausmannsgut in Flammen aufgegangen wäre,
hätte dieser Hof auch nichts gegeben.
Noch ein anderes Schreiben, Wardener Verhältnisse betreffend, liegt
vor. Absender ist Henricus Vichenius, einer der mylendunckschen Sach-
walter. Er schreibt: „Wegen reparation des Kackschen^ zu Warden wird
der Palander rentmeister den greven zu Schwarzenberg um beilage
ansprechen . . . Der rentmeister hojBft, ire gnaden werden gelt oder holz
darzu bewilligen . . . Der Palander schultheiss Petrus Palant hat die vroege
I von der Warden hinter sich und ist im jair nicht eins überkommen *', des-
halb das herrengeding ad conservandam iurisdictionem bis dahin hat müssen
anstehen bleiben . . . Habe von Leuffgens verstanden, dass euer gnaden
etliche sumberen korns erblich zu verlassen gemeint; wan dan e. g. auf
jederen morgen nur ein oder zwei albus pfenningsgelt sich vorbehalten, so
pliebe die Jurisdiktion ungeschwecht*."
In der Herrschaft Hüls* sah es nicht besser aus. 1603 bekundete
Baltasar, er habe „in unsern sonderbaren anliegen" aufgenommen 1. von
Heinrich von Brück 600 Thaler Mörsischer oder Crefelder Währung, wofür
das Pachtgeld von 12 Morgen — 2. von Burkart Kreins 300 Thaler, wofür
der Pacht von 6 Morgen — 3. von Wilhelm Müller „unserm gewesenen
diener** 300 Thaler, wofür der Pacht von 5^4 Morgen Land verschrieben
worden sei. Alle diese Forderungen brachte der Schultheiss Arnold Strumig
an sich und da Baltasar nicht, wie er versprochen, das Kapital im Jahre
1608 abtragen konnte, gab Arnold noch 800 Thaler dazu und erhielt 28
Morgen Hülser Erbland in Pfandschaft und Erbpacht. Das Land war in
ganzen, halben und viertel Morgen an Einwohner von Hüls verpachtet (1614).
1622 klagt eine Frau, dass Baltasar ihr 500 Thaler an Zinsen schulde;
sie beantragte Beschlagnahme aller Hülser Einkünfte. Einem Lenzen waren
für 650 Thaler 5V2 Morgen Ackerland verpfändet, die er weiter vergeben
oder gerichtlich verkaufen lassen wollte, wenn Mylendunck das Geld nicht
zurückzahle. Baltasar konnte sich mit Recht in einem Briefe an den
Gubernator, worin er um Aufschub einer Exekution bat, einen „armen**
Verwandten des Hauses Mors nennen.
Dazu litt er häufig an Gicht und Wechselfieber. 1616 und 1625
haben ihn diese Krankheiten arg mitgenommen. In letzterm Jahre schreibt
er an seine Tochter Marie: „ich fahe an in dem gemach mit einem stecken
zu gehen," und vom Wechselfieber: „der allmechtige getreue Gott wolle
*) Kax = Pranger.
') nicht einmal hergekommen.
*) Nicht ohne Salz ist die Begründung dieses Rates: „Cavendum est a rusticis,
quaemnt quae sua sunt ut a subiectione des markgelts et aliis consuetis ac debitis oneribus,
quae pluris successu teraporis aestimanda quam prctium, exiraantnr.
*) Hüls bei Crefeld.
— 101 —
mich davon erledigen, wan es sein göttlicher willo und mich sftlig ist»"
Baltasar führte gern erbauliche Reden. Als ihm der Bote Drischgcu mit-
teilte, dass auf Ostertag die Mauer an der Tränke in Schönau eingestUrRt
sei, schrieb er: „Ich hette wol mehr glucks bedurft; aber man muss allos
mit geduld von Gottes hand annehmen/ Weniger erbaulich war sein
Lebenswandel,
Nach einem Schönauer Stammbaum war Baltasar mit einer von Ilornt
verheiratet gewesen. Aus dieser Ehe stammte eine Tochter, Agnes, wohrho
den Johann von Kessel, Witwer von Helene Speo, ehelichte. Den HelraiH-
vertrag, der vom 27. März 1618 datirt, haben wir bereits mitgeteilt. Im
folgenden Jahre bestellte Baltasar seinen Schwiegersohn als Vortreter, um
alle im Lande von Kessel aus der Neuenarer Erbschaft fallenden (4ebUren
zum dritten Teile zu erheben, da er selbst wegen „loibsHchwachfieit,
weitentsessenheit und anderer ungelegenheit** das nicht könne. Die Kinder
des Johann und der Agnes waren Baltasar und Adolf v(m KcHseJ.
Nach dem Tode seiner Frau Hess sich Baltasar von Mylendunck mit
der Tochter des Rentmeisters von Fronenbrocli, Helene Brauhoff', ein. Hie
gebar ihm drei Kinder: Amandus, den spatem Herrn von Hchönau, Anna
Maria, welche am 21. Oktober liS'M in Hörstgen mit Adolf von HillenH-
berg getraut wurde, und Agnes.
1629 war Baltasar zum Tode erkrankt Auf dem Htxjrbebett^^ hei-
ratete er, jedenfalls um die Kinder zu legitimieren, die Brauhoff, ^Auf
Begehren Amandi von Mylendunck" ernchienen am 6. März „neuen kalen-
ders* vor dem Notar Pin Herman vom Hirtz genant von der Landwkron,
Johan Jakob und I*>ak von Streithagen zu Ursfeld*, Mathia?* Brtill, Handel»-
mann der Stadt Aa^rhen, Quirin Becker, Johan und l>;mmen OrtinAfw,
Untersass»^n der Herrlichkeit S^honau und erklarten: heut/* vorrnittÄg»
habe der Herr Balta>ar von Myl^r.dunck die „f^hr- und tutreridreiche* Krao
Hilleken Brauh'^ff zu »einer eh^-li^hen Hi'j-ifrau getra'jt und zwar nf'U^n
sie, «la beide der ref-niiierten KfV.in j^. ar.:.'^J,">r^^:n. dur^rh ein^rn I'r4dikant>rn
zusanin^en ge^o'^on w<^r«jf:n. Die Ze.^'-^a l-;k;r.den ^V-r Har,'J!jr*g */ei'
gew' L^t z\ L-i'-er;. r.^'h denn \V'.K:'\.rr./j: \W.*'^.-^r ^*/h \mi ^r^'J*H a*if-
richte:- d. z:^:://, '].-:-> **^.k-" l^S- ^ \:A -j v-i v(;r-*;i'.!^ **',<rr,':e. '\m f]*-;/^
nectes r.l: •] irr-:'?. .:./ *'%*.vr r-- :/^:. :,.: : l. :,/.':. '.:A fr-: ^'/-f./i/ ;, v^ri,' h
bf^ii.-- s.* ' 't ! ■^"--r *-' ^ **-' *■'■• \ > • - ! '^ " ->. ► '. •' ' '•• 'i'-'f^'' *'; '.^ti
jedv-e:>r^;- :, i :. -v. -'--•; -" -- -:--:..• - .* "^:*-.: , /-:'. *,.%:;, .'/: *,f,u
ilari -f -•.:.' z r r<:. '■ /: -: . :.'.*\-:.'
— 102 —
gesetzt, die beiden Töchter sollten je 6000 Gulden erhalten. Ein Codizill
bestimmte noch, dass Schönau an eine der Töchter fallen solle, wenn
Amandas ohne eheliche Nachkommen sterbe.
Nach dem Tode des Vaters ging Agnes zu ihrem Vetter Baltasar
Brauhoflf, dessen „rechte möhn" ihre Mutter war und heiratete denselben
1630. Bevor sie nach Rees kam, wo Brauhoff in Garnison lag, hatte sie
sich eine Zeitlang zu Neukirchen in der Grafschaft Mors aufgehalten, von
wo sie folgenden Losschein mitnahm.
„Ehmwürdige wolgelehrte herren und vielgeliebte brüder in Christo.
Demnach vorweiserin dieses, Jungfrau Agnes von Mylendonck, aus geheimen
sonderbaren Ursachen, inmassen e. e. von erstgedachter person münd- und
gründlich zu vernehmen, eine Zeitlang sich bei uns aufgehalten, auch für-
habens gewesen, mit ihrem cognato Baltasar Brauhoff genant, so jetzo in
der herren staden diensten zu Rees liegt, assentientibus parentibus ehelich
copuliren zu lassen, worinnen nechst reifer rathschlagung mit schrift- und
rechtsverständigen leuteu rebus sie stantibus dis orts were wilfahrt worden ;
dieweil aber Unsicherheit halben anhero zu kommen sponsus unrathsam zu
sein erachtet: so wird gemelte Jungfrau verursachet ihren weg nach Rees
zu nehmen und daselbst nuptiarum consummationem gebürlichen zu gesinnen,
wie auch um deswillen gegenwertige attestatio von mir begeret, so ich
dergestalt nicht weigeren können. Zuversichtlich mich verlassend, e. e.
werden diesem allem glauben zustellen und in diesem casu matrimonial!
also prozediren, damit laesa conscientia befriediget, ärgernus abgethan und
grösser übel verhütet werde. Hiermit e. e. samtlich und sonders in den
schütz des Allmächtigen empfolen. Actum Neukirchen in der grafschaft
Morsch den 25. junii 1630. E. E. dienstwilliger mitbruder Fridericus
Casimirus Sohnius minister verb. div. mp."
Agnes starb bald nach ihrem Manne. Sie hinterliess zwei Kinder,
deren sich ihr Schwager Adolf von Hillensberg annahm. Der Knabe starb
und wurde zu Warden begraben, die Tochter Anna Maria Brauhoff heiratete
den Wilhelm de Blanche.
g) Amandus von Mylendunck, Herr zu Schönau, Hüls und Warden
(1629 — 1674), ein wahrer „Johann ohne Land". Noch am Sterbetage seines
Vaters nalun Amandus unter Beobachtung aller Förmlichkeiten Besitz von
Schönau, wobei ihm die Herren Johann von Keverberg-Meven, Herman
von Hirtz und Baltasar von Streithagen als Zeugen dienten. Aber während
er sich in Fronenbroch befand, wohin er die Leiche seines Vaters zu
Grabe geleitet hatte, nahm sein Vetter Adolf, ein Sohn Herman Dieterichs,
der Präsident des Reichskammergerichts, der von Baltasar zum Testaments-
exekutor ernannt worden war, Schönau mit bewaffneter Hand ein und
zwang selbst die Mutter sowie die Schwestern des Amandus ihm den Treu-
eid zu leisten. Den Grund, mit welchem der „president**, wie er gewöhn-
lich in den Akten genannt wird, die Gewaltthat rechtfertigte, kann man
sich leicht denken: er bestritt die Ehe des Baltasar mit der Brauhoff und
— 103 —
damit die Legitimität und Rechtsfolge ihrer Kinder. Es kam natürlich
zum Prozesse zwischen ihm und Amandus, aber der Präsident hielt sich
his zum Jahre 1634 im Besitze von Warden nebst dem Hofe und Zehnten von
Niedermerz und bis zu seinem 1642 erfolgten Tode im Besitze von Schönau.
1635 verpachteten Amandus und Anna Maria den Hof zu Niedermerz
für einen trockenen Weinkauf von 50 Thaler und einen jährlichen Pacht
von 55 Malter Roggen, 5 Malter Weizen und Spelz, 12 Malter Hafer,
2 Verken, einen fetten Hammel, endlich 12 Pfund Zucker, ein Pfund Ingwer
und ein Pfund Pfeffer zum Neujahr. Wegen der Benden und Weiden
sollte der Pächter 17 Goldgulden, dem Domkapitel in Köln musste er jähr-
lich 12 Gulden zahlen. Die Gerechtigkeit auf dem Propsteier Wald
genossen Herrschaft und Pächter je zur Hälfte; dafür pflanzte letzterer
iährlich zwei Apfel- und zwei Birnbäume in den Baumgarten.
1636 heiratete Anna Maria von Mylendunck den Adolf von Hillens-
berg^ Nun hatte Amandus einen Schwager aber auch einen Dränger
mehr. Nach dem Testamente des Vaters hätte er den Schwestern je 6000
Gulden auszahlen müssen, und beide sprachen ihn „durch gute leute*' oft
um diese Sunmie an. Aber woher sollte Amandus „der immer im elend
lebte**, das Geld nehmen? Er vertröstete die Schwestern auf den Zeit-
punkt, wo er im Besitze von Schönau sein werde. Damit waren die Damen
jedoch nicht zufrieden. Wenn er ihnen kein Geld geben könne, Hessen
sie ihm durch den Vetter von Fronenbroch sagen, so möge er die Güter
mit ihnen teilen. Sie setzten auch wirklich am Hauptgericht zu Jülich
durch, dass ihnen Warden zugesprochen wurde. Weil jedoch „ter Warden
nu nit als de hoigheit in resto was", nahmen Hillensberg und seine Frau
nach dem Tode des Präsidenten Schönau ein, und Amandus hatte abermals
das Nachsehen. Als die Hillensberg auf das Haus kamen — am 20. Aug.
1642 — fanden sie „zur weit Gottes keinen beweis alda und wussten
selber auch nichts von schönauer recht und gerechtigkeit**, so dass sie
sich mit Zeugenaussagen behelfen mussten. Erst 1659 erfuhren sie, dass
der Präsident sämtliche Briefe und Urkunden, die Schönau betrafen, in
das Aachener Kapuzinerkloster hatte schaffen lassen. Das war ihnen um
so härter, als sie sich vielen Bedrängungen von selten des Herrn zur
Heiden ausgesetzt sahen. Otto von dem Bongart, der 1632 auf Wilhelm
gefolgt war, dachte, weil der Präsident und die Mylendunck zu Speier
prozedierten „were es zu rechter zeit alle schönauer gerechtigkeit an sich
zu zeighen*, die wiel ihm bewust, dass der President nichts darin thete
und ihm Schönau wolte verkaufen". In die Fussstapfen Ottos trat dessen
Witwe. „Die wiel nu aber die jetzige witwe von der Heiden mit alle ge-
walt boussen einiges recht mit gewerter band keine attentaten, so grob
sie sein, understehet * . . . und sobald als sie von der Heiden etwas ver-
') Die Hillensberg, deren Wappen zwei senkrechte Pfähle mit aufgelegtem Tumier-
kragen zeigt, waren Bürger der Stadt Eees. Daher mag es kommen, dass ein Zeuge aus-
sagt, dieselben seien gar keine adelige, sondern eine einfache bürgerliche Familie jener
Stadt. *) Ziehen. ') unterlässt.
— 104 —
nehmen kunnen, dass einige uf schonauer underthanen zu pretendiren
haben, zeichen sie dieselben an sich und fallen mit gewalt uf schonauer
gut und doen die exekution . . . und alle schonauer underthanen wieders
bedreuet, mich in keinerlei manieren zo obedeiren ^ oder sie wolte dieselbe
im thorn werfen und dapfer briichten geben lassen, also dass nicht ein
einziger underthan alhier darf komen, welcher mich kundschaft darf geben
von allen die attentaten, die sie geübt hat. . . . Noch zu gedenken, dass
die von der Heiden mit gewalt die schonauer underthanen in hessische
und lotaringische beschwerlichen kriegszeiten nacher der Heiden gezwungen
zu "vyachen und das Haus Schonau desolat gelassen, und wir uns mit
fremde leut haben müssen verdedigen mit Unkosten und uns in das userste *
ruin zu bringen . . . Und so halt als es ihr ins haupt komt und einiche
attentaten anfangt, als dan doet sie es mit ein par hondert baurn mit ge-
wapfenter haut/ So klagt Hillensberg.
Amandus machte schliesslich gute Miene zum bösen Spiel. Er er-
klärte sich damit einverstanden, dass die Schwestern Schönau und Warden
so lange abnutzen sollten, bis sie ihr Kapital und die Zinsen von 1629
ab erhalten hätten und dass auch die Mutter ihren Unterhalt von dort
beziehe. Er hielt sich auch selbst einige Jahre, „in fried und einigkeit**
zu Schönau auf. Da spielte Max, der Sohn Grafts III, Herr zu Pronen-
broch und Hörstgen, den Störenfried. Er beredete den Amandus zu dem-
selben Tausche, der einst zwischen ihren Vätern geplant gewesen aber
nicht zur Ausführung gekommen war. Amandus sollte Fronenbroch, Max
Schönau haben. Der Vertrag wurde 1663 unter Vermittelung des Predigers
ter Herbrüggen auf 6 Jahre „und so fort" abgeschlossen; Zeugen waren
die Prediger Petrus Taschenmacher, pastor de Vierlinxbeck und Arnoldus
Loitink, ecclesiae repellentis in comitate Morsensi pastor. In demselben
Jahre hatten die Eheleute Hillensberg den Hof zu Schönau von neuem
auf zwölf Jahre verpachtet.
Amandus, der eine Zeitlang Gast des Fronenbrochers gewesen war,
erschien 1664 auf Schönau, erklärte sich für den alleinigen Herrn, ver-
kaufte und versetzte Ländereien und Pachte. Das setzte wiederum einen
Prozess mit Hillensberg ab. Das Verfahren des Amandus stand in Wider-
spruch mit einer Vereinbarung zwischen ihm und Adolf, wonach keiner
von beiden das Recht haben solle „haus und gerech tigkeit, garden, weieren,
benden den putzdriesch genant, jungenbusch plattenweier genant, weid den
pesch samt den camerhof in welcher besirk das haus Schönau gelegen
ist, capuin und erbpfachten zu verkaufen, versetzen, vertauschen in keiner-
lei manieren, wie es namen haben möchte oder kunte, sondern sal nun bis
zu ewigen dagen blieben an denjenigen, die von hern Baltasars von
Mylendunck lief gesprossen sein".
Mit Berufung auf diesen Vertrag und das Testament Baltasars hielt
Hillensberg am Besitze Schönaus fest. Da versuchte Max stärkere
*) gehorchen. *) äusserste.
— 105 —
Mittel. Im Dezember 1664 erschien er mit einem Haufen Reiter vor dem
Schlosse und begehrte Einlass. Als ihm derselbe verweigert wurde, drohte
er, er werde bald wiederkommen, die Trompete im Dorfe blasen und den
Hillensberg, wenn er ihn erwische so traktieren, dass der Rücken dem
Bauche gleich und gemäss wäre und das Gehirn an den Wänden kleben bleibe.
Auch die Heidener beteiligten sich an der Hetze. Als Philipp Adolf
von Kessel mit den Windhunden auf den Schönauer Acker ging, begegnete
ihm der Sekretär von der Heiden. Derselbe schoss auf die Windhunde
und rief seinen Leuten zu „selten den schelmen greifen". Andein Tags
zog er mit dem ganzen Heidener Jagdtrosse und einem Haufen bewaffneter
Schützen vor Schönau, jagte ringsum, liess „dem herrn zum speit" * das
Hörn blasen und schrie: „Wo bleiben nun die fauligen vom haus Schönau?
Ich will sie noch ehender kriegen als der teufel, dan sie sind nicht alle-
zeit auf dem haus."
Aber auch durch diese Roheiten, welche für den Verfall der guten
Sitten unseres edlen deutschen Volkes in der Zeit nach dem dreissigjährigen
Kriege bezeichnend sind, liess sich Hillensberg nicht einschüchtern. Er
wahrte die Rechte Schönaus gegen die Heidener, versetzte auch wohl
Schönauer Ländereien, wenn er Geld nötig hatte, — so 1659 drei Morgen
aus dem Hirzerfeld an die Laurensberger Kirchmeister für 200 Thaler, —
bemühte sich aber auch redlich die Verhältnisse und zwar zunächst die
Wardener zu ordnen. 1641 legte er die 1000 Thaler an Peter Herl ab.
Die Erben Heinen hatten nun noch 300 Thaler, 50 Doppeldukaten und
250 schwere Thaler zu fordern. Ihr Recht auf die entsprechenden Renten
erwarb Hillensberg ebenfalls, und die fürstlichen Kommissare Johann von
luden und Peter Ritz erklärten 1648, dass er dabei zu raanuteniren sei.
Die Kommissionskosten in der Wardener Angelegenheit beliefen sich auf
nicht weniger als 1220 Thaler 3 Schillinge.
Am 2. September 1667 erlöste ihn der Tod von aller Sorge. Er
wurde in Warden begraben. Seine Witwe setzte den Kampf gegen die
Frau zur Heiden wacker fort, unterstützt durch Baltasar von Kessel, der
als Statthalter des Gerichts die Geschäfte führte.
Mittlerweile kam Araandus zur Einsicht, dass sein Vetter Max ihn
arg hintergangen habe. Es stellte sich heraus, dass dessen Güter Fronen-
broch und Hörstgen derart überschuldet waren, dass allein der Abt von
Kamp 20000 Thaler daran zu fordern hatte. Dann aber liess Max den
armen Amandus in einer schweren Krankheit trotz allen Bitten ohne jede
Unterstützung. Darum widerrief Amandus am 29. Oktober 1670 vor dem
Notar Collen in Aachen den Vertrag von 1663. Am 7. Juli 1671 erstritt
er sodann ein obsiegendes Urteil gegen die Eheleute Hillensberg; sie
wurden angewiesen dem Amandus Haus und Herrlichkeit Schönau abzu-
treten. Warden und Merz waren demselben schon 1668 zugesprochen
worden. Aber auch dieser Sieg hatte für Amandus keine Bedeutung.
*) Spott, Verdruss, Aerger.
— 106 —
Max hielt am Vertrage von 1663 fest und betrachtete das Urteil als zu
seinen Gunsten gesprochen. Am 14. August 1671 rückte er mit Heidener
Schützen vor Schönau und nahm das Haus ein. Die Witwe Hillensberg-
rief zwar während des Einbruchs „sie wolle ihren bruder, herrn Amandus
von Mylendunck, gutwillig einlassen, der Max hette alda nichts zu
schaffen", aber die Einsicht kam zu spät. Die Einbrecher hausten wüst.
Vieles wurde zerschlagen und verbrannt, den Rest behielt Max. Er Hess
das Haus zerfallen, hieb das Gebüsch, selbst die Obstbäume nieder und
verbrannte oder verkaufte das Holz. Die Witwe Hillensberg schrieb an
den Bruder des Max — Dezember 1. ohne Jahr — : „Es gehet alhier
wunderlich zu; das land bleibt ungebaut, und als sie haben angefangen
zu dreschen hab ich von den fruchten und auch biesten protestirt, und
stossen sich nit an protest und faren immer fort mastbiesten abzuthun;
meinen vorrath ist vorerst gessen, das dienstvolk laufet mir alle tag an
die Ohren und ich kann sie leider Gott nit helfen; es werden kein kohlen
geholt; es wird hier viel ding vertestuiret ^, welches am Haus wieder
aufzurichten sehr schedlich^ ist.**
Amandus verpföndete am 22. August 1671 Haus und Herrlichkeit
Schönau durch Akt des Notars Johann von Trier an den Gubernator der
Festung Rheinberg und dessen Frau Gertrud von Bronckhorst für 6000
Reichsthaler, die er nach seinem Ausdruck „zur abstattung meiner Schuldig-
keit, vornehmlich meiner Schwester sodan den nichten Blanche^ und nötige
eigene Verpflegung" * geliehen hatte. Wir sehen, dass er sich der Schwester
wieder näherte. Die völlige Aussöhnung ergiebt sich aus dem Testaments-
konzept von 1673, worin Amandus „zu ziemlichem alter gekommen" zu-
nächst alle Verträge widerruft, die er mit seinem Vetter Max gemacht hatte,
dann seine Schwester Anna Maria zur Universalerbin einsetzt, endlich die
Enkel seiner Schwester Agnes der Witwe Hillensberg substituiert. Das
Testament, welches er „krank zwar an leib aber an verstand ganz unge-
schwächt" 1674 in Aachen vor Notar und Zeugen verfasste, gibt ausser-
dem den Grund des Widerrufes jenes Vertrages an: „weil seine vetteren
Goddart und Max ihn mit glatten worten dazu gebracht** aber ihrerseits
die Bedingungen nicht gehalten hätten.
Aus demselben Jahre, Juli 2., stammt eine Urkunde, worin Amandus
den Jesuiten zu Jülich den Ueberrest des Hofes und den Zehnten zu
Niedermerz gerichtlich verschreibt „zu erhebung 400 pattakons". Er ver-
spricht seine Nichte Anna Maria de Blanche, welche vor einigen Jahren
durch das Düsseldorfer Hofgericht in den Zehnten eingesetzt worden war,
aus andern Gütern zu entschädigen.
*) mutwilUg verdorben. *) kostspielig.
^) den Rechtsnachfolgern seiner Schwester Agnes.
*) lieber des Amandus Verhältnisse und die der Witwe HiUensberg schreibt der
Ltitticher Kanonikus Gerard von Kessel am 24. Februar 1673: „der goeder her Amandus
is binnen Aakon in siechte kleider en siecht onderhalt, syn snster is op Ursveit uyt mit-
leiden angenomen, so lang als dat sal duyren.*^
— 107 —
Endlich gab dem Violgeplagten das Eeichskammergericht auch gegen
den Max Recht. Am 7./ 17. Juli 1674 erfolgte der Spruch, dass es Max
„nicht geziemet noch geburt habe haus und herrlichkeit Schönau einzuneh-
men sondern daran zu viel und unrecht gethan**. Auf dieses Urteil hin ver-
pfändete Andreas von Hillensberg zu Ürsfeld, der Bruder des verstorbenen
Adolf, für 200 Thaler „gewisses silberwerk und klenodien'' bei der Witwe
Puissont zu Aachen und übergab das Geld dem Amandus und der Anna
Maria gegen Verpföndung des Neuen Bends zu Schönau. Sollte sich die
Einräumung des Hauses Schönau verzögern, so dürfe Andreas die Pfand-
schillinge einlösen, welche Buirette auf Warden vorgeschossen hatte und
an dessen Stelle treten. Warden war also auch verpfändet.
Auch vom Siege über Max hatte Amandus keinen Vorteil; er starb
noch in demselben Jahre.
Andreas hatte klug gehandelt, als er sich für seine 200 Thaler eine
zweite Sicherheit stellen liess. Kaum hatte Amandus die Augen ge-
schlossen, da „erschien
h. Maximilian, Freiherr von Mylendunck, Schönau, Pronenbroch,
Hörstgen, Herr zu Hüls und zur Warden etc. nach absterben des herrn
Amandi . . . und ergriff besitz von dem hause und der herrschaft Schönau
ubermitz deroselben unterthanen von Gott dem allmächtigen und dem h.
element der sonnen, wie sich gebürt". Mit Auflegung der linken Hand
in die Seite warf er einen goldenen und einen silbernen Pfennig unter die
Unterthanen und empfing dann deren Eid. „So geschehen Schönau vor
der brügge in gegenwart des pastors zu Berg, Johan Baptista Bex und
Thomas Kütgens sazellan^"
Die Witwe Hillensberg flüchtete wieder nach Ürsfeld zu ihrem
Schwager. Sie konnte ihr Recht am Reichskaramergericht nicht mehr
geltend machen „weil inzwischen die verhergung der Stadt Speyer durch
französische truppen und die verstörung des reichskammergerichts vor-
gefallen ist". In ihrem Testamente, datiert Ürsfeld 15. Juni 1676, setzte
sie den Sohn ihrer Nichte, Isak Lambert von Blanche, zum Universalerben
der ganzen Hinterlassenschaft mit Einschluss von Schönau unter der Be-
dingung ein, dass dessen Mutter, Anna Maria von Brauhoff, Witwe de
Blanche, die Nutzniessung auf Lebenszeit habe und jede seiner Schwestern
1600 Reichsthaler erhalte, wenn sie standesgemäss heirate.
Max von Mylendunck behielt unterdessen bis zu seinem Tode, der
im Jahre 1692 erfolgte, die Herrschaft Schönau. Er war zwar ein
Usurpator wie Adolf, aber er verteidigte die Gerechtsame Schönaus mit
grösserer Entschiedenheit gegen die Uebergriffe der Heidener. Im Jahre
1679 legte er dem Horbacher Gerichte drei Originalurkunden vor: Die
Anerkennung der Schönauer Gerichtsbarkeit* durch Godart von der Heiden
von 1373, das Urteil des Jülicher Hauptgerichtes von 1510 und die Ver-
einbarung zwischen Dieterich von Mylendunck und Werner von Schönrade
*) Qu ix, Schönau S. 1, Anm.
— 108 —
von 1523. Das Gericht erkannte dieselben als echt und richtig an und
versprach, daraufhin zwischen der Frau von Heiden und Max behufs fried-
licher Beilegung aller Streitigkeiten vermitteln zu wollen.
Durch den Tod seines Bruders Gothard war Max 1683 in den vollen
Besitz von Fronenbroch und Hörstgen gelangt. Ausser diesen beiden
waren noch andere und zwar uneheliche Kinder von Graft HI vorhanden.
Baltasar erklärte 1616, dass seine Vormünder den Rindsbrucker Hof in
das Grundbuch des Scholasters vom Stifte Essen auf seinen Namen hätten
eintragen lassen. Da aber der Hof bei der Teilung seinem Bruder Graft
zugefallen sei und dieser ihn gebeten habe, denselben auf den Namen
eines der mit Margarethe von Eitelbeck gezeugten Kinder eintragen zu
lassen, so wolle er, dass sein (Baltasars) Name im Buche gestrichen und
an dessen Stelle Adolf, der natürliche Sohn des Graft, angeschrieben werde.
Das Leben des Max war auch nicht ohne Tadel. Er lebte lange
Zeit in wilder Ehe mit einer „adeligen juflFer Tegelen vom Bungart nechst
Issum". Seine beiden Töchter waren schon „zu mannbaren jähren" ge-
kommen, als Max die Tegelen vor einem „statischen prediger" zu Vaels
heiratete. Bevor es zu dieser Eheschliessung kam, war eine andere ver-
sucht worden, die nach einer im Jahre 1737 abgegebenen Erklärung der
Antoinette von Blanche folgenden Verlauf genommen haben soll. Max
liebte es nach der Gewohnheit des damaligen Landadels jener Gegend in
den Kneipen herumzusitzen und mit Leuten des niedrigsten Standes Bier
und Branntwein zu trinken. Zur Zeit als seine Tochter Margarethe
Elisabeth etwa 24, die andere, Anna Maria 20 Jahre alt war, kam Max
eines Tages ganz betrunken nach Hause und stürzte auf der Fallbrücke
zusammen. Man trug ihn für tot ins Haus und legte ihn auf ein Bett im
Saale. Die Töchter schickten den Diener Marschall sofort nach Aachen
zu dem reformierten Prediger Wenninger, damit dieser noch die Trauung
vornehme. Als der Bote mit der Nachricht zurückkehrte, der Prediger sei
abwesend, warf sich die älteste Tochter auf ein Pferd und holte den
katholischen Pfarrer von Laurensberg. Der legte die Hand des Max in
die Hand der Tegelen und fragte ihn wiederholt, ob er die Margarethe
Tegelen zu seiner Hausfrau nehme. Es erfolgte jedoch von selten des
bewusstlosen Max keine Antwort „weder mit zeichen weder mit drücken
w^eniger mit werten". Als Max wieder zu Kräften und Gesundheit ge-
kommen war und von dieser sonderbaren Trauung hörte, beteuerte er
öflFentlich, er wisse von keiner Heirat und drohte, er werde dem Pfarrer
von Berg „denselben weil er rothe hären hatte rothkopf nennend" tot-
schiessen, wenn er sich unterstehe, diese Eheschliessung in seine Bücher
einzutragen. Die Zeugin wusste das alles so genau, weil sie damals mit
ihrer Mutter auf dem Vorhofe zu Schönau gewohnt und dem geschilderten
Auftritte neben Philipp Gentis, Fettmenger, Bemelman und zwei mylen-
dunckschen Advokaten, Richterich und Defoure, im Säle zugesehen hatte.
Der damalige Herr zu Crsfeld, Charles de St. Remy, belangte die
— 109 —
Töchter des Max wegen Verleumdung. Nachher geriet er mit dem Vater
in Streit über einen Schönauer Bend. Während Max 1687 sich in Frohnen-
broch befand, kam St. Remy nach Schonau um sein Recht geltend zu
machen, wurde aber dort von den Mädchen „mit harten Scheltwörtern
affrontirt", dann auf deren Anstiften von den Leuten und Bedienten der-
selben „mit schlagen übel traktirt, gestossen, geschossen, verwunt, endlich
in den weier geworfen**. Mitleidige zogen ihn heraus und trugen ihn in
das Haus an die Kreuzer, wo er „erlabt und wieder zu recht gebracht"
wurde. Hierauf machten sich die Mädchen mit Sack und Pack nach
Fronenbroch, auch der Pächter zog ab und das Gut blieb öde liegen. Die
Witwe von Blanche, „welche dermalen zu Schönau aufm vorhof und im thurm
sich elendiglich aufgehalten", Hess die Ländereien 1689 bauen; als aber
die Frucht reif war, erschien St. Remy und nahm auf grund eines Erkennt-
nisses des Heidener Gerichts die Hälfte der Ernte weg als Entschädigung
für die erlittenen Beleidigungen, die andere Hälfte holte Max. Im
folgenden Jahre versuchte Frau von Blanche noch einmal ihr Glück.
Aber nun kam Max mit holländischen Reitern, trieb sie vom Hause ab
und nahm alles Getreide an sich. Anfangs Dezember starb der Usurpator
zu Schönau ; gleich nach seinem Tode zog Isak Lambert von Blanche, der
Sohn der Witwe, dort ein.
4. Die Herren von Schönau aus der Familie von Blanche.
Die älteste Nachricht, welche sich über dieses Geschlecht im Schönauer
Archive vorfindet, stammt aus dem Jahre 1545. Am 3. Juni gab Karl V.
seinem lieben Getreuen, Ritter Stefan von Blanche, ein Schreiben, welches
den Lehenhof von Brabant aufforderte, demselben in seiner Angelegenheit
zu helfen.
Stefans Sohn Johann (I) heiratete Maria von Radelo, die in einem
andern Stammbaume von Renesse genannt wird; nach ihr nannten sich
später die Schönauer de Blanche de Radelo. Beide sollen in der Kirche
zu Limburg begraben sein. Von ihnen stammte Johann (II), Kapitän in
kaiserlichen Diensten, verheiratet mit Anna von Hillensberg von Driesch.
Ihre Söhne waren Wilhelm, Gatte der Anna Maria (von) Brauhoff, der
Stammvater der Linie Blanche-Schönau und Johann (III), vermählt mit
A. M. von Hirtz-Landskron ^
Anna Maria (von) Brauhoff war nach dem frühen Tode ihrer Eltern
bei den Eheleuten Adolf von Hillensberg erzogen worden. Dieselben
scheinen ihr auch bei ihrer Verheiratung den Niedermerzer Zehnten an-
gewiesen zu haben. Nachdem Amandus von Mylendunck den Prozess
gegen Hillensberg gewonnen hatte, zog er auch diesen Zehnten wieder an
sich. Da er jedoch der Anna Maria die Aussteuer ihrer Mutter mit 6000
Gulden nicht auszahlen konnte, liess sich ihr Gatte Wilhelm von Blanche
vom Düsseldorfer Hofgericht in denselben einsetzen. Durch das Testament
*) üeber ihn und die Töchter siehe unten Beilage II.
- 110 —
der Hillensberg, welche die Patin der Frau von Blanche gewesen zu sein
scheint, erhielt letztere das Nutzniessungs- und ihr Sohn Isak Lambert
das Eigentumsrecht auf Scliönau, wo die Blanche in Erwartung besserer
Zeiten wenn auch in grosser Not wohnen blieb. Ihr Häuschen war so
gebrechlich, dass es trotz seinen Stützen zusammenstürzte und von Max
dem Eindringling verbrannt wurde, worauf die Witwe sich in einen Turm
zurückzog. Auch von hier durch Max vertrieben, ging sie nach Hase-
wald. Ausser Isak Lambert (geb. zu Warden am 13. Januar 1660) hatten
die Eheleute Wilhelm de Blanche noch folgende Kinder: Antoinette, geb. am
15. März 1661, Anna Maria, Sibilla Agnes, um 1690 verheiratet mit Adolf
Schardinell, Helene Eebekka, Christine. Christine und Anna Maria werden
in einem Briefe von 1694 der Antoinette als abschreckende Beispiele vor-
gehalten. „Euer masseur Christina hat sich also mit dem Rösgen ver-
gangen und ihrer adlicher familien ein solche schand angethan.* Sie
hatte nämlich den Rösgen oder Rosen, einen Nadel macher in Aachen ge-
heiratet. Von ihrem Sohn Heinrich, „von" Rosen heisst es, er habe in
äusserster Armut gelebt und in der kaiserlichen Miliz Kadetsdienste an-
nehmen müssen. Von den 1600 Thalern, welche die Witwe Hillensberg
seiner Mutter im Testamente ausgesetzt hatte, erhielt Heinrich trotz allen
Bemühungen nichts, weil die Ehe nicht standesgemäss war. Von der
Anna Maria schreibt der Briefsteller: „Spigelt euch an euer masseur
Marie**. Sie war mit einem gewissen Karl Hecker in die Ehe getreten;
ihren Söhnen Karl und Johann waren wenigstens einige Morgen Land im
Schönauer Feld eingeräumt worden.
Nach dem Tode des Max Hess die älteste Tochter durch Wolter
Engelbert von Wyenhorst unter den gewöhnlichen Formalitäten von Schönau
Besitz ergreifen. Aber in der darauf folgenden Nacht (13. Dezember
1692) rückte
a. Isak Lambert de Blanche von Hasewald her, wo er sich bei
seiner Mutter aufgehalten hatte, mit seinem Schwager Caille und einem
Haufen Bewaffneter in Schönau ein, trieb den jungen Herrn Gentis aus
Aachen, der die Leiche des Max nach Fronenbroch bringen sollte, mit
Ohrfeigen aus dem Hause, jagte die Diener und den Fuhrmann vom Hofe,
liess den Sarg in den Vorhof bringen und dort im Regen stehen, und
nahm am 15. Dezember „morgens 9 uhr mit allen solemni täten und
und ceremonien** Besitz von Haus und Herrlichkeit. Er fand das Haus
verfallen und alles in übelem Zustande. Die Einziehenden brachten auch
nichts mit um dem Elende steuern zu können, die Familie befand sich in
trostlosen Verhältnissen. Aus dem Jahre 1690 findet sich eine Ver-
schreibung über 200 Thaler, welche die Witwe Blanche dem Dietrich
Holz in Aachen schuldete, der sie ihr „in ihren höchsten nöthen*' vorge-
streckt hatte. Als Sicherheit war dem Holz das Manngut auf dem Prop-
steier Wald gestellt worden. Ausserdem hatte Holz in den Jahren 1685
bis 1688 für 141 Aachener Gulden Roggen geliefert. Isak Lambert be-
— 111 —
kennt, dass der Herr Georg Ulrich Wenning ihm „für rechnung des ehr-
würdigen consistorii der refprmirten gemeinde von Vaels** fünf Reichsthaler
gegeben habe.
Trotz der Ungunst der Umstände trat von Blanche in die Ehe. Er
heiratete am 22. April 1694 Isabella von Kessel, Tochter Baltasars und
der Margarethe von Broch, Enkelin Johanns und der Agnes von Mylen-
dunck. Isabella hatte noch drei Geschwister: Johann Wilhelm, Anna
Maria, verheiratet mit Bemard Hammes und Elisabeth, welche am
15. Februar 1751 zur Äbtissin von St. Jörisbusch gewählt wurde.
Die Braut war katholisch und im dritten Grade mit Isak Lambert
blutsverwandt, die Ehe demnach ungültig. Am 7. Juli 1695 dispensierte
der Fürstbischof von Lüttich von den Ehehindernissen und erteilte die
Erlaubnis ohne Aufrufe zu contrahieren — unter gewissen Bedingungen,
welche dem Pfarrer mitgeteilt waren. Eine derselben ist jedenfalls die
katholische Kindererziehung gewesen, denn alle Kinder Isak Lamberts,
der selbst ein ziemlich zorniger Kalvinist war, gehörten der katholischen
Religion an. Wahrscheinlich ist damals auch Isaks Schwester Antoinette
zur Kirche zurückgekehrt.
Die jungen Eheleute erfreuten sich nicht lange des ungestörten Be-
sitzes von Schönau. Die älteste Tochter des Max, Elisabeth Margarethe
hatte den Gothard Graft von Mylendunck, brandenburgischen Offizier,
zur Ehe genommen. Im Mai 1696 zog Graft mit einem Haufen Branden-
burger, deren Regiment damals unter dem General von Heiden zum
Schutze der Stadt gegen die Franzosen in Aachen lag, in Schönau ein,
sperrte Isak Lambert mit Mutter, Frau, Schwester und einem Söhnchen
in eine kleine Kammer, führte alles Vieh und Getreide, sämtliche Geräte
und Möbel fort, untersuchte die Gefangenen „bis auf ihre leiberen", stiess
sie dann vor das Thor und blieb bis halben August auf Schönau. Als
von Blanche sich in diesem Monat „mit hülf und beistand etlicher seiner
verwanten, guten freunden und herren" wieder in Besitz setzte, fand er
das Haus „verwüstet, fast zerbrochen und über einen Haufen gerissen",
auch nur mit 2 alten Pferden, 4 schlechten Kühen und 3 Faselschweinen
versehen. Weil er gewarnt worden war, Mylendunck würde ihn abermals
tiberfallen, nahm er einen Pförtner an und hielt anfangs 20, dann 12, zu-
letzt 6 Wächter. Unter letzteren befanden sich ein von Ottegraven, von
Richterich, M. Hammes. Dieser Hammes war ein Verwandter des Bernard,
des Schwagers von Blanche. Bernard äussert sich in einem Briefe aus
Gent höchst erbittert über die Gewaltthat und die Urheberin derselben.
Mit Leid habe er vernommen, so schreibt er, dass die H. . . . von Mylen-
dunck^ auf Schönau gekommen sei, wenn er da wäre, wollte er sie abjagen
und totschlagen sowie alle „die euer edel liebden frau mutter und süster
gallig getraktert" *. Blanche müsse eine andere Manier anfangen, es sei
') Elisabeth Margarethe ist gemeüit.
«) Behandelt.
— 112 —
ja doch kein Eecht mehr auf der Welt. Wenn Blanche ihn ^van dann" '
habe, wolle er sein Leben für ihn lassen; das thue er aber nur um dem
Schwager zu dienen, nicht um „fressen und saufen* wie viele Leute
meinen. Er sei eben von einem achttägigen Streifzuge zurückgekommen,
aber er habe keine Euhe, könne nicht mehr schlafen. — Es war dem
rauhen Kriegsmanne ernst mit seinen Reden; noch viel später rühmt Isak
Lambert bei einer Teilung, dass Schwager Hammes ihm sehr gut sei.
Die „andere Manier" hatte Blanche angewendet, aber die Mylendunck,
welche mit Gewalt nicht durchgedrungen waren, suchten ihrerseits nun
auch auf andere Manier zum Ziele zu gelangen. Sie bestritten das Recht
der Blanche auf Schönau, indem sie die Ehe seines Grossvaters Baltasar
Brauhoff mit der Agnes von Mylendunck angriffen und somit dessen Nach-
kommen als erbunfähige Bastarde darstellten. Der hierüber sich ent-
spinnende Prozess dauerte bis 1720, wo das Endurteil zu gunsten Isak
Lamberts gesprochen wurde. Das kostete dem armen Blanche wiederum
viel Geld, er suchte es sich zu verschaffen so gut es ging auf glimpfliche
und unglimpfliche Weise. 1702 borgte er von Adolf von Ottegraven und
dessen Frau Anna Nestelinx 75 Reichsthaler; 1704 hinderte er die Zehnt-
gänger des Aachener Kapitels an der Erhebung des Zehnten im Schönauer
Felde, wobei er sich der Aeusserung bediente, man müsse es den „mort-
gens^ pfaffen wie dem pastor von Würselen" machen, den die Holländer
nach Mastricht abgeführt hatten und sie ins Gefängnis werfen. Das
Kapitel meinte in seiner Klageschrift an den Kurfürsten, das Vorgehen
und Schimpfen des Blanche entspringe einem „unkatholischen eifer".
1714 befand sich Isak in einer „dispeterliche deilung". Hammes
zahlte damals auf das den Blanche zustehende Drittel vom Hause an die
Kreuzer, das sich auf 750 Pattakons belief, 495 Pattakons^ ab. Das
waren jedoch alles Tropfen auf einen heissen Stein; die Familie befand
sich immer in gedrückten Verhältnissen und häufig in bitterster Not.
Blanche hatte sechs Kinder: vier Söhne und zwei Töchter. Die
Mutter starb 1711, als das jüngste Kind 3 Jahre alt war. Die älteste
Tochter Anna Maria Elisabeth war im Kloster zu Lankwarden erzogen
worden; von dort schreibt sie am 13. Juni 1712: „papa wollet doch so
gütig sein und helfen mir, dass alles mag bekommen, was von nöthen hab,
dan ich bin ietzund ganz resolvirt, den geistlichen stand anzutreten."
Laut Zeugnis der Buschgreven aus demselben Jahr erhielt sie pro dote
eine Belehnung auf dem Höngener Busch „ad sieben hau"; sie legte am
14. Oktober 1714 Profess ab.
Von den beiden jüngsten Kindern sagt Blanche in einem Briefe an
den Freiherrn von Reuschenberg zu Berensberg, er habe durch einen
Expressen vernehmen müssen, dass sein Töchterchen gestorben und sein
Söhnchen Wilhelm sehr krank sei (1714). Wilhelm blieb aber am Leben.
») nötig.
*) mort dien, die bekannte Verwtlnschunj!^.
•) Der Pattakon war etwas mehr als 4 Gulden.
— 113 —
Der älteste Sohn Johann Gottfried studierte 1709 in Aachen. Er
schrieb an den Vater: „Habe auch viele Sachen zum studieren notwendich,
viele bücher so ich am notwendigsten müsse haben. Es mangelt mir auch
an schuh, hossen^ und hemden, durch die schuh hangen mir die zähen,
durch die hossen die verssen u. s. w.*' Gottfried wurde 1717 für gross-
jährig erklärt und ging nach Wetzlar um den Prozess gegen die Mylen-
dunck energischer zu betreiben.
Der zweite Sohn, Adolf Werner, welcher die Schule bei den Patres
in Kempen besuchte, „lief dort so nackig herum, dass eure masseur sich
seiner hat müssen schämen" schreibt Antoiuette an den Johann Gottfried.
Der jüngste Sohn, Gerard Wilhelm, lebte mit der Grossmutter und
der Tante in Aachen. Er „könnte die zweite Schule besuchen, wenn er
Kleider hätte **. Sein Entlassungszeugnis aus der Schule „im Umgang** ^
lautet: „Pax Christi. Memoriale. Dass der söhn des wohledlen herrn de
Blanche vom jähr 1717 und zwar von monat januario bishero bei mich
ensunterschreibenen zur schulle gegangen und von selbiger zeit das schull-
geld annoch hinderständig und bishero unbezahlt verblieben, solches wird
hiermit bescheiniget. Aachen den 20. 7bris ao. 1720. Joannes Holzapfel,
rector scholae in ambitu." Und am Rande: „Monatlich 12 merk.*'
Antoiuette forderte ihren ältesten Neffen auf für seine Brüder zu
sorgen. „Papa helft euch nit, der sorget für nemant als für sigh.** Un-
recht hat die alte Dame ihrem Bruder mit diesem Urteile nicht zugefügt.
Isak Lambert verbrauchte von 1708 — 1712 allein beim Wirte am Hirtz
nicht weniger als 425 Aachener Thaler an Bier und Branntwein. Er Hess
die Getränke teils nach Schönau bringen, teils verzehrte er dieselben in
der Schenke. Dort stand die Rechnung des „gepietenden herrn** an der
Thüre und am Mantelbrett angeschrieben.
1720 liess sich Blanche von Bürgermeister, Schöffen und Rat der
Stadt Aachen bescheinigen, dass er „mit seiner verwitibten frau mutter,
Schwester und mutterlosen kinderen nunmehro vor vielen jähren aus ihrem
haus Schonau ausgesetzet worden und sich also in der statt Aachen mit
hinterlassung aller lebensmitteln retiriren müssen, alwo er sich mit seiner
familie in einem gemietheten hinterbauchen ^ in aller suchen höchster be-
dürftigkeit aufgehalten und in einem so miserabeln stand ist, dass woferne
ihnen die liebe deren mitleidenden freunden oder eine baldige abführung
seiner bei dem allerhöchsten kaiserlichen kammergericht obschwebenden
Sache nicht alsobald zu hülfe komme, er mit den seinigen in kurzer frist
den bettelstab von thür zu thtir zu führen unvermeidlich gezwungen ist**.
Noch im selben Jahre erfolgte der erbetene Spruch gegen die Mylen-
duncker. Die Hoffnung Isaks, dass seine Mutter ihn und ihre Enkel noch
auf Schönau sehen werde, ging in Erfüllung. Aber in welchem Zustande
') Strümpfe.
■) Domschule.
") kleiner Hinterbau.
— 114 —
war das Haus! Ein Gutachten gibt Auskunft. „Am grossen Laienturra
sind acht neue schild höchst nötig, die zwei seitentürrachen haben auch
höchst nötig mit neuen laien in etwa versehen zu werden. Das gebühn^
im türm ist an vielen stellen durchfaulet, baussen dem türm und oben die
saalkammer ist der kandel* zerbrochen, die gebühner ausgefaulet; das
tach oberhalb der saalkammer zu repariren, die andere seit des tachs der
neue bau zu repariren ; das pflasterwerk ^ der obern turnkammer schier all
abgefallen; der gang zum süller oberhalb die saalkammer muss gebühnt
werden; auf der saalkammer sind drei trofen ausgefallen; das pflasterwerk
von der saalkammer in stand zu setzen; . . . das zimmer auf dem neuen
bau, alwo das gepflaster teils los teils abgefallen ist; noch auf dem saal
müssen sein sieben glasvensteren, so der wind hat ausgeworfen, jede 3^2
fuss lang ^/4 breit" u. s. w. Die Werkverständigen schlugen die Kosten
der notwendigsten Reparaturen auf 6366 Gulden oder 707 Reichsthaler an.
Isak Lambert erlebte die Wiederherstellung nicht mehr. Er war
„in kaiserlichen diensten kreuzweis dufch einen fuss geschossen** und da-
her „ziemlich impotent**. In der letzten Woche des Dezember 1722 führte
ihn der Tod in das Land, wo er die Füsse nicht mehr nötig hatte.
b. Johann Gottfried, Werner Adolf, Gerard Wilhelm von
Blanche de Radelo, Herren zu Schönau.
Der bedeutendste aber auch selbstbewussteste * unter den drei Söhnen
Isak Lamberts war der erstgenannte, der auch seine Brüder lange über-
lebte. Jedoch die Geldverlegenheit, welche bei den Besitzern der Herr-
schaft seit geraumer Zeit chronisch geworden war, konnte er trotz aller
Gewandtheit nicht beseitigen. Um Geld zu beschaffen und Schulden zn
bezahlen, wendeten die Brüder zunächst das gewöhnliche Hausmittel an:
sie versetzten Ländereien. 1725 erhielt Leonard Lörs aus Aachen 4
Morgen im Hirtzerfeld wegen einer Schuld von 360 Thaler ad 80 Kölner
Albus ^, welche von versessener Hausmiete, Bier, Kost und vorgestrecktem
Gelde herrührte und von der Frau Grossmutter, dem Vater und der Tante
gemacht war. Im folgenden Jahre erhielt derselbe einen Morgen für 90
Reichsthaler, welche die Brüder zur Fortsetzung ihrer Rechtshändel ver-
wendeten; 1728 zwei Morgen für 150, 1739 fünf Morgen für 450 Reichs-
thaler, wovon 280 Thaler für die Ausrüstung des Gerard Wilhelm ver-
wendet wurden, der in kaiserlichen Kriegsdiensten als Fähnrich angenommen
worden war, während der Rest zur Deckung einer Schuld an geliehenem
Gelde und Verzehr diente. 1759 löste Johann Gottfried das Land ein.
') Dielung.
■) Dachrinne.
*) Phesterwerk.
*) Er liess sich 1720, zur Zeit wo die Familie in grosser Not war, bei dem
Aachener Goldschmied Johan von Hauselt ein Siegel schneiden, das 30 ftulden aix kostete.
*) 80 Kölner Albus sind gleich 54 Aachener Mark ; es handelt sich also um Reichs-
thaler.
— 115 —
1727 nahmen die Blanche von den Erben von Schrick im Morkhoff^
100 Louisdor zu 4^/o auf, wofür sie Schönau und alle ihre Güter als
Unterpfand stellen mussten. Zum Neubau des Hauses liehen sie sodann
1731 durch den Lütticher Advokaten Jamar de Libois von einem Herrn
de Wampe tausend und im folgenden Jahre noch 1500 Thaler unter der
Bedingung, dass die Verschreibungen vor dem Schönauer Gericht auf
Haus und Herrlichkeit eingetragen wurden. Das geschah aber nicht,
wenigstens konnte Jamar keinen Einblick in die Protokollbücher erlangen.
Darüber sprach sich der heissblütige Wallone in der ehrenrührigsten Weise
aus; aber Gottfried liess ihn durch sein Gericht „propter atrocissimas
iniurias** zu einer Ehrenentschädigung sowie zu einer entsprechenden Geld-
strafe verurteilen. Eine Berufung an den Kaiser hatte für Jamar keinen
Erfolg.
Auch Johann Gottfried wendete sich an das Oberhaupt des Reiches
und zwar mit derselben Bitte wie sein Vorfahr Gerard von Schönau. Er
setzte die Rechts- und Gerichtsverhältnisse der Herrschaft auseinander,
wies darauf hin, dass dieselbe erst 1720 seinem Vater wieder zugesprochen
worden sei und ersuchte schliesslich den Kaiser: ihn den Bittsteller „samt
weib, kindern, brüdern, erben, nachkömlingen, anverwanten, dienern, zu-
getanen, hausgesind und brodgenossen mit aller ihrer leib, hab und
güteren, wie auch das immediat haus herrschaft und sonnenlehen Schönau
samt zugehörigen dorfschaften, weilern, höfen, Wohnungen, häusern und so
geist — allodial — als lehengütern, eingesessenen, leheuleuten, larssen,
erbpächteren und fort sämtlichen unterthanen, auch Statthalter, schultheiss,
scheffen, gerichtschreiber, prokuratoren und boten, imgleichen aller hoheit
und herrlichkeit, ober- und niedergerichten, regalien, herren- und lehen-
kammer, Jagdgerechtigkeit, gebot und verbot, geleit, accinsen und weg-
geldern, erbhuldigung, Schätzung, frohnen, wachten und diensten, Privilegien,
freiheiten, benefizien, immunitäten, exemtionen, gewohnheiten, recht und
gerech tigkeiten, renten, erbpfächten, Zinsen und einkommen hinfürter ewig-
lich in dero kaiserlicher und des heiligen römischen reichs sonderbaren
vorspruch, schütz, schirm und protektion und allerhöchst deroselben und
des heiligen reichs adlers salvam guerdiam auf und anzunehmen" auch
ihm, Gottfried von Blanche, zu gestatten, die von Schönau veräusserten
Parzellen, Renten und Erbzinsen gegen Erlegung des empfangenen quanti
an sich zu ziehen und den betreifenden die Appellation von Schönau zu
verbieten.
Zur Wiedererlangung der Parzellen, Renten und Erbziusen bediente
sich Gottfried mit Vorliebe der sogenannten Reduktionsrechnung. Er sah
die alten Verschreibungen sorgfältig nach, berechnete die Einkünfte der
Gläubiger und klagte auf Ersatz alles dessen, was über die reichsgesetz-
lich erlaubten 5 ^/o hinausging. Von den Rechtsnachfolgern eines Gläubigers,
') Der Morkhof-Mohrenkopf lag in der Pontstrasse zu Aachen an der nördlichen
Ecke der jetzigen Friesenstrasse.
— 116 -
dem Baltasar von Mylendunck 1601 einen Erbpacht von 13^2 Fass Roggen
und 5^2 Kapaun für 200 Thaler versetzt hatte, forderte Blanche 1743
nicht weniger als 1552V2 Fass und 632V2 Kapaun als ,,zu viel genossen^
zurück; der Kirche zu Laurensberg rechnete er vor, dass sie ihm 700
Thaler zu erstatten habe und so in zahlreichen Fällen. Wenn er dann
auch diese Summen nicht erhielt, so nahm er doch wenigstens das Land,
die Renten und Erbpächte wieder an sich.
Uebrigens besass dieser Herr von Blanche ein solches Bewusstsein
von seiner Herrlichkeit, dass selbst ein grosser Potentat damit hätte aus-
kommen können. Zunächst gaben ihm die Herren von Heiden, von Bongart
und besonders von Leerode, überreiche Gelegenheit zu Protesten gegen die
„Violation schönauischer Jurisdiktion**. Coomans, den von Leerode zu
seinem Vogteiverwalter ernannt hatte, erliess viele „libellen" gegen- die
Schönauer, worunter Dekrete, Vorladungen und sonstige Schriftstücke des
Heidener Gerichts zu verstehen sind. Johann Gottfried Hess seinerseits
ein Dekret an die Kirche zu Richterich, die er im Selbstgefühle auch
wohl die „Unsere** nennt, anheften worin er solche „libellen" schimpflich
zu verbrennen befiehlt. Das störte aber Coomans nicht; mehrere Jahre
nachher noch meinte Werner Adolf, dessen Insinuationen verdienten, „per
camificem^ verbrannt zu werdend
Die Hahnenkämpfe um die Jurisdiktion zwischen diesen Centimeter-
Landesherren könnten Lachen erregen, wenn nicht die armen Leute so
schwer darunter hätten leiden müssen. In den fünfziger Jahren erhob
Coomans mehrere Schätzungen, die er durch kurfürstliche Soldaten ein-
treiben liess; er belegte die Schönauer mit Einquartierungen, die es stellen-
weise so wüst trieben, dass ein Pächter mit Weib und Kind davon lief
und die Soldaten „wegen begangenen insolentien und exzessen** zu ihrem
Regimente zurückberufen wurden. Und jeder dieser Soldaten durfte von
den Gequälten täglich ein Kopfstück fordern. Hiergegen hatte von Blanche
keine andere Hülfe für seine Leute, als dass er den Kurfürsten bat, er
möge doch seinen Unterherren „die raubungen und spolien in der unmittel-
baren herrschaft Schönau'' verbieten und nicht dulden, dass kurfüi-stliche
Soldaten dazu missbraucht würden; oder dass er beim Kammergerichte
über die „immerwährenden Verfolgungen, thätlichkeiten, ehrenschändungen
wie auch grausamsten Unterdrückungen der unterthanen" vorstellig wurde.
Sonst aber besass von Blanche ein „landesväterliches Herz". Ein
Schönauer führte vor dem Horbacher Gerichte einen Erbschaftsstreit, der
schon 12 Jahre dauerte. Da gebot Johann Gottfried seinem Fiskal ein-
zuschreiten, weil der Kläger als schönauischer Unterthan durch die
Führung des Prozesses vor einem fremden Gerichte die Jurisdiktion des
Herrn violiere, durch den langwierigen Rechtsstreit ausgemergelt werde
und „unser gnädiger landsherr als ein vater seiner unterthanen solcher
*) durch Henkershand.
— 117 —
unVerantwortlichkeit vorgebogen wissen wilP. Wer denkt da nicht an
des ehrlichen Fluellen Aeusserung: ,er gab so brave Worte zu vernehmen,
wie man sie nur an einem Festtage sehen kannP" Die ärgste Ueber-
treibung dieses „landesherrlichen*' Bewusstseins findet sich im Konzepte
eines Briefes, worin von Blanche um die Hand einer kalvinischen Dame
wirbt. Da legt er sich sogar das Recht des berüchtigten Satzes bei:
Wem das Land dem gehört auch die Religion. Man lese: „Outre cela j'ai
l'honneur de vous dire, qu'etant. immediat de l'empire . . . j'ai le droit et
le pouvoir chez moi de faire precher a la volonte de ma future chere
epouse ! "
Und nun zum Schlüsse eine Verhandlung wegen „Majestätsbeleidigung**
vor dem Schönauer Gericht. Der Halbwinner von Mittel-Üersfeld hatte
im Wirtshause am Hirtz in öffentlicher Gesellschaft dem Gerichtsboten
von Schönau zugerufen: „Du bist ein schelm!" und dann „zu öfterenmalen
der herr und das ganze gericht zu Schönau seind Schelmen!" Statt den
Mann mit einigen handgreiflichen Dankbezeugungen für seine Offenherzig-
keit zu entlassen, nahm der Bote zwei Zeugen, verfasste ein Protokoll
und übergab es dem fiskalischen Anwalt zur weiteren Veranlassung.
Der Anwalt lud den Verbrecher zum ersten — andern — drittenmale.
Als derselbe nicht erschien, wurden die Zeugen verhört und die Sache
dem Gerichte überwiesen. Der Anwalt beantragte „condignam poenam" *.
Die Schöffen, welche nicht blos des Herrn sondern auch die eigene Ehre
zu rächen hatten, konnten dem Antrage nicht sofort entsprechen, weil sie
nicht wussten, welche Strafe denn eigentlich einem so schrecklichen Ver-
brechen angemessen sei. So wurden die Akten dem Lizentiaten beider
Rechte Schlebusch als unparteiischem Rechtsgelehrten übergeben und der
orakelte für zwei Reichsthaler folgendermassen. Die Thatsache der höchst
beleidigenden Reden sei festgestellt und nicht zu leugnen; es handle sich
nur um das Strafmass. Da gingen nun die Rechtsgelehrten auseinander.
Die einen erachteten eine poenam incarcerationis cum pane et aqua*,
andere hingegen poenam relegationis ^, auch sogar einige poenam fustiga-
tionis* der meiste Teil aber praeter publicam recantationem * eine poenam
pecuniariam^ für eine entsprechende Strafe. Letztere dürfte auch hier
Platz greifen. „Weilen aber gleichwolen die vom beklagten im öffentlichen
wirtshause ausgegossene injurie derart ist, wodurch nicht blos der obrig-
keitliche respekt und landesherrliche autorität vilipendirt sondern auch
das gemeine Wohlsein hn höchsten grade lädirt wird, folglich dem injurianten
zu dessen bestmöglichster reuiediirung, andern aber zum abschröckenden
exempel eine zweifache strafe zu injungiren steht", so soll derselbe nach
*) eine angemessene Strafe.
*) Gefängnis bei Wasser und Brot.
') Verbannung.
♦) Prügelstrafe.
*) öffentUcher Widerruf.
•) Geldstrafe.
— 118 —
Mävius, Gailius, Oldendorpius u. m. a. ötfeutlichen Widerruf leisten und
25 Goldgulden bezahlen.
Den Umstand, dass Johann Gottfried in Verteidigung der vielberufenen
schönauischen Jurisdiktion sich am 20. Mai 1722 zu einer Gewaltthat
gegen den Heidener Gerichtsboten hinreissen liess, die er selbst zwar als
Notwehr, die Heidener aber und andere Leute als schnöden Mord bezeich-
neten, haben wir schon erzählt. Es scheint, dass man der Darstellung
Johann Gottfrieds Glauben beimass, denn sowohl der Kaiser wie der Kur-
fürst gaben ihm, letzterer im Jahre 1724, das erbetene freie Geleit. Viel
ruhiger ist er durch den Greuel nicht geworden.
Das Kapitel des Aachener Liebfrauenstifts hatte in Richterich das
Gütchen Tönismist angekauft, welches von Schönau lehenrührig sein sollte,
ohne dasselbe am dortigen Lehenhofe zu erheben. Das war wiederum
eine „violation**. Ausserdem behauptete von Blanche, von dem Zehnten
der Schönauer Länderei gehöre dem Kapitel nur der „knopp" \ Stroh und
Kave dagegen seinem Hofe. Als sich die Herren auf seine Ausführungen
nicht einliessen, nahm er ihnen die Zehntgarben nicht blos von seinem
Acker sondern auch von denjenigen Parzellen weg, die von Schönau ver-
äussert, verpfändet oder in Erbpacht gegeben waren. Das Kapitel kenn-
zeichnet in seiner Beschwerdeschrift an den Kaiser die von Blanche
folgendermassen : „Diese verwegene leute, gegen die sich gewalt mit ge-
walt nicht wohl abwehren lasset, weil sie immerhin mit ihren flinten be-
waffnet und mit argen bösen hunden begleitet umhergehen, der eltester
bruder auch vor einigen jähren den gerichtsboten der gülischer unterherr-
schaft Heiden sogar in seiner amtsverrichtung totgeschossen hat, der-
gestalten dass sie von dasigen bauersleuten um so mehr gescheut und ge-
fürchtet werden, als wegen obangeregter erschiessung die wohlverdiente
straf bis dahin ausgeblieben." Daraufhin erliess Karl VI. am 23. Dezember
1732 einen Befehl an die von Blanche, die in den Jahren 1730 — 1732
geraubten Zehntgarben zu erstatten sowie Schaden und Kosten zu vergüten.
Die Ermordung ihres Gerichtsdieners musste die Herren zur Heiden
zu dem Versuche reizen, Johann Gottfried um seine Gerichtsbarkeit zu
bringen, auf die er wie seine Vorfahren sein Vorgehen stützte. Aber der
Prozess, den sie zu diesem Zwecke anstrengten, endete 1751 mit dem
Spruche des Reichskammergerichts, dass der Vertrag von 1523 massgebend
bleiben solle, wobei den Herren von Blanche freigestellt wurde, den da-
mals nicht näher bezeichneten Schönauer Bezirk im Dorfe Richterich ge-
nauer nachzuweisen ^ (Schiuss tbigt.)
0 Das Korn. Eine Behauptung, die auch sonst vorkommt und im Interesse der
Landwirtschaft begründet erscheint.
^) Vgl. Hansen, Zeitschrift des Aachener Geschieh ts-Vereins VI, S. 91.
— 119 —
Der Maler Johann Adam Eberle.
Von J. Fey.
Der Maler Johann Adam Eberle wurde in Aachen zur Zeit der Fremd-
herrschaft am 27. März 1804 (6. Germinal XU) geboren ^ Der Familien-
name, jetzt hier erloschen, klingt süddeutsch, kam aber in der ersten
Hälfte dieses Jahrhunderts auch sonst in Aachen vor. Als Eltern nennt
die Geburtsurkunde den Messerschmied Philipp Eberle und dessen Ehe-
frau Elisabeth Franzin. Die elterliche Wohnung befand sich rue de Bor-
cette, also in der heutigen Kleinmarschierstrasse oder in der Franzstrasse *.
Schon in früher Jugend zog Eberle mit seinem Vater nach Düsseldorf.
Nagler^ teilt anderen Angaben gegenüber mit, dass Eberle hier nicht zu-
nächst das Gewerbe seines Vaters betrieben habe, sondern weil der Hang
zur Malerei in ihm immer mehr gewachsen, noch vor Cornelius Ankunft
in Düsseldorf von seinem Vater auf die dortige Akademie gebracht worden sei.
Di^ Düsseldorfer Akademie bedurfte damals dringend einer Reform,
und mit ihrer Neu-Organisation war bereits seit dem 1. Oktober 1819
Peter Cornelius beauftragt, der jeSoch durch seine Arbeiten in München
festgehalten wurde und erst im Oktober 1821 nach Düsseldorf kam. Durch
sein Wort und Vorbild begeistert, schloss sich ihm hier sofort eine kleine
Schar von Kunstjüngern an, mit dem Meister fast nur eine Familie bildend.
Unter ihnen befand sich auch Eberle, der, seinem Meister mit inniger
Verehrung ergeben, sich bald als einer der Begabtesten und Tüchtigsten
von ihnen erwies. Aus dieser Zeit stammt sein erstes Gemälde, eine „schön
componirte*** Grablegung Christi, worin sich ein ernstes, tiefes Gemüt und
ein reiches künstlerisches Talent offenbartet
Cornelius verbrachte den Sommer 1822 und 1823 in München. In
den dazwischen liegenden Wintern verweilte er in Düsseldorf, wo das
frühere gemütliche Verhältnis zwischen Meister und Schülern seine Fort-
setzung fand. In dieser Zeit malte Eberle für eine Kirche in Westfalen
ein Altarbild, die hl. Helena mit zwei Passionsengeln ^. Abends wurde
unter des Meisters Leitung nach dem Akt (dem nackten Modell) gezeichnet,
übrigens waren die Verhältnisse der Schüler des Cornelius nicht eben
glänzende. Manchmal hatten die edlen Kunstjünger bei einer Arbeit nur
Wasser und Butterbrod, aber doch waren sie zufrieden und glücklich^.
*) Das Geburtsdatum ist hier zum erstenmale nach der offiziellen Geburtsurkunde
richtig gestellt.
*) Als Zeugen sind in der Geburtsurkunde aufgeführt: Christoph Jansen, Tuch-
fabrikarbeiter, Gerhard Noppeney, ohne Gewerbe. Beide wohnten ebenfalls rue de Borcettc
und waren vermutlich Nachbaren, was zur Ermittelung des Geburtshauses dienen mag.
') Neues allgemeines Künstler-Lexikon Bd. IV, S. 63.
*) Urteil Ton Pecht, Allgemeine deutsche Biographie Bd. V, S. 573.
*) Nag 1er a. a. 0.
•) Förster, Peter von Cornelius. Ein Gedenkbuch. Berlin 1874, Bd. I, S. 296
und Nagle r a. a. 0.
^) Historisch-politische Blätter Bd. LX, S. 19.
— 120 —
Cornelius fülilte bald die Unmöglichkeit, der Düsseldorfer Akademie
vorzustehen und gleichzeitig seine grossartigen Unternehmungen in München
zu einem glücklichen Ende zu führen. Er legte daher mit Ablauf des
Winterseraesters 1824/25 sein Düsseldorfer Amt nieder und siedelte im
Laufe des Sommers 1825 mit seinen besten Schülern endgültig nach
München über, wo er zugleich das gerade damals erledigte wichtige Amt
des Direktors der Kunstakademie erhielt.
Auch Eberle war mit nach München gezogen und half seinem Meister
zunächst an den Arbeiten in der Glyptothek, wo er nach den Kartons
desselben malte. Bald fand er aber auch durch Cornelius Gelegenheit zu
selbständigem Schaffen.
Cornelius war stets bereit, seinen Schülern mit Rat und That zu
helfen; bei vielen von ihnen vertrat er, wie Eberle das immer von seinem
Verhältnis zu ihm sagte, die Stelle des sorgenden Vaters ^ Als solchen
bewährte er sich auch jetzt im Bestreben, seinen Schülern Aufträge zu
verschaffen. König Ludwig kam ihm hierbei bereitwillig entgegen.
„An der Westseite des königlichen Hofgartens war ein neues Gebäude
(der Bazar) aufgeführt und durch einen halboffenen Bogengang mit der
königlichen Residenz in Verbindung gebracht worden. Fortgeführt um
zwei Seiten des königlichen Hofgartens bildeten diese Arkaden einen öffent-
lichen Spaziergang, wie er sich ganz besonders für einen dem öffentlichen
Leben gewidmeten Kunstschmuck eignete. Für die der königlichen Resi-
denz nächsten Arkaden wurden von Cornelius Bilder aus der bayerischen
Geschichte dem König vorgeschlagen, was dieser genehmigtet" Es ent-
standen so neben einer Reihe allegorischer Darstellungen von Regeuten-
tugenden sechzehn grosse historische Freskogemälde, deren eines, die
Erhebung des Herzogs Maximilians I. zum Kurfürsten (25. Februar 1623),
von Eberle entworfen und ausgeführt ist. Dieses Bild gilt als eines der
besten unter den Freskogemälden in den Arkaden ^
Noch vorher vollendete Eberle im Sommer 1827 ein anderes Fresko-
gemälde. Cornelius hatte für seine Schule die Ausschmückung der Decke
des Odeousaales übernommen und mit der Ausführung der drei anzubringenden
Kolossalgemälde (Apollo und die Musen, Apollo unter den Hirten, das
Urteil des Midas) seine Schüler Wilhelm Kaulbach, Eberle und Hermann
Anschütz beauftragt. Eberle hat das zweite dieser Bilder geschaffen.
Die Arbeit war keine leichte. Abgesehen von den grossen Schwierigkeiten,
welche das Bemalen einer Decke mit sich bringt, lag dem Könige die
rasche Beendigung der Arbeit mehr am Herzen, als es die Künstler
wünschen konnten. Häufig erstieg der König die hohen Gerüste im Odeon,
um den Fortgang der begonnenen Werke zu betrachten; auf alle Fälle
>) Historisch-pohtisehe Blätter Bd. LX, S. 43.
*) Förster a. a. 0. S. 393.
^) Die üg^ renreiche Komposition ist abgebildet bei Raczynski, Geschichte der
neueren Deutschen Kunst, Deutsche Ausgabe Bd. n, S. 224.
— 121 —
wollte er den Saal für den Winter in Benutzung nehmen und erklärte
schliesslich, trotzdem Cornelius dringend vor Überstürzung warnte, die
Fresken, wie leid es ihm auch wäre, abschlagen zu lassen, wenn sie
nicht vollendet werden könnten ^ Mit Anstrengung aller Kräfte und unter
dem Beistande von Freunden und Genossen gelang es dann, dem Wunsche
des Königs vollkommen Genüge zu leisten*.
Kaczynski zieht das von Eberle im Odeon gemalte Bild dem daselbst
befindlichen Kaulbachschen Gemälde vor, ohne indessen beide Bilder als
Massstab für das Talent ihrer Schöpfer gelten zu lassend
Zwischen den Tagen angestrengter Arbeit waren unsern Künstlern
Stunden der Erholung und heiterer Lust wohl zu gönnen. So feierten
die Müuchener Akademiker am 3. September 1827 zur Bewillkommnung
der neuangestellten Professoren Schnorr und Hess in Ebenhausen a. d. Isar
ein ländliches Fest. In einem bei diesem Feste gesungenen Liede „Zum
blauen Montag" heisst es unter Anspielung auf die Arbeiten in den Arkaden,
im Odeon und in der Glyptothek:
Ein Freskoleben führen wir
Auch ohne Kalk und Mauer.
In Ebenhausen malen wir
Den blauen Montag blauer!
Fern harrt Apoll und Witteisbach,
Sehnsüchtig sehn die Musen nach,
ülyss' steht auf der Lauer ^.
Ein Fest von höchster Bedeutung brachte das kommende Frühjahr.
Am 6. April 1828, dem 300jährigen Todestage Albrecht Dürers, sollte in
Nürnberg der Grundstein zu dessen Denkmal feierlich gelegt werden. Mit
Cornelius Einwilligung erging von seinen Schülern ein öffentlicher Aufruf
an alle deutschen Künstler, das Fest in Nürnberg zu einem allgemeinen
deutschen Künstlerfest zu gestalten. Der Aufruf hatte Erfolg, und von
allen Seiten strömten die deutschen Künstler nach Nürnberg. Die münchener
Künstler entschlossen sich, zur Verherrlichung des Tages in einer Reihe
von Transparentbildern das Leben Albrecht Dürers zu schildern und zu dem
Ende acht Tage vor dem Feste nach Nürnberg zu kommen. Von diesen
Transparentbildern, sieben an der Zahl, welche in den Spitzbogenfenstern
an der Ostseite des alten Rathaussaales angebracht wurden, malte Eberle
das mittelste. Das Bild stellte, und zwar auf Grund einer Anregung von
Cornelius, welcher auch Raphael bei dem Feste nicht unberücksichtigt
lassen wollte, Albrecht Dürer und Raphael voi*, die sich vor dem Throne
der Kunst die Hand reichen. Hinter Dürer war Kaiser Maximilian,
») Brief an Cornelius vom 30. Juni 1827 bei Förster a. a. 0. S. 398.
«) Daselbst S. 397 ff.
») a. a. 0. S. 224.
*) Förster a. a. 0. S. 391.
— 122 —
Luther, Pirkheiiner und Wohlgemuth, hinter Raphael die Päpste Julius IL
und Leo X., Bramante und Perugino darstellt.
Das Fest verlief in gleich erhebender wie gemütlicher Weise, mit
ernsten Mahnungen und heiteren Wendungen, auch mit EntSchliessungen
zu fernerem Zusammenwirken. Am 10. April — als freilich schon manche
Festgäste, so auch Cornelius, abgereist waren — fand unter dem Vorsitz
von J. D. Passavant eine Versammlung statt, in welcher die Gründung
eines x\llgemeinen deutschen Künstlervereins beraten und beschlossen wurde.
Eberle nahm an dieser Versammlung teil; die Statuten unterschrieb er:
„Ad. Eberle aus Düsseldorf, Maler in München" ^
Im August 1827 machte Eberle die Bekanntschaft seines zwei Monate
älteren, nachmals berühmt gewordenen Kunstgenossen Moritz von Schwind,
welcher aus Wien auf zehn oder zwölf Tage nach München gekommen
war, um die Arbeiten des Cornelius zu besichtigen. Am 27. August war
von Schwind bei Cornelius zum Abendessen eingeladen. „Abends um
8 Uhr*' erzählt von Schwind in einem Briefe an seinen Freund Franz von
Schober „ging ich hin. Er selbst war noch nicht zu Haus. Eberle aber, sein
Schüler, führte mich zu seiner Frau, wo Schnorr, der den Tag vorher
angekommen war, Heinrich Hess, Cornelius Schwester und zwey kleine
Töchter sassen" Nach dem Essen wurden dann verschiedene
Gesundheiten „lebhaft getrunken, ausserdem musste ich mit Eberle Bruder-
schaft trinken, so dass ich einen Schwips hatte und sehr lustig war*'^
Ein fernerer intimer Verkehr zwischen den beiden Malern scheint
trotzdem, auch nachdem von Schwind im Herbst 1828 nach München über-
gesiedelt war, nicht stattgefunden zu haben.
Während des Aufenthalts in München graphierte Eberle auch neun
Umrisszeichnungen in Stein nach den von Cornelius entworfenen und teil-
weise in Deckfarben ausgeführten Zeichnungen zu den (nicht ausgeführten)
Dante-Fresken für die Villa Massimi in Rom. Diese Lithographien zu
Dantes Paradies erschienen 1831 bei Börner in Leipzig mit scharfsinnigen
theologisch-historischen Erklärungen von J. J. J. Döllinger^
Im Sommer 1829 erkaltete das Verhältnis zwischen Cornelius und
König Ludwig. Die von Cornelius gebildete Schule löste sich auf, und
jeder Schüler schlug seinen eigenen Weg ein. Wie auch andere von Cornelius
Schülern wandte Eberle sich nach Rom — er sollte in der ewigen Stadt
ein frühes Grab finden. Die Abreise von München erfolgte wahrscheinlich
am 5. September 1829. Mit Eberle reisten Frau Cornelius und ihre jüngste
Tochter Maria, deren Schutz Cornelius seinem von ihm innig geliebten
Schüler anvertraut hatte; zur Reisegesellschaft gehörte auch die mit der
Familie Cornelius sowohl als mit Eberle befreundete Malerin Emilie Linder
») über das Vorstehende siehe Förster a. a. 0. S. 404 ff., 489 f.
») H. Holland, Moritz von Schwind S. 33 f., 39.
^) Zwei dieser ümrisszeichnungen bei Eaczynski a. a. 0. S. 170 und 171. Die
Corneliusschen Originale erwarb König Johann von Sachsen.
— 123 —
ans Basel. Die ßeise ging über Venedig, Florenz und Assisi^ In Rom
schloss Eberle sich an Overbeck an. Zunächst beschäftigte er sich nun
mit dem Karton zu der dem Leben Michelangelos gewidmeten Loge in der
Münchener Pinakothek, wozu Cornelius die Zeichnung geliefert hatte. Bei
dieser Arbeit kam eine Eberle schon seit langem drückende Schweimut,
der Schmerz darüber, dass das Hervorgebrachte so wenig mit dem Gewollten
übereinstimmen wollte, zum Ausbruch. Unzufrieden mit dem Geleisteten
zerstörte er oft die Arbeit vieler Wochen, damit aber auch sich selbst ^
Aber auch ein anderer schlimmer Gast hielt Einkehr bei unserem
Künstler, die Not. Eberles Verhältnisse scheinen nie besonders glänzende
gewesen zu sein — in Rom wäre die Lage eine verzweifelte geworden,
hätte nicht seine Reisegefährtin Emilie Linder, eine reiche Patriziertochter,
helfend eingegriflfen.
Emilie Linder^ war eine jener edlen Frauengestalten, deren Nähe
schon beglückend wirkt. Von hoher Bildung, ausgestattet mit reichen
künstlerischen Anlagen, besass sie einen edlen uneigennützigen Charakter,
ein Gemüt von seltener Reinheit und Innigkeit. Auch auf sie hätte man
die Worte einer deutschen Dichterin anwenden können:
Und wer sie mag gewahren,
Dem ist ein Glücke nah;
Schon ist ihm widerfahren
Ein Glück, weil er sie sah.
Als sie nach zweijährigem Aufenthalte im Juli 1831 Rom verliess,
ward ihr Scheiden von den deutschen Künstlern schwer empfunden. Der
alte Maler Koch Hess ihr durch Eberle schreiben, wie sehr er bedauere
„die Winterabende nicht wieder wie früher bei ihr zubringen zu können**.
Ein gesegnetes Andenken hinterliess die Künstlerin aber in der deutschen
Künstlerkolonie dadurch, dass sie jüngere Talente unterstützte und durch
Aufträge ermutigte. Auch Eberle kam sie auf solche Weise zu Hülfe, und
man darf wohl sagen, dass durch ihre Güte auf seine letzten Lebensjahre
ein letzter Sonnenschein gefallen ist. Die Briefe, die sie von dem Früh-
vollendeten aufbewahrte — teils während ihrer Anwesenheit in Rom, teils
nach ihrer Abreise aus Italien an sie gerichtet — geben darüber reich-
lichen Aufschluss. Kaum hatte Fräulein Linder Eberles Lage kennen
gelernt, so bestellte sie bei ihm ein Ölgemälde, und voll Rührung
dankte er der freundlichen Dame für „das Vertrauen, das sie einem
Namenlosen durch den ehrenvollen Auftrag** geschenkt habe. Später
erwarb sie auch mehrere Zeichnungen von Eberle gleich dem bestellten
0 Über das Vorstehende Förster a. a. 0. Bd. II, S. 5 und 43.
*) Nagler a. a. 0.
') Über Emilie Linder siehe die beiden Artikel Historisch -politische Blätter
Bd. LIX, S. 718 ff. und 836 flf. Diesen Artikeln ist das Nachstehende teilweise wörtlich
entnommen.
— 124 —
Ölgemälde^ fast ausschliesslich religiöse Gegenstände, darunter auch die
von ihm besonders hochgehaltene und auf ihre Veranlassung in Kupfer
gestochene Zeichnung: Petrus und Paulus auf der Fahrt nach Rom.
Als ihr Eberle diese und eine andere dem alten Testamente entnommene
Zeichnung als „Ertrag seiner Muse seit ihrer Abreise" nach Basel zu-
sandte, begleitete er die Sendung mit den Worten: „Was mich hauptsächlich
zu diesen Gegenständen hinzieht, ist die gesunde Sprache, die ich bemüht
bin in meine Kunst zu übertragen. Deshalb sehen Sie diese Arbeit bloss
als Studium an, die ich für meinen Geschmack noth wendig halte; was
daran noch fehlt, weiss ich sehr gut, ohne aber dem Mangel abhelfen zu
können. Nehmen Sie es deshalb wie es ist, ganz schlecht ist es nicht
und ist in sehr trüber Zeit entstanden und hängt manche Thräne dran,
die wie eine Ader edlen Metalls siebenmal bewährt im irdenen Tiegel
durchhinfliesst. Auch hab ich schon hier einigen Trost, dass ich nicht
ganz vergeblich gearbeitet habe, in dem Urtheil Overbecks, der sie bei
Bunsen sah, was mich nicht wenig freute." Ihre freigebige Fürsorge hörte
nicht auf, ihn der drückendsten Sorgen zu entheben, und Eberle ergeht
sich in Worten voll Dankbarkeit für die fortlaufenden Beweise ihrer Güte,
noch mehr aber für die zarte Weise und die aufrichtigen Worte, womit
sie das alles that.
Auch auf seine religiöse Gesinnung scheint ihr persönlicher Umgang
zu Eom wohlthuend gewirkt zu haben. Die Neigung für mystische Schriften,
die sie durch Baader angeregt in jener Periode nährte, gewann auch bei
ihm Boden, und als kurz nach ihrer Abreise Ernst von Lasaulx nach Eom
kam, freute dies Eberle besonders auch deshalb, weil er mit diesem die
liebgewordene gemüterhebende Beschäftigung wieder fortpflegen konnte.
Er schrieb ihr darüber am 25. September 1831 nach Basel: „Ein alter
Jugendfreund und Landsmann von mir, E. Lasaulx, ist jetzt mein beinahe
ausschliesslicher und täglicher Umgang ... Er wird wohl den Winter
hier zubringen und meine Wohnung mit mir theilen. Er ist, wie Sie
wissen, ein eifriger Anhänger des Schelling und mit der neuern Philosophie,
und was für mich noch mehr Werth hat, mit der Mystik des Mittelalters
sehr vertraut; ich freue mich einigen Ersatz Ihrer Gesellschaft an ihm
gefunden zu haben, wenn ich auch nicht die Hoffnungen, die er auf die
neuere Philosophie setzt, theilen kann ; wenn mich auch die Bekanntschaft
mit derselbigen über manches Vorurtheil aufklärt, so finde ich mich doch
nur mehr und mehr zu dem Einen was Noth ist hingezogen, in der festen
Überzeugung dass nur an der alleinigen Lebensquelle Jesus Christus unser
Durst gestillt werden kann." Über seinen Freund fügt er indess gleich
hinzu: „Lasaulx hat übrigens eine sehr tüchtige christliche Unterlage,
und wenn einmal sein Können mit seinem Wollen und sein Wollen mit
*) Dieses Ölgemälde, von welchem auch Förster (a. a. 0. Bd. II, S. 46) berichtet,
scheint nicht über die ersten Anfänge hinausgekommen zu sein.
— 125 —
seinem Können Hand in Hand geht, dürfen wir gewiss etwas sehr Tüchtiges
von ihm erwarten.**
Lasaulx war es dann auch, welcher der gemeinsamen Freundin die
Trauerpost von dem unerwarteten Hinscheiden Eberles nach Deutschland
berichtete. Eberles Plan war gewesen, noch ein Jahr in Rom zu ver-
bringen, dann wieder nach München und unter die Fittige seines Meisters
Cornelius zurückzukehren und seiner Kunstwanderfahrt ein Ziel zu setzen.
So schrieb er noch selber in einem Briefe vom 7. März 1832 ^ Aber
schon einen Monat später hatte er seine irdische Pilgerfahrt vollendet.
Er erlag einem Magenleiden. Fräulein Linder hatte den Kranken kurz
zuvor noch durch die Zusendung eines Vorschusses erfreut. Unter dem
24. April 1832 meldete nun Lasaulx aus Rom: „Unser Freund Adam Eberle
genas am 15. April* Nachmittags fünf Uhr nach hartem Todeskampf von
der Krankheit dieses Lebens; Charfreitag Morgens haben wir ihn heim-
getragen . . . Drei Tage vor seinem Tode ward ihm noch die grosse
Freude, Ihren letzten Brief und was Ihre Liebe diesem Brief beigelegt,
zu erhalten. Er war Einer der wenigen, die ihre Seele reingewaschen
im Blute des Lammes, welches von der Welt Anfang geopfert worden . . .
Die Lamentationen und das Miserere der göttlichen alten Meister Palestrina
und AUegri, welche Sie unsern Freund gebeten für Sie mitzuhören —
habe ich für Sie beide mitgehört.**
So ruht auch dieser deutsche Maler fern von Vaterstadt und Vater-
land im ewigen Rom auf dem Kirchhof an der Pyramide des Cestius. Unge-
schwächt aber lebte sein Andenken fort in der Erinnerung seiner Freunde.
Hier ist zunächst Eberles Meister Peter von Cornelius zu nennen.
Raczynski, mit Cornelius wohl bekannt, teilt mit, dass dieser Eberle für
einen seiner besten Schüler gehalten und besondere Vorliebe und Sorgfalt
für ihn gehabt habe^ Förster, Eberles Mitschüler bei Cornelius und des
letzteren vertrauter Freund, berichtet wie das Jahr 1832 für Cornelius
sowohl durch den Tod seiner ältesten Tochter, als auch durch das Hin-
scheiden Eberles, der einer seiner liebsten und begabtesten Schüler gewesen,
ein Trauerjahr geworden sei *. Wie sehr aber Cornelius die künstlerische
Begabung Eberles schätzte, zeigt eine Stelle aus einem ein Jahr nach
dessen Tod an König Ludwig gerichteten Briefe, in welchem er diesem
einen jungen Künstler empfahl. „Euer Majestät" schrieb er, „erziehen
jetzt, da er noch jung, genügsam und empfänglich ist, mit wenig Aufwand
von Mitteln einen so bedeutenden Künstler, der sich einst an Kaulbach,
Eberle etc. wird anschliessen dürfen** *.
0 Kurz vorher am 12. Februar 1832 schrieb Cornelius an Emilie Linder: „Von
Kom haben wir fi;ute Nachrichten". Förster a. a. 0. Bd. II, S. 70.
') Hiernach ist die Zeitangabe bei Förster a. a. 0. S. 76 zu berichtigen.
«) a. a. 0. S. 222.
*) a. a. 0. Bd. H, S. 76 f.
») Brief vom 24. April 1883 bei Förster a. a. 0. S. 89.
— 126 —
über das Verhältnis Kaulbachs zu Eberle äussert Raczynski sich
ausführlicher: „Das Andenken Eberles ist auch für Kaulbach ein Gegen-
stand der Verehrung. Dieser ehrenvoll bekannte junge Mann lebte mit
Kaulbach in naher Freundschaft. Beide waren zu gleicher Zeit Cornelius
Schüler gewesen, beide folgten ihm nach München, und der Austausch der
Gedanken und Ratschläge, der zwischen ihnen Statt fand, hat nicht wenig
zur Entwickelung von Kaulbachs Talent beigetragen. Eberles Werke
erregen fortwährend seine Bewunderung und seine Lobsprüche, und der
Tod dieses bedeutenden jungen Mannes ist für ihn ein steter Gegenstand
der Trauert"
Auch Lasaulx hat seinem Jugendfreunde ein immerwährendes Angedenken
bewahrt. Als er im Jahre 1859 fast am Ende seines Lebens seiner Freundin
Emilie Linder sein letztes grösseres Werk „Philosophie der schönen
Künste" widmete, „die gedankenvolle Arbeit vieler Jahre und ein stilistisches
Meisterwerk" ^ unterliess er es nicht in der Zueignung auch des gemein-
samen Freundes Eberle zu gedenken. „Dass ich gerade Ihnen das Buch
zueigne", schreibt er, „werden Sie bei einiger Selbsterforschung natürlich
finden. Ich begegnete Ihnen zum erstenmale vor dreissig Jahren in
München, in einem schönen Kreise befreundeter Männer und Frauen . . .
Der Tod unseres frühreifen Freundes Adam Eberle veranlasste mich dann
Ihnen brieflich näher zu treten; und seitdem waren Sie mir und meiner
Frau und Tochter in frohen und trüben Tagen eine so liebe und wahre
Freundin, dass es mir ein Bedürfniss ist, Ihnen meine Dankbarkeit auch
dadurch zu bezeugen, dass ich gerade dieses Buch dessen Inhalt Ihren
eigenen Studien so nahe liegt, und bei dessen Ausarbeitung ich Ihrer und
unserer andern Freunde, der lebenden und der todten oft gedachte, am
liebsten Ihnen darbringe'."
Eberles (Selbst- ?) Bildnis ist in Raczynskis Geschichte der neueren
deutschen Kunst enthalten*. Es zeigt einen jungen Mann zu Anfang
der zwanziger Jahre, von edlen ernsten Zügen, mit schwachem Bart-
wuchs. Auf den glatten, dichten und lang bis auf den Hals fallenden
Haaren sitzt ein Künstlerbarett.
Über die künstlerische Bedeutung Eberles urteilt ein bekannter Kri-
tiker, der Maler und Kunsthistoriker Fried. Pecht^ dass die Freskogemälde
bei manchen Schönheiten der Komposition wegen der bunten und haltungs-
losen Malerei nicht zu Geltung kommen, dass aber die Kartons und die
mit der Feder gezeichneten Kompositionen als wirklich wertvolle Arbeiten
zu achten sind, welche mit Recht grosse Erwartungen erregten, die
Eberle jedoch bei dem Mangel jeder Technik im Malen und wegen seiner
0 a. a. 0. S. 276 f.
3) Historisch-poUtische Blätter Bd. LIX, S. 739.
') Philosophie der schönen Künste S. 4.
*) Bd. n, S. 223.
*) Allgemeine deutsche Biographie Bd. V, S. 573.
— 12? —
vollkommenen Unkenntnis der Gesetze des Kolorits nie zu erfüllen im
Stande war.
Dass Eberle diese Mängel nur zu sehr selbst empfand, wurde bereits
im Verlaufe der Darstellung angedeutet. Immerhin bleibt bei der Beurteilung
der Eberleschen Fresken zu berücksichtigen, dass es sich um die Arbeiten
eines Dreiundzwanzigjährigen handelt, dann auch, dass seine Mängel der
Schule im allgemeinen anhafteten, welche über Komposition und Form-
gebung das Kolorit oft allzusehr vernachlässigte.
Die von Eberle geschaflFenen Gemälde sind im Vorstehenden aufgeführt
worden. Ihr Verbleib liess sich, soweit sie nicht in Monumentalmalereien
bestehen, nicht ermitteln. Von Eberles Zeichnungen sind sieben durch
Emilie Linder dem Museum ihrer Vaterstadt Basel vermacht worden. Es
sind dies^ folgende Blätter:
1. Landschaft. Links grosse Baumgruppe mit Ausblick auf eine
Kuppelkirche; rechts junger Mann in italienischer Tracht, der ein Eselchen
führt, auf welchem eine Frau und ein nacktes Kind sitzen; zu äusserst
rechts ein junges Mädchen mit einem Korb auf dem Kopf. (Bisterzeichnung;
einzelne Partien erst mit Bleistift angelegt. Jugendarbeit. Von Fräulein
Linder bezeichnet: „Eberle".)
2. Job von seinen Freunden verspottet. (Pause in Bleistift.)
3. Derselbe Gegenstand; Komposition reicher. Oben Gott Vater; zur
Linken der Satan entfliehend ; rechts Engel. (Flotte Bleistiftskizze, bezeichnet
unten links „Ad. Eberle".)
4. Das trauernde Jerusalem. Grosse nicht ganz vollendete Kompo-
sition. (Bleistiftzeichnung, rechte Seite nicht ausgeführt. Bezeichnet:
„Das traurende (sie) Jerusalem — Eberle". Im Bilderatlas zu Raczynskis
Geschichte der neueren deutschen Kunst befindet sich eine Lithographie
dieser Zeichnung von Strixner.)
5. Jesus beruft zwei Jünger. (Sorgfältig ausgeführte Kreidezeichnung.)
6. Die trauernden Juden an den Wassern zu Babylon. Grosse Kompo-
sition. (Kreidezeichnung. Bezeichnet „Eberle". Abgebildet bei Förster,
Denkmale deutscher Kunst*.)
7. Petrus und Paulus auf der Fahrt nach Rom. Die Apostel sitzen
nebeneinander in der Mitte einer dem Ufer zufahrenden Barke. Ein Engel
(der Glaube), welcher den kreuzförmigen Mast umfasst hält, steuert das
Schifflein; ein zweiter am Schnabel sitzender Engel spielt auf der Harfe.
Vorauf schwebt ein Engel, der einen Schild und eine Posaune trägt, über
deren SchallöflFnung ein Stern strahlt — wohl ein Hinweis auf den Glaubens-
mut der Apostel, die im BegriflFe sind, den Heiden das Licht des Evangeliums
*) Nach einer gefälligen Mitteilung des Herrn Konservators Dr. Daniel Burckhardt
in Basel.
*) Der bei Raczynski befindliche Hinweis auf das den gleichen Gegenstand
behandelnde Gemälde Bendemanns im Kölner Museum wurde durch Cornelius veranlasst.
Siehe Riegel, Peter Cornelius, Berlin 1888, S. 335—386.
— 128 —
zu verkünden. Ein dem Nachen folgender Engel mit umgekehrtem Kreuz
und gezücktem Schwert deutet den den Aposteln bevorstehenden Marter-
tod an. Auf dem gebirgigen Ufer ein antiker Tempel. (Sorgsam levirte
Bisterzeichnung, bezeichnet unten rechts: „Eberle". Abgebildet bei Raczynski
a. a. 0. S. 226.)
Die unter 2, 5 und 6 aufgeführten Zeichnungen sind im Saal neuerer
Handzeichnungen ausgestellt und tragen die Nummern 57, 56 und 55.
Vereins angelegenheiten.
Bericht über das Vereinsjahr 1895—1896.
Auch in dem abgelaufeüeu Jahre ist der Verein wieder redlich bemüht gewesen,
der Aufgabe, die er sich bei seiner Gründung gesteUt, nach allen Seiten hin gerecht zu
werden. Zu dem Ende hat er einerseits eine Reihe von wissenschaftUchen Sitzungen und
Ausflügen veranstaltet und anderseits den neunten Jahrgang der Vereinszeitschrift heraus-
gegeben, welcher eine reiche FüUe lokalgeschichtlichen Stoffes in grossem Abhandlungen
und kleinern Mitteilungen den Mitgliedern bietet. Der erste Ausflug, am 4. August 1896,
hatte zum Zielpunkt die im Geulthale gelegene mittelalterliche, heute in arg zerfallenem
Zustande befindliche Burg Schimper. Da die Besichtigung derselben nicht die ganze für den
Ausflug in Aussicht genommene -Zeit in Anspruch nahm, so konnte noch eine lohnende
Pusswanderung nach dem drei Viertel Standen entfernten Altenberg unternommen werden.
In der Gartenveranda des Altenberger Casino hielt Herr Pfarrer Schnock einen längeren
Vortrag über das neutrale Gebiet von Moresnet.